Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. des B Y, 2. der H Y, 3. der C Y, 4. des B Y, und 5. der S Y, alle vertreten durch Mag. Ali Polat, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Andreasgasse 4/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. November 2023, 1. L507 2168076 4/10E, 2. L507 2168081 4/9E, 3. L507 2168079 4/9E, 4. L507 2168073 4/9E und 5. L507 2196719 4/6E, betreffend Nichterteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG 2005 und Erlassung von Rückkehrentscheidungen samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin, seine Ehefrau, sind die Eltern der im Oktober 2003 geborenen Drittrevisionswerberin, des im April 2005 geborenen Viertrevisionswerbers und der im Jänner 2018 geborenen Fünftrevisionswerberin. Alle sind türkische Staatsangehörige und Angehörige der kurdischen Volksgruppe.
2.1. Die Erst- bis Viertrevisionswerber stellten nach illegaler Einreise in Österreich im Februar bzw. März 2017, die Fünftrevisionswerberin nach ihrer Geburt im Bundesgebiet im April 2018 Anträge auf internationalen Schutz. Diese Anträge wurden im August 2019 im Instanzenzug vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen; unter einem wurden Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, Rückkehrentscheidungen gegen die Revisionswerber erlassen, die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Türkei festgestellt und eine 14 tägige Frist für ihre freiwillige Ausreise eingeräumt. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Revisionswerber wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. Oktober 2019, Ra 2019/01/0385 bis 0389, zurückgewiesen.
2.2. Die Revisionswerber kamen daraufhin ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nach und stellten im November 2019 Folgeanträge auf internationalen Schutz. Diese Anträge wurden im Mai 2022 im Instanzenzug vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen; unter einem wurden Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, Rückkehrentscheidungen gegen die Revisionswerber erlassen, die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Türkei festgestellt und eine 14 tägige Frist für ihre freiwillige Ausreise eingeräumt. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Revisionswerber wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. Dezember 2022, Ra 2022/19/0312 bis 0316, zurückgewiesen.
2.3. Die Revisionswerber kamen weiterhin ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nach und stellten schließlich am 10. Jänner 2023 die hier gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG 2005. Diese Anträge wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Behörde) mit Bescheiden vom 20. Juni 2023 abgewiesen; unter einem wurden Rückkehrentscheidungen gegen die Revisionswerber erlassen, die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Türkei festgestellt und eine 14 tägige Frist für ihre freiwillige Ausreise eingeräumt.
3.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. November 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde der Revisionswerber gegen die Bescheide vom 20. Juni 2023 als unbegründet ab.
3.2. Das Bundesverwaltungsgericht stellte (über oben Pkt. 1. und 2. hinaus) im Wesentlichen fest:
Der strafrechtlich unbescholtene Erstrevisionswerber habe in der Türkei bis zu seiner Ausreise als Reinigungskraft gearbeitet, die ebenso strafrechtlich unbescholtene Zweitrevisionswerberin sei Hausfrau gewesen. In Österreich hätten die Revisionswerber ihren Lebensunterhalt bis Juni 2022 durch Leistungen aus der Grundversorgung bestritten, die Drittrevisionswerberin habe derartige Leistungen bis Juni 2023 bezogen. Der Erstrevisionswerber sei von Mai 2022 bis Mai 2023 als Koch beschäftigt gewesen und habe mit seinem Einkommen den Unterhalt der Familie finanziert. Seitdem lebten die Revisionswerber von Sozialleistungen, zudem würden sie von ihren Verwandten in Österreich finanziell unterstützt.
Die Revisionswerber hätten von Juli 2017 bis September 2020 mit der Schwester der Zweitrevisionswerberin (im Folgenden: H Ö) und deren Familie (Ehemann und zwei Kindern) zusammengewohnt; seit September 2020 lebten sie in einer eigenen Mietwohnung. Zu H Ö und deren Familie bestehe weiterhin regelmäßig Kontakt, bei Bedarf würden die Revisionswerber von H Ö und deren Ehemann auch finanziell unterstützt.
Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sprächen Türkisch und Kurdisch, der deutschen Sprache seien beide bis auf wenige Worte nicht mächtig. Die Dritt- bis Fünftrevisionswerber sprächen ebenso Türkisch und Kurdisch sowie Deutsch auf einem guten Niveau.
