Spruch
W602 2282203-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte GSTREIN über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.11.2023, Zahl XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, stellte am 25.04.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 26.04.2023 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine Erstbefragung zu seinem Antrag statt, vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) wurde der Beschwerdeführer am 30.10.2023 niederschriftlich einvernommen.
Mit Bescheid vom 02.11.2023 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).
Mit dem am 28.11.2023 beim Bundesamt eingebrachten Schriftsatz vom 27.11.2023 erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung vollumfänglich Beschwerde gegen den Bescheid. Diese wurde vom Bundesamt mit dem Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und langte am 01.12.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Umständen in Österreich:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger von Indien. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Jat an und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Sikhismus.
Er stammt aus dem Dorf XXXX in XXXX , im Bundesstaat Punjab, besuchte in Indien zehn Jahre die Schule und hat vor seiner Ausreise in der elterlichen Landwirtschaft und als LKW-Fahrer gearbeitet. Seine Erstsprache ist Punjabi, er beherrscht diese in Wort und Schrift.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Sein Vater, seine Mutter und seine zwei Schwestern leben nach wie vor in Indien. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seinen Eltern.
Der Beschwerdeführer ist weitgehend gesund. Er leidet an keiner akuten oder lebensbedrohlichen physischen bzw. psychischen Krankheit. Er ist arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer verließ seinen Herkunftsstaat im März 2023 mit dem Flugzeug nach Dubai und reiste spätestens am 25.04.2023 illegal nach Österreich ein.
Der Beschwerdeführer hat im österreichischen Bundesgebiet oder in Europa keine Familienangehörigen und verfügt auch sonst über keine intensiven sozialen Bindungen in Österreich. Er geht keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Es konnten insgesamt keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Dem Beschwerdeführer droht in Indien weder von staatlicher noch von dritter Seite eine Verfolgung, insbesondere nicht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung.
Der Beschwerdeführer hat Indien verlassen, um seiner Familie durch eine Erwerbstätigkeit in Europa eine wirtschaftlich bessere Situation zu ermöglichen.
1.3. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführer verfügt in Indien über ein familiäres Netz, Schulbildung sowie Arbeitserfahrung. Dort leben insbesondere sein Vater, seine Mutter und seine beiden Schwestern. Die Familie verfügt über 8 Kilar Ackerland in Indien, von dem sie auch lebt.
Es liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, denen zufolge anzunehmen wäre, dass eine Rückkehr oder Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
1.4. Zur für den gegenständlichen Fall maßgeblichen Situation in Indien:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes zu Indien (Stand 28.11.2023):
„[...]
4 Sicherheitslage
Hinduradikale Gruppen verursachen immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen mit Angehörigen religiöser Minderheiten, v. a. Muslime, gelegentlich aber auch mit nicht traditionell eingestellten Hindus (AA 05.06.2023). Der gegen Minderheiten wie Muslime und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird von offizieller Seite selten in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als „communal violence“ bezeichnet. Das Innenministerium gibt jedoch seit 2017 keine entsprechenden Daten mehr weiter, und Zivilgesellschaften berichten, dass die Regierung nicht auf Auskunftsbegehren (nach dem Right to Information) reagiert (ÖB New Delhi 07.2023).
Insgesamt sind die meisten Inder tagtäglich keinen nennenswerten Sicherheitsbedrohungen ausgesetzt, mit einigen Ausnahmen in bestimmten, abgelegenen Gebieten. Diejenigen, die in Städten leben, können zivilen Unruhen ausgesetzt sein, einschließlich gewalttätiger Ausschreitungen, die von Zeit zu Zeit im ganzen Land auftreten. Die Ursachen für zivile Unruhen sind komplex und vielfältig und können ethnische und religiöse Spannungen, Aufstände und Terrorismus sowie politische und ideologische Gewalt umfassen. In den meisten Fällen werden die meisten Inder solche Situationen vermeiden (DFAT 29.09.2023). Über soziale Medien verbreitete Fehlinformationen führen gelegentlich zu Gewalt. Über Social-Media-Plattformen wie Facebook, Snapchat, Twitter, WhatsApp und YouTube werden Gerüchte über angebliche Straftaten verbreitet, die zu gelegentlichem Vigilantismus führen. Diese Ereignisse sind unvorhersehbar, bleiben aber meist lokal begrenzt (DFAT 29.09.2023). Das Potenzial von Eskalationen besteht vor allem zwischen hinduistischen und muslimischen Bevölkerungsgruppen. Es waren jedoch auch wiederholt Angriffe hinduistischer Fundamentalisten auf christliche Kirchen zu verzeichnen (EDA 14.11.2023).
Nach wie vor sind auch die sogenannten Ehrenmorde ein Problem, vor allem in Punjab, Uttar Pradesh und Haryana (mit geschätzten mehreren hundert Fällen jährlich) (ÖB New Delhi 07.2023). Diese sind i. d. R. darauf zurückzuführen, dass das Opfer gegen den Willen seiner Familie geheiratet hat oder heiraten will (USDOS 12.04.2022). Die Ahndung von Ehrenmorden ist schwierig, da diese oft als Selbstmord oder natürlicher Tod ausgelegt werden (ÖB New Delhi 07.2023; vgl. USDOS 12.04.2022).
Sicherheitslage in einzelnen Bundesstaaten
Die Streitkräfte des Landes, die Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten und paramilitärische Kräfte lieferten sich Gefechte mit terroristischen Gruppen in mehreren östlichen Bundesstaaten sowie in Jammu und Kaschmir und mit maoistischen Terroristen im Norden, im Zentrum und im Osten des Landes. Die Intensität der Gewalt in diesen Gebieten nahm jedoch weiter ab (USDOS 20.03.2023b).
In den nordöstlichen Bundesstaaten, vor allem in Manipur, Meghalaya, Mizoram, Nagaland und Assam, war über Jahrzehnte eine Vielzahl von Rebellengruppen aktiv. Die Regierung geht durch den Einsatz von Sicherheitskräften, Verhandlungen, Rehabilitierungsmaßnahmen und Budgeterstattungen für Sicherheitsmaßnahmen der Bundesstaaten dagegen vor (AA 05.06.2023).
Dem österreichischen Außenministerium (BMEIA) zufolge besteht in den westlichen Teilen von Ladakh ein hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 14.11.2023). Laut [deutschem] Auswärtigem Amt ist im Unionsterritorium Ladakh die Sicherheitslage grundsätzlich stabil. In den direkten Grenzregionen kann es zu Zusammenstößen zwischen indischen und pakistanischen und indischen und chinesischen Sicherheitskräften kommen (AA 05.06.2023).
Laut BMEIA besteht weiters ein hohes Sicherheitsrisiko in den Grenzgebieten und in der Gegend westlich von Mulbek, in den Gebieten entlang der pakistanischen und der chinesischen Grenze, in der unmittelbaren Nachbarschaft zur pakistanischen Grenze, in den Bundesstaaten Rajasthan und Punjab sowie in den Gebieten westlich der Orte Jaisalmer und Bikaner. In den Bundesstaaten Chhattisgarh und Jharkand, in den östlichen Landesteilen von Maharashtra und Madhya Pradesh, sowie vereinzelt in Odisha und Bihar sind linksgerichtete Aufständische aktiv, die immer wieder Anschläge auf öffentliche Einrichtungen bzw. öffentliche Verkehrsmittel und Sicherheitskräfte verüben (BMEIA 14.11.2023).
In den nordöstlichen Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Assam, Nagaland, Manipur, Meghalaya, Mizoram und Tripura) sind vereinzelt aufständische Gruppen aktiv (BMEIA 14.11.2023; vgl. AA 14.11.2023). Diese führen dort einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (FH 2023). Gegen militante Gruppierungen, die für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. maoistisch-umstürzlerischen) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind i. d. R. Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 08.2021).
Der maoistische Aufstand in der ost- und zentralindischen Bergregion dauert an. Neben anderen Übergriffen haben die Rebellen angeblich illegale Steuern erhoben, Lebensmittel und Unterkünfte beschlagnahmt und Kinder und Erwachsene entführt und zwangsrekrutiert. Lokale Zivilisten und Journalisten, die als regierungsfreundlich gelten, wurden angegriffen (FH 2023). Die radikalen Gruppierungen operieren in weiten Teilen des östlichen Kernindiens, vor allem im sogenannten „Red Corridor“ (Schwerpunkte in Chhattisgarh, Odisha, Jharkand, Bihar, West Bengal). Ihre Gesamtzahl wird nunmehr auf unter 10.000 Personen geschätzt. Zwar stellen gewalttätige linksextremistische Gruppen (sog. „Naxaliten“ oder „maoistische Guerilla“) weiter eine innenpolitische Herausforderung für die indische Regierung dar; seit dem entschiedenen Vorgehen indischer Sicherheitskräfte (2009 – Operation Green Hunt) gepaart mit gezielter Wirtschaftsförderung in betroffenen Gebieten ist jedoch ein starker Rückgang dieser Gruppierungen zu verzeichnen (AA 05.06.2023).
Nachdem die Lage im Punjab in den letzten Jahren ruhig war, gab es im Frühjahr 2023 ein erneutes Aufflammen der separatistischen Khalistan-Bewegung. Deren Anführer befindet sich nach seiner Flucht in Haft. Der Konflikt beschränkte sich auf Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Separatisten und der Polizei, Zivilisten waren nicht betroffen (ÖB New Delhi 07.2023). [...]
Quellen: […]
[...]
5 Rechtsschutz / Justizwesen
Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court: Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; als Verfassungsgericht regelt er die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten. Er fungiert auch als Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen der untergeordneten Gerichte, namentlich bei Urteilen, welche eine Interpretation der Verfassung beinhalten, oder bei Todesurteilen. Den High Court: Obergericht in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Sowie dem Subordinate Civil and Criminal Courts: untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten, in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB New Delhi 07.2023).
Die Justiz ist in Indien von der Legislative und der Exekutive getrennt (DFAT 29.09.2023). Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor und die Regierung respektierte im Allgemeinen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz, doch kam es im Justizsystem zu Verzögerungen, Kapazitätsproblemen und Korruption auf den unteren Ebenen. Das Justizsystem war nach wie vor stark überlastet und verfügte nicht über moderne Fallverwaltungssysteme. Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist gesetzlich verankert, außer in Verfahren, bei denen es um Amtsgeheimnisse oder die Sicherheit des Staates geht, und die Justiz hat dieses Recht im Allgemeinen durchgesetzt (USDOS 20.03.2023b).
Die Justiz in Indien arbeitet formell unabhängig von den politischen Staatsorganen (FH 2023). Es gibt eine verfassungsmäßig garantierte unabhängige Gerichtsbarkeit mit dreistufigem Instanzenzug (AA 05.06.2023). Die häufig überlange Untersuchungshaft/Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie Korruption schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (USDOS 20.03.2023b; vgl. FH 2023, ÖB New Delhi 07.2023). Sehr problematisch ist zudem die sehr lange Verfahrensdauer von Strafverfahren. Die Regeldauer (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 07.2023). Ca. 77 % aller Gefangenen sind Untersuchungshäftlinge.
Fast 71 % der Untersuchungshäftlinge sind zwischen drei Monaten und mehr als fünf Jahren in Haft (AA 05.06.2023). Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft, was dazu führt, dass Zeugen aufgrund von Bestechung und/oder Bedrohung vor Gericht häufig nicht frei aussagen. Auch Zeugen können für ihre Vernehmung gemäß Strafprozessordnung über mehrere Tage inhaftiert werden, sofern Fluchtgefahr besteht: Fälle von Sippenhaft sollen nicht vorkommen (AA 05.06.2023).
In einigen ländlichen Gemeinden gibt es Dorfgerichte (manchmal nyaya panchayat genannt), die manche Inder dem formellen Rechtssystem vorziehen. Die Entscheidungen fallen schneller, sind gemeinschaftsbezogen und oft weniger anfällig für Korruption (DFAT 29.09.2023).
Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen und sieht keine unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen vor. Die Strafzumessungen bewegen sich regelmäßig im unteren Bereich des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens. Allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 07.2023), sind oft politisch besetzt bzw. agieren in vorauseilendem Gehorsam gegenüber lokalen Amtsträgern, wie beispielsweise Abgeordneten. Sehr problematisch ist die häufig sehr lange Verfahrensdauer in Folge von Überlastung der Gerichte. Der mangelnde Zeugenschutz führt dazu, dass Zeugen wegen Bestechung oder Bedrohung vor Gericht häufig „umfallen“ (ÖB New Delhi 07.2023).
