JudikaturVwGH

Ra 2023/12/0066 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und die Hofrätinnen Mag. Zehetner, Dr. Holzinger und Mag. Dr. Pieler als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision der C S in R, vertreten durch die Peissl Partner Rechtsanwälte OG in 8580 Köflach, Judenburgerstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2023, W255 22675351/3E, betreffend Versorgungsbezug gemäß § 19 Abs. 1 PG 1965 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit am 27. August 2021 bei der belangten Behörde eingegangenem Antrag begehrte die Revisionswerberin die Zuerkennung eines Versorgungsbezuges als geschiedene Witwe nach dem am 10. August 2021 verstorbenen Gruppeninspektor GS (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof).

2Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. November 2022 wurde festgestellt, dass der Revisionswerberin gemäß § 19 Abs. 1, 2 und 4 Z 1 iVm § 14 Pensionsgesetz 1965 (PG 1965) vom 1. September 2021 an ein Versorgungsbezug von monatlich brutto € 575, gebühre.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Das Bundesverwaltungsgericht stellte dazu wie folgt fest:

„2.1.1. Die Beschwerdeführerin (BF) wurde am 17.12.1970 geboren. Sie hat am 21.08.1993 ... Herrn Gruppeninspektor GS, geb. 08.03.1971, geheiratet. Die Ehe wurde während des Dienststandes des Gruppeninspektors GS geschlossen.

2.1.2. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Voitsberg vom 01.09.2014, GZ: ..., wurde die zwischen der BF und GS am 21.08.1993 geschlossene Ehe einvernehmlich geschieden. Dieses Urteil erwuchs mit 18.09.2014 in Rechtskraft.

2.1.3. Am 01.09.2014 verpflichtete sich GS vor dem Bezirksgericht Voitsberg in dem zur GZ: ... geschlossenen Vergleich mit der BF, der BF nach den Grundsätzen des § 69 Abs. 2 EheG und § 94 ABGB Unterhalt in Höhe von monatlich EUR 575,00 zu zahlen. Die Umstandsklausel wurde nicht ausgeschlossen. Das monatliche, durchschnittliche Nettoeinkommen von GS betrug damals EUR 3.040,00.

2.1.4. Am 24.11.2020 brachte die BF eine Klage beim Bezirksgericht Voitsberg ein, mit der sie einen zusätzlichen nachehelichen Unterhalt ab Dezember 2017 in Höhe von monatlich EUR 215,00 begehrte. Dies begründete sie mit einem gestiegenen Einkommen von GS.

2.1.5. Mit Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 28.07.2021, GZ: ..., wurde GS verpflichtet, der BF für den Zeitraum Dezember 2017 bis einschließlich November 2020 einen rückständigen Unterhalt von EUR 7.740,00 samt 4% Zinsen, dies entspricht einem monatlichen Betrag von EUR 215,00 (EUR 7.740,00 / 36 Monate) samt 4% Zinsen, zu bezahlen und zwar zusätzlich zu dem im Scheidungsvergleich vom 01.09.2014 vereinbarten Unterhaltsbetrag (Spruchpunkt 1.). Das Unterhaltserhöhungsbegehren für den Zeitraum ab Dezember 2020 (im Ausmaß eines zusätzlichen Unterhalts von monatlich EUR 215,00) wurde abgewiesen (Spruchpunkt 2.). Gegen Spruchpunkt 2. dieses Urteils erhob die BF fristgerecht Berufung.

2.1.6. Herr Gruppeninspektor GS ist am 10.08.2021, während der laufenden Rechtsmittelfrist bezüglich des unter Punkt 2.1.5. genannten Urteils, verstorben.

2.1.7. Mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 07.12.2021, GZ: ..., wurde der Berufung gegen das unter Punkt 2.1.5. genannte Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 28.07.2021, GZ: ..., Folge gegeben und in seinem Spruchpunkt 2. (Zeitraum ab Dezember 2020) aufgehoben sowie zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. In seinem Spruchpunkt 1. (Unterhaltszeitraum vom Dezember 2017 bis einschließlich 2020) blieb das Urteil da unangefochten und in Rechtskraft erwachsen unberührt.

