JudikaturBVwG

L532 2303609-2 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
01. April 2025

Spruch

L532 2303609-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg WILD-NAHODIL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2024, Zl. XXXX , in einer Angelegenheit nach dem AsylG und dem FPG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.03.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch zu lauten hat: „Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gem. § 33 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (i.d.F. „BF“) ist türkischer Staatsbürger. Am 24.07.2023 stellte der BF nach unrechtmäßiger Einreise ins österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am selben Tag von der Polizei befragt wurde. Am 07.05.2024 erfolgte eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (i.d.F. „bB“ oder „Bundesamt“). Mit Bescheid vom 23.07.2024 wies die bB den Asylantrag des BF vollinhaltlich ab.

2. In der Folge wurde eine Hinterlegungsverständigung im Wohnhaus des BF „hinterlegt“. Die Abholfrist hätte am 26.07.2024 begonnen.

3. Am 28.08.2024 erlangte der BF Kenntnis hiervon, suchte die bB auf und wurde ihm der Bescheid an diesem Tag persönlich ausgefolgt.

4. Mit Schriftsatz vom 03.09.2024 erhob die im Spruch ausgewiesene Rechtsvertretung Beschwerde im vollen Umfang, legte dar, es habe eine Zustellung erst mit 28.08.2024 stattgefunden, und stellte – sollte dieser Rechtsansicht nicht gefolgt werden - in eventu einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

5. Mit dem im Spruch ausgewiesenen Bescheid wies die bB den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 71 AVG ab.

6. Am 15.11.2024 erhob die BBU GmbH gegen diese Entscheidung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

7. Am 26.03.2025 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, wobei – in Anwesenheit des BF und seiner Rechtsvertretung - der Postzusteller als Zeuge angehört wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Festgestellt wird, dass eine Zustellung des Bescheides vom 23.07.2024 nicht mit 26.07.2024 durch Hinterlegung erwirkt wurde, sondern dieser Bescheid, mit welchem der Asylantrag des BF vollinhaltlich abgewiesen wurde, erst mit 28.08.2024 durch persönliche Ausfolgung rechtswirksam zugestellt wurde.

1.2. Die Beschwerdeerhebung vom 03.09.2024 erfolgte rechtzeitig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der bB und die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks des BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 26.03.2025 sowie die zeugenschaftliche Anhörung des Postzustellers XXXX am selben Tag.

2.2. Die mit der Beschwerde vom 03.09.2024 erhobenen Behauptungen werden von den Aussagen des Zeugen XXXX , welcher den negativen Bescheid zuzustellen versuchte, vollumfänglich bestätigt und erweisen sich die Beschwerdeangaben - insbesondere angesichts des mit der Beschwerde vorgelegten umfangreichen Lichtbildkonvoluts, das die Lage vor Ort zeigt – als lebensnah und nachvollziehbar. Hinweise darauf, dass der Zeuge intentional zum Vorteil des BF ausgesagt hätte, liegen nicht vor, zumal er Fragen des erkennenden Richters spontan und stringent beantwortete und darüberhinaus ein diesbezügliches Eigeninteresse nicht vorliegt, wobei auch berücksichtigt werden muss, dass der Zeuge durch seine Äußerungen ein eigenes (wenn auch nicht strafrechtlich relevantes) Fehlverhalten einräumte. Die Aussage des Zeugen ist sohin als authentisch zu qualifizieren und deckt sich diese mit den Beschwerdebehauptungen.

Es steht daher fest, dass es gegenständlich zwei Hauseingänge gibt, denen verschiedene Briefkästen zuzuordnen sind, wobei die Hinterlegungsanzeige, die sich auf den Bescheid vom 23.07.2024 bezog, anstatt in den Briefkasten des BF auf den allgemeinen Briefkasten, der ihm jedoch nicht zuzuordnen war, gelegt wurde.

Hinsichtlich der Ausführungen der bB im angefochtenen Bescheid, mit welchem der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, ist darzulegen, dass diesen in keinster Weise zu entnehmen ist, aufgrund welcher Feststellungen sie – insbesondere vor dem Hintergrund der Beschwerdebehauptungen – zum Ergebnis gelangte, die Zustellung des Bescheides vom 23.07.2024 sei mit 26.07.2024 rechtswirksam erfolgt. Weder ist erkennbar, welchem Zweck die Wiedergabe der Aussagen des BF im Rahmen der Einvernahme vom 07.05.2024 diente, noch setzte sich das Bundesamt erkennbar mit den (schon auf den ersten Blick nicht substanzlosen und im Ergebnis auch tatsächlich berechtigten) Einwänden des BF auseinander oder tätigte ergänzende Ermittlungsschritte (wie beispielsweise die zeugenschaftliche Anhörung des Postzustellers), sondern zog es zur Entscheidungsfindung im Ergebnis ausschließlich die Retournierung des Kuverts, mit welchem der Bescheid versandt wurde, heran.

