LandesrechtWienLandesesetzeWiener Energie- und Klimarechts-Umsetzungsgesetz 2020 - WERUG 2020 [CELEX Nrn.: 32012L0027, 32018L2002]

Wiener Energie- und Klimarechts-Umsetzungsgesetz 2020 - WERUG 2020 [CELEX Nrn.: 32012L0027, 32018L2002]

WERUG 2020
In Kraft seit 13. Februar 2021
Up-to-date

1. Abschnitt

Allgemeines

§ 1 Zweck des Gesetzes

Dieses Gesetz umfasst Maßnahmen des Landes Wien, die dem Klimaschutz, der Energieversorgungssicherheit, der Energieeffizienz, der Entwicklung erneuerbarer Energieträger sowie dem Ausbau der Fernwärme- und Fernkälteerzeugung, der Fernwärme- und Fernkälteversorgung und des Fernwärme- und Fernkältenetzes in Wien dienen.

§ 2 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz setzt Richtlinien der EU um und enthält flankierende Bestimmungen zu Verordnungen der EU, die das Energie- und Klimarecht betreffen und gemäß Art. 15 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache sind.

(2) Soweit durch Bestimmungen dieses Gesetzes der Zuständigkeitsbereich des Bundes berührt wird, sind diese so auszulegen, dass sich keine über die Zuständigkeit des Landes hinausgehende rechtliche Wirkung ergibt.

2. Abschnitt

Umsetzung des Art. 14 Abs. 5 lit c und d und Abs. 7 iVm Anhang IX – Teil 2 der Richtlinie 2012/27/EU (Kosten-Nutzen-Analyse) sowie des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2018/2002 zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU (Energieeffizienz an erster Stelle)

§ 3 Genehmigung der Kosten-Nutzen-Analyse für Industrieanlagen, Energieerzeugungsanlagen sowie Fernwärme- und Fernkältenetze

(1) Die Errichtung und die erhebliche Modernisierung

1. einer Industrieanlage, bei der Abwärme mit einem nutzbaren Temperaturniveau entsteht,

2. eines neuen Fernwärme- oder Fernkältenetzes,

3. einer Energieerzeugungsanlage in einem bestehenden Fernwärme- oder Fernkältenetz oder

4. einer thermischen Stromerzeugungsanlage, die der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994 in der jeweils geltenden Fassung unterliegt,

bedürfen einer Genehmigung der Behörde, sofern die thermische Gesamtnennleistung der jeweiligen Industrieanlage, der Energieerzeugungsanlage oder der Stromerzeugungsanlage 20 MW übersteigt.

(2) Bei der Planung einer Industrieanlage gemäß Abs. 1 Z 1 sind die Kosten und der Nutzen der Verwendung der Abwärme zur Deckung eines wirtschaftlich vertretbaren Bedarfs, auch durch KWK, und der Anbindung dieser Anlage an ein Fernwärme- und Fernkältenetz, zu bewerten.

(3) Bei der Planung eines neuen Fernwärme- und Fernkältenetzes gemäß Abs. 1 Z 2 oder der Planung einer neuen Energieerzeugungsanlage in einem bestehenden Fernwärme- oder Fernkältenetz oder bei der erheblichen Modernisierung einer bestehenden derartigen Anlage gemäß Abs. 1 Z 3 sind die Kosten und der Nutzen der Verwendung der Abwärme von Industrieanlagen zu bewerten.

(4) Bei der Planung einer neuen thermischen Stromerzeugungsanlage gemäß Abs. 1 Z 4 sind die Kosten und der Nutzen von Vorkehrungen für den Betrieb der Anlage als hocheffiziente KWK-Anlage zu bewerten.

(5) Bei der erheblichen Modernisierung einer vorhandenen thermischen Stromerzeugungsanlage gemäß Abs. 1 Z 4 sind die Kosten und der Nutzen einer Umrüstung zu einer hocheffizienten KWK-Anlage zu bewerten.

(6) Unter einer erheblichen Modernisierung ist eine Modernisierung zu verstehen, deren Kosten mehr als 50 v.H. der Investitionskosten für eine neue vergleichbare Anlage betragen.