Die Drittrevisionswerberin und der Viertrevisionswerber hätten in der Türkei bis zu ihrer Ausreise die Schule besucht. In Österreich hätten sie zunächst die Pflichtschule absolviert und zuletzt ein International Business College besucht. Die Drittrevisionswerberin weise dabei zahlreiche Nichtbeurteilungen und eine Negativbeurteilung auf und sei insoweit (nur mehr) zur Ablegung eines Kolloquiums berechtigt; der Viertrevisionswerber könne mangels entsprechender positiver Abschlüsse die Ausbildung nicht (mehr) weiterführen. Für die Drittrevisionswerberin und den Viertrevisionswerber bestehe für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. einer Arbeitsbewilligung eine Einstellungszusage. Die Fünftrevisionswerberin besuche den Kindergarten.
Der Viertrevisionswerber habe seit November 2022 eine Freundin, die österreichische Staatsbürgerin sei; ein gemeinsamer Haushalt bestehe nicht.
In der Türkei lebten mehrere Geschwister des Erstrevisionswerbers sowie die Eltern, mehrere Geschwister und weitere Verwandte der Zweitrevisionswerberin; in Österreich lebten mehrere Geschwister des Erstrevisionswerbers sowie eine Schwester, ein Onkel und eine Tante der Zweitrevisionswerberin. Der Erstrevisionswerber stehe mit seinen Geschwistern in der Türkei sporadisch, die Zweitrevisionswerberin mit ihren Eltern wöchentlich und mit ihren Geschwistern in der Türkei gelegentlich in Kontakt.
Die Revisionswerber verfügten in Österreich über soziale und freundschaftliche Kontakte. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin seien insbesondere Mitglied in einem kurdischen Verein und besuchten mit den Kindern die Veranstaltungen des Vereins.
Die Revisionswerber wiesen keine (schwerwiegenden) Erkrankungen auf. Es könne aufgrund der (umfangreich wiedergegebenen) Länderberichte auch nicht festgestellt werden, dass sie im Fall der Rückkehr in die Türkei in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden. Es sei ferner nicht feststellbar, dass sie der Gefahr einer Verfolgung oder Inhaftierung entgegensehen müssten.
3.3. Rechtlich folgerte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen, die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel sei zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der Revisionswerber im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geboten. Das Privat- und Familienleben stehe auch der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht entgegen.
3.3.1. Was zunächst die bisherige Aufenthaltsdauer (der Erst- bis Viertrevisionswerber von annähernd sieben Jahren und der Fünftrevisionswerberin von annähernd sechs Jahren) betreffe, so sei diese zwar nicht unerheblich und folglich zu Gunsten der Revisionswerber in Anschlag zu bringen. Die Relevanz der Aufenthaltsdauer sei jedoch fallbezogen dadurch wesentlich gemindert, dass die Erst- bis Viertrevisionswerber illegal in Österreich eingereist seien und ebenso wie die im Bundesgebiet geborene Fünftrevisionswerberin zwei letztlich unberechtigte (mit nicht glaubhaften Tatsachenbehauptungen begründete) Anträge auf internationalen Schutz gestellt hätten. Die Revisionswerber seien nur aufgrund dieser Antragstellungen vorläufig zum Aufenthalt berechtigt gewesen, wobei sie nach Abschluss der jeweiligen Verfahren unrechtmäßig in Österreich verblieben seien. Zudem hätten sie sich bereits während der Asylverfahren (seit Abweisung des ersten Asylantrags durch die Behörde) ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen und sei auch aus diesem Grund der Stellenwert ihrer Integration zu relativieren. Bereits im Hinblick darauf liege jedoch ein gewichtiges öffentliches Interesse vor, das die familiären und privaten Interessen der Revisionswerber an ihrem weiteren Verbleib in Österreich überwiege.
3.3.2. Was das geschützte Familienleben anbelange, so liege im Verhältnis der Revisionswerber zueinander schon deshalb kein Eingriff vor, weil alle gleichermaßen von einer Rückkehrentscheidung betroffen seien.
Ein Familienleben der Revisionswerber mit H Ö und deren Familie sei ebenso nicht gegeben, da ein gemeinsamer Wohnsitz nur bis September 2020 bestanden habe und sich der Kontakt seitdem auf regelmäßige Besuche und finanzielle Zuwendungen beschränke. Auch der Umstand, dass die Fünftrevisionswerberin H Ö und deren Ehemann als „Oma“ bzw. „Opa“ bezeichne, könne daran nichts ändern, da es nicht auf (solche) Bezeichnungen, sondern auf die gelebte Beziehungsintensität ankomme.
