JudikaturVwGH

Ra 2024/17/0155 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der U C, vertreten durch Mag. Michael Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2024, W215 22815111/11E, betreffend Versagung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 3. Juli 2024 wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde der Revisionswerberin, einer im Jahr 1997 geborenen mongolischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 12. Oktober 2023mit dem ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen, gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFAVG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Mongolei gemäß § 46 FPG festgestellt und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für ihre freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt worden war als unbegründet ab. Ferner sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2. Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 17. September 2024, E 3113/2024 8, ablehnte und sie unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der Folge erhob die Revisionswerberin die hier gegenständliche Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in den nachfolgend näher erörterten Punkten behauptet wird.

3. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts die Revision (nur) dann zulässig, wenn diese von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

An den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

4.1. Die Revisionswerberin macht in dieser Hinsicht zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision lediglich mit der sinngemäßen Wiedergabe des Art. 133 Abs. 4 BVG begründet. Eine solche Begründung werde den Anforderungen des § 25a Abs. 1 VwGG nicht gerecht, dürfe sie doch nicht so kurz und inhaltsleer sein, dass die Parteien die Erfolgsaussichten einer Revision nicht beurteilen bzw. einschätzen könnten.

4.2. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Revision nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

Einerseits beschränken sich die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts keineswegs bloß auf die sinngemäße Wiedergabe des Art. 133 Abs. 4 B VG.

Andererseits könnte selbst das Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruchs gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet nicht dazu führen, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG allein deshalb gegeben wären. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich gemäß § 34 Abs. 1a VwGG an den nach § 25a Abs. 1 VwGG getätigten Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden, sondern überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision anhand der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dazu gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. etwa VwGH 14.4.2021, Ra 2020/22/0257, Pkt. 3.2., mwN).

5.1. Die Revisionswerberin releviert weiters, die belangte Behörde (gemeint: das Verwaltungsgericht) habe in Verkennung der maßgeblichen Bestimmungen der §§ 37 ff AVG das Ermittlungsverfahren mangelhaft geführt.

5.2. Soweit die Revisionswerberin das Unterlassen einer entsprechenden Ermittlungstätigkeit als wesentlichen Verfahrensmangel moniert, ist darauf hinzuweisen, dass bereits in der Zulässigkeitsbegründung der Revision (auch) die Relevanz eines behaupteten Mangels für den Verfahrensausgang darzulegen ist (vgl. etwa VwGH 13.7.2022, Ra 2022/17/0072, Rn. 10, mwN).

Die Revisionswerberin hätte somit konkret dartun müssen, welche weiteren tatsächlichen Ermittlungen das Verwaltungsgericht im Fall eines mängelfreien Verfahrens hätte durchführen müssen und inwiefern sich daraus eine für sie günstigere Sachverhaltsgrundlage hätte ergeben können. Eine wie hierim Rahmen der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe nicht weiter konkretisierte und substanziierte Behauptung eines Verfahrensmangels reicht nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. etwa VwGH 23.10.2024, Ra 2023/17/0174, Pkt. 7.2., mwN).

5.3. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Stands der Ermittlungen ein ausreichend erhobener Sachverhalt vorliegt, oder ob noch weitere Beweisaufnahmen erforderlich sind, in der Regel sofern nicht von einem krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Fehler auszugehen istkeine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. etwa VwGH 24.2.2023, Ra 2019/22/0107, Pkt. 6.2.1., mwN).

Vorliegend zeigt die Revisionswerberin nicht auf, inwiefern das Unterlassen einer weitergehenden Ermittlungstätigkeit nach Lage des Falls einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfenden Fehler darstellen könnte.

6.1. Die Revision wendet sich ferner gegen die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK und moniert, die belangte Behörde (gemeint: das Verwaltungsgericht) habe den langjährigen Aufenthalt der Revisionswerberin in Österreich, ihre perfekten Deutschkenntnisse, ihre gemeinnützige Tätigkeit, ihre in Aussicht stehende Beschäftigung und ihre Beziehung mit ihrem „Lebensgefährten“ (den sie inzwischen geehelicht habe), nicht entsprechend gewürdigt.

6.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG (vgl. etwa VwGH 26.6.2024, Ra 2024/17/0042 bis 0046, Pkt. 7.2., mwN).

Eine derartige Interessenabwägung ist vom Verwaltungsgerichtshof nur dann aufzugreifen, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien und Grundsätze nicht beachtet und damit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse und unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalls vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 25.3.2024, Ra 2021/17/0014, Pkt. 8.2., mwN).