2.1.8. Mit Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 21.09.2022, GZ: ..., wurde die Verlassenschaft nach GS schuldig gesprochen, der BF für den Zeitraum Dezember 2020 bis einschließlich August 2021 zusätzlich zu dem im Scheidungsvergleich vom 01.09.2014 enthaltenen Betrag (iHv monatlich EUR 575,00) einen Unterhalt von monatlich EUR 118,00 samt 4% Zinsen zu bezahlen (Spruchpunkt 1.). Das weitere Klagebegehren, der BF für den Zeitraum Dezember 2020 bis einschließlich August 2021 einen zusätzlichen Unterhalt von monatlich EUR 97,00 zu bezahlen, wurde abgewiesen (Spruchpunkt 2.). Dieses Urteil erwuchs mit 03.11.2022 in Rechtskraft.

2.1.9. Die BF hat am 27.08.2021 bei der BVAEB einen Antrag auf Witwenversorgungsbezug gestellt.

2.1.10. Mit Bescheid der BVAEB vom 30.11.2022, Zl. ..., wurde festgestellt, dass der BF als frühere Ehegattin ihres am 10.08.2021 verstorbenen, früheren Ehegatten gemäß § 19 Abs. 1, 2 und 4 Z 1 iVm. § 14 PG vom 01.09.2021 an ein Versorgungsbezug von monatlich brutto EUR 575,00 gebührt.

2.1.11. Gegen den unter Punkt 2.1.10. genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde der BF.“

5 Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, der Sachverhalt sei in den entscheidungsrelevanten Bereichen unstrittig; es sei ausschließlich die Rechtsfrage zu beurteilen, wonach sich die Höhe des der Revisionswerberin zustehenden Versorgungsbezuges bemesse.

6Unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hielt das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen fest, die Höhe des nach § 19 Abs. 1 PG 1965 der überlebenden Ehefrau zustehenden Versorgungsbezuges knüpfe an die im Zeitpunkt des Todes des Beamten in bestimmter schriftlicher Weise geregelte Unterhaltsverpflichtung an. Für die Höhe des Versorgungsbezuges sei allein die Festsetzung auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung der Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung maßgeblich. Der Bemessung sei nicht ein abstrakter, sich aus dem Gesetz ergebender Anspruch zugrunde zu legen; maßgebend sei allein der Anspruch, wie er auf Grund eines der in § 19 Abs. 1 PG 1965 angeführten Verpflichtungsgründe (hier: gerichtliches Urteil bzw Vergleich) gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag konkret bestanden habe. Ein auf Grund einer nachträglichen Klage gegen die Erben ergangener Unterhaltstitel bewirke eben gerade nicht, dass der verstorbene Beamte zur Zeit seines Todes auf Grund eines urteilsmäßigen Titels für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte (Hinweis auf VwGH 22.2.2011, 2010/12/0027).

7Der frühere Ehemann der Revisionswerberin sei zum Zeitpunkt seines Sterbetages am 10. August 2021 aufgrund des am 1. September 2014 vor dem Bezirksgericht Voitsberg geschlossenen Vergleiches verpflichtet gewesen, ihr nach den Grundsätzen des § 69 Abs. 2 Ehegesetz und § 94 ABGB Unterhalt in Höhe von monatlich € 575, zu zahlen.

8 Die Revisionswerberin habe zwar mit ihrer Klage vom 24. November 2020, daher vor dem Tod ihres früheren Ehemannes, die Erhöhung des Unterhaltsbeitrages begehrt. Über dieses Begehren sei zum Zeitpunkt des Sterbetages des früheren Ehemannes der Revisionswerberin nach erstinstanzlicher Abweisung des auf den Zeitraum ab Dezember 2020 entfallenden Teils nicht rechtskräftig entschieden gewesen; es sei mit Berufung angefochten worden.

9 Erst mit Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 21. September 2022, somit mehr als ein Jahr nach dem Sterbetag des früheren Ehemannes der Revisionswerberin, sei die Verlassenschaft nach ihrem früheren Ehemann schuldig gesprochen worden, der Revisionswerberin für den Zeitraum Dezember 2020 bis einschließlich August 2021 zusätzlich zu dem im Scheidungsvergleich vom 1. September 2014 enthaltenen Betrag (iHv monatlich € 575, ) einen Unterhalt von monatlich € 118, samt 4% Zinsen zu bezahlen. Dieses Urteil sei mit 3. November 2022 in Rechtskraft erwachsen.

10Da nach der Rechtsprechung auf das gerichtliche Urteil oder den geschlossenen Vergleich zum Zeitpunkt des Sterbetages abzustellen sei, habe die belangte Behörde im bekämpften Bescheid zu Recht ausgesprochen, dass der Revisionswerberin als früherer Ehefrau ihres am 10. August 2021 verstorbenen früheren Ehemannes gemäß § 19 Abs. 1, 2 und 4 Z 1 iVm § 14 PG 1965 vom 1. September 2021 an ein Versorgungsbezug von monatlich brutto € 575, gebühre.