Mit den sonstigen in Österreich lebenden Verwandten unterhielten die Revisionswerber ebenso kein Familienleben, da kein gemeinsamer Wohnsitz und auch keine besondere emotionale bzw. soziale Bindung vorlägen. Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Abhängigkeit seien gleichfalls nicht gegeben.
Was ferner die Beziehung des Viertrevisionswerbers mit einer österreichischen Staatsbürgerin betreffe, so lägen auch insofern kein gemeinsamer Haushalt bzw. Wohnsitz und keine sonstige besondere Abhängigkeit vor. Zudem sei die Beziehung zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich der Viertrevisionswerber und seine Freundin der Ungewissheit seines weiteren Aufenthalts hätten bewusst sein müssen.
3.3.3. Im Übrigen ergebe sich in Bezug auf das geschützte Privatleben und die im Blick stehende Integration der Revisionswerber Folgendes:
Was die Beziehungen der Revisionswerber zu Verwandten und Freunden in Österreich betreffe, so könnten diese Kontakte auch von der Türkei aus (im Wege moderner Kommunikationsmittel sowie im Rahmen von Besuchen etc.) aufrechterhalten werden. Für die Rückkehr in die Türkei spreche zudem, dass die Revisionswerber anhaltende Bindungen auch zu ihrem Heimatstaat unterhielten, wo zahlreiche Verwandte lebten, mit denen sie in Kontakt stünden.
Die Mitgliedschaft des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin in einem kurdischen Verein und der Besuch von Vereinsveranstaltungen durch die Revisionswerber könne ebenso keine besondere Integration in die österreichische Gesellschaft belegen.
In Ansehung der Deutschkenntnisse ergebe sich, dass der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin die deutsche Sprache bis auf wenige Worte nicht beherrschten. Lediglich die Dritt- bis Fünftrevisionswerber sprächen aufgrund ihres Schul- bzw. Kindergartenbesuchs in Österreich Deutsch auf einem guten Niveau.
Was die Selbsterhaltungsfähigkeit anlange, so sei der Erstrevisionswerber lediglich von Mai 2022 bis Mai 2023 erwerbstätig gewesen, darüber hinaus gehe er jedoch ebenso wie die Zweit- bis Viertrevisionswerber keiner Beschäftigung nach. Die Revisionswerber hätten sich vielmehr zunächst in der Grundversorgung befunden und bezögen aktuell Sozialleistungen, zudem würden sie von den Verwandten finanziell unterstützt. Sie seien daher nicht selbsterhaltungsfähig und nicht (nachhaltig) in den Arbeitsmarkt integriert. Soweit sich die Drittrevisionswerberin und der Viertrevisionswerber auf Einstellungszusagen beriefen, komme dem keine wesentliche Bedeutung zu, da sie über keine Arbeitserlaubnis verfügten und in den bloßen Beschäftigungszusagen (noch) kein Nachweis ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit zu erblicken sei.
Was die Ausbildung der Dritt- bis Fünftrevisionswerber in Österreich betreffe, so hätten die Drittrevisionswerberin und der Viertrevisionswerber zwar die Schulpflicht positiv absolviert und besuchten derzeit eine Abendschule, wobei die Drittrevisionswerberin aber wegen Nicht- bzw. Negativbeurteilungen (nur mehr) zur Ablegung eines Kolloquiums in den betreffenden Gegenständen berechtigt sei und der Viertrevisionswerber mangels Einhaltung der Anwesenheitszeiten zur Weiterführung der Ausbildung nicht (mehr) berechtigt sei. Die Fünftrevisionswerberin gehe in den Kindergarten, wobei der weitere Kindergarten- und ein späterer Schulbesuch auch in der Türkei zumutbar seien.
Weiters sei davon auszugehen, dass wenngleich die Drittrevisionswerberin und der Viertrevisionswerber im jungen Alter nach Österreich gekommen seien und die Fünftrevisionswerberin hier geboren worden sei ihnen die Kultur ihres Heimatstaats durch die Eltern vermittelt worden sei. Die Drittrevisionswerberin und der Viertrevisionswerber hätten zudem in der Türkei bis zu ihrer Ausreise die Schule besucht, sodass sie auch die türkische Sprache beherrschten. In Ansehung der Fünftrevisionswerberin könne ebenso angenommen werden, dass sie die türkische Sprache im Wege ihrer Eltern erlernt habe. Da die Fünftrevisionswerberin zudem in einem anpassungsfähigen Alter sei und noch nicht in die Schule gehe sowie auch im Fall der Ausreise mit ihrer Familie in die Türkei ihre wichtigsten Bezugspersonen erhalten blieben, deute nichts darauf hin, dass ihre Integration in die dortige Gesellschaft nicht möglich wäre. Eine Beeinträchtigung des Kindeswohls sei daher nicht zu erwarten.
