Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Mag. Zehetner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des D S in S, vertreten durch MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das am 25. April 2022 mündlich verkündete und am 7. August 2023 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol, LVwG 2021/42/0241 6, betreffend eine Übertretung des GSpG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 21. Dezember 2020 wurde ausgesprochen, die S GmbH (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof) habe in der Zeit vom 1. Juni bis 22. August 2020 die mit dem Eingriffsgegenstand „Fun Wechsler (Time Machine)“ ermöglichten Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen dadurch im Lokal mit der Bezeichnung X Tankstelle (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof) unternehmerisch zugänglich gemacht, dass sie die Aufstellung und den Betrieb dieses Gerätes in ihren Betriebsräumen geduldet habe. Sie habe damit selbständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausgeübt und sei daher als Unternehmerin iSd § 2 Abs. 2 GSpG zu betrachten.
2 Die S GmbH habe somit Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen, an denen vom Inland aus habe teilgenommen werden können, unternehmerisch zugänglich gemacht und deshalb eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) begangen, was der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der S GmbH gemäß § 9 VStG zu verantworten habe. Dem Revisionswerber wurde gemäß „§ 52 Abs. 1 Z 1“ GSpG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000, sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 2 Tagen und 10 Stunden auferlegt und ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren gemäß § 64 VStG vorgeschrieben.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Tirol die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab, bestimmte die Verfahrenskosten mit € 200, und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Dazu hielt das Verwaltungsgericht unter der Überschrift „Sachverhalt“ wie folgt fest (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
„Am 22.08.2020 ab 18.05 Uhr führten Beamte der Finanzpolizei (Team ...) und ein Vertreter der belangten Behörde eine Kontrolle der X Tankstelle in ... durch. Bei der Betreiberin der Tankstelle handelt es sich um die S GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer ... (den Revisionswerber). In einem frei zugänglichen Nebenraum des Geschäftslokales konnte von den Beamten ein elektronisches Glücksspielgerät, nämlich ein Fun Wechsler (Time Machine) betriebsbereit vorgefunden werden. An der Seite des Gerätes war eine Plakette mit der Aufschrift ‚Eigentum, Fa. M s.r.o.‘ angebracht. Zum Zeitpunkt der Kontrolle befanden sich drei Personen in diesem Nebenraum, deren Identitäten festgestellt wurden. Eine Person gab an, dass sie schon öfters am Fun Wechsler gespielt, aber noch nie etwas gewonnen hätte. Der diensthabende Tankstellenangestellte, Herr MJ gab gegenüber den Finanzbeamten zum Glückspielgerät befragt an, dass es sich seit ca Mai 2020 in diesem Raum befinde. Er selbst habe keinen Schlüssel für das Gerät und müsse es auch nie servicieren oder ausleeren.
Der Fun Wechsler wurde bespielt, dabei konnte der Spielablauf ‚elektronisches Glücksrad‘ festgestellt werden. Das Testspiel wurde von den Beamten der Finanzpolizei dokumentiert (Sp 26b Formular und Fotodokumentation). Die Dokumentation befindet sich im vorgelegten Verwaltungsstrafakt.
Am 31.08.2020 wurde der Beschwerdeführer von der Finanzpolizei niederschriftlich vernommen. Er gab bei seiner Einvernahme sinngemäß an, dass der Fun Wechsler ca drei Wochen vor der Kontrolle im Aufenthaltsraum der Tankstelle aufgestellt worden sei. Seit damals sei er immer in Betrieb gewesen und nie ausgeschaltet worden. Der Aufsteller habe ihm einen Zettel mit dessen Namen und einer unbekannten Adresse in die Hand gedrückt. Der Aufsteller habe weiters gesagt, dass sie es einmal probieren würden wenn alles funktioniere und sich auch rentiere, könnte ein Vertrag errichtet werden. Bei Vertragserrichtung würde auch eine Provision vereinbart werden. Er habe von diesem Mann weder Schlüssel oder Karten für den Automaten erhalten. Er habe auch kein Geld ausbezahlen müssen, das habe die Maschine automatisch gemacht. Bis zum Zeitpunkt der Kontrolle sei dann niemand gekommen, um eventuell Geld auszuleeren oder nachzufüllen. Ferner habe er von diesem Mann ein Gutachten bekommen, dass das Aufstellen des Gerätes als legal bescheinigt habe. Er habe für das Aufstellen des Fun Wechslers keine Konzession, weil er wegen des Gutachtens der Meinung sei, dass es legal aufgestellt worden sei. Am 24.08.2020 seien zwei ihm unbekannte, fremdländisch aussehende Männer gekommen und hätten das Gerät abgeholt. Sie hätten es in ein dunkles größeres Auto mit ausländischem Kennzeichen geladen.
Der Ausgang des durchgeführten Testspieles hing überwiegend vom Zufall ab.“
5 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergäben sich unbedenklich aus dem vorgelegten Strafakt. Der Sachverhalt sei im Zuge der Kontrolle von Organen der Finanzpolizei und eines Vertreters der belangten Behörde dienstlich wahrgenommen und insbesondere durch eine Bespielung des Gerätes bestätigt worden. Das Stattfinden der Kontrolle am 22. August 2020 sowie das Vorfinden und die Probebespielung des Gerätes mit der Bezeichnung „Time Machine“ in einer Räumlichkeit der Tankstelle seien nicht strittig. Der Revisionswerber habe in seiner niederschriftlichen Befragung am 31. August 2020 vor der Finanzpolizei selbst angegeben, einen Nebenraum der Tankstelle zur Aufstellung des Gerätes zugänglich gemacht zu haben.