In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z. B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 05.06.2023), z. B. bei Anwendung des Unlawful Activities Prevention Act (UAPA). Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt. Gerichte sind verpflichtet, Urteile öffentlich zu verkünden, und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern oder sich schuldig zu bekennen (USDOS 12.04.2022). Die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren werden nicht konsequent eingehalten. Die Bürger sehen sich bei der Verfolgung der Rechtsansprüche mit erheblichen Hindernissen konfrontiert, darunter z. B. auch die Forderungen nach Bestechungsgeldern (FH 2023). Generell ist festzuhalten, dass das indische Rechtssystem in vielen Bereichen rechtsstaatlich bedenkliche Verfahrensvorschriften zur Beweislastumkehr kennt (ÖB New Delhi 07.2023).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischem Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse (AA 05.06.2023). Das Heranziehen von erzwungenen Geständnissen (z. B.: durch Gewalt oder Folter) in die Beweislage ist rechtswidrig, kommt aber dennoch vor (ÖB New Delhi 07.2023).
Präventivhaft ist bei Fällen von Gefährdung der öffentlichen Ordnung gesetzlich vorgesehen.
Der National Security Act (NSA) aus 1980 erlaubt Vorbeugehaft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren bis zu einem Jahr, wenn eine Person als Sicherheitsrisiko eingestuft wird, ohne dass das Gesetz die Sicherheitsgründe näher definiert. Verhaftete Personen müssen innerhalb von 15 Tagen über die Haftgründe informiert werden. Spätestens nach sieben Wochen muss ein Beratungsausschuss über die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung befinden (ÖB New Delhi 07.2023).
Das Gesetz zur Verhinderung rechtswidriger Aktivitäten (Unlawful Activities Prevention Act UAPA) gibt den Behörden die Möglichkeit, Personen in Fällen, die mit Aufständen oder Terrorismus in Verbindung stehen, bis zu 180 Tage ohne Anklage in Haft zu nehmen. Das UAPA kann angewandt werden, wenn die Staatsanwaltschaft Beweise für den Besitz von Schusswaffen oder Sprengstoff oder das Vorhandensein von Fingerabdrücken an einem Tatort vorlegen kann, unabhängig davon, ob die Behörden kriminelle Absichten nachweisen (USDOS 20.03.2023b).
Im Dezember 2019 veröffentlichte das Ministerium für Recht und Justiz den „Scheme on Fast Track Special Courts for Expeditious Disposal of Cases of Rape and Protection of Children against Sexual Offences (POCSO)“ Act. Das Gesetz zielt darauf ab, 1.023 Fast-Track-Gerichte im ganzen Land einzurichten, um die 166.882 [Stand 2020] Vergewaltigungs- und POCSO Gesetzesfälle zu erledigen, die bei verschiedenen Gerichten anhängig sind (USDOS 30.03.2021). Das Gesetz sieht vor, dass in jedem Bezirk mindestens ein Sondergericht für Sexualstraftaten gegen Kinder (POCSO-Gericht) eingerichtet wird, aber die Umsetzung dieser Bestimmung verzögert sich (USDOS 20.03.2023b).
In Teilen des Landes, vor allem in ländlichen Gebieten, erlassen informelle Gemeinderäte Erlasse zu sozialen Bräuchen. Ihre Beschlüsse führen manchmal zu Gewalt oder Verfolgung von Personen, die gegen die sozialen Normen verstoßen, insbesondere Frauen und Angehörige der unteren Kasten (FH 2023). In Indien gibt es zudem die Möglichkeit der Alternative Dispute Reolution (ADR / Alternative Streitbeilegung). ADR bietet die Möglichkeit, alle Arten von Angelegenheiten zu lösen, einschließlich zivilrechtlicher, kommerzieller, industrieller und familiärer Angelegenheiten usw., bei denen die Menschen nicht in der Lage sind, eine Verhandlung zu beginnen und eine Einigung zu erzielen. Im Allgemeinen wird bei ADR eine neutrale dritte Partei eingesetzt, die den Parteien hilft, miteinander zu kommunizieren, die Differenzen zu erörtern und den Streit zu lösen. Das Verfahren verläuft ohne Einschaltung gerichtlicher Institutionen (Legal Service India, ohne Datum).
In Indien wird kein einheitliches Zivilrecht angewandt, sondern nach Religionszugehörigkeit unterschieden. Das staatliche Familien- und Erbrecht gilt für Hindus und Angehörige anderer Religionsgemeinschaften, nicht aber für Muslime. Familienrechtliche Streitigkeiten werden vor den örtlichen Gerichten entschieden, manchmal in freier Interpretation des vermuteten Rechts (ÖB New Delhi 07.2023). [...]
Quellen: […]
6 Sicherheitsbehörden
Für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sind in erster Linie die Bundesstaaten und Unionsterritorien zuständig (USDOS 20.03.2023b; vgl. DFAT 29.09.2023), wobei die Zentralregierung die politische Kontrolle ausübt. Die Polizei fällt in die Zuständigkeit der Bundesstaaten. Das Innenministerium kontrolliert die meisten paramilitärischen Kräfte, den Inlandsnachrichtendienst und die nationalen Strafverfolgungsbehörden und bietet Schulungen für leitende Beamte der staatlichen Polizeikräfte an. Die zivilen Behörden haben die Sicherheitskräfte wirksam kontrolliert (USDOS 20.03.2023b).
Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist. Die u. a. auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium. Auch die Nachrichtendienste Indiens im Inland („Intelligence Bureau“) wie Ausland (Research and Analysis Wing) handeln auf gesetzlicher Grundlage. Sie unterstehen über den Nationalen Sicherheitsberater direkt dem Premierminister (AA 05.06.2023). Das Militär verfügt nach dem Armed Forces (Special Powers) Act von 1958 über weitreichende Befugnisse, wenn der Notstand ausgerufen wird. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften, Häuser zu durchsuchen, Personen und Räumlichkeiten ohne Durchsuchungsbefehl zu durchsuchen oder zu verhaften und auf Sicht zu schießen. Diese Befugnisse gelten sowohl in Jammu und Kaschmir als auch in Teilen des Landes, in denen separatistische Kräfte auf freiem Fuß sind (DFAT 29.09.2023). Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt (BICC 07.2023).
Das Defense Security Corps sorgt für die Sicherheit der Einrichtungen des Verteidigungsministeriums. Die Border Security Force (BSF) ist für die indisch-pakistanische und indisch-bangladeschische Grenze zuständig; die Sashastra Seema Bal (SSB) bewacht die indisch-nepalesische und indisch-bhutanische Grenze. Die Central Reserve Police Force (CRPF) umfasst eine Rapid Reaction Force (RAF) zur Bekämpfung von Unruhen und das Commando Battalion for Resolute Action (COBRA) zur Aufstandsbekämpfung. Die Assam Rifles unterstehen der administrativen Kontrolle des Ministeriums für innere Angelegenheiten, während die operative Kontrolle dem Verteidigungsministerium (insbesondere der indischen Armee) untersteht. Die Territorialarmee (TA) ist eine militärische Reservetruppe, die sich aus freiwilligen Teilzeitkräften zusammensetzt, die die indische Armee unterstützen; sie ist Teil der regulären Armee und hat die Aufgabe, die reguläre Armee von statischen Aufgaben zu entlasten und die zivilen Behörden bei Naturkatastrophen zu unterstützen und die wesentlichen Dienste in Notfällen aufrechtzuerhalten, sowie bei Bedarf Einheiten für die reguläre Armee bereitzustellen (CIA 07.11.2023).
Nach dem Armed Forces Special Powers Act (AFSPA) kann die Zentralregierung einen Bundesstaat oder ein Unionsterritorium zu einem „Unruhegebiet“ erklären und die Sicherheitskräfte in diesem Staat ermächtigen, tödliche Gewalt anzuwenden, um „Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten“ und jede Person festzunehmen, „gegen die ein begründeter Verdacht besteht“, ohne den Festgenommenen über die Gründe für die Festnahme zu informieren. Das Gesetz bietet den Sicherheitskräften außerdem Immunität vor ziviler Strafverfolgung für Handlungen, die in Regionen unter dem AFSPA begangen werden (USDOS 20.03.2023b).
Die indische Polizei (Indian Police Service) untersteht den Bundesstaaten (AA 05.06.2023) und ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde. Sie fungiert als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten (BICC 07.2023). Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert (BICC 07.2023; vgl. USDOS 12.04.2022). Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreicher nationaler Strafrechte und der oben beschriebenen zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department: CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 07.2023).
Die rechtsstaatliche Kontrolle der Polizei ist defizitär. Es zeigt sich vor allem ein den Anforderungen an einen modernen Rechtsstaat nicht adäquater Ausbildungs- und Ausrüstungsstand der Polizei (AA 05.06.2023). Übergriffe (AA 05.06.2023) und Korruption innerhalb der Polizei ist nach wie vor ein Problem (FH 2023; vgl. AA 05.06.2023). Darüber hinaus wird von Folter, Misshandlung und Vergewaltigung durch Strafverfolgungs- und Sicherheitsbeamte berichtet (FH 2023).
Dies schlägt sich in einem mangelhaften Vertrauen der Bevölkerung nieder und hat damit auch mittelbar Auswirkungen auf andere Menschenrechtsbereiche, z. B. die Bereitschaft zu Strafanzeigen bei Menschenrechtsverstößen. Besonders in sogenannten Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 05.06.2023).
Im März reduzierte die indische Regierung die Zahl der Bezirke, die unter das Gesetz über die Sondervollmachten der Streitkräfte (AFSPA) fallen, in einigen nordöstlichen Bundesstaaten. In Jammu und Kaschmir sowie in 43 von 90 Bezirken in vier nordöstlichen Bundesstaaten blieb das Gesetz jedoch weiterhin in Kraft, sodass Angehörige der Sicherheitskräfte selbst bei schweren Menschenrechtsverletzungen straffrei ausgehen können (HRW 12.01.2023).
Die Polizeikräfte können bei Bedarf durch Einheiten des Militärs oder paramilitärische Kräfte verstärkt werden. Paramilitärische Kräfte sind Kräfte, die auf Grund sondergesetzlicher Ermächtigungen handeln, welche zum Teil Grundrechte einschränken oder außer Kraft setzen und die dem indischen Innenministerium unterstehen (ÖB New Delhi 07.2023).
Es gab Berichte über willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen durch die Regierung oder ihre Vertreter, einschließlich außergerichtlicher Tötungen von mutmaßlichen Kriminellen und Terroristen (USDOS 20.03.2023b). Trotz der Trainings für Sicherheitskräfte bleiben willkürliche Verhaftungen, Folter und erzwungene Geständnisse verbreitet. Die Sicherheitsbehörden sind überarbeitet, unterbezahlt und oft politischem Druck ausgesetzt, was in weiterer Folge zu Korruption führt (ÖB New Delhi 07.2023).
Die Behörden verstärkten ihre Bemühungen, Aktivisten der Zivilgesellschaft und unabhängige Journalisten zum Schweigen zu bringen, indem sie politisch motivierte Anklagen, einschließlich Terrorismus, erhoben, um diejenigen, die Missstände in der Regierung aufdeckten oder kritisierten, ins Gefängnis zu bringen. Die Regierung nutzte Vorschriften zur Finanzierung aus dem Ausland und Vorwürfe finanzieller Unregelmäßigkeiten, um Rechtsgruppen, politische Gegner und andere zu schikanieren (HRW 12.01.2023; vgl. AI 28.03.2023). [...]
Quellen: […]
7 Folter und unmenschliche Behandlung
Indien hat im Jahr 1997 das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet, jedoch bisher nicht ratifiziert (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 07.2023, BICC 07.2023). Es sind außerdem keine für die Ratifizierung notwendigen Änderungen der nationalen Gesetzgebung eingeleitet worden (BICC 07.2023). Ein Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Folter (Bill on the Prevention of Torture), welcher innerstaatliche Voraussetzung der Ratifizierung der UN-Anti-Folterkonvention ist, steht noch aus (AA 05.06.2023; vgl. FH 2023).