3.3.4. Im Ergebnis sei somit nach Maßgabe der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA VG in Verbindung mit Art. 8 EMRK davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung die individuellen Interessen der Revisionswerber an einem weiteren Aufenthalt überwiege. Die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG 2005 seien deshalb abzuweisen; es bestünden auch keine Anhaltspunkte, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
3.4. Was die Beurteilung der Zulässigkeit der Abschiebung betreffe, so liege in der Türkei keine die Existenz der Revisionswerber nur unzureichend sichernde Versorgungssituation vor. Die Erst- bis Viertrevisionswerber seien in der Lage, ein Einkommen zu erwirtschaften; zudem könnten sie Sozialleistungen beziehen, weiters sei von der Unterstützung durch die Verwandten auszugehen. Die Revisionswerber wiesen auch keine ernsthaften Erkrankungen auf. Nach den Länderberichten sei ferner nicht anzunehmen, dass sie Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden. Insbesondere bestünden auch mit Blick auf ihre kurdische Abstammung keine Anhaltspunkte, dass sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Verfolgung bzw. staatlichen Repression ausgesetzt wären, wobei ihnen bereits im Asylverfahren nicht gelungen sei, eine diesbezügliche relevante Gefahr darzutun. Im Ergebnis sei daher auch die Abschiebung der Revisionswerber in die Türkei als zulässig zu erachten.
3.5. Das Bundesverwaltungsgericht sprach ferner aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4.1. Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Jänner 2024, E 4061 4065/2023 7, ablehnte und sie unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
4.2. In der Folge erhoben die Revisionswerber die hier gegenständliche außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in den nachstehend näher erörterten Punkten behauptet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG wird jedoch nicht aufgezeigt.
5. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
An den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat jedoch die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
6.1. Voranzustellen ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Beurteilung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe zu erfolgen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, solche Gründe anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Anfechtung führen könnten, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 7.8.2017, Ra 2015/08/0134, Pkt. 3.1., mwN). Dementsprechend erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. etwa VwGH 23.2.2024, Ra 2022/22/0030, Rn. 10, mwN).
Vorliegend ist die Behandlung der Revision daher auf die gesonderten Zulässigkeitsausführungen (S 11 bis 22 der Revisionsschrift) zu beschränken. Auf die sonstigen Erörterungen in der umfangreichen Revision ist nicht einzugehen.
6.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, ist bei Geltendmachung einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht. Ein bloß pauschales bzw. nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines konkreten Fallbezugs reicht nicht aus (vgl. etwa VwGH 26.1.2023, Ra 2023/22/0007, Pkt. 4.2., mwN). Auch ein Vorbringen, das im Wesentlichen aus einer Aneinanderreihung von Rechtssätzen des Verwaltungsgerichtshofs besteht, ohne dass ein konkreter Fallbezug hergestellt wird, genügt nicht (vgl. in dem Sinn etwa VwGH 28.4.2016, Ra 2016/07/0025, Rn. 5 f, mwN).
Vorliegend beschränkt sich das Zulässigkeitsvorbringen in weiten Teilen auf die bloße Wiedergabe aneinandergereihter Rechtssätze ohne konkrete Bezugnahme auf den gegenständlichen Fall (im Sinn des Vorgesagten). Auf die diesbezüglichen Ausführungen ist daher nicht weiter einzugehen.
7.1. Soweit in der Zulässigkeitsbegründung ein konkreter Fallbezug hergestellt ist, wenden sich die Revisionswerber gegen die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA VG in Verbindung mit Art. 8 EMRK. Sie machen dabei im Wesentlichen geltend, das Kindeswohl (insbesondere) der Fünftrevisionswerberin sei nicht hinreichend berücksichtigt worden. Wäre dies geschehen, wäre von einem Aufenthaltsrecht für alle Revisionswerber auszugehen gewesen.
7.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung gemäß § 9 BFA VG in Verbindung mit Art. 8 EMRK im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. etwa VwGH 6.8.2019, Ra 2017/22/0020, Pkt. 3.2., mwN). Eine derartige Interessenabwägung ist vom Verwaltungsgerichtshof also nur dann aufzugreifen, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien und Grundsätze nicht beachtet und damit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse und unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalls vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 28.7.2022, Ra 2018/22/0294, Pkt. 7.2., mwN).