(7) Industrieanlagen im Sinn dieses Gesetzes sind Anlagen, die Abwärme erzeugen oder beim Produktionsprozess Wärme verbrauchen und unter eine Landeskompetenz gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG fallen sowie Industrieanlagen, bei denen die genannten Voraussetzungen zutreffen und die der Gewerbeordnung, BGBl. Nr. 194/1994, in der jeweils geltenden Fassung unterliegen.

(8) Unter einem neuen Fernwärme- oder Fernkältenetz wird die Neuerrichtung einer technischen Anlage, bestehend aus zumindest einer neu errichteten Energieerzeugungsanlage, einem neu errichteten Rohrleitungssystem und Nebenanlagen verstanden, die ausschließlich der Verteilung thermischer Energie in Form von Dampf, heißem Wasser oder kalten Flüssigkeiten aus zentralen oder dezentralen Produktionsquellen an zwei oder mehreren Gebäuden oder Anlagen zur Nutzung von Raum- oder Prozesswärme oder -kälte dient.

(9) Ein bestehendes Fernwärme- oder Fernkältenetz ist eine bereits errichtete technische Anlage, bestehend aus Energieerzeugungsanlagen, einem Rohrleitungssystem und Nebenanlagen, die ausschließlich der Verteilung thermischer Energie in Form von Dampf, heißem Wasser oder kalten Flüssigkeiten aus zentralen oder dezentralen Produktionsquellen an zwei oder mehreren Gebäuden oder Anlagen zur Nutzung von Raum- oder Prozesswärme oder –kälte dient.

(10) Energieerzeugungsanlagen sind Anlagen, die dazu bestimmt sind, durch Energieumwandlung Raum- oder Prozesswärme, Warmwasser oder Prozesskälte bzw. Kaltwasser zur Versorgung von Endverbraucherinnen und Endverbrauchern zu erzeugen und die unter eine Landeskompetenz gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG fallen, sowie Energieerzeugungsanlagen, bei denen die genannten Voraussetzungen zutreffen und die der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994 in der jeweils geltenden Fassung unterliegen.

(11) Das Verfahren nach Abs. 1 ist auf Antrag einzuleiten. Dem Ansuchen ist neben einer technischen Beschreibung des Vorhabens und den zur Beurteilung der Energieeffizienz erforderlichen Plänen, Beschreibungen und Unterlagen eine Kosten-Nutzen-Analyse anzuschließen.

(12) Die Kosten-Nutzen-Analyse ist im Einklang mit den in § 4 dieses Gesetzes festgelegten Grundsätzen und Leitgrundsätzen zu erstellen.

(13) Zur Prüfung der Kosten-Nutzen-Analyse hat die Behörde geeignete Sachverständige heranzuziehen. Die Heranziehung nichtamtlicher Sachverständiger ist auch dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, nicht gegeben sind.

§ 4 Grundsätze für die Durchführung der Kosten-Nutzen-Analyse und Leitgrundsätze für die Methodik, die Annahmen und den zeitlichen Rahmen der wirtschaftlichen Analyse gemäß Anhang IX, Teil 2 der Richtlinie 2012/27/EU

(1) Wird die Errichtung einer reinen Stromerzeugungsanlage eines Gewerbebetriebes oder die erhebliche Modernisierung einer solchen geplant, so ist die geplante Anlage oder die wesentliche Modernisierung der Anlage mit einer gleichwertigen Anlage zu vergleichen, bei der dieselbe Menge an Strom erzeugt, jedoch Abwärme rückgeführt und Wärme mittels hocheffizienter KWK und/oder Fernwärme- und Fernkältenetze abgegeben wird.

(2) Wird die Errichtung oder die erhebliche Modernisierung einer Industrieanlage geplant, bei der Abwärme mit einem nutzbaren Temperaturniveau entsteht, so sind die Kosten und der Nutzen der Verwendung der Abwärme zur Deckung eines wirtschaftlich vertretbaren Bedarfs, auch durch KWK, und der Anbindung dieser Anlage an ein Fernwärme- und Fernkältenetz zu bewerten.

(3) Wird die Errichtung oder die erhebliche Modernisierung eines neuen Fernwärme- und Fernkältenetzes oder die Errichtung oder erhebliche Modernisierung einer neuen Energieerzeugungsanlage in einem bestehenden Fernwärme- oder Fernkältenetz geplant, so sind die Kosten und der Nutzen der Verwendung der Abwärme von Industrieanlagen zu bewerten.