Auch beteiligte sich die bB trotz hinreichender Gelegenheit nicht am Beschwerdeverfahren. Weder wurde im Rahmen der Beschwerdevorlage eine Stellungnahme erstattet, mit welcher dem Vorbringen entgegengetreten wurde, noch wurde ein Vertreter zur mündlichen Verhandlung entsandt oder im Nachgang der mündlichen Beschwerdeverhandlung eine Äußerung eingebracht, sodass das Beschwerdevorbringen, welches in sich schlüssig war und von den vorliegenden Beweismitteln getragen wurde, der Entscheidung zugrundezulegen war.

Den Beschwerdeausführungen war daher vollinhaltlich zu folgen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1. Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

3.1.1. Hinsichtlich der im Spruch von der bB herangezogenen Rechtsgrundlage ist Folgendes vorauszuschicken:

Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG 2014 die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG 2014 geregelte Beschwerde handelt (Hinweis E vom 28. September 2016, Ro 2016/16/0013). Der VwGH hat allerdings in seiner Rechtsprechung auch bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG 2014 übertragbar sind (vgl. betreffend § 33 Abs. 1 VwGVG 2014 die Beschlüsse vom 25. November 2015, Ra 2015/06/0113, und vom 8. Juni 2015, Ra 2015/08/0005, sowie in diesem Sinn auch den Beschluss vom 17. März 2015, Ra 2014/01/0134). (VwGH vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0113)

3.1.2. Nach § 33 Abs 1 VwGVG ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein Verschulden der Partei hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach § 33 Abs 3 erster Satz VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

3.1.3. Wie erwähnt, ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie u. a. eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat. „Versäumt“ ist eine Frist, wenn sie zu laufen begonnen hat und ungenutzt verstrichen ist. Hängt der Fristenlauf von der Zustellung eines behördlichen Schriftstücks an die Partei ab, so beginnt die Frist dann nicht zu laufen - und kann deshalb auch nicht versäumt werden -, wenn die Zustellung wegen Mängeln unwirksam ist. In einem solchen Fall wäre der Wiedereinsetzungsantrag aufgrund der nicht erfolgten Zustellung schon mangels Vorliegens einer Fristversäumnis zurückzuweisen. (VwGH 13.02.2023, Ra 2023/03/0007, mwN)

Die in § 17 Abs. 2 ZustG genannte Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung (Hinterlegungsanzeige) ist unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG. Unterbleibt die Hinterlegungsanzeige, so tritt eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG nicht ein. Zwar macht ein ordnungsgemäßer Zustellnachweis als öffentliche Urkunde Beweis über die Zustellung; allerdings ist der Gegenbeweis (etwa, dass der in der Urkunde bezeugte Vorgang unrichtig ist; vgl. § 292 Abs. 2 ZPO) möglich (vgl. E 24. Februar 2009, 2008/06/0233). (VwGH vom 30.03.2017, Fr 2015/07/0001)

3.1.4. Wie die Feststellungen erweisen, erfolgte keine Zustellung des dem Wiedereinsetzungsantrags zugrundeliegenden Bescheides an den BF, da die Hinterlegungsanzeige schlichtweg nicht in den Briefkasten des BF eingeworfen wurde, sondern auf einen ihm nicht zurechenbaren Briefkasten gelegt wurde. Der Bescheid wurde dem BF daher erst mit persönlicher Übernahme in den Räumlichkeiten der bB rechtswirksam zugestellt und begann die Frist auch erst mit diesem Tag zu laufen. Sie wurde sohin nicht versäumt. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt jedoch wie erwähnt (und wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt) voraus, dass überhaupt eine Frist versäumt wurde.

Da die Voraussetzung der Fristversäumnis mangels rechtswirksamer Zustellung nicht vorlag, war der Antrag auf Wiedereinsetzung also zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis musste auch nicht erwogen werden, ob die Wiedereinsetzung in der vorgesehenen Frist ab Wegfall des Hindernisses beantragt wurde, und inwieweit der Antrag dem Erfordernis entsprach, zugleich die versäumte Handlung nachzuholen (§ 46 Abs 3 VwGG).

Das Bundesamt hat den Antrag stattdessen abgewiesen, weshalb der Spruchpunkt dahingehend zu ändern war, dass er die Zurückweisung ausspricht. Da die erfolgte Abweisung des Antrags durch das Bundesamt allerdings gegenüber der gebotenen Zurückweisung keine Rechtsverletzung zum Nachteil des BF bewirken konnte (vgl. VwGH 19.09.1994, 94/07/0126), erweist sich die Beschwerde in diesem Punkt als unbegründet.

Das Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid der bB vom 23.07.2024, Zl. XXXX , ist beim BVwG anhängig, der BF hat bis zur diesbezüglichen inhaltlichen Entscheidung des erkennenden Gerichts die Rechtsposition des Asylwerbers inne.

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgeht.