JudikaturJustiz12Os115/16b

12Os115/16b – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. November 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Merten M***** wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. März 2016, GZ 73 Hv 110/13z 63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Merten M***** unter Bezugnahme auf den im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach §§ 159 Abs 1 iVm Abs 5 Z 3 und 5 StGB, 161 Abs 1 erster Satz StGB (vgl zum ersten Rechtsgang 12 Os 113/14f), des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (I./) sowie des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 StGB, 161 Abs 1 erster Satz StGB (II./A./) schuldig erkannt.

In Zusammenschau mit dem Urteil im ersten Rechtsgang hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in W*****

I./ im Zeitraum 2010 bis 16. Juli 2011 die ihm durch Gesetz und Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der Mo***** GmbH zu verfügen und diese zu verpflichten, dadurch wissentlich missbraucht und dem genannten Unternehmen einen nicht mehr feststellbaren, 5.000 Euro jedoch jedenfalls übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, indem er der M***** GmbH ein unbesichertes Darlehen in Höhe von 40.000 Euro gewährte und Beträge in nicht mehr feststellbarer Höhe durch Bargeldbehebungen mit der Bankomatkarte der Mo***** GmbH entnahm und zu unternehmensfremden Zwecken verwendete;

II./ im Zeitraum von 2010 bis 2011 als leitender Angestellter eines Schuldners mehrerer Gläubiger (§ 161 Abs 1 iVm § 74 Abs 3 StGB), nämlich der Mo***** GmbH,

A./ durch die zu Punkt I./ beschriebenen Taten sowie dadurch, dass er nach dem 16. Juli 2011 weitere Beträge in nicht mehr feststellbarer Höhe untituliert aus der Gesellschaft entnahm und zu gesellschaftsfremden Zwecken verwendete, Bestandteile des Vermögens der Mo***** GmbH beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung von zumindest drei Gläubigern der GmbH vereitelt, und zwar

1) des Finanzamts Wien 12/13/14 in nicht mehr feststellbarer Höhe,

2) des Jürgen Z***** in einem Betrag von 33.596,22 Euro,

3) der Wa***** GmbH in einem Betrag von 33.353,02 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Das im zweiten Rechtsgang gefällte Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien bekämpft der Angeklagte mit auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, welche sich als nicht berechtigt erweist.

Zu I./ des Schuldspruchs bezieht sich der Rechtsmittelwerber auf die Feststellung, wonach der Angeklagte im Zeitraum von 2010 bis 16. Juli 2011 mit der Bankomatkarte der Mo***** GmbH laufend, jedoch in nicht mehr feststellbarer Anzahl und Höhe Behebungen von Bargeld vom Gesellschaftskonto zur Verwendung für unternehmensfremde Zwecke vornahm, wodurch er der Gesellschaft als deren leitender Angestellter einen Vermögensnachteil in nicht feststellbarer, 5.000 Euro aber jedenfalls übersteigender Höhe zufügte (US 7). Er behauptet, dass das Erstgericht „für diesen undeutlichen Ausspruch ... überhaupt keine Gründe“ angeführt hätte (Z 5 erster und vierter Fall).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen sind die diesbezüglichen Feststellungen jedoch nicht undeutlich. Eine darüber hinausgehende Konkretisierung der Anzahl und Höhe der einzelnen Behebungen ist im Übrigen (im Rahmen einer gleichartigen Verbrechensmenge; RIS Justiz RS0119552) nicht entscheidend, weil weder der Wegfall bestimmter einzelner selbständiger Taten in Rede steht (RIS Justiz RS0116736) noch die Qualifikation nach § 153 Abs 3 erster Fall StGB berührt wird.

Mit der Behauptung des Fehlens einer Begründung lässt die Nichtigkeitsbeschwerde die Erwägungen der Tatrichter auf US 8 ff außer Acht.

Weiters moniert der Rechtsmittelwerber zu II./A./ des Schuldspruchs das Fehlen von Feststellungen, ob die Forderungen der Gläubiger bereits in den Zeitpunkten der Vermögensverringerung bestanden hatten (nominell Z 5 vierter Fall, inhaltlich Z 9 lit a), legt jedoch nicht dar, weshalb die diesbezügliche Konstatierung nicht reichen sollte, wonach die Taten des Angeklagten, nämlich die Bargeldbehebungen vom Geschäftskonto zur Verwendung für unternehmensfremde Zwecke und die inkriminierte Kreditgewährung kausal für die Vereitelung der Befriedigung der Gläubiger waren (US 7; vgl RIS Justiz RS0094747).

Das Vorbringen (nominell Z 5), für den Tatbestand der betrügerischen Krida fehle auch die Angabe des Datums der Bargeldabhebungen mit der Bankomatkarte, weil nur Abhebungen, die vor Entstehen der Forderungen lagen, überhaupt tatbestandsmäßig sein können, ist nicht nachvollziehbar.

Warum es für den Tatbestand der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB notwendig wäre, „zumindest die Abhebungen der Bankomatkarte zeitlich geordnet der Höhe nach darzustellen, um in der Folge eine Relation zum Entstehen der Forderung des Finanzamts, des Jürgen Z***** und der Wa***** GmbH herstellen zu können“ (nominell Z 5, inhaltlich Z 9 lit a), wird nicht klar (RIS Justiz RS0116565).