Das Gesetz verbietet Folter (USDOS 20.03.2023b; vgl. AA 05.06.2023) und andere Misshandlungen, aber es gab glaubwürdige Berichte, dass Regierungsbeamte davon Gebrauch machten. Das Gesetz verbietet es den Behörden, erzwungene Geständnisse als Beweismittel zuzulassen, aber einige Nichtregierungsorganisationen (NRO) berichteten, dass die Behörden Folter einsetzten, um Geständnisse zu erzwingen (USDOS 20.03.2023b; vgl. ÖB New Delhi 07.2023). Der indische Staat verfolgt Folterer grundsätzlich und veranstaltet Kampagnen zur Bewusstseinsbildung bei den Sicherheitskräften. Allerdings bleiben Menschenrechtsverletzungen, begangen von Polizeibeamten und paramilitärischen Einheiten, häufig ungeahndet und führen nicht einmal zu Ermittlungsverfahren (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 07.2023), weil Opfer ihre Rechte nicht kennen oder eingeschüchtert werden (AA 05.06.2023). Besonders gefährdet sind Angehörige unterer Kasten und andere sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten (ÖB New Delhi 07.2023).
Menschenrechtsorganisationen zufolge setzte die Polizei Folter, andere Misshandlungen und willkürliche Festnahmen ein, um erzwungene oder falsche Geständnisse zu erlangen. In einigen Fällen hielt die Polizei Berichten zufolge Verdächtige fest, ohne ihre Verhaftung zu registrieren, und verweigerte den Inhaftierten ausreichend Nahrung und Wasser. Es gab Berichte über Misshandlungen in Gefängnissen durch Wärter und Insassen sowie Berichte über Vergewaltigungen von Häftlingen durch die Polizei (USDOS 20.03.2023b).
Es kommt immer wieder zu willkürlichen Übergriffen der Staatsorgane, insbesondere der Polizeikräfte, vor allem gegenüber Häftlingen in Polizeigewahrsam, die unter Umständen auch zum Tode führen können (ÖB New Delhi 07.2023). Es ist nicht unüblich (AA 05.06.2023) bzw. ist es weit verbreitet, dass Häftlinge misshandelt werden – insbesondere Angehörige marginalisierter Gruppen (FH 2023); in einigen Fällen sogar mit Todesfolge (AA 05.06.2023). In einigen Fällen wird von willkürlichen und nicht gemeldeten Verhaftungen berichtet, bei denen dem Verhafteten mitunter ausreichend Wasser und Nahrung vorenthalten werden. Die angerufenen Gerichte haben in den letzten Jahren teilweise verstärkt Verantwortung gezeigt, zumal NGOs und die Presse kritisch über die ihnen bekannt gewordenen Fälle berichten (ÖB New Delhi 07.2023).
Übergriffe der Militärs und der paramilitärischen Gruppen bei ihren Einsätzen im Inneren (v. a. in Jammu und Kaschmir sowie in Indiens Nordosten) werden vereinzelt (militär-) gerichtlich geahndet, der Prozess und Prozessausgang bleiben allerdings geheim. Trotz der Trainings für Sicherheitskräfte bleiben willkürliche Verhaftungen, Folter und erzwungene Geständnisse verbreitet. Die Sicherheitsbehörden sind überarbeitet, unterbezahlt und oft politischem Druck ausgesetzt, was in weiterer Folge zu Korruption führt (ÖB New Delhi 07.2023).
Der Armed Forces Special Powers Act (AFSPA) gewährt den Sicherheitskräften selbst bei schweren Menschenrechtsverletzungen weitgehend Immunität vor Strafverfolgung (USDOS 20.03.2023b; vgl. HRW 12.01.2023, AA 05.06.2023). Gemäß dem AFSPA kann die Zentralregierung einen Bundesstaat oder ein Unionsterritorium als Unruhegebiet [disturbed area] erklären und die Sicherheitskräfte in diesem Staat ermächtigen, tödliche Gewalt anzuwenden, um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten und jede Person zu verhaften, gegen die ein „begründeter Verdacht“ besteht – ohne den Festgenommenen den Grund der Festnahme mitzuteilen (USDOS 20.03.2023b; vgl. AA 05.06.2023). Zusätzlich können Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl durchgeführt werden (AA 05.06.2023). Jedoch wurde das umstrittene Sonderermächtigungsgesetz AFSPA im April 2018 für den Bundesstaat Meghalaya aufgehoben, im Bundesstaat Arunachal Pradesh auf acht Polizeidistrikte beschränkt und ist seit April 2019 in drei weiteren Polizeidistrikten von Arunachal Pradesh teilweise aufgehoben. Unverändert in Kraft ist es in folgenden als Unruhegebiete geltenden Staaten: Assam, Nagaland sowie in Teilen von Manipur (AA 05.06.2023). Für das Unionsterritorium Jammu und Kaschmir existiert eine eigene Fassung (AA 05.06.2023). Auch dort ist das AFSPA weiter in Kraft (HRW 12.01.2023).
Im Juli 2016 ließ das Oberste Gericht in einem Zwischenurteil zu AFSPA in Manipur erste Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes erkennen. Der Schutz der Menschenrechte sei auch unter den Regelungen des AFSPA unbedingt zu gewährleisten (AA 05.06.2023).
Es gibt zwar Ermittlungen und Verfolgungen von Einzelfällen, aber eine unzureichende Durchsetzung wie auch ein Mangel an ausgebildeten Polizeibeamten und ein überbelastetes und unterfinanziertes Gerichtssystem tragen zu einer geringen Zahl von Verurteilungen bei (USDOS 20.03.2023b). Die Behörden berufen sich weiterhin auf Paragraf 197 der Strafprozessordnung, der die Genehmigung der Regierung für die strafrechtliche Verfolgung von Polizeibeamten vorschreibt, um die Rechenschaftspflicht selbst in Fällen von schweren Misshandlungen zu verhindern (HRW 13.01.2022).
Bei in Indien bekannt gewordenen Fällen von extralegalen Tötungen handelt es sich überwiegend um Todesfälle in Polizei- oder Justizgewahrsam, bei denen die Opfer entweder an den Folgen der Folter gestorben sind oder getötet wurden, um die Folter zu vertuschen bzw. unangenehme Aussagen und Beweise gegen hochrangige Persönlichkeiten zu unterdrücken. Nur in wenigen Fällen kommt es zu Konsequenzen (ÖB New Delhi 07.2023). [...]
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8 Korruption
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, und die Regierung hat das Gesetz im Allgemeinen wirksam umgesetzt. Sie ist auf allen Regierungsebenen vertreten. NGOs berichten, dass üblicherweise Bestechungsgelder bezahlt werden, um Dienste wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder staatlichen Beihilfen zu beschleunigen (USDOS 20.03.2023b).
Die Justiz ist zwar unabhängig, eine überlange Verfahrensdauer sowie die verbreitete Korruption führen aber immer wieder zu Situationen, die einer faktischen Rechtsverweigerung gleichkommen (AA 05.06.2023).
Korruption bei der Polizei ist weit verbreitet (AA 05.06.2023). Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, in der Praxis kommen Staatsdiener mit korrupten Praktiken häufig ungestraft davon (USDOS 12.04.2022). Mit dem Lokpal- und Lokayuktas-Gesetz aus dem Jahr 2013 wurden unabhängige nationale und bundesstaatliche Stellen geschaffen, die Beschwerden über Korruption gegen Beamte oder Politiker entgegennehmen, diesen Vorwürfen nachgehen und Verurteilungen gerichtlich durchsetzen sollen. Nur sieben der 29 bundesstaatlichen Lokayuktas hatten im Oktober 2022 öffentlich zugängliche Jahresberichte (FH 2023). Im Juni 2021 berichtete der Anti-Korruptions-Ombudsmann des Landes, dass er im Laufe des Jahres 110 Korruptionsbeschwerden, darunter vier gegen Parlamentsmitglieder, erhalten hat (USDOS 12.04.2022). Das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern aus dem Jahr 2014 wurde als begrenzt angesehen, und spätere Änderungen wurden kritisiert, weil sie es weiter aushöhlten (FH 2023).
Ermittlungen und strafrechtliche Verfolgung von Einzelfällen finden zwar statt, aber die unzureichende Durchsetzung, der Mangel an ausgebildeten Polizeibeamten und ein überlastetes und unterfinanziertes Gerichtssystem tragen zu einer geringen Zahl von Verurteilungen bei (USDOS 12.04.2022). Groß angelegte politische Korruptionsskandale haben wiederholt Bestechung und andere Vergehen aufgedeckt, aber es wird angenommen, dass ein großer Teil der Korruption nicht gemeldet und nicht geahndet wird, und die Behörden wurden beschuldigt, selektiv und parteiisch vorzugehen (FH 2023).
Indien scheint im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International im Jahre 2022 mit einer Bewertung von 40 (von 100) (0 sehr korrupt, 100 wenig korrupt) auf dem 85. Platz von 180 bewerteten Staaten auf, was keiner Veränderung zu 2021 entspricht (TI 2023; vgl. TI 2022). [...]
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12 Allgemeine Menschenrechtslage
Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 05.06.2023). Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB New Delhi 07.2023; vgl. AA 05.06.2023). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet. Indien bleibt ein Land extremer Kontraste. Es gibt viel Positives: stabile Demokratie, verfassungsrechtlich garantierte bürgerliche Freiheiten, fortschrittliche Rechtsprechung und eine beeindruckend vielfältige und lebendige Zivilgesellschaft. Aber es existieren eben auch enorme Defizite, eklatante Grundrechtsverletzungen und eine gesellschaftliche Realität, die aus westlicher Sicht häufig schockierend wirkt. Die Menschenrechtssituation spiegelt die komplexe Lebenswirklichkeit eines multiethnischen und multireligiösen Landes wider, die sich aus jahrtausendealten kulturellen Traditionen speist, die in Teilen die Durchsetzung universeller Menschenrechte behindern. Der Alltag vieler Bevölkerungsgruppen ist von systematischer gesellschaftlicher Benachteiligung geprägt. Ursache hierfür sind häufig tief verwurzelte soziale Praktiken wie das Kastenwesen und der niedrige Bildungsstand von Teilen der Bevölkerung und weniger systematische Menschenrechtsverletzungen durch den Staat (AA 05.06.2023).
Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft (AA 05.06.2023). Menschenrechtsverletzungen werden auch von Terroristen in Jammu und Kaschmir, in den nordöstlichen Bundesstaaten und in den vom maoistischen Terrorismus betroffenen Gebieten begangen, darunter Tötungen und Folter von Angehörigen der Streitkräfte, der Polizei, von Regierungsbeamten und Zivilisten, Entführungen sowie die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldaten (USDOS 20.03.2023b).
Die Verfassung garantiert bürgerliche Freiheiten, einschließlich der Meinungs- und Religionsfreiheit, aber die Schikanen gegen Journalisten, Nichtregierungsorganisationen (NRO) und andere Regierungskritiker haben unter Modi erheblich zugenommen. Die BJP hat zunehmend staatliche Einrichtungen genutzt, um politische Gegner ins Visier zu nehmen. Muslime, registrierte Kasten (Dalits) und registrierte Stämme (Adivasis) werden nach wie vor wirtschaftlich und sozial ausgegrenzt (FH 2023).
Die Verfassung garantiert den Bürgern das Recht, ihre eigene Sprache, Schrift und Kultur zu bewahren (DFAT 29.09.2023).
Die Gesetze gestatten der Regierung das Abhören von Gesprächen zum Schutz der Souveränität und Integrität des Landes, der Sicherheit des Staates, der freundschaftlichen Beziehungen zu ausländischen Staaten, der öffentlichen Ordnung oder zur Verhinderung der Anstiftung zur Begehung einer Straftat. Es gab Berichte, wonach Regierungsbehörden willkürlich oder unrechtmäßig oder ohne entsprechende rechtliche Befugnisse auf private Kommunikation zugriffen, diese sammelten oder nutzten und Praktiken entwickelten, die einen willkürlichen oder unrechtmäßigen Eingriff in die Privatsphäre ermöglichen, einschließlich des Einsatzes von Technologien zur willkürlichen oder unrechtmäßigen Überwachung oder Beeinträchtigung der Privatsphäre von Personen (USDOS 20.03.2023b).
Die indische Regierung erfüllt die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt jedoch erhebliche Anstrengungen, um dies zu erreichen. Die Hauptverantwortung für die Bemühungen zur Bekämpfung des Menschenhandels lag bei den indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien, die von der Zentralregierung politisch beaufsichtigt wurden (USDOS 15.06.2023).
Seit 1993 gibt es eine Nationale Menschenrechtskommission als unabhängiges Organ, die auf Antrag oder von Amts wegen Menschenrechtsverletzungen untersuchen und Empfehlungen an die Regierung richten oder beim Obersten Gerichtshof die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen beantragen kann. Ihre Kompetenz erstreckt sich allerdings nicht auf Überprüfung von Menschenrechtsverletzungen durch das Militär. Obwohl sie keine Weisungsbefugnis zur Einleitung von Strafverfahren hat und mangels Ermittlungsbefugnissen auf die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden und Polizei angewiesen ist, trägt sie zunehmend auch durch in der Öffentlichkeit ausgeübten Druck und durch Zusammenarbeit mit NGOs zur Ahndung und zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen bei. Der Protection of Human Rights Act, 1993, empfiehlt, dass jeder Bundesstaat eine Menschenrechtskommission einrichtet, die es in der Mehrzahl der Unionsstaaten bereits gibt (ÖB New Delhi 07.2023). [...]
Quellen: […]
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17 Religionsfreiheit
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Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USCIRF 05.2023; vgl. USDOS 15.05.2023, AA 05.06.2023). Artikel 25 gewährt allen Menschen Gewissensfreiheit, einschließlich des Rechts, eine Religion auszuüben, sich zu einer Religion zu bekennen und zu verbreiten (USCIRF 05.2023; vgl. USDOS 15.05.2023). Trotzdem hat sich im Jahr 2022 die Lage der Religionsfreiheit in Indien weiter verschlechtert. Während des gesamten Jahres hat die indische Regierung auf nationaler, bundesstaatlicher und lokaler Ebene religiös diskriminierende Maßnahmen gefördert und durchgesetzt, darunter Gesetze, die auf religiöse Konversion, interreligiöse Beziehungen, das Tragen von Hijabs und das Schlachten von Kühen abzielen und sich negativ auf Muslime, Christen, Sikhs, Dalits und Adivasi auswirken (USCIRF 05.2023).
Laut Schätzungen aus dem Jahr 2011 gibt es 79,8 % Hindus, 14,2 % Muslime, 2,3 % Christen und 1,7 % Sikhs. Kleinere religiöse Gruppen gehören Buddhisten, Jains, Baha’is, Juden, Zoroastrier (Parsis) und nicht-religiöse Personen an (USCIRF 05.2023; vgl. USDOS 15.05.2023, CIA 07.11.2023). Sie entsenden auch jeweils Vertreter in eine staatliche Nationale Minderheiten-Kommission (ÖB New Delhi 07.2023).
Das Zusammenleben der Religionen ist weitgehend friedlich (AA 05.06.2023). Im Jahr 2022 kam es zu zahlreichen Angriffen auf religiöse Minderheiten und ihre Gebetsstätten. Abrisse von Moscheen in muslimischen Gemeinden führten zu Verhaftungen und gewaltsamen Zusammenstößen (USCIRF 05.2023). Es gab auch Fälle von kommunaler Gewalt zwischen religiösen Gruppen (USDOS 15.05.2023). Spannungen zwischen Hindus (80 % der Bevölkerung) und Muslimen – den beiden größten Glaubensgemeinschaften – führen regelmäßig zu Ausschreitungen (ÖB New Delhi 07.2023).
Das Bundesgesetz sieht für sechs religiöse Gruppen einen offiziellen Minderheitenstatus vor:
Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Jains und Buddhisten. Die Regierungen der Bundesstaaten können religiösen Gruppen, die in einer bestimmten Region eine Minderheit darstellen, den Status einer Minderheit nach dem Recht des jeweiligen Bundesstaates zuerkennen. Angehörige anerkannter Minderheitengruppen haben Anspruch auf staatliche Unterstützungsprogramme. Laut Verfassung ist die Regierung dafür verantwortlich, religiöse Minderheiten zu schützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Kultur und religiösen Interessen zu wahren (USDOS 15.05.2023).
Personenstandsgesetze legen für Angehörige bestimmter Religionsgemeinschaften zivilrechtliche Regeln für Heirat, Scheidung, Adoption und Erbschaft fest, die auf Religion, Glauben und Kultur beruhen. Hinduistische, christliche, parsische, jüdische und islamische Personenstandsgesetze sind rechtlich anerkannt und können gerichtlich durchgesetzt werden (USDOS 15.05.2023). Langfristig plant die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) die Einführung eines einheitlichen Zivilrechts, das vermutlich zu Lasten der Autonomie von religiösen Minderheiten gehen würde (AA 05.06.2023).
Die von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführte Regierung setzte ihre systematische Diskriminierung und Stigmatisierung von religiösen und anderen Minderheiten, insbesondere von Muslimen, fort. BJP-Anhänger verübten zunehmend gewalttätige Angriffe gegen bestimmte Gruppen. Die hinduistische Mehrheitsideologie der Regierung spiegelte sich in der Voreingenommenheit der Institutionen, einschließlich der Justiz und der Verfassungsorgane wie der Nationalen Menschenrechtskommission, wider (HRW 12.01.2023).
Konversionsgesetze verbieten „erzwungene“ Konversionen, wobei (je nach staatlichem Gesetz) Gewalt „Verlockung“, Betrug oder Nötigung bedeuten kann. Die Gesetze schreiben vor, dass für die Umwandlung ein bürokratisches Verfahren (Formulare, Gebühren, Genehmigungen) durchgeführt werden muss. Die Strafen und die Durchsetzung sind von Staat zu Staat unterschiedlich, können aber Gefängnisstrafen beinhalten. Viele dieser Gesetze wurden als Reaktion auf den so genannten „Liebesdschihad“ erlassen, eine angebliche Praxis, bei der muslimische Männer hinduistische Frauen (oder Mädchen) heiraten, um sie zum Islam zu bekehren (DFAT 29.09.2023). Dreizehn der 28 Bundesstaaten des Landes – Assam, Arunachal Pradesh, Chhattisgarh, Gujarat, Haryana (Stand: März), Himachal Pradesh, Karnataka, Jharkhand, Madhya Pradesh, Odisha, Rajasthan, Uttarakhand und Uttar Pradesh – haben Gesetze zur Einschränkung der Konversion. Obwohl in keinem dieser Gesetze bestimmte Glaubensrichtungen genannt werden, werden sie in der Praxis häufiger gegen Nicht-Hindus angewandt (USDOS 15.05.2023).
Mehrere Urteile des Obersten Bundesgerichts und des Obersten Gerichtshofs haben die Präsidialverordnung von 1950 bestätigt, die im Wesentlichen besagt, dass diejenigen, die zu einer anderen Religion konvertieren – insbesondere Islam oder Christentum – und den Hinduismus, Buddhismus oder Sikhismus aufgeben, ihren rechtlichen Status als registrierte „Scheduled Castes“ und damit den Anspruch auf Leistungen und Vorteile, die sich daraus ergeben, verlieren (OpIndia 23.09.2022).
Im Hinduismus gilt die Kuh als heilig (DFAT 29.09.2023; vgl. USCIRF 04.2020). In fünfundzwanzig der 28 Staaten gelten teilweise oder vollständige Beschränkungen für die Schlachtung von Rindern. Die Strafen variieren von Staat zu Staat und können je nachdem, ob es sich um eine Kuh, ein Kalb, einen Stier oder einen Ochsen handelt, unterschiedlich sein. Das Verbot betrifft vor allem Muslime und Angehörige der „Scheduled Castes“ und „Scheduled Tribes“, die traditionell Rindfleisch konsumieren. In den meisten Bundesstaaten, in denen das Schlachten von Rindern verboten ist (USDOS 15.05.2023) […]. Im Laufe des Jahres kam es in verschiedenen Bundesstaaten zu Übergriffen auf Angehörige religiöser Minderheiten, darunter Tötungen, Übergriffe und Einschüchterungen. Dazu gehörten Vorfälle von „Kuh-Vigilantismus“ gegen Nicht-Hindus aufgrund von Vorwürfen des Schlachtens von Kühen oder des Handels mit Rindfleisch (USDOS 15.05.2023).
Die Nationale Minderheitenkommission, der Vertreter der sechs benannten religiösen Minderheiten angehören, und die Nationale Menschenrechtskommission untersuchen Vorwürfe der religiösen Diskriminierung. Das Ministerium für Minderheitenangelegenheiten kann ebenfalls Untersuchungen durchführen. Diese Behörden haben keine Durchsetzungsbefugnisse, führen jedoch Untersuchungen auf der Grundlage schriftlicher Beschwerden über straf- oder zivilrechtliche Verstöße durch und legen die Ergebnisse den Strafverfolgungsbehörden vor. In 18 der 28 Bundesstaaten des Landes und im National Capital Territory Delhi gibt es staatliche Minderheitenkommissionen, die ebenfalls Vorwürfe religiöser Diskriminierung untersuchen. (USDOS 15.05.2023). [...]
Quellen: […]
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17.3 Sikhs
Letzte Änderung 2023-11-28 08:01
Im Bundesstaat Punjab sind 60 % der Bevölkerung Sikhs (ÖB New Delhi 07.2023). Der Sikhismus ist die vorherrschende Religion im Punjab. Auch in den benachbarten Bundesstaaten Haryana, Delhi, Rajasthan, Uttar Pradesh und Uttarakhand gibt es eine große Zahl von Sikhs (DFAT 29.09.2023).
In Artikel 25 b (II) der Verfassung wird festgehalten, dass zum Hinduismus auch Personen, die sich zur Religion der Sikhs, Buddhisten und Jain bekennen, miteingeschlossen werden (USDOS 02.06.2022). Im Dezember 2019 verabschiedete das Parlament das Citizenship (Amendment) Act (CAA), das einen beschleunigten Weg zur Staatsbürgerschaft für Sikhs vorsieht (AA 05.06.2023; vgl. USDOS 02.06.2022).
Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben (ÖB New Delhi 08.2021). Sie können aber Ziele örtlich begrenzter Diskriminierung werden. Es wird angenommen, dass Sikhs in Indien im Allgemeinen einem geringen Maß an offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind (DFAT 29.09.2023). Die Sikhs, 60 % der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen (auch bundesweit – praktisch alle indischen Generalstabschefs der Bundesarmee waren bisher Sikhs) offen. Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass Sikhs alleine aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei willkürlich verhaftet oder misshandelt würden. Verhaftungen erfolgen allerdings, sobald jemand offen eine verbotene Organisation (z. B. das Khalistan Movement) unterstützt (ÖB New Delhi 07.2023).
Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (Sikhs, insbes. Khalistan-Separatisten, Kaschmiris) werden von indischer Seite beobachtet und registriert. Personen, die im Ausland eine in Indien verbotene Vereinigung unterstützen, werden nach ihrer Rückkehr in Indien strafrechtlich verfolgt. Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland unterstützen radikale Sikh Bewegungen auch finanziell (ÖB New Delhi 07.2023). [...]
Quellen: […]
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18 Ethnische Minderheiten
Die Verfassung verbietet die Diskriminierung von Bürgern aufgrund ihrer Religion, Rasse, Kaste oder ihres Geburtsortes. Die Registrierung von Kasten und Stämmen wurde zum Zweck von Förderprogrammen fortgesetzt, da die Bundes- und Landesregierungen weiterhin Programme für Angehörige niedrigerer Kastengruppen durchführten, um ihnen eine bessere Wohnqualität, Quoten in Schulen, staatliche Arbeitsplätze und Zugang zu subventionierten Lebensmitteln zu bieten (USDOS 20.03.2023b). Angehörige von historisch unterprivilegierten Stämmen, Dalits und Gruppen, die von der Regierung als „andere rückständige Klassen“ und „wirtschaftlich schwächere Gruppen“ eingestuft werden, sind im Bildungswesen und bei staatlichen Stellen routinemäßig Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt, und das Strafrechtssystem bietet marginalisierten Gruppen nicht den gleichen Schutz (FH 2023). Die „Unberührbarkeit“ ist verfassungsrechtlich abgeschafft und ihre Ausübung verboten. Trotz vieler Regelungen prägt die Zugehörigkeit (bzw. Nicht-Zugehörigkeit) zu einer Kaste das indische Sozialgefüge und geht mit zahlreichen Diskriminierungen einher (ÖB New Delhi 07.2023).
Einkommen und Bildungsgrad korrelieren sehr stark mit der Kastenzugehörigkeit (AA 05.06.2023).
Allerdings trübt sich die Menschenrechtslage speziell für Minderheiten vor dem Hintergrund einer von der regierenden BJP (Bharatiya Janata Party) markant vorgetragenen Hindu-Mehrheitspolitik weiter ein (AA 05.06.2023). Gesetze zum Verbot der Zwangskonversion wurden missbraucht, um Christen, insbesondere aus Dalit- und Adivasi-Gemeinschaften, ins Visier zu nehmen (HRW 12.01.2023). Angriffe auf Minderheiten haben in Indien zugenommen. Hassverbrechen, einschließlich Gewalt gegen Dalits, Adivasi und religiöse Minderheiten, werden mitunter ungestraft begangen (FH 2023).
Um Ungleichheiten auszugleichen, gibt es Quoten für den bevorzugten Zugang zu staatlichen Bildungseinrichtungen und dem öffentlichen Dienst sowie Förderungsprogramme durch NGOs für diese Gruppen, die in Scheduled Castes (SC, umgangssprachlich „Dalits“), Scheduled Tribes (ST, umgangssprachlich „Adivasi“) sowie Other Backward Classes (OBC) eingeteilt werden (ÖB New Delhi 07.2023).
Die Verfassung sieht in diesem Zusammenhang vor, dass zum Schutz historisch marginalisierter Gruppen und zur Gewährleistung einer Vertretung im Unterhaus des Parlaments jeder Bundesstaat Sitze für die „Scheduled Castes“ und „Scheduled Tribes“ im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl im Bundesstaat reservieren muss. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören, dürfen in den reservierten Wahlkreisen antreten (USDOS 20.03.2023b; vgl. FH 2023). Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 12.04.2022). [...]
Quellen: […]
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20 Bewegungsfreiheit
Die Niederlassungsfreiheit (FH 2023; vgl. ÖB New Delhi 07.2023) sowie landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung werden gesetzlich gewährt, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.03.2023b; vgl. ÖB New Delhi 07.2023). Allerdings verlangen das Innenministerium und die Regierungen der Bundesstaaten von ihren Bürgern Sondergenehmigungen, wenn sie in bestimmte Bundesstaaten reisen wollen (USDOS 20.03.2023b; vgl. ÖB New Delhi 08.2021). In den Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram und Manipur sind sogenannte Inner Line Permits erforderlich (USDOS 20.03.2023b). Die Bewegungsfreiheit wird in einigen Teilen des Landes durch aufständische Gewalt oder kommunale Spannungen behindert (FH 24.02.2022).
Grundsätzlich ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet. Es gibt nach wie vor kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, sodass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Die Einführung der Aadhaar-Karte im Jahre 2009 hat hieran nichts geändert, da die Registrierung nach wie vor auf freiwilliger Basis erfolgt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung (AA 05.06.2023). Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 07.2023) ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (ÖB New Delhi 07.2023). Durch die Verknüpfung vieler Dienstleistungen mit der biometrischen Aadhaar Karte wird die Auffindbarkeit einzelner Personen für Behörden erleichtert (ÖB New Delhi 07.2023).
Die Regierung kann jedem Antragsteller einen Reisepass verweigern, wenn er sich außerhalb des Landes an Aktivitäten beteiligt, die „der Souveränität und Integrität der Nation schaden“ (USDOS 20.03.2023b). Der Trend, die Ausfertigung und Aktualisierung von Reisedokumenten für Bürger aus Jammu und Kaschmir zu verzögern, hält weiterhin an. Eine Bearbeitung kann bis zu zwei Jahre dauern. Berichten zufolge unterziehen die Behörden in Jammu und Kaschmir geborene Antragsteller – einschließlich der Kinder von dort stationierten Militäroffizieren – zusätzlichen Sicherheitsüberprüfungen, bevor sie entsprechende Reisedokumente ausstellen (USDOS 12.04.2022).
Eine Ausreiseverweigerung ist aus Gründen der nationalen Sicherheit möglich (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 07.2023). [...]
Quellen: […]
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21 Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge
Indien hat die UN-Konvention über die Anerkennung von Flüchtlingen von 1951 und das Protokoll von 1967 nicht unterzeichnet (AA 05.06.2023). Das Gesetz sieht die Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsstatus nicht vor, und die Regierung hat kein System zur Gewährung von Schutz für Flüchtlinge eingerichtet (USDOS 20.03.2023b; vgl. AA 05.06.2023). In Ermangelung eines Rechtsrahmens gewährte die Regierung manchmal situationsbedingt Asyl aus humanitären Gründen im Einklang mit dem Völkerrecht. Dieser Ansatz führte zu unterschiedlichen Schutzstandards für verschiedene Gruppen von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Die Regierung erkannte Flüchtlinge aus Tibet und Sri Lanka an und respektierte im Allgemeinen die Entscheidungen des UNHCR zur Bestimmung des Flüchtlingsstatus von Personen aus anderen Ländern (USDOS 20.03.2023b).
Gemäß der am 10.01.2020 in Kraft getretenen Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes (Citizenship Amendment Act, 2019), erhalten Migranten, die vor dem 31.12.2014 als Flüchtlinge aus den Nachbarländern Afghanistan, Bangladesch und Pakistan kamen, vereinfacht die indische Staatsbürgerschaft. Ausgenommen sind Muslime (AA 05.06.2023). Allerdings hat der zuständige Minister angekündigt, dass mit der Umsetzung dieses Gesetzes erst nach der COVID-19-Pandemie begonnen werden wird (CNBC 08.05.2022). Grundsätzlich kann jeder Flüchtling nach zwölfjährigem Aufenthalt in Indien indischer Staatsangehöriger werden. Gerade tibetische Flüchtlinge haben mithilfe von NGOs (teils mit ausländischer Unterstützung) sowie Bemühungen der tibetischen Exilregierung und Institutionen Möglichkeiten zur Schul-/Berufsausbildung sowie Zugang zu Startkapital und sind dementsprechend wirtschaftlich aktiv (AA 05.06.2023).
Indien teilt Flüchtlingen Siedlungsgebiete zu, Flüchtlinge aus Afghanistan erhielten etwa Land in Lajpat Nagar in Delhi. Schon aufgrund der religiösen Verwandtschaft werden diese Flüchtlinge nicht nur toleriert, sondern in die indische Gesellschaft integriert und dort akzeptiert (AA 05.06.2023). Im ganzen Land gab es Siedlungen von Binnenvertriebenen. Genaue Zahlen über die durch Gewalt Vertriebenen waren schwer zu ermitteln, da die Regierung die Bewegungen der Vertriebenen nicht überwacht und humanitäre Organisationen und Menschenrechtsorganisationen nur begrenzten Zugang zu Lagern und betroffenen Regionen hatten. Die Behörden registrierten zwar die Bewohner der Vertriebenenlager, doch eine unbekannte Zahl von Vertriebenen hielt sich außerhalb der Lager auf (USDOS 20.03.2023b).
Für die Versorgung der Binnenvertriebenen waren in der Regel die Regierungen der Bundesstaaten und die lokalen Behörden zuständig, was zu Lücken in den Leistungen und einer unzureichenden Rechenschaftspflicht führte. Die Zentralregierung gewährte den Binnenvertriebenen nur begrenzte Unterstützung, gestattete jedoch NRO und Menschenrechtsorganisationen den Zugang zu den Binnenvertriebenen; weder der Zugang noch die Unterstützung waren für alle Binnenvertriebenen oder alle Situationen einheitlich (USDOS 20.03.2023b).
Die Regierung hat im Allgemeinen mit dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammengearbeitet, um Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen oder Asylbewerbern sowie anderen betroffenen Personen ein Mindestmaß an Schutz und Unterstützung zu gewähren. Das UNHCR hat zwar kein offizielles Abkommen mit der Regierung, ist aber im Allgemeinen in der Lage, Asylbewerbern und Flüchtlingen aus nicht benachbarten Ländern zu helfen. Das UNHCR hatte keinen direkten Zugang zu neu ankommenden Flüchtlingen an der Grenze zu Burma oder zu Langzeitflüchtlingen aus Sri Lanka in Tamil Nadu. Darüber hinaus fehlten den vom UNHCR anerkannten Flüchtlingen und Asylbewerbern nach wie vor staatlich anerkannte Ausweispapiere, was ihren Zugang zu nationalen Sozialprogrammen einschränkte (USDOS 20.03.2023b). [...]
Quellen: […]
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22 Grundversorgung und Wirtschaft
Allgemeine Wirtschaftsleistung
Die indische Wirtschaft hat sich von der bereits vor COVID bestehenden Krise erholt und erreichte im Finanzjahr 2021/22 ein Wachstum von 8,7 %, für das Jahr 2023/24 wurde von der Weltbank ein Wachstum von 6,3 % prognostiziert. Trotz negativer externer Faktoren (RU/UA Krieg, Lieferkettenengpässe, Inflation – 6,7 % 2022/23) wird die indische Wirtschaft als resilient eingestuft (ÖB New Delhi 07.2023). Indien ist damit die am stärksten wachsende Volkswirtschaft aller G20-Staaten. Diese Dynamik wird von einem wiedererstarkten Privatkonsum und einem enormen Investitionsprogramm der Regierung getragen (WKO 30.10.2023).
Die Landwirtschaft stieg um 3,7 % (15 % BIP-Anteil), der wiedererstarkende Industriesektor um 4,5 % (30 % BIP-Anteil) sowie der Dienstleistungsbereich um 7,6 % (55 % BIP-Anteil), wobei hier die IT-Services dominieren (WKO 09.2023).
Arbeitsmarkt
Von den etwa 500 Millionen Arbeitskräften sind 90 % im informellen Sektor tätig (ÖB New Delhi 07.2023; vgl. AA 05.06.2023), auch wenn nach manchen Analysen der Anteil der formell Beschäftigten steigt. Von den 10 % im organisierten Sektor Beschäftigten, die über formelle soziale Absicherung und Arbeitsschutz verfügen, arbeiten 70 % im staatlichen Bereich. Nur 5 % der Gesamtarbeitskräfte sind ausgebildete Fachkräfte. Nicht mehr ganz die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig (ÖB New Delhi 07.2023).
Es besteht eine umfassende und internationalen Standards im Wesentlichen entsprechende Arbeits- und Sozialgesetzgebung, aber sie betrifft nur die Beschäftigten in formellen Arbeitsverhältnissen – das sind ca. 8 %. Die übrigen 92 % sind im „informellen“ Sektor tätig, in dem geregelte Arbeitsverhältnisse mit angemessenen und regelmäßigen Einkünften die Ausnahme sind und soziale Absicherung praktisch unbekannt ist. Gewerkschaften konzentrieren sich immer noch ganz überwiegend auf den (kleinen) formellen Sektor und sind zumeist parteipolitisch gebunden (AA 05.06.2023).
Die nationale Arbeitsvermittlungsagentur, die bei dem Ministerium für Arbeit und dem Direktorat für Arbeit und Training angesiedelt ist, bietet Arbeitssuchenden Stellen an. Letztere müssen sich dort selbst registrieren und werden sofort informiert, sobald eine passende Stelle verfügbar ist. Einige Bundesstaaten bieten Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen Informationen über die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen und die Verbesserung der Fähigkeiten entsprechend der Marktnachfrage zur Verfügung gestellt werden (IOM 08.2022).
Die Arbeitslosenrate betrug für 2022/2023 10,5 %, und für 2023/2024 wird eine Rate von 7,1 % prognostiziert (WKO 09.2023).
Das Gesetz verbietet alle Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit, aber Zwangsarbeit, einschließlich Schuldknechtschaft für Erwachsene und Kinder, war weiterhin weit verbreitet (USDOS 20.03.2023b; vgl. FH 2023).
Die Gesetze der Bundesstaaten legen Mindestlöhne und Arbeitszeiten fest. Der tägliche Mindestlohn variierte, lag aber über dem offiziell geschätzten Armutseinkommen. Die Regierungen der Bundesstaaten legen einen gesonderten Mindestlohn für Landarbeiter fest. Das Gesetz schreibt auch sichere Arbeitsbedingungen vor (USDOS 20.03.2023b).
Nahrungsmittelsicherheit, Armut
Etwa 34 % aller Inder seien von multi-dimensionaler Armut betroffen (16,4 %) oder gefährdet (18,7 %) (AA 05.06.2023). 10 % der Bevölkerung leben unter der absoluten Armutsgrenze (USD 2,15 Tag Kaufkraft). Dies ist eine signifikante Verbesserung, 2004 waren es noch ca. 40 %, 2011 22,5 % (ÖB New Delhi 07.2023).
Es gibt in Indien einen politischen Konsens zum Recht auf Nahrung. Zwei Drittel der indischen Bevölkerung haben einen entsprechenden gesetzlichen Anspruch auf fünf Kilogramm Getreide und Hülsenfrüchte pro Monat (AA 05.06.2023). Zusätzlich werden Preise für gewisse Nahrungsmittel staatlich gestützt (ÖB New Delhi 07.2023). Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 05.06.2023). Nach offiziellen Angaben sind 36 % der unter Fünfjährigen untergewichtig (AA 05.06.2023).