7.3. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht die fallbezogen maßgeblichen Umstände in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung festgestellt und in seine in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK einbezogen (vgl. im Einzelnen bereits oben Pkt. 3.). Dass es dabei die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien und Grundsätze in unvertretbarer Weise außer Acht gelassen bzw. eine krasse und unvertretbare Fehlbeurteilung vorgenommen hätte, wird in der Revision nicht begründet dargelegt und ist auch nicht zu sehen.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerber hat sich das Verwaltungsgericht insbesondere auch mit dem Kindeswohl der Fünftrevisionswerberin hinreichend auseinandergesetzt. Es ist dabei der Sache nach jedenfalls nicht unvertretbar zur Überzeugung gelangt, dass auch der Fünftrevisionswerberin trotz ihrer Geburt und ihres knapp sechsjährigen (freilich nur im Rahmen ihrer Asylanträge rechtmäßigen) Aufenthalts in Österreich, ihrer guten Deutschkenntnisse, ihrer sozialen Bindungen aufgrund des Kindergartenbesuchs und der Kontakte zu ihren im Bundesgebiet lebenden Verwandten eine Ausreise in die Türkei und eine Integration in die dortige Gesellschaft mit Blick auf das Kindeswohl jedenfalls möglich und zumutbar sei, da sie sich in einem anpassungsfähigen Alter befinde, ihre Übersiedlung gemeinsam mit den Erst- bis Viertrevisionswerbern als ihren wichtigsten Bezugspersonen erfolge, sie auch die türkische Sprache beherrsche, ihr die dortige Kultur von ihren Eltern vermittelt worden sei, sie auch in der Türkei den Kindergarten- und späteren Schulbesuch fortsetzen könne, dort ebenso zahlreiche Verwandte (unter anderem die Großeltern) lebten und sie mit den Verwandten in Österreich auch weiterhin (im Wege moderner Kommunikationsmittel etc.) in Verbindung bleiben könne.
7.4. Dem vermögen die Revisionswerber (wie im Folgenden näher darzulegen sein wird) nichts Stichhältiges entgegenzusetzen.
8.1. Die Revisionswerber machen geltend, H Ö und deren Ehemann stellten weitere Bezugspersonen für die Fünftrevisionswerberin dar, die in den beiden ihre Großeltern sehe und sie mit „Oma“ bzw. „Opa“ anspreche. Zudem seien die Revisionswerber von H Ö und deren Familie während des Zusammenlebens bis September 2020 finanziell und mental unterstützt worden und dauere diese Unterstützung weiter an. Im Übrigen bestehe auch ein beiderseitiges Abhängigkeitsverhältnis.
8.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen ein gemeinsamer Wohnsitz der Revisionswerber mit H Ö und deren Familie nur bis September 2020 bestanden habe und sich der Kontakt seitdem auf regelmäßige Besuche und (bei Bedarf) auf finanzielle Unterstützung beschränkt habe. Schon im Hinblick darauf ist das Bundesverwaltungsgericht nicht unvertretbar zur Auffassung gelangt, dass von einer im Rahmen des geschützten Familienlebens zu berücksichtigenden besonderen Nahebeziehung jedenfalls über die Beendigung der Wohngemeinschaft im September 2020 hinaus nicht auszugehen sei.
Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass die Fünftrevisionswerberin H Ö und deren Ehemann als ihre Großeltern erachte und sie als „Oma“ bzw. „Opa“ anspreche. Wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend hervorhob, kommt es nämlich nicht auf derartige Bezeichnungen, sondern auf die tatsächlich gelebte Intensität einer Beziehung an.
Was schließlich die Behauptung eines beiderseitigen Abhängigkeitsverhältnisses betrifft, so fehlt es der Zulässigkeitsbegründung insoweit an einem konkreten nachvollziehbaren Vorbringen und ist daher auf diesen Einwand nicht weiter einzugehen.
9.1. Die Revisionswerber führen des Weiteren aus, die Versorgung und Erziehung der Fünftrevisionswerberin (im Sinn der möglichen Förderung ihrer Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten) sei in Österreich viel besser als in der Türkei. Im Heimatstaat könne sie im Rahmen ihrer Ausbildung im Kindergarten und in weiterer Folge in der Schule ihre Fähigkeiten nicht im gleichen Maß entfalten.
