LandesrechtSteiermarkVerordnungenSteiermärkische Verordnung zur risikoaversen Finanzgebarung – StVO-RFG

Steiermärkische Verordnung zur risikoaversen Finanzgebarung – StVO-RFG

StVO-RFG
In Kraft seit 01. Januar 2018
Up-to-date

1. Abschnitt

Risiko-, Schulden- und Liquiditätsmanagement

§ 1

§ 1 Gegenstand

Das Land Steiermark hat bei Ausübung der Aufgaben in seiner Finanzgebarung, insbesondere bei der Aufnahme von Schulden, beim Schuldenportfoliomanagement, bei der Veranlagung öffentlicher Mittel und beim Risikomanagement jedenfalls folgende Grundsätze anzuwenden:

1. Grundsatz der risikoaversen Finanzgebarung.

2. Grundsatz einer strategischen Planung bezüglich Schulden- und Liquiditätsmanagement entsprechend den Vorgaben durch die Landesregierung auf Vorschlag des für Finanzen zuständigen Mitgliedes der Landesregierung.

3. Grundsatz der Umsetzung einer Aufbau- und Ablauforganisation.

4. Grundsatz der Transparenz über getätigte Transaktionen gegenüber der Landesregierung.

2. Abschnitt

Grundsatz der Risikoaversität

§ 2

§ 2 Risikoaversität

(1) Die mit der Finanzgebarung verbundenen Risiken sind auf ein Mindestmaß zu beschränken.

(2) Das Eingehen vermeidbarer Risiken (Fremdwährungs-, Aktienpositions- und Optionsrisiken) ist verboten. Für unvermeidbare Risiken sind über die strategische Planung gemäß 3. Abschnitt Rahmenbedingungen zu definieren und konkrete Maßnahmen zu formulieren.

(3) Die Minimierung der Risiken ist stärker zu gewichten als die Optimierung der Erträge oder Kosten.

(4) Kreditaufnahmen ausschließlich zu Veranlagungszwecken sind unzulässig.

(5) Der Erwerb von derivativen Finanzinstrumenten ohne entsprechendes Grundgeschäft ist unzulässig. Ein derivatives Finanzgeschäft darf nur als Absicherungsgeschäft in Form eines Zinsswaps für den Tausch von festen oder variablen Zinsverpflichtungen abgeschlossen werden, um damit die Zinsänderungsrisiken eines Grundgeschäfts zu begrenzen. Die Laufzeit des derivativen Finanzgeschäfts darf jene des Grundgeschäfts nicht übersteigen.

(6) Fremdmittelaufnahmen dürfen nur durchgeführt werden, wenn sie auf Basis der Liquiditätsplanung notwendig sind. Sie müssen auf Euro lauten.

(7) Die Veranlagung von Kassenmitteln bei Kontrahenten mit hoher Bonität innerhalb zuvor in der strategischen Planung gemäß 3. Abschnitt definierter Limite und Laufzeiten ist zulässig. Kurzfristige Kassenveranlagungen bei der Republik Österreich im Wege der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) oder der Österreichischen Nationalbank sind jedenfalls zulässig.

(8) Eine Veranlagung bei Kreditinstituten ist ausgeschlossen, wenn das Kreditinstitut ein schlechteres Rating als „investment grade“ aufweist. Hat ein Kontrahent kein Rating, ist bei einer solchen Veranlagung ein Beschluss der Landesregierung erforderlich.

(9) Als zulässige Veranlagungsformen bei inländischen Kreditinstituten gelten Spareinlagen, Sichteinlagen und Termineinlagen. Der Kauf von Bundesanleihen zu Veranlagungszwecken ist zulässig. Nicht zu den Veranlagungen zählen kurzfristige Liquiditätsüberhänge auf dem Hauptkonto des Landes, welche im Rahmen der täglichen Kassendisposition oder im Zusammenhang mit der Abwicklung von Refinanzierungen auftreten können.

(10) Das Eingehen von Zinskostenrisiken des Schuldenportfolios auf Basis der in der strategischen Planung gemäß 3. Abschnitt festgelegten Maßnahmen ist zulässig.