(4) Bei der Bewertung sind innerhalb festgelegter geografischer Grenzen die geplante Anlage bzw. das geplante Fernwärme- oder Fernkältenetz und etwaige geeignete bestehende oder potenzielle Wärmebedarfspunkte, die über die Anlage bzw. das Netz versorgt werden könnten, zu berücksichtigen, wobei den praktischen Möglichkeiten (z. B. technische Machbarkeit und Entfernung) Rechnung zu tragen ist.

(5) Die Systemgrenze ist so festzulegen, dass sie die geplante Anlage und die Wärmelasten umfasst (beispielsweise Gebäude und Industrieprozesse). Innerhalb dieser Systemgrenze sind die Gesamtkosten für die Bereitstellung von Wärme und Strom für beide Fälle zu ermitteln und zu vergleichen.

(6) Die Wärmelasten umfassen bestehende Wärmelasten wie Industrieanlagen oder vorhandene Fernwärmesysteme sowie - in städtischen Gebieten - die Wärmelasten, die bestehen würden, wenn eine Gebäudegruppe oder ein Stadtteil ein neues Fernwärmenetz erhielte und/oder an ein solches angeschlossen würde.

(7) Die Kosten-Nutzen-Analyse stützt sich auf eine Beschreibung der geplanten Anlage und der Vergleichsanlage(n); diese umfasst insbesondere die elektrische und thermische Kapazität, den Brennstofftyp, die geplante Verwendung und die geplante Anzahl der Betriebsstunden pro Jahr, den Standort und den Bedarf an Strom und Wärme.

(8) Für die Zwecke des Vergleichs sind der Wärmeenergiebedarf und die Arten der Wärme- und Kälteversorgung, die von den nahe gelegenen Wärmebedarfspunkten genutzt werden, zu berücksichtigen. In den Vergleich fließen die infrastrukturbezogenen Kosten der geplanten Anlage und der Vergleichsanlage ein.

(9) Die Kosten-Nutzen-Analyse hat neben der reinen Finanzanalyse auch eine volkswirtschaftliche Analyse zu beinhalten.

(10) Die Finanzanalyse gibt Aufschluss über die zu erwartenden Cashflows der beiden Optionen, die sich einerseits aus den Investitionen und den laufenden Kosten des Betriebs einer reinen Stromerzeugungsanlage oder einer reinen Industrieanlage, und andererseits aus den Investitionen und laufenden Kosten des Betriebs einer hocheffizienten KWK-Anlage bzw. einer Anbindung an das Fernwärme- oder Fernkältenetz ergeben würden. Zur Ermittlung der erwarteten Erlöse aus der Vermarktung des erzeugten Stroms für die beiden Optionen sind entsprechende Preiserwartungen für die ersten fünf Jahre zu hinterlegen. Für die Option der hocheffizienten KWK-Anlage sind zusätzlich die erwarteten Erlöse aus der Wärmebereitstellung zu ermitteln. Die Finanzanalyse hat folgende Kriterien zu berücksichtigen:

1. Investitionskosten für die Errichtung der Anlage, die Auskopplung, sowie den Transport und die Einspeisung von Wärme,

2. Betriebskosten für die Anbindung von Anlage und Netz,

3. Finanzierungskosten unter Berücksichtigung eines Zeitraumes von 30 Jahren und einer angemessenen Rendite,

4. sonstige Kosten, insbesondere für die Betriebsführung und Ausfallsicherung sowie den

5. Kosten-Nutzen-Vergleich.

(11) Die volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse erweitert die Finanzanalyse um externe Effekte (externe Kosten und externen Nutzen), die der jeweiligen Option zuzurechnen sind. Die externen Effekte haben zumindest die relevanten negativen und positiven Externalitäten jeder Option (wie z.B. Umweltauswirkungen, Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit, Primärenergieeinsparungen, etc.) zu umfassen. Bei der Bewertung der Externalitäten ist, sofern möglich und zumutbar, eine quantitative Bewertung heranzuziehen.

(12) Der Finanzanalyse, wie auch der davon abgeleiteten volkswirtschaftlichen Analyse, ist eine Sensitivitäts- und Risikoanalyse beizulegen. Dabei sind zumindest unterschiedliche Verbrauchsentwicklungsszenarien und Preisszenarien, sowohl auf der Input-Seite als auch auf der Output-Seite darzustellen. Die beizulegenden Analysen entsprechen der gängigen Praxis der Investitionsbewertung.