Auch wenn die mittel- bis langfristigen Folgen der Pandemie noch nicht absehbar sind, dürfte es für Indien nicht einfach werden, das in der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung gesetzte Ziel zu erreichen, die absolute Armut bis zum Jahr 2030 gänzlich zu beenden (AA 05.06.2023).
Wohnraum und Sozialwesen
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zumeist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, die sich ebenfalls an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat). Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches den Teilnehmern ermöglicht, systematisch Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (IOM 08.2022).
Zahlreiche Sozialprogramme sollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern. De facto ist der Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen in vielen Teilen Indiens noch wegen gravierender qualitativer und quantitativer Mängel, Korruption und Missmanagement beschwerlich bzw. oft verwehrt. Mit der Einführung der Identifikationsnummer „Aadhaar“ und der davon unabhängigen Eröffnung von Bankkonten für jeden Haushalt in Indien konnten erste Erfolge bei der Eindämmung von Korruption und beim „verlustfreien“ Transfer staatlicher Sozialleistungen verbucht werden. Mit dem Haushaltsgesetz 2018 wurde die Einführung einer Krankenversicherung für rund 100 Mio. Familien bzw. etwa 500 Mio. Menschen beschlossen (AA 05.06.2023).
Das Recht auf Sanitärversorgung erfährt durch die aktuelle Regierung besondere Aufmerksamkeit: unter Indiens Bevölkerung hatten 2015 noch rund 59 % (626 Mio.) der Menschen keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen. Im Rahmen der ambitionierten „Clean India“ Kampagne ist in nur fünf Jahren der Anteil aller Inder:innen mit Zugang zu funktionierenden Toiletten auf etwa 85 % gestiegen (AA 05.06.2023).
Die Kriterien für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen sind komplex und variieren je nach Ort; der Zugang zu solchen Programmen sollte nicht vorausgesetzt werden. Selbst wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, ist es nicht möglich, sich allein von Sozialhilfeprogrammen zu ernähren (DFAT 29.09.2023).
Der Aadhaar, enthält eine zwölfstellige eindeutige Identifikationsnummer (UID). Sie wird indischen Staatsbürgern ausgestellt, um ihre Identität auf der Grundlage demografischer und biometrischer Informationen festzustellen. Sie bietet eine Plattform für Sozialleistungen, Vergünstigungen und Subventionen. Die Beantragung einer Aadhaar-Karte ist kostenlos, und das System ist freiwillig, aber in der Praxis ist die Registrierung für alltägliche Aktivitäten erforderlich. Für den Erhalt einer Aadhaar-Karte sind keine umfangreichen Unterlagen erforderlich, und es stehen mehrere Optionen zur Verfügung, so dass sie auch für ärmere Bürger ohne Papiere oder Analphabeten zugänglich ist. Die Verwendung biometrischer Daten, einschließlich Gesichtsauthentifizierung, Iris- und Fingerabdruckdaten, soll die doppelte Vergabe von UIDs an ein und dieselbe Person reduzieren oder verhindern. In der Praxis wird er oft als Personalausweis verwendet (DFAT 29.09.2023).
Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen (AA 05.06.2023). [...]
Quellen: […]
23 Medizinische Versorgung
Die Struktur des indischen Gesundheitssystems ist vielseitig und besteht aus verschiedenen Arten von Anbietern, die in unterschiedlichen Medizinsystemen und Einrichtungen mit unterschiedlichen Eigentumsstrukturen tätig sind. Laut indischer Verfassung regeln die verschiedenen Bundesstaaten die meisten Aspekte des Gesundheitswesens, inklusive öffentlicher Gesundheit und Krankenhäuser. Ein besonderes Merkmal des öffentlichen Gesundheitswesens sind die meist präventiven und begünstigenden Massenprogramme zur Gesundheitsvorsorge, beispielsweise im Bereich des Seuchenschutzes, der Geburtenkontrolle, sowie Mütter- und Kindergesundheit (Verhütung, Schutzimpfung, pränatale Fürsorge etc.) (IOM 08.2022).
Staatliche Krankenhäuser bieten Gesundheitsversorgung kostenfrei oder zu sehr geringen Kosten an (IOM 08.2022). Staatliche Gesundheitszentren (PHCs) bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Sie sind Teil des von der Regierung finanzierten öffentlichen Gesundheitssystems des Landes (IOM 08.2022). Die Regierung von Delhi betreibt außerdem 519 Aam Aadmi Mohalla Clinics, die den Patienten kostenlose medizinische Grundversorgung bieten, darunter 212 verschiedene medizinische Tests. Es sollen weitere Kliniken eröffnet werden (IOM 08.2022).
Eine private Gesundheitsversorgung ist vergleichbar teuer (IOM 08.2022; vgl. DFAT 29.09.2023), und die Patient:innen müssen einen Großteil der Kosten selber zahlen. Für den Zugang zu den Leistungen ist grundsätzlich ein gültiger Personenausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN). In Indien haben Patient:innen grundsätzlich Zugang zu subventionierter Gesundheitsfürsorge in öffentlichen Krankenhäusern. Gelegentlich sind jedoch Medikamente zu äußerst geringen Preisen erhältlich und müssen oft privat erworben werden (IOM 08.2022).
Die Qualität und Verfügbarkeit von Gesundheitsdiensten in Indien ist sehr unterschiedlich, und das Angebot an Fachkräften (wie Ärzten, Krankenschwestern und Sanitätern) reicht nicht aus, um die Nachfrage zu decken (DFAT 29.09.2023).
Die Gesundheitsdienste fallen in die Zuständigkeit der Bundesstaaten und der öffentlichen Gesundheitsdienste, und die Qualität und die Leistungen sind von Staat zu Staat unterschiedlich. Generell gilt, dass reichere Bundesstaaten (z. B. südliche Bundesstaaten wie Kerala) und wohlhabende Großstädte (wie Delhi, Kolkata und Mumbai) über bessere Dienste verfügen, während in weniger entwickelten Bundesstaaten und Städten weniger fortschrittliche Dienste zur Verfügung stehen. Die Weltklasse-Einrichtungen in den Städten sind auf die Oberschicht ausgerichtet. In ländlichen Gebieten wird die Gesundheitsversorgung in öffentlichen Gesundheitszentren oder kommunalen Gesundheitszentren erbracht, wobei komplexere Fälle an Bezirks- und Unterbezirkskrankenhäuser oder an tertiäre oder spezialisierte Einrichtungen in den Städten überwiesen werden. In den primären Gesundheitszentren in ländlichen Gebieten kann es an grundlegender Infrastruktur wie sauberem Wasser fehlen (DFAT 29.09.2023). Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 05.06.2023).
Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt. Sie ist aber durchwegs unzureichend. Da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich. Private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der dem westlicher Industriestaaten vergleichbar ist (AA 05.06.2023). Eine private Gesundheitsversorgung ist allerdings vergleichbar teuer, und die Patienten müssen einen Großteil der Kosten selber zahlen (IOM 08.2022).
Krankenversicherungen für die Allgemeinbevölkerung sind über verschiedene private und öffentliche Unternehmen mit unterschiedlichen Beitragszahlungen erhältlich. In der staatlichen Krankenversicherung werden nur indische Staatsbürger/-innen unterhalb der Armutsgrenze erfasst (IOM 08.2022).
In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich (AA5.6.2023), die Kosten für die notwendigsten Medikamente werden staatlich reguliert. Apotheken sind zahlreich und auch in entlegenen Städten vorhanden (IOM 08.2022). Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien ist der weltweit größte Hersteller von Generika, und Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 05.06.2023). [...]
Quellen: […]
24 Rückkehr
Jede:r Inder:in hat das Recht auf Ausreise und Rückkehr in das eigene Land (AA 05.06.2023).
Die Einreise ist ohne ein gültiges Reisedokument grundsätzlich nicht möglich. Ein von einem EU-Land ausgestelltes Heimreisepapier wird von der indischen Regierung nicht anerkannt. Die Ausstellung der nötigen Heimreisedokumente durch die indische Botschaft im jeweiligen EU-Land ist in der Regel mit einem zeitaufwendigen Verfahren verbunden, da es in Indien u. a. kein Meldewesen gibt (ÖB New Delhi 07.2023).
Es bestehen keine Hinweise darauf, dass eine Asylantragstellung zu nachteiligen Konsequenzen nach der Rückkehr führt (AA 05.06.2023; vgl. DFAT 29.09.2023, ÖB New Delhi 07.2023). Zur Festnahme ausgeschriebene Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Strafverfolgungsbehörden rechnen (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 07.2023).
Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (radikale Sikhs, Kaschmirs) werden von der Regierung durch den Geheimdienst beobachtet. Aktivist:innen, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 07.2023), sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Es ist strafbar, zu Terrorgruppen Kontakte zu unterhalten oder an Handlungen beteiligt zu sein, die die Souveränität, Integrität oder Sicherheit Indiens gefährden (ÖB New Delhi 07.2023).
Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind nicht bekannt (AA 05.06.2023).
Die Rückkehrberatung in Österreich wird seit 01.01.2021 von der Bundesbetreuungs- und Unterstützungs-Agentur (BBU GmbH) angeboten. Es gibt Beratungsstellen in allen neun Bundesländern. Es steht den Personen frei, an welche Rückkehrberatungsorganisation sie sich wenden. Im Falle einer verpflichteten Rückkehrberatung wird eine bestimmte Rückkehrberatungsorganisation genannt. Grundsätzlich ist jenes Bundesland zuständig, in dem der Asylwerber, Fremde bzw. Ausreisepflichtige wohnt. Darüber hinaus findet Rückkehrvorberatung auch für Personen in Schub- oder Strafhaft statt (BBU 2023). [...]
Quellen: […]
[…]“
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch die Berücksichtigung des verwaltungsbehördlichen Aktes und den diesem Verfahren zugrunde gelegten Länderbericht zur Situation im Herkunftsstaat Indien sowie vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Auszüge aus dem zentralen Fremdenregister, dem zentralen Melderegister, der Grundversorgungsdatenbank und der Datenbank des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger sowie dem Strafregister (OZ 2).
2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensumständen in Österreich:
Soweit in der gegenständlichen Entscheidung Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers getroffen werden, beruhen diese auf den Angaben des Beschwerdeführers (EB, AS 15; EV, S 3). Der Beschwerdeführer legte kein Identitätsdokument vor. Diese Feststellungen gelten somit ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zur Herkunft, zu den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers, Familienstand, zu seiner (Schul-)Bildung und Arbeitserfahrung sowie zum Aufenthaltsort und den Lebensumständen seiner Familienangehörigen stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren vor dem Bundesamt, auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Punjabi sowie auf die Kenntnis der geografischen Gegebenheiten Indiens (EB, AS 15 ff; EV, S 4 ff).
Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit beruhen auf seinen Angaben im Verfahren (vgl. EV, S 3) und insbesondere auf dem Umstand, dass keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, aus denen körperliche Beeinträchtigungen, regelmäßige medizinische Behandlungen oder eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit abzuleiten wären. Der Beschwerdeführer gab vor dem Bundesamt zwar einerseits an, einen Hautausschlag zu haben, aber noch nicht beim Arzt gewesen zu sein, weil er die Sprache nicht könne. Andererseits bejahte er die Frage, ob er Medikamente nehme, und gab an: „Es juckt und diese Tablette mindert den Juckreiz“. Eine akute oder lebensbedrohliche Krankheit ist darin jedenfalls nicht zu erblicken, auch hätte der Beschwerdeführer eine solche wohl anders dargestellt.
Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers steht aufgrund der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich fest (OZ 2).
Die Feststellungen zur Ausreise des Beschwerdeführers aus Indien und zur unrechtmäßigen Einreise in das österreichische Bundesgebiet stützen sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich der unrechtmäßigen Einreise in Österreich auf die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Umgehung der die Einreise regelnden Vorschriften ohne die erforderlichen Dokumente einreiste (EB, AS 19 f; EV, S 6). Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus der Erstbefragung (AS 16).
