JudikaturJustiz13Os139/17s

13Os139/17s – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen George S***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 25. Juli 2017, GZ 22 Hv 41/15t 172, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Hubmer, des Angeklagten und dessen Verteidigers Dr. Wiesinger zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde George S***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (II), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (III) und mehrerer Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB (IV) und § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB (V) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) am 1. September 2013 in L***** mit der am 27. Dezember 2010 geborenen, sohin unmündigen Joana L***** den Beischlaf unternommen, indem er seinen erigierten Penis in ihre Scheide einführte und

(II) dadurch mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen;

(III) am 17. August 2013 in Z***** (Rumänien) außer dem Fall des § 206 StGB an der am 13. Oktober 2009 geborenen Mara Georgiana La*****, sohin an einer unmündigen Person, eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem „er ihre Scheide mit seinem erigierten Penis (zumindest) berührte und auf ihre Schenkel ejakulierte“;

(IV) am 18. Juni 2013, 17. August 2013 und 1. September 2013 in L***** und Z***** durch Anfertigung von im Urteil bezeichneten Fotos pornografische Darstellungen minderjährigen Personen hergestellt und

(V) diese in L***** bis zur Hausdurchsuchung am 17. Dezember 2014 durch Abspeicherung auf elektronischen Medien besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 1, 3, 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Die Besetzungsrüge (Z 1) entwickelt ihre Argumentation der Ausgeschlossenheit der Vorsitzenden und des beisitzenden Richters im Sinn des § 43 Abs 1 Z 3 StPO aus der Prämisse, dass diese schon im Verfahren AZ 22 Hv 16/15a des Landesgerichts Linz „die im gegenständlichen Verfahren (GZ 22 Hv 41/15t) vorliegenden Beweisergebnisse“ gewürdigt hätten. Welche Verfahrensergebnisse damit angesprochen werden, obgleich die Beschwerde einen Verstoß gegen das durch § 17 Abs 1 StPO und Art 4 7. ZPMRK normierte Verbot wiederholter Strafverfolgung („ne bis in idem“) nicht behauptet, bleibt im Dunklen. Dass die gesetzeskonforme Erfüllung von Dienstpflichten, wie die Verurteilung des Angeklagten in einer anderen Strafsache, per se nicht geeignet ist, die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit eines Richters in Zweifel zu setzen (RIS-Justiz

RS0097017, RS0096914 [T32]; Lässig , WK-StPO § 43 Rz 12 ), wurde vom Beschwerdeführer zutreffend erkannt.

Mit dem weiteren Vorbringen der Besetzungsrüge, der Angeklagte interpretiere die in einem Interview getätigten Äußerungen der Vorsitzenden zu ihren Empfindungen gegenüber jenem Gewalttäter, durch den sie vor vielen Jahren einen Angehörigen verlor (Band II, Beilage A), im Sinn einer Voreingenommenheit im gegenständlichen Verfahren, wird Ausschließung nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO nicht behauptet. Entscheidend ist insoweit nämlich nicht die subjektive Sicht des Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden Beobachter naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken ( Lässig , WK-StPO § 43 Rz 10). Dies wäre im Übrigen zu verneinen.

Weil die Besetzungsrüge in Bezug auf richterliche Ausgeschlossenheit den weitergehenden Rechtsschutz bietet, ist auf die Kritik der Verfahrensrüge (Z 4) an der Abweisung des entsprechend argumentierenden Ablehnungsantrags nicht einzugehen (RIS-Justiz RS0124803; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 132, 386).

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO wird bloß nominell herangezogen.

Nach der Aktenlage wurde dem Beschwerdeführer, bei dem es sich um einen rumänischen Staatsangehörigen handelt, eine Übersetzung der Anklageschrift zugestellt (ON 23).

Am 20. Jänner 2016 beantragte er auch die schriftliche Übersetzung in der Anklage angeführter Aktenstücke (ON 76a S 13 f). Die Kritik (Z 4) an der Abweisung dieses Antrags übersieht, dass die Hauptverhandlung am 10. Jänner 2017 im Sinn des § 276a StPO neu durchgeführt wurde (ON 113 S 3). Demnach war der Antrag nicht Gegenstand der Hauptverhandlung, womit er als Anfechtungsbasis aus Z 4 ausscheidet (RIS-Justiz

RS0098869; Danek/Mann , WK-StPO § 276a Rz 10).