(13) Die Kosten-Nutzen-Analyse ist übersichtlich und transparent aufzustellen. Die entsprechenden Annahmen zur Entwicklung der relevanten Parameter sind zum Zwecke der Nachvollziehbarkeit und Plausibilisierung darzustellen. Dies gilt auch für die Sensitivitäts- und Risikoanalyse. Sollte die Finanzanalyse ein negatives Ergebnis liefern, ist die Kosten-Nutzen-Analyse und die Sensitivitäts- und Risikoanalyse dennoch vorzulegen.

(14) Die Kosten-Nutzen-Analyse hat im Übrigen unter sinngemäßer Anwendung der Anhänge I und II der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 244/2012 der Kommission vom 16. Januar 2012 zur Ergänzung der Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden durch die Schaffung eines Rahmens für eine Vergleichsmethode zur Berechnung kostenoptimaler Niveaus von Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und Gebäudekomponenten und unter Berücksichtigung der Leitlinien zur Delegierten Verordnung (EU) Nr. 244/2012 zu erfolgen, wobei als Betrachtungszeitraum sowie als Nutzungsdauer sämtlicher Investitionsbestandteile für die Stromerzeugungsanlage, die KWK-Anlage, die Energieerzeugungsanlage und das Fernwärme- bzw. Fernkältenetz, 30 Jahre anzunehmen sind.

§ 5 Voraussetzungen der Genehmigung – Energieeffizienz an erster Stelle

Die Genehmigung gemäß § 3 Abs. 1 ist zu erteilen, wenn

1. die Kosten-Nutzen-Analyse von richtigen Voraussetzungen ausgeht,

2. die Kosten-Nutzen-Analyse mit den in § 4 dieses Gesetzes festgelegten Grundsätzen und Leitgrundsätzen übereinstimmt,

3. die Kosten-Nutzen-Analyse nachvollziehbar und schlüssig aufgebaut ist und

4. mit der geplanten Anlage oder dem geplanten Netz eine effiziente Energiegewinnung nach dem jeweiligen Stand der Technik gewährleistet ist.

§ 6 Entfall der Genehmigungspflicht

Keiner Genehmigung gemäß § 3 bedürfen Industrieanlagen, Energieerzeugungsanlagen, Fernwärme- oder Fernkältenetze oder thermische Stromerzeugungsanlagen, die ganz oder teilweise eisenbahnrechtlichen, bergbaurechtlichen, luftfahrtrechtlichen, schifffahrtrechtlichen oder abfallrechtlichen Bestimmungen unterliegen, oder ganz oder teilweise Fernmeldezwecken oder der Landesverteidigung dienen.

§ 7 Behörde

(1) Die zuständige Behörde für die Vollziehung der Vorschriften dieses Abschnitts und für die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren ist der Magistrat der Stadt Wien.

(2) Gegen die nach diesem Abschnitt ergangenen Bescheide des Magistrats der Stadt Wien steht den Parteien das Recht zu, eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht Wien zu erheben.

§ 8 Verarbeitung personenbezogener Daten

(1) Die Behörde kann personenbezogene Daten wie den Familiennamen, den Vornamen, den Titel, das Geburtsdatum, die Kontaktdaten (Wohnsitz, Telefonnummer, E-Mailadresse etc.), die Zustelladresse, die geografische Lage der Anlage, die Zählpunktnummer, die Verbrauchsdaten und die Betriebsdaten der Betreiberin oder des Betreibers, der Parteien des Verfahrens sowie sonstiger in Abs. 2 genannter Personen insoweit verarbeiten, als diese Daten für die Durchführung der Verfahren gemäß § 3 oder zur Erfüllung der Aufsichtstätigkeit der Behörde benötigt werden.