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen in Österreich oder Europa hat, beruht auf seinen Angaben im Verfahren (EB, AS 17; EV, S 7). Der Beschwerdeführer gab vor dem Bundesamt an, in Österreich als Zeitungszusteller zu arbeiten. Dass diese Erwerbstätigkeit illegal ausgeübt wird, ergibt sich aus der Einsichtnahme in die Datenbank des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger (OZ 2, Auszug vom 02.10.2024), wo zum Beschwerdeführer weder ein Dienstgeber aufscheint, noch dass er Sozialversicherungsbeiträge entrichten würde oder sozialversichert sei, abgesehen vom Zeitraum seines Grundversorgungsbezugs vom 27.04.2023 bis zum 03.05.2023. Vor dem Bundesamt gab er weiter an, in Österreich kein Familienleben bzw. keine familienähnliche Beziehung zu führen, in Österreich keine Kurse (zB Deutschkurse) besucht zu haben und sich nicht in einem Verein oder einer Organisation engagiert zu haben (EV, S 7f). Aus seinem Vorbringen geht hervor, dass der Beschwerdeführer keine Schritte einer (maßgeblichen) Integration in Österreich gesetzt hat, weder in sprachlicher, wirtschaftlicher, noch in gesellschaftlicher Hinsicht.
2.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hatte vor seiner Einvernahme vor dem Bundesamt ausreichend Zeit und Gelegenheit, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel oder Belege vorzulegen. Der Beschwerdeführer wurde zur umfassenden und wahrheitsgemäßen Schilderung seiner Fluchtgründe aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.
Der Beschwerdeführer gab, befragt zu seinem Fluchtgrund bei der Erstbefragung, an, sein Vater und zwei seiner Onkel hätten einen Grundstücksstreit mit einer anderen Familie gehabt. Es sei einmal zu einer großen Auseinandersetzung gekommen, wo sie sich gegenseitig geschlagen hätten und der Beschwerdeführer verletzt worden sei. Ein Mann aus der anderen Familie sei von seinem Onkel erschossen worden. Deshalb seien seine Familie und er nun bedroht und er werde verfolgt, weil die andere Familie Rache üben wolle. Das seien alle Fluchtgründe des Beschwerdeführers und fürchte er im Falle einer Rückkehr, von dieser Familie erschossen zu werden (EB, AS 20).
Vor dem Bundesamt bejahte der Beschwerdeführer zunächst die Frage, ob er jemals wegen seiner Religions- bzw. Volksgruppenzugehörigkeit Probleme in Indien gehabt habe. Aufgefordert, konkrete Angaben zu seinen Problemen zu machen, gab er an: „Die Sikhs haben seit mehreren Jahren Probleme mit der Regierung“. Nach erneuter Aufforderung gab er schließlich an: „Ich habe wegen Grundstücksstreitigkeiten Probleme. Ansonsten habe ich keine.“ Zu seinen Eltern befragt, gab er u.a. an, ihnen gehe es gut, sie würden aber bedroht werden. Die Person XXXX bedrohe sie. Auf die Frage nach konkreten Angaben zu dieser Person und warum die Person seine Eltern bedrohe, gab der Beschwerdeführer nur an, dass es sich um einen Mann handle. Auf Wiederholung der Frage gab er an, dieser Mann wolle das Grundstück, das dem Onkel des Beschwerdeführers gehöre und auf dem sein Vater und zwei seiner Onkel arbeiten würden. Die Details werde er bei der Frage zum Fluchtgrund schildern (EV, S 4 ff).
Er verneinte die Fragen, ob er jemals in Haft gewesen, strafbare Handlungen gesetzt oder Probleme mit Polizei oder staatlichen Behörden wie zB Gerichten gehabt habe oder solche befürchte. Befragt, ob er Familienangehörige habe, die sich politisch betätigt hätten, ob er sich selbst politisch betätigt habe oder Mitglied einer Partei gewesen sei, gab er an: „Mein Vater hat Amritpal Singh bei seiner Bewegung unterstützt. Er [Anmerkung: Amritpal Singh] ist jetzt im Gefängnis.“ Auf mehrfache Nachfrage, wie konkret sein Vater Amritpal Singh unterstützt habe, gab er an, dieser habe ihn im Juni oder Juli 2023 bei Demos begleitet. Befragt nach Beweismitteln gab er an: „Derzeit kann ich nichts vorlegen. Mein Vater hat Beweise glaube ich“ (EV, S 6).
In der freien Erzählung, weshalb er die Heimat konkret verlassen habe, brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor: „Mein Onkel XXXX hate Grundstücksstreitigkeiten mit XXXX . Auf dem Grundstück hat mein Onkel gemeinsam mit seinen beiden Brüdern gearbeitet. XXXX wollte die Grundstücke von uns wegnehmen. Eines Tages sind sie zu unseren Grundstücken mit 9 Autos gekommen. Es waren mehrere Personen mit Waffen in den Autos. Wir waren 5-7 Personen auf dem Grundstück. Meine 2 Onkel, Vater, zwei Cousins und ich. Es gab eine Schießerei, wobei eine Person durch meinen Onkel XXXX ums Leben gekommen ist. Mein Onkel wurde verhaftet und sitzt im Gefängnis. XXXX möchte uns jetzt alle umbringen. Bei diesem Streit wurde auch mein Vater verletzt. Er hatte eine Schusswunde am Bein und musste ins Spital.“ Auf die Frage, ob er noch weitere Fluchtgründe habe, antwortete der Beschwerdeführer: „Ich habe jetzt alles gesagt.“ (EV, S 6).
Das Bundesamt führt in der Beweiswürdigung aus, dass der Beschwerdeführer (nur) eine private Verfolgung vorgebracht und zudem angegeben habe, dass die indische Polizei in seinem Fall tätig geworden sei, indem sie seinen Onkel verhaftet habe, weil dieser bei der Auseinandersetzung um das Grundstück eine Person erschossen habe. Es kann dem Bundesamt nicht entgegengetreten werden, wenn es weiter ausführt, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum sich der Beschwerdeführer nicht erneut an die indischen Behörden wenden könne, um Schutz zu erhalten, zumal diese seinen Angaben zufolge bereits einmal tätig geworden sei. Aus den Angaben des Beschwerdeführers ergibt sich, dass der indische Staat in seinem Fall schutzfähig wäre, wenn angenommen wird, dass die vorgebrachten Ereignisse tatsächlich so stattgefunden hätten.
Das Bundesamt führt (sinngemäß) auch zutreffend aus, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen unglaubhaft gesteigert habe, indem er in seiner Einvernahme nach der Schilderung der Ereignisse zunächst angab, alles zu seinem Fluchtvorbringen gesagt zu haben. Erst auf weitere Nachfrage gab er an, dass sich das vorgebrachte fluchtauslösende Ereignis – der Schusswechsel nach einem Grundstücksstreit – im Juni 2022 ereignet habe und sie (seine Familie) auch nach diesem Ereignis weiter „belästigt“ worden seien. Auf die Frage, wie sie belästigt worden seien, gab er an: „Wenn wir auf das Grundstück gehen, werden wir bedroht.“ Dazu aufgefordert, konkrete Angaben zu machen, gab er an, dass sein Onkel und sein Vater „verfolgt“ worden seien. Der Beschwerdeführer selbst sei bei dem Vorfall mit einer Sichel am Kopf verletzt worden. Die nicht glaubhafte Steigerung seines Fluchtvorbringens wird – so das Bundesamt – vor allem in seiner Antwort auf die Frage, warum er noch ein Jahr nach den Ereignissen in Indien geblieben und erst im Jahr 2023 ausgereist sei, deutlich. Der Beschwerdeführer gab dazu an, sich von Juli bis August 2022 in Delhi versteckt zu haben und auch dort verfolgt worden zu sein. Seine Angabe, es sei dort auf ihn geschossen worden, wurde vom Bundesamt zutreffend als reine Schutzbehauptung beurteilt.
Dem Bundesamt kann ebenso wenig entgegengetreten werden, wenn es ausführt, dass die Antwort des Beschwerdeführers auf den Vorhalt, seine Eltern und Schwestern würden nach wie vor in Indien leben können, nicht plausibel sei (Bescheid, S 53). Der Beschwerdeführer gab dazu an: „Sie wollen die Jugendlichen umbringen nicht die Älteren.“ Es ist nicht nachvollziehbar, wie der Vater des Beschwerdeführers, der in den Grundstücksstreit verwickelt sei, sowie die Schwestern des Beschwerdeführers weiterhin in Indien leben können, der Beschwerdeführer selbst jedoch nicht nach Indien zurückkehren könne. Auch mit seiner Angabe am Ende der Einvernahme, seine Eltern hätten ihm erzählt, dass er Morddrohungen bekomme, konnte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen nicht weiter konkretisieren.
In der nunmehr vorliegenden Beschwerde wird eingangs festgehalten, dass „der Beschwerdeführer Verfolgung aus politischen/religiösen Gründen bzw wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ als Fluchtgründe angegeben habe. Zudem wird ausgeführt, er sei „wegen konkreten Vorfällen, die er in der Einvernahme näher dargestellt hat, ungerechtfertigten, willkürlichen Vorwürfen gegen ihn seitens der indischen Behörden, und schwerwiegenden Verfolgungshandlungen ausgesetzt, wogegen er sich aufgrund der Korruption und Inkompetenz der indischen Polizei nicht wehren konnte“ (Beschwerde, S 2). Tatsächlich ist das Vorbringen in der Beschwerde zum Teil aktenwidrig. Der Beschwerdeführer verneinte vor dem Bundesamt – wie bereits ausgeführt – u.a. die Fragen, ob er jemals in Haft gewesen, strafbare Handlungen gesetzt oder Probleme mit Polizei oder staatlichen Behörden wie zB Gerichten gehabt habe oder solche befürchte. Er bejahte zwar die Frage, ob er je wegen seiner Religionszugehörigkeit Probleme in Indien gehabt habe. Er führte auf Nachfrage jedoch bloß allgemein aus, dass die Sikhs seit mehreren Jahren Probleme mit der Regierung hätten. Auf weitere Nachfrage gab er sogar an, dass er nur aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten Probleme habe (EV, S 4). Weiters brachte er vor dem Bundesamt vor, dass sein Vater Amritpal Singh bei seiner Bewegung unterstützt habe. Der Beschwerdeführer konnte diese Angabe jedoch auch auf mehrfache Nachfrage nicht konkretisieren oder Begleitumstände bzw. Details schildern. Er verneinte zudem die Frage, ob er selbst sich in Indien politisch engagiert habe. In seinem Vorbringen kann somit kein glaubwürdiger Kern erblickt werden.
In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, dass der Vorwurf, der Beschwerdeführer hätte keine Details zu seinen Fluchtgründen angegeben, nicht richtig sei. Es lautet weiter: „er machte genaue Zeit- und Ortsangaben, schilderte die Ereignisse chronologisch konsistent inklusive Erklärungen über sämtliche relevante Personen, sowie auch scheinbar nebensächliche Detailangaben“ (Beschwerde, S 4). Diese angeblichen Details werden jedoch weder geschildert noch wird dargelegt, um welche Ereignisse es sich handelt. Das Beschwerdevorbringen erweist sich als nicht schlüssig und allgemein gehalten und es gelingt nicht, der Beweiswürdigung des Bundesamtes mit konkretem Vorbringen entgegenzutreten. Auch amtswegig wurde nicht erkannt, dass das Bundesamt entscheidendes Vorbringen des Beschwerdeführers unberücksichtigt gelassen hätte.
Weitere unverständliche und aktenwidrige Behauptungen in der Beschwerde, die sich so nicht im Protokoll der Niederschrift finden, sind zB: „Etwa meint das Bundesamt, es würde eine zeitliche Diskrepanz darin bestehen, dass der Sänger vor der Flucht des Beschwerdeführers ermordet wurde, aber tatsächlich wäre eine Diskrepanz nur im umgekehrten Fall vorhanden, da der Beschwerdeführer erklärt hat, wegen der willkürlichen Verfolgung infolge des Mordes geflüchtet zu sein“ (Beschwerde, S 4).
Auch das Vorbringen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer über kein Auffangnetz in Indien verfüge, das ihm eine Rückkehr ermöglichen würde, ist nicht nachvollziehbar (vgl. Beschwerde, S 6: „Der Beschwerdeführer verfügt über kein Auffangnetz in seiner Heimat mehr, das ihm eine Rückkehr ermöglichen könnte; er ist aus ihrer Heimat entwurzelt und, im Falle einer Rückkehr wäre davon auszugehen, dass er in eine ausweglose Lage geraten und damit eine Verletzung der durch Art 2 bzw 3 EMRK geschützten Rechte vorliegen würde“). Der Beschwerdeführer gab sowohl in der Erstbefragung als auch in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt gleichbleibend an, dass seine Eltern und beide Schwestern nach wie vor in Indien leben.
