Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Magistrates der Stadt Wien der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 17. November 2023, 1. VGW 101/092/12951/2023 2, 2. VGW 101/092/13009/2023, 3. VGW 101/092/13014/2023 und 4. VGW 101/092/14533/2023, betreffend Grundversorgung nach dem WGVG (mitbeteiligte Parteien: 1. I A, 2. R A, 3. mj. Y A, diese vertreten durch die Viertmitbeteiligte als gesetzliche Vertreterin, und 4. S S, alle in W), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 3 VwGG wird in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 15. Februar 2024, 1. VGW 101/V/092/586/2024/R 1, 2. VGW 101/V/092/587/2024/R/, 3. VGW 101/V/092/588/2024/R/ und 4. VGW 101/V/092/589/2024/R/, dem Antrag des Magistrates der Stadt Wien, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 17. November 2023, 1. VGW 101/092/12951/2023 2, 2. VGW 101/092/13009/2023, 3. VGW 101/092/13014/2023 und 4. VGW 101/092/14533/2023 erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen,nicht stattgegeben.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) den Beschwerden der Mitbeteiligten gegen die Bescheide des Magistrates der Stadt Wien (Amtsrevisionswerber) vom (jeweils) 29. August 2023, mit denen der Amtsrevisionswerber u.a., aber für das Revisionsverfahren ausschließlich relevant die Anträge der Mitbeteiligten auf Aufnahme in die Wiener Grundversorgung und auf Geldersatz in Höhe der Mindestsicherung zurückgewiesen hatte, im Instanzenzug statt und behob „die angefochtenen Bescheide im angefochtenen [Anm.: hier wiedergegebenen] Umfang“.
2Der Amtsrevisionswerber verband seine Amtsrevision mit dem Antrag, ihr gemäß § 30 Abs. 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und er begründete diesen Antrag im Wesentlichen damit, dass das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis die Zurückweisung des Antrags auf Ersatz nicht bezogener Leistungen aufgehoben habe. Da Leistungen der Grundversorgung unmittelbar zu erbringen seien, würde dies bedeuten, dass (wohl gemeint: im Fall des Vollzuges des angefochtenen Erkenntnisses) das Land Wien Versorgungsleistungen an die Mitbeteiligten erbringen müsste. Da die Mitbeteiligten mittlerweile den Status von Asylberechtigten hätten, könnten sie sich einerseits ihren Lebensunterhalt am Arbeitsmarkt selbst beschaffen, andererseits würden sie nun in den Personenkreis sozialhilferechtlicher Gesetze fallen. Selbst im Fall eines Erfolgs der Revision würden bereits ausbezahlte Leistungen nicht mehr einbringlich gemacht werden können, „zumal dringend zu befürchten ist, dass diese verbraucht würden“. In Bezug auf die Frage, ob auch die Nachzahlung zustehe, sei es grundsätzlich zumutbar, den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abzuwarten.
3 Die Mitbeteiligten beantragten sowohl in ihrer Revisionsbeantwortung vom 26. April 2024 als auch mit weiterer Eingabe vom 13. August 2024 die „Aufhebung oder Abänderung des Beschlusses, mit dem der Revision die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde“. Der Amtsrevisionswerber sei der Konkretisierungspflicht eines unverhältnismäßigen Nachteils nicht nachgekommen.
4 Der Amtsrevisionswerber äußerte sich trotz Zustellung der Revisionsbeantwortung durch den Verwaltungsgerichtshof an ihn zu diesem Antrag nicht.
5Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
6Nach § 30 Abs. 3 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision Beschlüsse gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben.
7Im Provisorialverfahren betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung geht es nicht um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses, sondern einzig und allein um die Auswirkungen eines (möglichen) sofortigen Vollzuges dieses Erkenntnisses (VwGH 20.7.2023, Ro 2023/01/0003, mwN).
8Ungeachtet der offenbar nicht auf Amtsrevisionen zugeschnittenen Formulierung des § 30 Abs. 2 VwGG ist die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch bei einer Amtsrevision zulässig. Als „unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber“ ist hier jedoch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses in die Wirklichkeit zu verstehen. In diesem Zusammenhang obliegt es der eine Amtsrevision erhebenden Partei, bereits im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jene Umstände im Einzelnen darzutun, aus denen sich ein solcher „unverhältnismäßiger Nachteil“ ergibt (vgl. VwGH 2.3.2021, Ra 2020/08/0128; 10.5.2022, Ra 2022/17/0071, jeweils mwN).
9Diese Anforderungen an die Konkretisierungspflicht des Antragstellers sind streng (vgl. etwa VwGH 3.10.2023, Ro 2023/10/0020, mwN). Mag auch die Konkretisierungspflicht in einer Amtsrevision nicht so weit gehen wie jene für eine „private“ Partei, die zur Geltendmachung ihrer überwiegenden Interessen ihre Vermögenslage weitgehend offenzulegen hat, ist doch auch von einer Amtspartei eine konkrete Gefahr der späteren Uneinbringlichkeit aufgrund des angefochtenen Bescheides zu leistender Zahlungen darzulegen (vgl. erneut VwGH 3.10.2023, Ro 2023/10/0020, mwN).
10In diesem Zusammenhang obliegt es der eine Amtsrevision erhebenden Partei, bereits im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jene Umstände im Einzelnen darzutun, aus denen sich ein solcher „unverhältnismäßiger Nachteil ergibt (vgl. etwa VwGH 11.8.2023, Ra 2023/16/0060, mwN). Eine allgemein gehaltene, durch keine konkreten Umstände in Bezug auf die finanziellen Verhältnisse der mitbeteiligten Parteien untermauerte Antragsbegründung reicht zur Darlegung einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen nicht aus (vgl. VwGH 19.3.2020, Ra 2020/10/0016, mwN).
11 Die Begründung des vorliegenden Antrags genügt dieser Konkretisierungspflicht nicht, wie die Mitbeteiligten zu Recht geltend machen. So wird nicht einmal im Ansatz dargelegt, weshalb konkretvon einer Uneinbringlichkeit der Rückforderung durch die Mitbeteiligten allenfalls zu Unrecht bezogener Leistungen auszugehen wäre (vgl. in diesem Sinn zu Ansprüchen aus der Grundversorgung bereits VwGH 16.4.2024, Ra 2024/17/0035).
Wien, am 9. Oktober 2024