Weiters führt die Nichtigkeitsbeschwerde aus (nominell Z 5, inhaltlich Z 3), die Formulierung im Urteilsspruch „in nicht mehr feststellbarer Höhe“ entspreche „jedenfalls nicht einem zulässigen Schuldspruch“, unterlässt es aber, deutlich zu machen, weshalb die genaue Höhe zur Individualisierung der Taten erforderlich sein sollte (vgl RIS Justiz RS0117498; RS0095595 [T2]; RS0098693 [T4]).

Soweit sich der Rechtsmittelwerber zu II./ des Schuldspruchs darauf bezieht, dass ihm im ersten Rechtsgang untitulierte Entnahmen in der Höhe von 83.149,51 Euro zur Last gelegt worden wären, verkennt er, dass mit dem nunmehr im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil dies gar nicht festgestellt wurde. Das – weitgehend nicht nachvollziehbare – Vorbringen zu Aussagen des als Zeugen vernommenen Steuerberaters Walter K***** betreffend Umbuchungen, welche das Jahr 2009 betrafen, zeigt kein Begründungsdefizit im Sinn der Z 5 auf und orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe, indem behauptet wird, der Angeklagte könne „niemals so viel entnommen haben“, weil einerseits die Gewährung des Darlehens in Höhe von 40.000 Euro und andererseits die Urteilsbegründung betreffend die Bargeldbehebungen zu unternehmensfremden Zwecken vom Gesellschaftskonto (US 8 ff) nicht in den Blick genommen werden (Z 5 vierter Fall).

Mit der neuerlichen Forderung zu I./ und II./ des Schuldspruchs nach einer Feststellung der genauen Höhe der Bargeldbehebungen vom Gesellschaftskonto und der Behauptung, „die Beträge der Gläubiger, hinsichtlich derer [ihm] das Delikt der betrügerischen Krida zur Last gelegt wurde, ... stehen also mit dem Akteninhalt (Sachverständigengutachten und Aussage K*****) in Widerspruch“, wird eine Nichtigkeit nach Z 5 dritter oder letzter Fall nicht dargestellt (RIS Justiz RS0099431, RS0117402).

Soweit der Rechtsmittelwerber behauptet, das Erstgericht hätte sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Geschäftsführer Honorar zustand (Z 5 zweiter Fall), orientiert er sich neuerlich nicht an der Urteilsbegründung, weil er die Erörterung der genau darauf Bezug nehmenden Zeugenaussage des Mitgesellschafters Rudolf H***** außer Acht lässt (US 10).

Entgegen dem weiteren Vorbringen des Nichtigkeitswerbers hat das Schöffengericht die Feststellungen zur Kausalität der Darlehensgewährung und der Bargeldbehebungen für den Befriedigungsausfall der Gläubiger nicht unbegründet gelassen (Z 5 vierter Fall), sondern sich diesbezüglich auf das Gutachten des Sachverständigen DDr. Gerhard A***** gestützt (US 8).

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde (Z 5 zweiter Fall) betreffend das Erkennen der Zahlungsunfähigkeit der Mo***** GmbH durch den Angeklagten ausführt, 2010 hätte die Bilanz einen Gewinn ausgewiesen, in der Folge jedoch einen Bilanzverlust von über 14.000 Euro für diesen Zeitraum zugesteht, widerspricht sie sich selbst und spricht überdies keinen für II./A./ des Schuldspruchs entscheidenden Umstand an, weil der Tatbestand der betrügerischen Krida nach § 156 StGB weder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Verschuldung des Gemeinschuldners oder auch nur das Vorliegen einer wirtschaftlichen Krisensituation erfordert (RIS Justiz RS0095308).

Ebensowenig blieben die Feststellungen zur subjektiven Tatseite betreffend II./A./ des Schuldspruchs unbegründet (Z 5 vierter Fall), vielmehr leiteten die Tatrichter die Konstatierungen aus dem äußeren Geschehen ab und stützten sich dabei insbesondere darauf, dass der Angeklagte seinen Mitgesellschafter der Mo***** GmbH im Unklaren ließ und ihm vortäuschte, der Gesellschaft ginge es wirtschaftlich gut, sowie aus dem Umstand, dass der Angeklagte in der Vergangenheit bereits diverse Unternehmen geleitet hat (US 11 f). Der Rechtsmittelwerber verkennt in diesem Zusammenhang, dass der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar, bei leugnenden Angeklagten in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ist (RIS Justiz RS0098671 [T5]).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810).

Dies missachtet die Rüge (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) bei ihren Ausführungen zu II./A./ des Schuldspruchs, indem sie die Konstatierungen übergeht, wonach die Darlehensgewährung und die Bargeldbehebungen kausal für die Befriedigungsausfälle der Gläubiger waren (US 7).

Warum es bei I./ und II./ des Schuldspruchs erforderlich gewesen wäre, Feststellungen darüber zu treffen, wie hoch die Bankomatbehebungen im Zeitraum zwischen 2010 und 16. Juli 2011 genau waren und wann sie jeweils getätigt wurden, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar.

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) betreffend II./A./ des Schuldspruchs den Vorsatz in Bezug auf die Vereitelung der Befriedigung der Gläubiger bestreitet (vgl jedoch US 8), verlässt sie den dargestellten Anfechtungsrahmen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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