6 Der Zeuge, ein Bediensteter der Finanzpolizei, habe dem Gericht in der mündlichen Verhandlung am 25. April 2022 glaubwürdig und in sich widerspruchsfrei geschildert, wie die Kontrolle im Allgemeinen und das Testspiel im Konkreten abgelaufen seien; demnach sei der Ausgang des durchgeführten Testspieles überwiegend vom Zufall abgehangen.
7 Der Revisionswerber sei zur mündlichen Verhandlung nicht persönlich erschienen und habe damit die Möglichkeit der Beschuldigteneinvernahme als Beweismittel nicht wahrgenommen.
8 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht insbesondere aus, aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens habe sich zweifelsfrei ergeben, dass die S GmbH zur angelasteten Tatzeit Ausspielungen iSd § 2 Abs. 4 GSpG zugänglich gemacht habe, indem sie als Verfügungsberechtigte des Gebäudes, in welchem die X Tankstelle untergebracht sei, die Aufstellung eines Glücksspielgerätes im betriebsbereitem Zustand zur Bespielung durch Gäste der X Tankstelle zumindest geduldet habe. Im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018, Ro 2018/17/0001, sei das Gerät „Time Machine“ als Glücksspielgerät zu qualifizieren. Der Revisionswerber habe in objektiver und subjektiver Hinsicht tatbestandsmäßig gehandelt; der Strafrahmen liege nach § 52 Abs. 2 GSpG bei einer Übertretung des Abs. 1 Z 1 leg. cit. mit bis zu drei Glücksspielautomaten bei € 1.000, bis € 10.000, ; die belangte Behörde habe somit die Mindeststrafe verhängt.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit dem Antrag, dieses kostenpflichtig wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
10 In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Der Revisionswerber bringt zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision unter anderem vor, das Verwaltungsgericht habe gegen näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht verstoßen, weil es auf das Vorbringen des Revisionswerbers, das Gerät sei erst ca. drei Wochen vor der Amtshandlung am 22. August 2020 aufgestellt worden, nicht eingegangen sei.
12 Die Revision erweist sich bereits aus diesem Grund als zulässig und auch berechtigt.
13 Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch selbst geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Der Spruch hat daher nicht nur die Sachverhaltselemente, von denen die Zuordnung eines Tatverhaltens zu den Merkmalen des Straftatbestandes abhängt, zu bezeichnen, sondern grundsätzlich auch die Anführung des Zeitpunktes der Begehung der Tat, und, falls es sich um einen Zeitraum handelt, dessen Anfang und Ende in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen (vgl. etwa VwGH 4.11.2024, Ra 2023/12/0019, mwN).
14 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof schon vielfach ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben. Weiters sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt aus, dass die bloße Zitierung von Beweisergebnissen nicht hinreichend ist, um den Anforderungen an die Begründungspflicht gerecht zu werden (vgl. etwa VwGH 10.4.2024, Ra 2022/12/0138, mwN).
15 Im vorliegenden Fall stellte das Verwaltungsgericht fest, der (im Übrigen nicht selbst einvernommene) Zeuge, der Tankstellenangestellte MJ, habe gegenüber den Finanzbeamten angegeben, dass sich „das Gerät“ seit ca. Mai 2020 in dem Nebenraum der Tankstelle befunden habe. Der Revisionswerber habe hingegen bei seiner Einvernahme von der Finanzpolizei „sinngemäß“ angegeben, dass der Fun Wechsler „ca drei Wochen vor der Kontrolle“ demnach ungefähr ab Anfang August 2020 im Aufenthaltsraum der Tankstelle aufgestellt worden sei.
16 Mit der Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers bestätigte das Verwaltungsgericht den Schuldspruch der belangten Behörde, die den Tatzeitraum im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses mit 1. Juni bis 22. August 2020 festgelegt hatte.
17 Für das Vorliegen einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist jedoch die bloße Zitierung von Beweisergebnissen wie hier in der Form der Feststellung von (einander widersprechenden) Aussagen des Zeugen MJ und des Revisionswerbers hinsichtlich des Tatzeitraums nicht hinreichend. Weder traf das Verwaltungsgericht die nötigen Feststellungen zum Tatzeitraum noch setzte es sich mit den widerstreitenden Beweisergebnissen in Form der Aussagen des Zeugen MJ und des Revisionswerbers zum Tatzeitraum auseinander (was im Übrigen bereits die belangte Behörde verabsäumt hatte).
18 Das angefochtene Erkenntnis wird somit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gerecht, da es keine eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Parteien ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts enthält. Das angefochtene Erkenntnis ist daher schon aus diesem Grund mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
19 Lediglich ergänzend wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, dergemäß dem Beschuldigten ein Recht darauf zukommt, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt auch für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist. Das Verwaltungsgericht hat, falls der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides fehlerhaft ist, weil etwa die angewendeten Gesetzesstellen unrichtig oder unvollständig zitiert wurden, dies in seinem Abspruch zu ergänzen oder richtigzustellen (vgl. etwa VwGH 8.7.2024, Ra 2023/12/0154, mwN).
20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 26. Mai 2025