JudikaturJustiz10Ob28/00s

10Ob28/00s – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juli 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Agnieszka A*****, vertreten durch Dr. Karl Zach, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach der am 24. Mai 1994 verstorbenen Rosemarie G*****, zuletzt wohnhaft in *****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen S

284.471 sA und Feststellung (Streitwert S 100.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 17. November 1999, GZ 17 R 197/99m-38, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1 EKHG hängt die Anwendbarkeit dieses Gesetzes ua vom Betrieb eines Kraftfahrzeuges ab. Gemäß § 2 Abs 2 EKHG ist der Begriff des Kraftfahrzeuges im Sinne des KFG 1967 auszulegen. Die Kraftfahrzeugeigenschaft ist von den Gerichten seit der Aufhebung des § 1 Abs 4 KFG 1967 (BGBl 1992/452) selbständig zu beurteilen (Schwimann/Schauer, ABGB2 VIII, § 2 EKHG Rz 7). Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 KFG 1967 ist ein Kraftfahrzeug ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Fahrzeug, das durch technisch freigemachte Energie angetrieben wird und nicht an Gleise gebunden ist, auch wenn seine Antriebsenergie Oberleitungen entnommen wird. Nach § 2 Abs 1 Z 1 StVO 1960 gilt als Straße eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen (vgl zum Straßen-Begriff auch Danzl, EKHG6 § 2 Anm 5).

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass das (seinerzeitige) EisenbahnhaftpflichtG auf ausschließlich der Unterhaltung und nicht dem Verkehr dienende bahnähnliche Einrichtungen in Vergnügungsstätten wie Rutsch-, Berg- und Talbahnen ("Achterbahnen") und dergleichen nicht anzuwenden ist (SZ 19/323). Er hat weiters entschieden, dass die Voraussetzung der Straßenverwendung gemäß § 2 Z 1 KFG 1967 bei Fahrzeugen einer Autodrom-Anlage nicht gegeben ist (EvBl 1982/129). Auch die gegenständliche, in der Zwischenzeit jedoch nicht mehr existierende Gokart-Bahn im Wr. Prater diente nicht der Befriedigung eines Verkehrsbedürfnisses, sondern lediglich des Spieltriebs und der Belustigung (vgl ZfVB 1997/1020). Gokarts sind keine "Straßenfahrzeuge" (Apathy, EKHG § 2 Rz 11 mwN; Schwimann/Schauer aaO § 2 Rz 11 mwN; ZVR 1998/18 [Rasenmähtraktor]), das EKHG ist daher nicht (unmittelbar) anwendbar. Da die Gokarts in einem vom allgemeinen Verkehr völlig abgesonderten Bereich betrieben wurden, kommt auch eine analoge Anwendung des EKHG nicht in Betracht (2 Ob 84/00t [s RIS-Justiz RS0029895, RS0058076, RS0058088, RS0058093]; vgl auch EvBl 1982/129 [Autodrom]; EvBl 1992/132 [Sommerrodelbahn]). Die gegenständlichen Gokarts kamen auf einer abgeschlossenen Gokart-Bahn (Rundkurs mit einer Gesamtlänge von knapp 100 m) zum Einsatz, sohin nicht in einem Bereich, in dem ein dem Straßenverkehr vergleichbarer öffentlicher Verkehr stattfand (Apathy aaO § 2 Rz 17). Die besonderen Gefahren der Eisenbahn ergeben sich vor allem aus der raschen Fortbewegung verhältnismäßig großer Massen; Gefahrenmomente sind demgemäß die hohe Geschwindigkeit, die Unmöglichkeit, rasch anzuhalten, und die Wucht des fahrenden Zuges. Die typische Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges liegt insbesondere in der erreichbaren hohen Geschwindigkeit bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr (EvBl 1982/129; EvBl 1992/132). An diese besonderen Gefahren reichte die Betriebsgefahr der gegenständlichen Gokart-Bahn nicht heran.

Eine Ausdehnung der in den Haftpflichtgesetzen verankerten besonderen Gefährdungshaftung kraft Analogie kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um gefährliche Betriebe handelt (EvBl 1982/129). Es müsste sich demnach um einen Betrieb handeln, bei dem die Interessen Dritter nicht erst infolge zufälliger konkreter Umstände, sondern schon infolge seiner allgemeinen Beschaffenheit in einer das normale Maß der im modernen Leben stets bestehenden Gefährdung wesentlich übersteigenden Art gefährdet würden. Die besondere Haftung des Betriebsinhabers tritt nicht schon dann ein, wenn ein an sich ungefährlicher Betrieb im Einzelfall unter gewissen Umständen zu einem gefährlichen wird, sie ist vielmehr erst dann zu bejahen, wenn eine solche Gefahr nach der Art des Betriebs regelmäßig und allgemein vorhanden ist. Noch dazu muss dabei auch die Gefahr des Eintritts eines außergewöhnlich hohen Schadens bestehen. Der Begriff des gefährlichen Betriebs darf nicht zu weit ausgelegt werden (SZ 46/36 [Feuerwerk]; EvBl 1982/129 [Autodrom]; JBl 1985, 556 [Sturmboot]; 3 Ob 516/88 [Geisterbahn; s hiezu auch Berufungsentscheidung des OLG Wien 23. 11. 1987, 14 R 234/87, in REDOK 12.701]; EvBl 1992/132 [Sommerrodelbahn]; ZVR 1998/18 [Rasenmähtraktor]; 1 Ob 26/00f [Sonnenstudio]; RIS-Justiz RS0029170, RS0029913, RS0072341). Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen stellte die gegenständliche Gokart-Bahn keinen gefährlichen Betrieb dar.

Was schließlich noch den Vorwurf der Verletzung einer (vertraglichen) Verkehrssicherheitspflicht betrifft, so darf auch diese nicht überspannt werden (ZVR 1989/28; RZ 1992/77; ZVR 1996/112; RIS-Justiz RS0023487, RS0023893, RS0023950), soll sie nicht eine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben (MietSlg 30.243; MietSlg 33.216; 7 Ob 51/00a; RIS-Justiz RS0023950). Der Magistrat der Stadt Wien, MA 35, stellte im Jahre 1989 mit zwei Bescheiden die Eignung der gegenständlichen Gokart-Bahn fest und bewilligte deren Inbetriebnahme. Die Einhaltung der erteilten Auflagen wurde in der Folge von der Behörde jährlich überprüft. Die Gokart-Bahn und deren (soweit hier relevante) Handhabung entsprachen dem § 102 Abs 8 Wiener Veranstaltungsstättengesetz, LGBl 1978/04. Selbst die Revisionswerberin geht davon aus, dass das Ziel beim Gokart-Fahren - anders als etwa beim Autodrom (EvBl 1982/129) - nicht im absichtlichen Zusammenstoßen der Fahrzeuge liegt. Im Übrigen kann der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht immer nur von Fall zu Fall bestimmt werden (RIS-Justiz RS0029874; RS0110202; Schwimann/Harrer, ABGB2 VII, § 1295 Rz 44). Die Lösung der Frage, ob im konkreten Fall die Erblasserin als damalige Bahnbetreiberin alles ihr Zumutbare zur Verhütung der Gefahren der vorliegenden Art getan hat, bildet wegen der über den Anlassfall nicht hinausgehenden Bedeutung keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, schließt doch die Kasuistik des Einzelfalls in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (1 Ob 338/98g; 9 Ob 10/00m ua). Eine unvertretbare, im Interesse der Rechtssicherheit jedenfalls wahrzunehmende Verkennung der Rechtslage, die dessen ungeachtet die Zulässigkeit der Revision begründen könnte, ist dem Berufungsgericht bei der Anwendung der richtig wiedergegebenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auf den hier zu beurteilenden Einzelfall nicht unterlaufen.

Rechtssätze
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  • RS0029170OGH Rechtssatz

    16. Dezember 2015·3 Entscheidungen

    Das österreichische Recht kennt zwar eine allgemeine Erfolgshaftung für die durch den Betrieb eines Unternehmens verursachten Schäden ebensowenig wie eine allgemeine Haftung des Unternehmers für seine Angestellten gegenüber jedermann. Nach der Rechtsprechung ist aber die vom Gesetzgeber in einzelnen Fällen (RHG, EKHG, LuftVerkG usw) besonders ausgesprochene erweiterte Haftung des Unternehmers für die spezifische Betriebsgefahr grundsätzlich analog auf alle gefährlichen Betriebe auszudehnen; wer ein solches Unternehmen betreibt, kann die Gefahr einer aus der Art des Betriebes entspringenden Verursachung von Schäden an Leib, Leben und Vermögen anderer nicht auf die Öffentlichkeit abwälzen, sondern er muss für sie auch dann aufkommen, wenn ihm oder seinen Betriebsgehilfen ein Verschulden nicht nachgewiesen werden kann. Dabei darf freilich der Begriff des "gefährlichen Betriebes" nicht zu weit ausgelegt werden. Es muss sich also um Betriebe handeln, bei denen nicht bloß infolge zufälliger konkreter Umstände, sondern infolge ihrer allgemeinen Beschaffenheit die Interessen Dritter schon dadurch in einer das normale Maß der im modernen Leben stets bestehenden Gefährdung wesentlich übersteigenden Art gefährdet werden, dass der Betrieb zur Erreichung seines Zwecks überhaupt im Gang ist; Gleichheit des Rechtsgrundes und des Schutzbedürfnisses sind dabei stets unerlässliche Voraussetzungen. Die besondere Haftung des Betriebsinhabers tritt nicht schon dann ein, wenn ein an sich ungefährlicher Betrieb im Einzelfall unter gewissen Umständen zu einem gefährlichen wird; sie ist vielmehr erst dann zu bejahen, wenn eine solche Gefahr nach der Art des Betriebes regelmäßig und allgemein vorhanden ist. Geht man von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung aus, dann muss das Unternehmen eines Feuerwerkers als "gefährlicher Betrieb" im dargelegten Sinn bezeichnet werden (mit einer Übersicht über die bisherige Judikatur zum "gefährlichen Betrieb").