6.3. Vorliegend stellte das Verwaltungsgericht die fallbezogen maßgeblichen Umstände in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise nach Durchführung einer mündlichen Verhandlungfest und bezog diese in seine in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ein. Dass es dabei die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien und Grundsätze in unvertretbarer Weise außer Acht gelassen bzw. eine krasse und unvertretbare Fehlbeurteilung vorgenommen hätte, wird in der Revision nicht begründet dargelegt und ist auch nicht zu sehen.

6.4. Das Verwaltungsgericht berücksichtigte insbesondere auch die in der Revision ins Treffen geführte Aufenthaltsdauer. Es maß dieser jedoch was keinen Bedenken begegnetkeine entscheidende Bedeutung bei, da die Dauer nur etwas über fünfeinhalb Jahren lag (vgl. dazu etwa VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0231, Rn. 10, mwN), davon der Aufenthalt aufgrund der Aufenthaltsberechtigung „Schüler“ nur etwa viereinhalb Jahre rechtmäßig war und sich die Revisionswerberin zudem bereits ab dem Jahr 2022 wegen Ausbleibens eines Schulerfolgs der Unsicherheit ihres Aufenthalts bewusst sein musste.

Das Verwaltungsgericht nahm weiters auf die Deutschkenntnisse hinreichend Bedacht, wobei sich diese nach den getroffenen Feststellungen darauf beschränkten, dass die Revisionswerberin zuletzt im Juni 2019 die Deutschprüfung B1 abgelegt, in der Folge einen Deutschkurs B2 (lediglich) besucht und in der Schule am Pflichtgegenstand Deutsch (lediglich) „teilgenommen“ hat. Wenngleich das Verwaltungsgericht festhielt, dass die Revisionswerberin in der Verhandlung gut verständlich und fließend Deutsch gesprochen habe, kann wie auch die Protokollierung ihrer Aussage zeigt (vgl. etwa S 9 des Verhandlungsprotokolls: „Freiwilliges arbeiten machen, aber seit letzter Woche nicht mehr. Ich habe Herren aufgepasst, spazieren gegangen, Graz ...“) von besonders berücksichtigungswürdigen (laut der Revision gar „perfekten“) Deutschkenntnissen keine Rede sein.

Das Verwaltungsgericht bezog ferner auch die in der Revision hervorgehobene gemeinnützige Tätigkeit der Revisionswerberin und den vorgelegten „Arbeitsvorvertrag“ entsprechend in seine Erwägungen ein. Es maß dabei jedoch der gemeinnützigen Tätigkeit erkennbar deshalb weniger Gewicht bei, weil die vorübergehende Tätigkeit bereits vor der Beschwerdeverhandlung wieder aufgegeben worden ist. Der zuletzt vorgelegte „Arbeitsvorvertrag“ war wie das Verwaltungsgericht nachvollziehbar würdigte schon deshalb nicht geeignet, die Aufnahme einer geregelten Beschäftigung nach Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zu bescheinigen, weil der Vertrag weder Namen, noch Firmenstempel des künftigen Dienstgebers aufwies.

Das Verwaltungsgericht berücksichtigte schließlich auch, dass die Revisionswerberin im April 2022 einen „Freund“ (ebenso ein mongolischer Staatsangehöriger, der über einen Aufenthaltstitel „Rot Weiß RotKarte“ verfügt) fand und mit diesem seit September 2022 in der Wohnung seiner Mutter lebt, wobei diese für die Miete und für den Lebensunterhalt (auch der Revisionswerberin) aufkommt. Wenn das Verwaltungsgericht unter diesen Umständen von keiner Lebensgemeinschaft, die ein gemeinsames Wirtschaften der Lebenspartner unverzichtbar voraussetzt (vgl. etwa VwGH 30.3.2022, Ra 2018/08/0198, Rn. 7, mwN), ausging und der Beziehung zu dem „Freund“ auch im Übrigen keine wesentliche Bedeutung beimaß, so kann darin jedenfalls keine unvertretbare Würdigung erblickt werden. Die erstmals in der Revision erhobene Behauptung einer zwischenzeitigen Eheschließung verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG).

7. Insgesamt wird daherin der maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung (vgl. etwa VwGH 29.5.2024, Ra 2022/22/0079, Pkt. 10., mwN) keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 2024