Hinzugefügt sei, dass sich aus § 56 StPO kein Recht des Angeklagten auf schriftliche Übersetzung aller Aktenstücke in allen Einzelheiten ergibt. Auch Art 6 Abs 3 MRK verlangt nicht die schriftliche Übersetzung des gesamten schriftlichen Beweismaterials oder amtlicher Schriftstücke des Verfahrens in allen Einzelheiten (vgl dazu RIS Justiz RS0109920; Mayer Ladewig , EMRK 4 Art 6 Rz 248 mwN).

§ 56 StPO idF BGBl I 2013/195 stellt das Kernstück der Umsetzung der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (RL Dolmetsch) dar (EBRV 2402 BlgNR 24. GP 7). In Entsprechung des Art 3 Abs 2 RL Dolmetsch ordnen § 56 Abs 1 und 3 StPO (unter anderem) die schriftliche Übersetzung der Anklageschrift (§ 211 StPO) an. Weshalb letztgenannter Begriff hier einer „richtlinienkonformen Auslegung“ durch den EuGH bedürfen soll, bleibt unerfindlich.

Dem Widerspruch gegen die Verlesung mehrerer Schriftstücke (ON 171 S 13 f) folgte das Erstgericht zu Recht nicht: Die über frühere Aussagen des Angeklagten aufgenommenen Protokolle wurden infolge Abweichens von diesen Aussagen im Einklang mit § 245 Abs 1 letzter Satz StPO verlesen. Ein Verbot, Schriftstücke „mangels behördlichen Stempels und Nachweis der Echtheit“ zu verlesen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) zuwider sind die aus dem Gutachten der Sachverständigen abgeleiteten Feststellungen zur Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten (US 8, 16) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden. Die in diesem Zusammenhang der Sache nach vorgetragene Kritik an der Befundaufnahme der Sachverständigen ist nicht Gegenstand des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes. Insoweit wäre es Sache der Verteidigung gewesen (sodann durch § 281 Abs 1 Z 4 StPO geschützte) Anträge im Sinn des § 127 Abs 3 StPO zu stellen.

In Bezug auf die Gefährlichkeitsprognose liegt Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall vor, wenn das Gericht bei dieser Prognose zumindest eine der in § 21 Abs 1 StGB (hier iVm § 21 Abs 2 StGB) genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt oder die aus den gesetzlich angeordneten Erkenntnisquellen gebildete Feststellungsgrundlage die Ableitung der Befürchtung, also die rechtliche Wertung einer hohen Wahrscheinlichkeit für die Sachverhaltsannahme, der Rechtsbrecher werde (zumindest) eine Handlung begehen, welche ihrerseits rechtlich als mit Strafe bedroht und entsprechend sozialschädlich (mit schweren Folgen) zu beurteilen wäre, als willkürlich erscheinen lässt (RIS-Justiz RS0113980, RS0118581; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 715 ff, Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 21–25 Rz 8 f).

Der Beschwerdeführer behauptet hinsichtlich der Prognoseentscheidung weder Willkür noch das Übergehen einer Erkenntnisquelle, sondern wendet offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) ein. Eine Bekämpfung aus Z 5 oder 5a des § 281 Abs 1 StPO steht in Verbindung mit dem ersten Fall, nicht jedoch mit dem – hier angesprochenen – zweiten Fall des § 281 Abs 1 Z 11 StPO offen (RIS-Justiz RS0118581; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 669). Indem sich die Mängelrüge gegen die Prognoseentscheidung wendet, verfehlt sie somit den Bezugspunkt der Anfechtung.

Im Übrigen ist der Beschwerdeführer mit seinem aus Z 5 erstatteten, die Gefährlichkeitsprognose betreffenden, Vorbringen auf die Erledigung der Berufung zu verweisen (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0113980).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit Blick auf die Schuldsprüche III und IV die zum Wohnsitz des Angeklagten zur Tatzeit bis zu seiner Verhaftung am 17. Dezember 2014 in L***** getroffenen Feststellungen (US 4) bestreitet, auf ausländische Tatorte verweist und auf dieser Basis behauptet, inländische Gerichtsbarkeit liege nicht vor, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0099810).

Sollte der Verweis der Rüge auf die in diesem Zusammenhang vorgelegten Urkunden und die Aussage des Angeklagten als Unvollständigkeit im Sinn der Z 5 zweiter Fall zu verstehen sein, trifft der Vorwurf nicht zu (vgl US 9).