(2) Die Behörde kann nach Abs. 1 verarbeitete Daten übermitteln an:

1. die Beteiligten des Verfahrens,

2. Sachverständige, die in einem Verfahren beigezogen werden,

3. ersuchte oder beauftragte Behörden (§ 55 AVG),

4. Gerichte.

§ 9 Behördliche Befugnisse und Auskunftspflicht

(1) Soweit es zur Vollziehung der Vorschriften dieses Abschnittes oder der auf Grund dieses Abschnittes erlassenen Verordnungen unbedingt erforderlich ist, sind die Organe der zur Vollziehung dieser Vorschriften zuständigen Behörde sowie die von dieser Behörde herangezogenen Sachverständigen berechtigt – auch ohne vorhergehende Ankündigung – die den Betrieb einer Anlage oder des Netzes betreffenden Grundstücke und Gebäude zu betreten und zu besichtigen und Kontrollen des Bestandes vorzunehmen. Die Betreiberin oder der Betreiber oder in ihrer oder seiner Abwesenheit deren oder dessen Stellvertreterin oder deren oder dessen Stellvertreter sind spätestens beim Betreten der Grundstücke oder Gebäude zu verständigen.

(2) Soweit dies zur Vollziehung der Vorschriften dieses Abschnittes oder der auf Grund dieses Abschnittes erlassenen Verordnungen unbedingt erforderlich ist, hat die Betreiberin oder der Betreiber oder in ihrer oder seiner Abwesenheit deren oder dessen Stellvertreterin oder deren oder dessen Stellvertreter, die Betriebsleiterin oder der Betriebsleiter, die Eigentümerin oder der Eigentümer der Anlage oder die Person, die den Betrieb tatsächlich vornimmt, den in Abs. 1 genannten Organen und den von dieser Behörde herangezogenen Sachverständigen das Betreten und die Besichtigung der den Betrieb der jeweiligen Anlage oder des jeweiligen Netzes betreffenden Grundstücke und Gebäude zu ermöglichen.

(3) Die Organe der Behörde und die herangezogenen Sachverständigen haben bei den Amtshandlungen gemäß Abs. 1 und Abs. 2 jeden nicht unbedingt erforderlichen Eingriff in die Rechte der Betreiberin oder des Betreibers und in die Rechte Dritter zu vermeiden.

(4) Die Behörde kann von der Betreiberin oder dem Betreiber jede Auskunft verlangen, die zur Erfüllung der ihr nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben erforderlich ist. Die Betreiberin oder der Betreiber ist verpflichtet, diese Auskünfte innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist zu erteilen und auf Verlangen der Behörde Einsicht in die Wirtschafts- und Geschäftsaufzeichnungen zu gewähren. Gesetzlich anerkannte Verschwiegenheitspflichten werden von der Auskunftspflicht nicht berührt.

(5) Ein Anspruch auf Ersatz der mit der Auskunftserteilung verbundenen Kosten besteht nicht.

(6) Erteilt die Betreiberin oder der Betreiber der Anlage oder des Netzes die Auskunft nicht, hat die Behörde die begehrte Auskunft mit Bescheid aufzutragen.

§ 10 Strafbestimmungen

Mit einer Geldstrafe bis zu 25.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, ist zu bestrafen, wer

1. eine Industrieanlage, eine Energieerzeugungsanlage, ein Fernwärme- oder ein Fernkältenetz oder eine thermische Stromerzeugungsanlage, die gewerblichen Bestimmungen unterliegt, ohne die erforderliche Genehmigung gemäß § 3 errichtet oder erheblich modernisiert, oder

2. das Betreten oder die Besichtigung der die Anlage bzw. das Netz betreffenden Grundstücke oder Gebäude gemäß § 9 Abs. 2 verweigert oder

3. die erforderlichen Auskünfte gemäß § 9 Abs. 6 nicht fristgerecht erteilt.

3. Abschnitt

Umsetzung des Art. 16 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen

§ 11 Errichtung einer zentralen Anlaufstelle für Energieerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energiequellen

(1) Die UIV Urban Innovation Vienna GmbH (UIV) fungiert als zentrale Anlaufstelle der Stadt Wien zur Beratung und Information der Betreiberinnen und Betreiber von Energieerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energiequellen während des gesamten behördlichen Verwaltungsverfahrens, sofern die Anlage auf dem Gebiet des Landes Wien betrieben wird oder errichtet werden soll.

(2) Die UIV wird mit den Aufgaben einer zentralen Anlaufstelle betraut. Die nähere Ausgestaltung der sich aus dieser Betrauung ergebenden Rechte und Pflichten erfolgt auf der Grundlage eines zivilrechtlichen Vertrages, der zwischen der Stadt Wien und der UIV unter Einhaltung der folgenden Bestimmungen abzuschließen ist.