11 Soweit die Revisionswerberin vorgebracht habe, dass der ihr zustehende Unterhalt mit einem Betrag von € 790, (statt € 575, ) durch ein bereits im Zeitpunkt des Todes ihres früheren Ehemannes vorliegendes Urteils festgestellt worden wäre, sei dem Folgendes zu entgegnen:

12 Durch das Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 28. Juli 2021 sei der frühere Ehemann der Revisionswerberin verpflichtet worden, ihr für den Zeitraum Dezember 2017 bis einschließlich November 2020 einen rückständigen Unterhalt von € 7.740, samt 4% Zinsen, dies entspreche einem monatlichen Betrag von € 215, (€ 7.740, / 36 Monate) samt 4% Zinsen, zu bezahlen, und zwar zusätzlich zu dem im Scheidungsvergleich vom 1. September 2014 vereinbarten Unterhaltsbetrag (Spruchpunkt 1.), daher insgesamt monatlich € 790, . Das Unterhaltserhöhungsbegehren für den Zeitraum ab Dezember 2020 (im Ausmaß eines zusätzlichen Unterhalts von monatlich € 215, ) sei jedoch abgewiesen worden (Spruchpunkt 2.). Das zugesprochene Unterhaltserhöhungsbegehren sei somit zeitlich befristet gewesen.

13 Durch die damalige Abweisung des Unterhaltserhöhungsbegehrens ab Dezember 2020 sei gerade nicht festgestellt worden, dass der frühere Ehemann der Revisionswerberin dieser zum Zeitpunkt seines Sterbetages am 10. August 2021 einen höheren Unterhaltsbetrag als € 575, zu leisten gehabt habe. Zudem sei dieses Urteil zum Zeitpunkt des Sterbetages des früheren Ehemannes nicht rechtskräftig gewesen.

14 Erst mit Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 21. September 2022 sei die Verlassenschaft nach GS schließlich schuldig gesprochen worden, der Revisionswerberin für den Zeitraum Dezember 2020 bis einschließlich August 2021 zusätzlich zu dem im Scheidungsvergleich vom 1. September 2014 enthaltenen Betrag einen Unterhalt von monatlich € 118, samt 4% Zinsen zu bezahlen (Spruchpunkt 1.), somit insgesamt monatlich € 693, . Dieses Urteil sei mit 3. November 2022 in Rechtskraft erwachsen.

15 Würde man dem Beschwerdebegehren der Revisionswerberin folgen, wäre dieser ein höherer Versorgungsbezug (iHv monatlich € 790, ) zu zahlen, als ihr früherer Ehemann zum Zeitpunkt seines Sterbetages für den Sterbemonat August 2021 zu leisten gehabt habe (iHv monatlich € 575, ) und ein höherer Versorgungsbezug (iHv monatlich € 790, ), als der Nachlass des früheren Ehemannes rückwirkend auf Grund des nunmehr rechtskräftigen Urteils vom 21. September 2022 für den Sterbemonat August 2021 zu leisten gehabt habe (bzw der frühere Ehemann zu leisten gehabt hätte; iHv monatlich € 693, ).

16 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

17 Im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Die Revisionswerberin bringt zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision zusammengefasst vor, für die vorliegende Fallkonstellation liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. In der vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 2011, 2010/12/0027, sei auf eine der Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts diametral entgegenstehende Entscheidung verwiesen worden (nämlich auf VwGH 23.2.2000, 2000/12/0023), in der ausgesprochen worden sei, dass ein nach dem Tod des Beamten rechtskräftig werdendes Urteil zu einer nachträglichen Bescheidänderung führen könne. Diese Rechtsprechung habe das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht berücksichtigt.

19 Die Revision erweist sich aus diesem Grund als zulässig; sie ist auch berechtigt.

20§ 19 Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340 idF BGBl. I Nr. 210/2013, lautet wie folgt:

Versorgungsbezug des früheren Ehegatten

§ 19. (1) Die Bestimmungen über den Versorgungsanspruch des überlebenden Ehegatten und über das Ausmaß der Versorgung des überlebenden Ehegatten ausgenommen die Bestimmungen der §§ 21 Abs. 3 bis 6 und 24 gelten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß für den früheren Ehegatten des verstorbenen Beamten, wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte.

