Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der Steiermärkische Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 1. März 2022, LVwG 41.36 1909/2020 9, betreffend Nachzahlung nach dem StGVG (mitbeteiligte Partei: H D in W), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid vom 3. Juni 2020 sprach die Steiermärkische Landesregierung (belangte Behörde, Revisionswerberin) aus, dass die staatenlose Mitbeteiligte aufgrund einer Nachzahlung von Familienbeihilfe einen Rückersatz für im Zeitraum 1. Juli 2017 bis 20. November 2017 zu Unrecht bezogene Leistungen aus der Grundversorgung in Höhe von € 1.059,35 zu leisten habe.
2 Die Mitbeteiligte erhob dagegen Beschwerde.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27. Juli 2020 wurde der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend modifiziert, dass die Leistungsverpflichtung mit € 986, festgesetzt und eine „Teilzahlung“ von monatlich € 20, beginnend ab September 2020 festgelegt wurde.
4 Begründend stellte die belangte Behörde fest, die Mitbeteiligte und ihr 2004 geborenes Kind seien mit Bescheid vom 31. März 2016 in die Grundversorgung des Landes Steiermark aufgenommen worden.
5 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) jeweils vom 19. Juli 2017, rechtskräftig am 21. Juli 2017, seien der Mitbeteiligten und ihrem Kind der Status von Asylberechtigten zuerkannt worden. Am 21. November 2017 seien die Mitbeteiligte und ihr Kind aus der Grundversorgung entlassen worden, weil die Viermonatsfrist betreffend den Anspruch auf Grundversorgung nach rechtskräftig zuerkanntem Asylstatus abgelaufen gewesen sei. Im Rahmen einer „Hilfsbedürftigkeitsprüfung“ habe die belangte Behörde Kenntnis von einer am 18. Jänner 2018 erfolgten Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2017 bis Jänner 2018 in der Höhe von (insgesamt) € 1.483,10 an die Mitbeteiligte erlangt. Als Einkommen und verwertbares Vermögen seien grundsätzlich alle Einkünfte, Geldleistungen und Vermögenswerte zu berücksichtigen. Umgerechnet auf die Monate Juli bis einschließlich 20. November 2017 ergebe sich in Berücksichtigung eines monatlichen Bezuges an Familienbeihilfe von € 197,20 ein Nachzahlungsbetrag von € 986, .
6 Ein Absehen von der Rückerstattungsverpflichtung im Sinn des § 11 Abs. 5 Steiermärkisches Grundversorgungsgesetz (StGVG) sei nicht geboten, weil in der monatlichen Ratenzahlung in der Höhe von € 20, keine soziale Härte erkennbar sei.
7 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage ihrer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht).
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. März 2022 behob das Verwaltungsgericht die angefochtene Entscheidung. Weiters sprach es aus, dass eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
9 Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die rückwirkend ausgezahlte Familienbeihilfe „im Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nicht mehr verfügbar und somit nicht mehr verwertbar“ sei, sodass eine Verpflichtung zur Rückerstattung auf Grundlage des § 11 Abs. 1 Z 1 StGVG nicht möglich sei. Nachdem die Nachzahlung zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, in dem die Grundversorgungsleistungen nicht mehr gewährt worden seien, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass Leistungen durch falsche Angaben oder durch Verschweigen entscheidungsrelevanter Tatsachen oder durch Verletzung der Anzeigepflicht im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 2 StGVG erschlichen worden seien.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 9.3.2023, Ra 2023/17/0035, mwN).
15 Unter diesem Gesichtspunkt bringt die Amtsrevision vor, die Nachzahlung der Familienbeihilfe stelle verwertbares Vermögen im Sinn des § 11 Abs. 1 Z 1 StGVG dar, das für einen Zeitraum gewährt worden sei, in dem Grundversorgungsleistungen bezogen worden seien. Das StGVG sehe in derartigen Fällen eine Rückerstattung vor. Das Gesetz sehe allerdings keine Prüfung vor, ob das verwertbare Vermögen „im Zeitpunkt der Bescheiderlassung“ noch vorhanden sei.
16 Gemäß § 11 Abs. 1 des Gesetzes über die Grundversorgung hilfs und schutzbedürftiger Fremder (Steiermärkisches Grundversorgungsgesetz StGVG), LGBl. 111/2016, sind zu Unrecht empfangene Leistungen rückzuerstatten, wenn
1. nachträglich bekannt wird, dass im Zeitpunkt der Gewährung Einkommen oder verwertbares Vermögen bestanden hat oder rückwirkend zuerkannt wurde, das nicht berücksichtigt wurde oder
2. die Leistung durch falsche Angaben oder durch Verschweigen entscheidungsrelevanter Tatsachen oder durch Verletzung der Anzeigepflicht erschlichen wurde.
17 Gemäß § 6 Abs. 5 StGVG (und zwar in der Stammfassung als auch in der derzeit geltenden Fassung LBGl. Nr. 51/2021) ist die Höhe der Leistungen unter Berücksichtigung des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der Fremden zu gewähren, wobei auch das Einkommen der/des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin/Ehegatten, der eingetragenen Partnerin/des eingetragenen Partners, der Lebensgefährtin/des Lebensgefährten sowie der unterhaltspflichtigen Personen zu berücksichtigen ist. Als Einkommen und verwertbares Vermögen sind grundsätzlich alle Einkünfte, Geldleistungen und Vermögenswerte zu berücksichtigen. Die Landesregierung kann durch Verordnung bestimmte Einkünfte von der Einkommensanrechnung ausnehmen.
18 Im vorliegenden Fall wurde der Mitbeteiligten nach ihrer Entlassung aus der Grundversorgung nach dem StGVG vier Monate nach Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten Familienbeihilfe rückwirkend zuerkannt.
19Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. November 2024, Ra 2021/17/0047, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, Folgendes klargestellt: § 6 Abs. 5 StGVG ist unionsrechtskonform dahingehend zu verstehen, dass Familienbeihilfe, welche noch in der Grundversorgung befindliche Asylberechtigte für die ersten vier Monate nach der Asylgewährung erhalten, nicht zu den Einkünften, Geldleistung bzw. Vermögenswerten im Sinne dieser Bestimmung zählt, sodass diesbezüglich auch § 11 Abs. 1 Z 1 StGVG nicht zur Anwendung gelangt (vgl. Rn. 42).
20 Gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Mitbeteiligte keine Leistung aus der Grundversorgung im Sinn der Z 2 des § 11 Abs. 1 StGVG erschlichen habe, wendet sich die Amtsrevision nicht.
21 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. März 2025