Anm.: in der Fassung LGBl. Nr. 73/2018

§ 3

§ 3 Risikoarten

Zu den relevanten Risikoarten zählen Marktrisiko, Liquiditätsrisiko, operationelles Risiko einschließlich Rechtsrisiko, Kreditrisiko und Reputationsrisiko.

§ 4

§ 4 Marktrisiko

Das Marktrisiko beinhaltet das Zinsänderungsrisiko als unvermeidbares Risiko. Das Risiko liegt einerseits in steigenden Zinsaufwendungen für zukünftige Finanzierungen aufgrund von Zinsanstiegen und andererseits in „Opportunitätsverlusten“, die bei langfristigen Finanzierungen mit fixem Zinssatz im Falle sinkender Zinsen entstehen können.

§ 5

§ 5 Liquiditätsrisiko

Liquiditätsrisiko ist das Risiko, dass das Land Zahlungsverpflichtungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht nachkommen kann bzw. die erforderliche Liquidität bei Bedarf zu ungünstigen Konditionen beschafft werden muss. Zur Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsbereitschaft ist der mittel- bis langfristig maximal zu erwartende Liquiditätsbedarf den rasch zur Verfügung stehenden Liquiditätsquellen gegenüber zu stellen. Falls die Liquiditätsquellen relativ zum Liquiditätsbedarf zu gering sind, ist eine Liquiditätsreserve aufzubauen.

§ 6

§ 6 Liquiditätsquellen und -reserven

(1) Zu den rasch zur Verfügung stehenden Liquiditätsquellen zählen Barvorlagen und Kontokorrentkredite. Dabei ist zu unterscheiden, ob

- die Gegenpartei zugesagt hat, die liquiden Mittel bis zu einer vereinbarten Höhe jederzeit zur Verfügung zu stellen oder

- eine formelle vertragliche Verpflichtung besteht oder

- ob im Bedarfsfall jeweils erst das Einvernehmen mit der Gegenpartei darüber hergestellt werden muss, ob und in welcher Höhe liquide Mittel aus der betreffenden Liquiditätsquelle bezogen werden können.

(2) Es sind jedenfalls vorsichtige (risikoaverse) Einschätzungen über die Höhe der betreffenden Liquiditätsquellen zu treffen. Bei einem Liquiditätsdeckungsgrad unter 100% ist eine Liquiditätsreserve bis zu jener Höhe aufzubauen, bei der der Liquiditätsdeckungsgrad mindestens 100% beträgt. Die maximal ausnutzbare Höhe von Barvorlagen und Kontokorrentkrediten ist in der strategischen Planung festzulegen.

§ 7

§ 7 Mittel- bis langfristiger Liquiditätsbedarf

Der mittel- bis langfristige Liquiditätsbedarf ergibt sich aus den jeweiligen Nettofinanzierungssalden zuzüglich Refinanzierungen gemäß Landesbudget bzw. Landesfinanzrahmen und wird durch Fremdmittelaufnahmen in Form von Darlehen, Namens- oder Inhaberschuldverschreibungen bzw. Anleihen abgedeckt. Fremdmittelaufnahmen dürfen maximal bis zur Höhe des vom Landtag genehmigten Schuldenstandes erfolgen.

§ 8

§ 8 Kurzfristiger Liquiditätsbedarf

Zur Sicherstellung möglichst geringer Finanzierungskosten sind Liquiditätsüberhänge möglichst zu vermeiden und kurzfristige Fremdmittel in Höhe der jeweils unbedingt erforderlichen Negativsalden im Rahmen der täglichen Kassendisposition aufzunehmen, wobei der etwaige Aufbau einer Liquiditätsreserve gemäß § 6 zu berücksichtigen ist.

§ 9

§ 9 Ziel von mittel- bis langfristigen Fremdmittelaufnahmen

Bei mittel- bis langfristigen Fremdmittelaufnahmen sind die Laufzeitenden nach Möglichkeit in Jahren mit geringer Refinanzierungsbelastung festzulegen mit dem Ziel eines nachhaltig ausgeglichenen realen Tilgungsprofils. Bestehende oder unvermeidliche Refinanzierungsspitzen sind mittel- bis langfristig zu glätten.