Entgegen der Subsumtionsrüge (Z 10) ging das Erstgericht fallbezogen zu Recht von echter Konkurrenz zwischen den Tatbeständen des § 207a Abs 1 Z 1 StGB (IV) und des § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB (V) aus:

Der Oberste Gerichtshof hält diesbezüglich an seiner ständigen, zu §§ 27 bis 28a SMG entwickelten Judikatur fest, wonach ein an den Besitz einer Sache anknüpfender Tatbestand nur soweit vom an die Herstellung dieser Sache anknüpfenden (infolge Konsumtion) verdrängt wird, als der Besitz mit der Herstellung notwendig einhergeht (14 Os 111/04, SSt 2004/83; 12 Os 148/12z, SSt 2012/73; 11 Os 56/16v, JSt Slg 2016/54, 461; RIS Justiz RS0119509). Die von der Beschwerde in Bezug auf Besitz (§ 207a Abs 3 StGB) und Herstellung (§ 207a Abs 1 Z 1 StGB) von pornographischen Darstellungen für die gegenteilige Sicht ins Treffen geführten Entscheidungen (11 Os 152/11d und 15 Os 103/13f) widersprechen dieser Judikatur nur auf den ersten Blick, weil sie nicht erkennen lassen, ob in den ihnen zu Grunde liegenden Fällen der Besitz notwendig mit der Herstellung einherging. Insoweit stellte der Oberste Gerichtshof zuletzt präzisierend klar, dass die zu §§ 27 bis 28a SMG entwickelten Grundsätze auch im Regelungsbereich des § 207a StGB gelten, der Tatbestand des Besitzes pornographischer Darstellungen also nur soweit von jenem der Herstellung solcher Darstellungen (als straflose Nachtat [hiezu Ratz in WK² StGB Vor §§ 28–31 Rz 66 f]) konsumiert wird, als Ersterer mit Letzterer notwendig einhergeht (15 Os 51/15m, EvBl 2016/21, 137; RIS Justiz RS0127379 [T1] und RS0130262). Philipp (in WK² StGB § 207a Rz 33) lässt zwar eine Präferenz für die (generelle) Konsumtion des § 207a Abs 3 StGB durch § 207a Abs 1 Z 1 StGB erkennen, setzt sich aber nicht mit dem – zutreffenden – Argument der angeführten Judikatur auseinander, wonach durch den (nicht notwendig mit der Herstellung verbundenen) Besitz die Verletzung der Interessen der konkret betroffenen minderjährigen Personen prolongiert und zudem die Gefahr erhöht wird, dass das Material weitere Verbreitung findet. Hinterhofer (SbgK § 207a Rz 90) sieht § 207a Abs 1 StGB als gegenüber § 207a Abs 3 StGB „vorrangig“ an, sagt aber nicht, von welchem Scheinkonkurrenz Verhältnis er dabei ausgeht. Fabrizy (StGB 12 § 207a Rz 9) schließt sich der zuletzt in 15 Os 51/15m, EvBl 2016/21, 137 dargelegten Rechtsmeinung an (die Beschwerde zitiert insoweit eine veraltete Auflage der genannten Literatur).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – im Sinn der Stellungnahme der Generalprokuratur – zu verwerfen.

Zur Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe:

Gegen den Strafausspruch und die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung der Zusatzstrafe und den Entfall der vorbeugenden Maßnahme anstrebt.

Das Schöffengericht verhängte über den Rechtsmittelwerber unter Bedachtnahme (§ 31 Abs 1 StGB) auf das Urteil des Landesgerichts Linz vom 14. Juli 2015, AZ 22 Hv 16/15s, mit dem der Angeklagte des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 vierter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und (im Verfahren über die Berufung) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von dreizehn Jahren verurteilt worden war, eine Zusatzfreiheitsstrafe von einem Jahr. Gemäß § 21 Abs 2 StGB wurde die Unterbringung des George S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht die „bisherige Unbescholtenheit“ (vgl dazu § 34 Abs 1 Z 2 StGB) und das marginale Geständnis als mildernd, als erschwerend das Zusammentreffen von zahlreichen Verbrechen und Vergehen, das extrem junge Alter der Tatopfer, die Opfermehrheit und das Handeln aus besonders verwerflichen Beweggründen.

Vorweg war bei der Strafbemessung vor allem aggravierend zu berücksichtigen, dass die Taten auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Angeklagten zurückzuführen sind, die einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen völlig fernstehen (§ 32 Abs 2 StGB). Der Missbrauch des drei- und des vierjährigen Tatopfers dokumentiert eine besonders rücksichtslose Einstellung des Angeklagten und wurde daher bei der Strafbemessung zu Recht als aggravierend gewertet (RIS-Justiz RS0090958 [T1]).

