Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des B A H, vertreten durch Mag. Rupert Schrammel, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Argentinierstraße 20/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. November 2022, G315 2233611 1/29E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte nach unrechtmäßiger Einreise am 10. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Dieser Antrag wurde im Instanzenzug mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. August 2018 abgewiesen. Unter einem wurde dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung festgestellt und eine Frist für seine freiwillige Ausreise eingeräumt.
2 Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juni 2020 wurde dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, erneut eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Irak festgestellt, einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt, eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt und ein Einreiseverbot für die Dauer von 18 Monaten gegen ihn erlassen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers nachdem es dieser mit als „Beschluss“ bezeichneter Erledigung vom 6. August 2020 gemäß § 18 Abs. 5 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe ab, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
4 Am 24. März 2021 beantragte der Revisionswerber beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005, welcher mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21. Juni 2021 wegen mangelnder Verbesserung zurückgewiesen wurde, ohne eine (weitere) Rückkehrentscheidung zu erlassen. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2022 als unbegründet abgewiesen.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Der Revisionswerber bringt zunächst vor, das angefochtene Erkenntnis hätte nicht vor Erledigung seiner Beschwerde gegen den seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zurückweisenden Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl erlassen werden dürfen. Hinsichtlich dieses Vorbringens ist er darauf hinzuweisen, dass die „Sache“ des letztgenannten Beschwerdeverfahrens auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrags durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beschränkt war. Überdies unterblieb in diesem Verfahren eine neuerliche Rückkehrentscheidung, sodass nicht ersichtlich ist, inwiefern der Ausgang jenes Beschwerdeverfahrens Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des hier angefochtenen Erkenntnisses nehmen hätte können (vgl. zum Verfahrensgegenstand von Beschwerden in jenen Fällen, in denen die Behörde nur einen Antrag gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen hat VwGH 3.3.2022, Ra 2020/21/0400, mwN).
9 Der Revisionswerber wendet sich in der Darlegung der Zulässigkeit der Revision weiters gegen die durch das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots angestellte Interessenabwägung nach § 9 BFA VG und Art. 8 EMRK.
10 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. VwGH 19.4.2023, Ra 2022/17/0232, mwN).
11 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. erneut VwGH 19.4.2023, Ra 2022/17/0232, mwN).
12 Das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 3.1.2023, Ra 2022/17/0198, mwN).
13 Der Revisionswerber beruft sich zur Darlegung einer Rechtswidrigkeit der Interessenabwägung auf die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet, die Teilnahme an einem Deutschkurs, ehrenamtliche Tätigkeiten, eine Einstellungszusage, bezahlte Hilfstätigkeiten, die er verrichtet habe, sowie auf Freundschaften, die er unterhalte. Zudem sei er während der Dauer seines Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Auch sei den von ihm erhobenen Rechtsbehelfen teilweise aufschiebende Wirkung zugekommen, sodass während dieser Verfahrenszeiten nicht von ihm habe erwartet werden können, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nachkomme. Vor dem Hintergrund, dass gemäß der vorzitierten Rechtsprechung eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist und das Bundesverwaltungsgericht neben den durch den Revisionswerber ins Treffen geführten Umständen fallbezogen eine Reihe weiterer Aspekte wie die Unsicherheit und überwiegende Rechtswidrigkeit seines bisherigen Inlandsaufenthalts, die beharrliche Missachtung seiner Ausreiseverpflichtung, seine (nur geringfügigen) Deutschkenntnisse, den Umstand, dass er bislang nicht regelmäßig erwerbstätig war, und seine Bindungen zum Herkunftsstaat berücksichtigte, legt der Revisionswerber nicht dar, dass diese Interessenabwägung mit einem im Revisionsverfahren aufzugreifenden Fehler belastet wäre. Im Übrigen entfernt sich der Revisionswerber von den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses, soweit er auf ihm drohende Gefahrenlagen und auf nicht wieder aufnehmbare familiäre Beziehungen im Herkunftsstaat verweist.
14 In Bezug auf das Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG weist der VwGH in ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass diesem Gebot nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet, Genüge getan wird. Diesem Gebot wird daher insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. VwGH 2.4.2020, Ra 2020/08/0019, mwN).
15 Dem wird die Revision nicht gerecht, in deren Zulässigkeitsbegründung gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG und § 28 Abs. 3 VwGG nahezu die gesamten Ausführungen im Rahmen der Rechtsrüge getätigt werden, wohingegen in den (eigentlichen) Revisionsgründen nahezu ausschließlich auf diese Ausführungen verwiesen wird. Auch aus diesem Grund erweist sich die Revision als nicht zulässig.
16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Juni 2023