§ 10

§ 10 Vorbereitung von Fremdmittelaufnahmen

Im Rahmen der strategischen Planung gemäß 3. Abschnitt können Festlegungen bezüglich des Zeitpunktes, ab dem mittel- bis langfristige Fremdmittelaufnahmen durchzuführen sind, getroffen werden. Liegen solche nicht vor, sind mittel- bis langfristige Fremdmittelaufnahmen spätestens ab jenem Zeitpunkt vorzubereiten und zeitnah durchzuführen, ab dem auf Basis der Liquiditätsplanung ausschließlich, d.h. insbesondere unmittelbar nach Erhalt der Ertragsanteile jeweils am 20. des Monats, Negativsalden in den zukünftigen Gesamtkassenständen des Landes zu erwarten sind.

§ 11

§ 11 Operationelles Risiko

(1) Das operationelle Risiko ist die Gefahr von Verlusten infolge der Unangemessenheit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen oder Systemen oder von externen Ereignissen. Zur Minimierung des operationellen Risikos sind klar dokumentierte Abläufe und Berechtigungen festzulegen.

(2) Zum operationellen Risiko zählt auch das Rechtsrisiko, welches durch die Verwendung von geprüften Verträgen beim Abschluss von Finanzgeschäften minimiert wird.

§ 12

§ 12 Kreditrisiko

Das Kreditrisiko ist die Gefahr, dass die Gegenpartei aus mangelnder Bonität seine Verpflichtungen nicht erfüllen kann. Für das Land gilt dieses Risiko für allfällige Veranlagungen und Zinsswaps. Zur Minimierung des Kreditrisikos gelten die in der strategischen Planung festgelegten Limite für Veranlagungen. Zinsswaps können erst nach Erweiterung von § 2 Abs. 5 um Exposure-Limite für Kreditrisiken aus Zinsswaps und Regelungen, wie das Exposure von Zinsswaps zu berechnen ist, abgeschlossen werden. Die Überwachung der Einhaltung der Limite erfolgt auf täglicher Basis im Rahmen der Kassendisposition des Landes.

§ 13

§ 13 Reputationsrisiko

(1) Das Reputationsrisiko bezieht sich auf die Gefahr, dass durch öffentliche Berichterstattung über Transaktionen und Gegenpartei oder über bestimmte Geschäftspraktiken die Reputation des Landes negativ beeinflusst wird. Um das Reputationsrisiko zu minimieren, ist die strategische Planung mit Hilfe von möglichst einfachen, nachvollziehbaren Finanzprodukten umzusetzen.

(2) Derivative Finanztransaktionen sind auf die strategiekonforme Steuerung von Zinsrisiken beschränkt und müssen immer mit einem Grundgeschäft verbunden sein. Geschäfte, die allgemein anerkannten Nachhaltigkeits-, ethischen und Governance-Kriterien widersprechen, sind unzulässig.

(3) Die Auswahl der Gegenpartei für die Aufnahme von Fremdmitteln ist auf den Bund im Wege der ÖBFA sowie Kreditinstitute, Versicherungen, Pensionskassen, Kapitalanlagegesellschaften, Versorgungswerke, Sozialversicherungsträger und Pensionsfonds jeweils im Europäischen Wirtschaftsraum sowie Gebietskörperschaften und Einrichtungen in Österreich, die gemäß der Bundesanstalt Statistik Österreich (Statistik Austria) dem öffentlichen Sektor zuzurechnen sind, beschränkt. Im Falle der Begebung von Emissionen gilt diese Beschränkung am Primärmarkt.

§ 14

§ 14 Risikomanagement

(1) Das Risikomanagement umfasst die Kernfunktionen Risikoidentifizierung, Risikomessung, Risikobegrenzung (Limitvergabe), Risikoüberwachung (Limitkontrolle), Risikoberichtswesen und Validierung.

(2) Im Zuge der Risikoidentifizierung sind vor Abschluss eines jeden risikorelevanten Geschäfts die dadurch berührten Risikoarten gemäß § 3 zu prüfen.