§ 12 Grundsätze der Aufgabenerfüllung

(1) Das Angebot der Anlaufstelle ist kostenlos.

(2) Die zu erfüllenden Aufgaben der Anlaufstelle sind nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Raschheit und Sparsamkeit zu erfüllen.

(3) Durch die Tätigkeit der Anlaufstelle bleiben behördliche Verwaltungsverfahren für den Bau, den Betrieb und das Repowering von Energieerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energiequellen unberührt.

(4) Die Betreiberin oder der Betreiber darf während laufender Genehmigungs- oder Anzeigeverfahren nicht auf eine andere Anlaufstelle des Bundes oder der Länder verwiesen werden, wenn die betreffende Energieerzeugungsanlage auf dem Gebiet des Landes Wien betrieben wird oder betrieben werden soll.

§ 13 Begriffsbestimmungen

(1) Unter Energieerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energiequellen sind Anlagen zu verstehen, die Energie (Elektrizität, Wärme, Warmwasser oder Kälte) aus erneuerbaren, nichtfossilen Energiequellen, das heißt Wind, Sonne (Solarthermie und Fotovoltaik), geothermische Energie, Umgebungsenergie, Wasserkraft, Biomasse, Deponiegas, Klärgas oder Biogas und dergleichen erzeugen.

(2) Umgebungsenergie ist natürlich vorkommende thermische Energie und in der Umwelt innerhalb eines begrenzten Gebiets angesammelte Energie, die in der Umgebungsluft, mit Ausnahme von Abluft, oder in Oberflächengewässern oder Abwässern gespeichert sein kann.

(3) Unter geothermischer Energie ist Energie zu verstehen, die in Form von Wärme unter der festen Oberfläche gespeichert ist.

(4) Biomasse bezeichnet den biologisch abbaubaren Teil von Produkten, Abfällen und Reststoffen biologischen Ursprungs der Landwirtschaft, einschließlich pflanzlicher und tierischer Stoffe, der Forstwirtschaft und damit verbundener Wirtschaftszweige, einschließlich der Fischerei und der Aquakultur sowie den biologisch abbaubaren Teil von Abfällen, darunter auch Industrie- und Haushaltsabfälle biologischen Ursprungs.

(5) Biogas ist ein gasförmiger Kraft- und Brennstoff, der aus Biomasse hergestellt wird.

(6) Unter Repowering ist eine Modernisierung von bestehenden Energieerzeugungsanlagen gemäß Abs. 1 zu verstehen, wobei auch der vollständige oder teilweise Austausch von bestehenden Anlagen oder Betriebssystemen und -geräten zum Austausch von Kapazität oder zur Steigerung der Effizienz oder Kapazität der Anlage dazu zählt.

Aufgaben der Anlaufstelle

§ 14 Beratung

(1) Die Anlaufstelle hat auf Ersuchen der Betreiberin oder des Betreibers insbesondere über die für den Bau, den Betrieb und das Repowering einer Energieerzeugungsanlage auf Basis erneuerbarer Energiequellen erforderlichen Genehmigungs- und Anzeigepflichten zu beraten. Die Anlaufstelle stellt der Betreiberin oder dem Betreiber die für die jeweiligen Verwaltungsverfahren notwendigen Informationen zur Verfügung.

(2) Die Beratung gemäß Abs. 1 erstreckt sich auf alle einschlägigen bundes- und landesrechtlichen Genehmigungs- und Anzeigepflichten, die für den Bau, den Betrieb und das Repowering sowie den Netzzugang der Energieerzeugungsanlage auf Basis erneuerbarer Energiequellen vorgesehen sind. Genehmigungs- und Anzeigeverfahren aufgrund bundesrechtlicher Vorschriften, die in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden, sind davon ausgenommen.

(3) Die Betreiberin oder der Betreiber der Anlage kann die für die Beratung erforderlichen Unterlagen auch in digitaler Form bei der Anlaufstelle einbringen.

§ 15 Information (Verfahrenshandbuch)

(1) Die Anlaufstelle hat insbesondere über sämtliche Genehmigungs- und Anzeigepflichten, die für den Bau, den Betrieb und das Repowering nach bundes- und landesrechtlichen Vorschriften erforderlich sind, in einem eigenen Verfahrenshandbuch zu informieren. Im Verfahrenshandbuch sind alle für die jeweiligen Verwaltungsverfahren notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Genehmigungs- und Anzeigeverfahren aufgrund bundesrechtlicher Vorschriften, die in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden, sind davon ausgenommen.