Insofern sind die Beschwerdebehauptungen schlicht weg falsch, sie enthalten auch keine neuen Tatsachen oder Beweisangebote, die eine inhaltliche Auseinandersetzung damit erfordern würden. Sie erschöpfen sich in abstrakten Stehsätzen ohne Details. Die Beschwerde kann weder anhand des Erstbefragungsprotokolls (AS 15-21) noch anhand der Niederschrift der Einvernahme (EV, S 1-9) nachvollzogen werden; ein inhaltlicher Bezug zum bisherigen Vorbringen ist nicht erkennbar. Die Beschwerdebehauptungen weisen mangels konkreter zeitlicher, örtlicher oder ereignisbezogener Anknüpfungspunkte, worin die – zB bisher nicht vorgebrachte und angeblich behauptete – Verfolgung durch die Polizei aus politischen/religiösen Gründen bestehen soll, keine Relevanz auf.
Aus einer Gesamtschau der oben angeführten Angaben, ist dem Bundesamt daher darin zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer mit dem genannten Vorbringen eine Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Indien nicht glaubhaft gemacht hat. Es konnte weder eine konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonstige Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung im Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen lassen.
2.4. Zu den Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat möglich ist, ergibt sich aus der aktuellen Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes sowie seinen eigenen Angaben.
Es ist nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre, zumal der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt angab, dass es der Familie in Indien gut gehe und der Vater Landwirt sei (EV, S 4). Eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ist vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen und der notorischen Lage in Indien nicht angezeigt, dies wurde auch nicht substantiiert behauptet.
Der Beschwerdeführer wurde in Indien geboren und ist dort aufgewachsen. Er beherrscht Punjabi als Erstsprache in Wort und Schrift. Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter, arbeitsfähig und verfügt über Berufserfahrung. Ihm kann durchaus zugemutet werden, seinen Lebensunterhalt (wieder) durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, zB in der elterlichen Landwirtschaft, zu bestreiten, zumal das Fluchtvorbringen zum Grundstücksstreit – wie oben ausgeführt – nicht glaubhaft ist. Im Verfahren sind keine Anzeichen dafür hervorgekommen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers generell nicht gegeben wäre oder dass sich der Beschwerdeführer in einer schlechteren persönlichen Situation befinden würde als die übrige Bevölkerung, zumal sein Vater ein Unternehmen betreibt und der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt vor seiner Ausreise u.a. durch eine Beschäftigung im väterlichen Unternehmen sichern konnte.
Der Beschwerdeführer verfügt in Indien zudem über familiäre Anknüpfungspunkte zumindest durch seine Eltern und seine beiden Schwestern im Punjab. Er hat nach wie vor Kontakt zu seinen Eltern.
Das Vorbringen in der Beschwerde, es seien nicht alle entscheidungsrelevanten Ermittlungsschritte getätigt worden und der Beschwerdeführer könne sich in einer existenziellen Notlage befinden, war mangels eines konkreten Vorbringens nicht geeignet, die Aussagen des Beschwerdeführers zur Rückkehr in Zweifel zu ziehen. Insbesondere, weil in der Beschwerdeschrift auch nicht dargelegt wurde, welche Ermittlungsschritte konkret notwendig gewesen wären, um den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln.
2.5. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich:
Intensive sozialen Bindungen in Österreich machte der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift zwar unsubstantiiert geltend, doch wurde darin weder erklärt, wie er diese Kontakte knüpfte oder wer die entsprechenden Personen sind. Da dieses Vorbringen sehr abstrakt und ohne Bezug zum Beschwerdeführer selbst gehalten war (vgl. Beschwerde, S 7), konnte das Gericht diese Angaben nicht als glaubwürdig werten. Der Beschwerdeführer brachte weder vor, Mitglied in einer Organisation oder in einem Verein zu sein, noch sich sonst ehrenamtlich zu betätigen. Er geht auch keiner legalen Beschäftigung nach (EV, S 8) und ist dies auch aus dem eingeholten AJ-WEB-Auszug ersichtlich (OZ 2).
Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer um eine intensive Integration in die Gesellschaft in Österreich bemüht war bzw. ist. Der Beschwerdeführer gab zudem in der Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass er keine Familienangehörigen oder engere private Bindungen in Österreich habe, sodass die entsprechenden Feststellungen auf seinen Angaben beruhen und die entgegenstehenden Behauptungen in der Beschwerdeschrift als nicht glaubwürdig zu werten waren (EV, AS 47). Ebenso pauschal wurde in der Beschwerdeschrift vorgebracht, dass er die deutsche Sprache erlernt habe (Beschwerde, S 7), jedoch wurden dazu keine Bestätigungen vorgelegt und gab der Beschwerdeführer selbst an, nicht Deutsch zu können (EV, S 8). Dass keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden konnten, ergibt sich auch in Hinblick auf die relative kurze Aufenthaltsdauer seit April 2023. Maßgebliche Faktoren für ein Überwiegen eines Privat- oder Familienlebens in Österreich sind nicht hervorgekommen.
2.6. Zu den Feststellungen zur Situation in Indien
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation in Indien stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien in der Fassung vom 28.11.2023. Da dieser aktuelle Bericht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Der Beschwerdeführer ist den Berichten nicht substantiiert entgegengetreten und hat eine fallrelevante wesentliche Änderung nicht behauptet.
Das Bundesamt legte der Entscheidung die Länderinformation der Staatendokumentation von Mai 2023 zu Grunde. Die dieser Entscheidung zugrunde gelegte aktuelle Länderinformation der Staatendokumentation von November 2023 unterscheidet sich nicht wesentlich und entscheidungserheblich von der Vorgängerversion. Soweit auf die Rückkehrsituation Bezug genommen wird, ist darauf hinzuweisen, dass die aktuelle Arbeitslosenquote sinkt und mit rund 7,1 % prognostiziert ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig.
3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.2.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).
Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat kann die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Asylwerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009; 29.03.2023, Ra 2023/14/0067, jeweils mwN).
Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
Als Herkunftsort des Beschwerdeführers war das Dorf XXXX in XXXX im Bundesstaat Punjab, Indien, festzustellen, da der Beschwerdeführer dort geboren wurde und bis zu seiner Ausreise aus Indien dort lebte.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsort bzw. in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht glaubhaft ist.
Wie den Feststellungen und der Beweiswürdigung zu entnehmen ist, hat der Beschwerdeführer weder Verfolgung aufgrund seiner politischen Gesinnung, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit in seinem Herkunftsstaat konkret vorgebracht noch sind Hinweise für eine solche Verfolgung oder eine Bedrohung amtswegig hervorgekommen.
Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen, insbesondere nicht aus Gründen der Religion, Nationalität, politischer Einstellung, ethnischer Zugehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe.
Im gegenständlichen Fall fehlt es somit bereits an der, für die Asylgewährung erforderlichen Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention.
Entsprechend den oben getätigten Ausführungen droht dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Indien keine asylrelevante Verfolgung, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen war.
3.2.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt bei der Prüfung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden hg. Judikatur ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (stRSpr, jüngst VwGH 25.09.2023, Ra 2023/19/0297).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).
In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hinzuweisen, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. etwa VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, mit Verweis auf EGMR 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).
Der gesunde Beschwerdeführer ist ein arbeitsfähiger Mann, bei welchem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er verfügt über eine langjährige Schulbildung und Arbeitserfahrung in Indien und hat bis zu seiner Ausreise in Indien gelebt. Er beherrscht Punjabi in Wort und Schrift. In einer Gesamtbetrachtung der Situation des Beschwerdeführers, der auch Familienangehörige in Indien hat, kann daher davon ausgegangen werden, dass er im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird, wieder in der elterlichen Landwirtschaft zu arbeiten. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Grundversorgung der indischen Bevölkerung, wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, grundsätzlich gegeben ist.
Dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt.
Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist daher in der geforderten Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass dieser im Fall einer Rückkehr nach Indien in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Indien, in seine Herkunftsregion, möglich ist. Der Beschwerdeführer hat gegenüber der Behörde nicht detailliert und konkret dargelegt, dass exzeptionelle Umstände vorliegen, die ein reales Risiko einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten.
Aufgrund dieser Ausführungen war daher auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III.:
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch bezüglich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen: 1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, 2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder 3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit April 2023 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er war nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies auch weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.
3.2.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV.:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz [NAG], BGBl I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG 2014 zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist nämlich (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FrPolG 2005, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (stRSpr, jüngst VwGH 29.06.2023, Ra 2022/21/0139).
Vom Prüfumfang des Familienlebens sind nicht nur die Kernfamilie mit den Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten umfasst, es können auch andere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese eine gewissen Intensität erreichen, umfasst sein. Als Kriterien kommen hierfür etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093).
Da der Beschwerdeführer überhaupt keine Familienangehörigen in Österreich hat, stellt die Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers dar.
Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen:
Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. Gegen Lettland, Appl. 60.654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).
Der Verwaltungsgerichtshof geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378), und geht im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, „dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich beträgt zum Entscheidungszeitpunkt rund eineinhalb Jahre; ihr kommt im Lichte der obigen Ausführungen daher kein maßgebliches Gewicht zu.
Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, 2007/01/0479).
Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich weder ehrenamtlich engagiert noch war er Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Weitere ausgeprägte private und persönliche Interessen hat der Beschwerdeführer im Verfahren nicht substantiiert dargetan und auch keine Kenntnisse der deutschen Sprache belegt. Er übt auch keine erlaubte Erwerbstätigkeit aus und hat keine vertieften sozialen Kontakte geknüpft. Zum Beschwerdeführer liegen keine Anhaltspunkte für eine maßgebliche soziale, wirtschaftliche oder berufliche Integration in Österreich vor.
Die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit April 2023 ist als eher kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies müsste dem Beschwerdeführer auch bewusst sein.
Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über keine maßgeblichen familiären, beruflichen oder sozialen Bindungen, er hat keine wesentlichen oder gar überdurchschnittlichen Integrationsschritte gesetzt. Außerhalb des gegenständlichen Asylverfahrens kommt ihm im Bundesgebiet keine Aufenthaltsberechtigung zu. In einer Gesamtbetrachtung ist daher davon auszugehen, dass im Falle des Beschwerdeführers insbesondere aufgrund der eher kurzen Aufenthaltsdauer ein nur sehr geringer Grad an Integration erreicht worden ist. Die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Antrag auf internationalen Schutz gestützt hat, nur in sehr geringem Maße gegeben.
Dass der Fremde strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (VwGH 13.10.2011, 2009/22/0273).
Für den Beschwerdeführer bedeutet dies, dass in familiärer Hinsicht seine bestehenden Beziehungen zu seinen Verwandten im Herkunftsstaat sowie sein fehlendes Familienleben in Österreich, hinsichtlich seines Privatlebens die recht kurze Aufenthaltsdauer in Österreich und keine maßgeblichen privaten Bindungen zu keinem Überwiegen der Interessen an einem Verbleib in Österreich gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, führen. Die Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.
3.2.5. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VI.:
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides. Dies, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, jene Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Derartige Gründe wurden im Verfahren nicht vorgebracht und es liegen keine Anhaltspunkte vor, die eine längere Frist erforderlich machen würden.
Da somit alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Abschiebung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, war auch die Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (in der Folge GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389 (2010/C 83/02), entgegenstehen.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass zur Beurteilung, ob die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich sind: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (VwGH 09.08.2024, Ra 2023/19/0430).
Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt wurde vom Bundesamt in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren vollständig erhoben und weist nach wie vor die gebotene Aktualität auf. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das den Feststellungen des Bundesamtes substantiiert entgegentritt und das mit dem Beschwerdeführer hätte mündlich erörtert werden müssen. Hinweise, dass der Sachverhalt nicht aktuell wäre, sind der Beschwerde nicht zu entnehmen. Die Ausführungen in der Beschwerde sind nicht geeignet, erheblich erscheinende neue Tatsachen oder Beweise darzustellen und eine Verhandlungspflicht auszulösen. Das Beschwerdevorbringen ist, wie beweiswürdigend ausgeführt wurde, in seiner Gesamtheit allgemein und unsubstantiiert gehalten. Das Bundesverwaltungsgericht folgt in seiner Entscheidung den tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung. Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde somit zweifelsfrei geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entgegen dem Parteienantrag eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen der Höchstgerichte.