(3) Bei der Risikomessung sind der Bedeutung des betreffenden Risikos für die Finanz-, Ertrags- und Vermögenslage angemessene Methoden anzuwenden.

(4) Im Rahmen der Risikobegrenzung (Limitvergabe) sind risikorelevante Geschäfte, die nicht innerhalb der festgelegten Limite liegen bzw. in Übereinstimmung mit den in der strategischen Planung gemäß 3. Abschnitt festgelegten Maßnahmen erfolgen, auszuschließen.

(5) Bei der Risikoüberwachung (Limitkontrolle) ist

1. zu prüfen, ob der beabsichtigte Geschäftsabschluss innerhalb der vorgegebenen Limite liegt bzw. in Übereinstimmung mit den in der strategischen Planung gemäß 3. Abschnitt festgelegten Maßnahmen erfolgt und

2. die Überwachung, ob in der Zusammenschau aller bestehenden Positionen alle Limite eingehalten werden, auf täglicher Basis durchzuführen.

§ 15

§ 15 Risikobericht

Der Risikobericht ist jährlich zeitgleich mit dem Landesrechnungsabschluss zu erstellen und hat die wichtigsten Risikokennzahlen, die bestehenden Limite und ihre Ausnutzung sowie alle entscheidungsrelevanten Informationen über die Risikostruktur zu enthalten.

3. Abschnitt

Grundsatz der strategischen Planung und der Transparenz

§ 16

§ 16 Strategische Planung

(1) Die strategische Planung ist jährlich rollierend für einen Zeitraum von vier Jahren im Voraus festzulegen und in gekürzter Form im Rahmen des Strategieberichtes zu berichten, wobei jeweils das erste Jahr der Strategie zur operativen Umsetzung und die Folgejahre zur entsprechenden Vorbereitung beauftragt werden. Im Falle einer wesentlichen Veränderung ist eine unterjährige Anpassung oder Ergänzung der Strategie vorzunehmen.

(2) Mit Hilfe der strategischen Planung sind Rahmenbedingungen zu definieren, zu diskutieren und zu argumentieren und daraus konkrete Maßnahmen wie die Aufnahme von Darlehen zu bestimmten Konditionen und Laufzeiten abzuleiten.

(3) Die strategische Planung hat jedenfalls eine Bestandsanalyse des jeweils aktuellen Schuldenportfolios und des Liquiditätsmanagements, eine Übersicht der zulässigen Finanzinstrumente, Erläuterungen zu den getroffenen Basisannahmen sowie eine Evaluierung verschiedener Finanzierungsstrategien und die Festlegung der zu verfolgenden Strategie sowie für das erste Jahr der Strategie die konkret umzusetzenden Maßnahmen zu enthalten.

Anm.: in der Fassung LGBl. Nr. 73/2018

4. Abschnitt

Grundsatz der Umsetzung einer Aufbau- und Ablauforganisation

§ 17

§ 17 Funktionelle Trennung

Die Umsetzung der Aufbau- und Ablauforganisation hat unter Einhaltung der personellen Funktionstrennung von Frontoffice (der für den Abschluss von Finanzgeschäften zuständigen Organisationseinheit) und Backoffice bzw. Controlling (der für die Beobachtung der Einhaltung dieser Verordnung zuständigen Organisationseinheit) zu erfolgen. Innerhalb dieser Bereiche ist das Vier-Augen-Prinzip sicherzustellen.

§ 18

§ 18 Anforderungsprofil

Die handelnden Personen müssen abhängig von ihren Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten über die erforderlichen Kenntnisse verfügen.

5. Abschnitt

Schlussbestimmungen

§ 19

§ 19 Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2018 in Kraft.

§ 19a

§ 19a Inkrafttreten von Novellen

In der Fassung der Verordnung LGBl. Nr. 73/2018 treten § 2 Abs. 2 und § 16 Abs. 3 mit dem der Kundmachung folgenden Tag, das ist der 20. September 2018 , in Kraft.

Anm.: in der Fassung LGBl. Nr. 73/2018