Das seitens des Erstgerichts angenommene Handeln aus besonders verwerflichen Beweggründen, die im Urteil keinen Niederschlag fanden, war nicht anzunehmen.

Weder hat der Angeklagte ein reumütiges Geständnis abgelegt noch durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen. Der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 17 StGB liegt daher nicht vor.

Das Ausnützen eines Vertrauensverhältnisses kommt bei den zum Nachteil der Unmündigen La***** begangenen Taten strafschärfend hinzu.

Auf der Basis des bisher Dargelegten kommt der Berufung des Angeklagten wegen Strafe keine Berechtigung zu:

Der in der Haft geübte Hungerstreik des Angeklagten verwirklicht keinen der Milderungstatbestände des § 34 StGB. Gleiches gilt für das Verhalten von Mithäftlingen.

Ausgehend vom extrem hohen Schuldgehalt der Taten (§ 32 Abs 1 StGB) erweist sich die vom Schöffensenat ausgesprochene Zusatzfreiheitsstrafe tatschuldangemessen und spezialpräventiv erforderlich, um dem Angeklagten das Unrecht seiner Tat vor Augen zu führen und ihn künftig zu rechtskonformem Verhalten zu motivieren. Eine Herabsetzung der Zusatzstrafe kam auch aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.

Die Ableitung der Gefährlichkeitsprognose aus dem in der Hauptverhandlung am 25. Oktober 2016 erstatteten schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der Sachverständigen Prim. Dr. Adelheid K***** (ON 93a S 5) und dem objektiven Tatgeschehen ist dem Berufungsvorbringen zuwider nicht zu beanstanden. Die Substituierbarkeit der Maßnahme ist schon mangels Einsicht des Angeklagten in seine Behandlungsbedürftigkeit nicht in Betracht zu ziehen.

Zur Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis:

Das Erstgericht verpflichtete den Angeklagten, den Privatbeteiligten Joana L***** und Elisabeth M***** binnen 14 Tagen je einen Teilschmerzengeldbetrag von 100 Euro zu bezahlen. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten schlägt fehl.

Wer jemanden durch eine strafbare Handlung, wie hier der Angeklagte Joana L*****, zu geschlechtlichen Handlungen missbraucht, hat ihm den erlittenen Schaden und den entgangenen Gewinn zu ersetzen sowie eine angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten (§ 1328 ABGB).

Schockschäden naher Angehöriger mit Krankheitswert sind dann ersatzfähig, wenn die Verletzungshandlung – im Rahmen einer typisierten Betrachtung – in hohem Maße geeignet erschien, einen solchen Schockschaden herbeizuführen (vgl dazu RIS Justiz RS0116866, RS0116865, RS0031111). Da die an Joana L***** begangene Missbrauchshandlung sowohl eine massive psychische Beeinträchtigung des Kleinkindes als auch von deren Mutter Elisabeth M***** nach sich zog (ON 138, US 21), erfolgte der Zuspruch von (vorerst) je 100 Euro jedenfalls zu Recht.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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  • RS0116865OGH Rechtssatz

    14. Dezember 2023·3 Entscheidungen

    Nach der neueren Rechtsprechung gebührt nahen Angehörigen eines Getöteten für den ihnen verursachten "Schockschaden" mit Krankheitswert ebenfalls Schmerzengeld, weil diese "Dritten" durch das Erleiden eines Nervenschadens in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigte anzusehen sind (vergleiche RIS-Justiz RS0031111). Die Rechtswidrigkeit einer solchen Körperverletzung wird dabei zwar nicht aus dem Schutzzweck der Verhaltensvorschrift, welche die Erstverletzung verhindern soll, aber aus der bei Verletzung absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung abgeleitet. Die Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung wird dadurch eingegrenzt, dass es eines besonders starken Zurechnungsgrundes bedarf, also die Verletzungshandlung gegenüber dem Angehörigen in hohem Maß geeignet erscheint, einen Schockschaden herbeizuführen. Der Schock muss im Hinblick auf seinen Anlass verständlich sein. Auslöser für die erlittene psychische Erkrankung in diesem Sinne kann aber bei nahem Verwandten auch die Todesnachricht sein, weil bei einer besonders engen persönlichen Verbundenheit, wie sie zwischen nahen Angehörigen typischerweise besteht, die Erstschädigung (Tötung) auch für den dritten Schockgeschädigten so gefährlich ist, dass von einer deliktischen Zufügung des Schockschadens gesprochen werden kann (so schon 2 Ob 79/00g).