(2) Das Verfahrenshandbuch hat insbesondere auf kleinere Projekte und Projekte von Eigenversorgern im Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung einzugehen, wenn und soweit diese Anlagen nach den einschlägigen bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften Genehmigungs- oder Anzeigepflichten unterliegen. Im Verfahrenshandbuch ist auch auf die für die jeweilige Anlage zuständige Anlaufstelle hinzuweisen.

(3) Das Verfahrenshandbuch ist in Papierform zur Verfügung zu stellen und in digitaler Form auf der Homepage der Anlaufstelle zu veröffentlichen.

§ 16 Berichtspflicht

(1) Die Anlaufstelle hat einmal im Jahr einen Tätigkeitsbericht über die Erfüllung ihrer gesetzlichen und vertraglichen Aufgaben zu erstellen. Dieser Bericht ist bis zum März des Folgejahres an das Amt der Wiener Landesregierung zu übermitteln und nach Genehmigung durch die Landesregierung auf der Homepage der Stadt Wien und jener der Anlaufstelle zu veröffentlichen.

4. Abschnitt

Umsetzung des Art. 16 Abs. 5 zweiter Unterabsatz der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen

Freiwilliges Mediationsverfahren

§ 17 Unterbrechung des Genehmigungsverfahrens

(1) Wenn sich im Zusammenhang mit laufenden Genehmigungsverfahren nach landesgesetzlichen Vorschriften für den Bau, den Betrieb und das Repowering von Energieerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energiequellen Streitigkeiten zwischen der Betreiberin oder dem Betreiber und den sonstigen Parteien des Verfahrens ergeben, hat die Behörde das Verfahren auf Antrag der Betreiberin oder des Betreibers zur Einleitung eines Mediationsverfahrens zu unterbrechen. Die Begriffsbestimmungen des § 13 gelten.

(2) Ab dem Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens durch die Behörde werden der Beginn und der Fortlauf von gesetzlichen und behördlichen Fristen des jeweiligen Genehmigungsverfahrens gehemmt. Die Betreiberin oder der Betreiber der Anlage kann jederzeit einen Antrag auf Fortführung des anhängigen Genehmigungsverfahrens stellen. Ab dem Zeitpunkt des Einlangens dieses Antrages bei der Behörde werden die gesetzlichen und behördlichen Fristen fortgesetzt.

(3) Die Ergebnisse des Mediationsverfahrens können der Behörde von den Streitteilen übermittelt und, soweit dies gesetzlich zulässig ist, im weiteren Genehmigungsverfahren und in der Entscheidung der Behörde berücksichtigt werden.

(4) Die Teilnahme am Mediationsverfahren ist freiwillig. Ein Anspruch der Parteien auf Kostenersatz besteht nicht.

(5) Die Unterbrechung nach Abs. 1 darf höchstens 6 Monate in Anspruch nehmen. Nach Ablauf dieser Frist ist das Verfahren jedenfalls fortzuführen.

5. Abschnitt

Schlussbestimmungen

§ 18 Umsetzungs- und Durchführungshinweis

(1) Durch den 2. Abschnitt (§§ 3 bis 10) dieses Gesetzes wird Art. 14 Abs. 5 lit c und d sowie Abs. 7 iVm Anhang IX Teil 2 der Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und 2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG, ABl. Nr. L 315 vom 14. November 2012, S. 1 ff., umgesetzt.

(2) Durch § 5 Z 4 des Gesetzes wird Art. 1 Abs. 1 letzter Absatz der Richtlinie (EU) 2018/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz, ABl. Nr. L 328 vom 21. Dezember 2018, S. 210 ff., umgesetzt.

(3) Durch den 3. Abschnitt (§§ 11 bis 16) wird Art. 16 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, ABl. Nr. L 328 vom 21. Dezember 2018 S. 82 umgesetzt.

(4) Durch den 4. Abschnitt (§ 17) wird Art. 16 Abs. 5 zweiter Unterabsatz der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, ABl. Nr. L 328 vom 21. Dezember 2018 S. 82 umgesetzt.

§ 19 Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt an dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(2) Die Novelle LGBl. für Wien Nr. 29/2022 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.