9.2. Soweit mit diesem Vorbringen im Ergebnis die Unzumutbarkeit eines Abbruchs der in Österreich begonnenen Ausbildung und das Fehlen einer gleichwertigen Bildungsmöglichkeit für die Fünftrevisionswerberin in der Türkei releviert wird, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hinzuweisen, wonach dem tragend herangezogenen Interesse eines Fremden an der weiteren Fortsetzung seiner Ausbildung im Aufnahmestaat für sich genommen keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt (vgl. etwa VwGH 10.5.2016, Ra 2015/22/0158, Rn. 10, mwN). Auch dem Umstand, dass Bildungsmöglichkeiten in Österreich mit jenen im Heimatstaat nicht gleichwertig sind, ist im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK keine entscheidende Bedeutung beizumessen (vgl. etwa VwGH 2.3.2022, Ra 2021/20/0156 und 0358 bis 0361, Rn. 38, mwN).
10.1. In der Zulässigkeitsbegründung wird weiters moniert, es sei lebensfremd, dass die Fünftrevisionswerberin kein Kleinkind mehr sei und über Medien den Kontakt mit ihren bisherigen Bezugspersonen in Österreich aufrecht erhalten könne.
10.2. Auch insofern begegnet jedoch die rechtliche Würdigung des Bundesverwaltungsgerichts keinen Bedenken. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Aufrechterhaltung des Kontakts mittels moderner Kommunikationsmittel zwar mit einem Säugling bzw. Kleinkind nicht bzw. kaum möglich (vgl. etwa VwGH 28.11.2023, Ra 2022/22/0043, Rn. 19, mwN). Von einer derartigen Fallkonstellation kann allerdings bei einem wie hier (ungefähr) sechsjährigen Kind nicht mehr ausgegangen werden (vgl. in diesem Sinn die Sachverhalte zu VwGH 6.10.2020, Ra 2019/19/0332, Rn. 2 und 50, und VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0128, Rn. 2 und 12).
11.1. Die Revisionswerber machen ferner geltend, bei der Beurteilung des Rechtsbegriffs des Kindeswohls sei auch auf § 138 ABGB Bedacht zu nehmen, der eine nicht abschließende Aufzählung bedeutender diesbezüglicher Aspekte enthalte. Demnach seien unter anderem die Förderung der Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Gewährleistung verlässlicher Kontakte und sicherer Bindungen des Kindes zu beiden Elternteilen und auch zu anderen wichtigen Bezugspersonen erhebliche Kriterien für die Beurteilung des Begriffs des Kindeswohls.
11.2. Insofern genügt es, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hinzuweisen, wonach zwar auch im Bereich verwaltungsrechtlicher Entscheidungen, in denen auf das Kindeswohl Rücksicht zu nehmen ist, die in § 138 ABGB genannten Kriterien als Orientierungsmaßstab dienen. Die Berücksichtigung des Kindeswohls stellt im Kontext aufenthaltsbeendender Maßnahmen jedoch nur einen Aspekt im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung dar. Das Kindeswohl ist daher bei der Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen von Fremden nicht das einzig ausschlaggebende Kriterium. Die konkrete Gewichtung im Rahmen der nach § 9 BFA VG vorzunehmenden Gesamtbetrachtung hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (vgl. etwa VwGH 9.3.2022, Ra 2022/14/0044 bis 0046, Rn. 14, mwN).
11.3. Wie schon eingehend erörtert wurde (vgl. oben Pkt. 7.3.), begegnet fallbezogen die Interessenabwägung keinen Bedenken, zumal das Bundesverwaltungsgericht die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien und Grundsätze beachtet und sich insbesondere auch mit dem Kindeswohl der Fünftrevisionswerberin hinreichend auseinandergesetzt hat. Diese Abwägung erscheint auch unter Berücksichtigung der in § 138 ABGB niedergelegten Gesichtspunkte jedenfalls nicht unvertretbar, wobei im Sinn des oben Gesagten das Kindeswohl lediglich einen Aspekt der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung darstellt.
12.1. In der Zulässigkeitsbegründung wird schließlich moniert, das Bundesverwaltungsgericht hätte das Kindeswohl auch in Bezug auf den Viertrevisionswerber prüfen müssen, da dieser im Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährig gewesen sei.
12.2. Insoweit ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung in der Regel an der zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten hat (vgl. etwa VwGH 27.7.2017, Ra 2016/22/0066, Pkt. 3.2., mwN). Ein ausnahmsweises Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung kommt in einer Konstellation wie hier nicht in Betracht.
13. Insgesamt werden daher aus den dargelegten Erwägungen in der Zulässigkeitsbegründung keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 26. Juni 2024