(1a) Abs. 1 ist auch dann anzuwenden, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und der verstorbene Beamte auf Grund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung seinem früheren Ehegatten

1. zumindest für die Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod oder,

2. falls der Tod des Beamten früher als vor Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe eingetreten ist, durchgehend vom Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft bis zu seinem Tod nachweislich regelmäßig Unterhaltszahlungen geleistet hat.

(2) Der Versorgungsgenuß gebührt dem früheren Ehegatten nur auf Antrag. Er fällt, wenn der Antrag binnen sechs Monaten nach dem Tod des Beamten gestellt wird, mit dem auf den Sterbetag folgenden Monatsersten an. In allen übrigen Fällen gebührt der Versorgungsgenuß von dem der Einbringung des Antrages folgenden Monatsersten an; wird der Antrag an einem Monatsersten gestellt, so gebührt der Versorgungsgenuß von diesem Tag an.

(3) Hat der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Beamten nur einen befristeten Anspruch auf Unterhaltsleistungen gehabt, so besteht der Versorgungsanspruch längstens bis zum Ablauf der Frist.

(4) Der Versorgungsbezug ausgenommen die Ergänzungszulage darf

1. die Unterhaltsleistung, auf die der frühere Ehegatte im Fall des Abs. 1 gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag Anspruch gehabt hat, oder

2. die durchschnittlichen monatlichen Unterhaltszahlungen, die der verstorbene Beamte im Fall des Abs. 1a regelmäßig längstens in den letzten drei Jahren vor seinem Tod geleistet hat, nicht übersteigen.

(4a) Abs. 4 gilt jedoch nicht, wenn

1. das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes, deutsches RGBl. 1938 I S 807, enthält,

2. die Ehe mindestens 15 Jahre gedauert und

3. der frühere Ehegatte im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat. Diese Voraussetzung entfällt, wenn

a) der frühere Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder

b) aus der geschiedenen Ehe ein Kind hervorgegangen oder durch diese Ehe ein Kind legitimiert worden ist oder die Ehegatten gemeinsam ein Wahl oder Stiefkind angenommen haben und das Kind am Sterbetag des Beamten dem Haushalt des früheren Ehegatten angehört und Anspruch auf Waisenversorgungsgenuß hat; das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit entfällt bei nachgeborenen Kindern.

...

(6) Eine Erhöhung der Unterhaltsleistungen im letzten Jahr vor dem Sterbetag des Beamten ist für die Bemessung eines Versorgungsgenusses nach Abs. 1 nur beachtlich, wenn sie entweder in einem rechtskräftigen Urteil ausgesprochen oder schriftlich vereinbart worden ist und wenn sie ihren Grund in einer Steigerung der Leistungsfähigkeit des Beamten oder in einer Steigerung der Bedürfnisse des früheren Ehegatten gehabt hat.

...“

21Schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 1 PG 1965 ist Voraussetzung für den Versorgungsgenuss des früheren Ehegatten, dass der verstorbene Beamte auf Grund bestimmter genannter Titel für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte (vgl VwGH 18.7.2023, Ra 2021/12/0070, mwN).

22Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 19 PG 1965 stellt der Versorgungsgenuss für die geschiedene Ehefrau eines verstorbenen Beamten einen Ausgleich dafür dar, dass die Ehefrau durch die rechtskräftige Scheidung die Anwartschaft auf den Witwenversorgungsgenuss verloren hat. Der Ausgleich wird in der Weise gewährt, dass bei einem Beamten der Dienstgeber in dessen Unterhaltspflicht gegenüber seiner geschiedenen früheren Ehefrau mit der Maßgabe „eintritt“, dass an die Stelle des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruches gegen den verstorbenen Beamten ein gegen den Dienstgeber gerichteter öffentlich rechtlicher Anspruch tritt. Der öffentlichrechtliche Dienstgeber wird aber damit nicht Rechtsnachfolger des verstorbenen Beamten und tritt auch nicht in dessen Rechtsstellung ein. Nach § 19 Abs. 1 PG 1965 wird vielmehr ein neuer, rechtlich selbstständiger öffentlich rechtlicher Anspruch der geschiedenen früheren Ehefrau begründet, dessen Höhe an die im Zeitpunkt des Todes des Beamten in bestimmter schriftlicher Weise um eine spekulative Ausnützung dieser Institution hintanzuhaltengeregelte Unterhaltsverpflichtung anknüpft. Es kommt für den Anspruch auf den Versorgungsgenuss der früheren Ehefrau nicht auf den Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil, die Unterhaltspflicht nach den Bestimmungen der §§ 66 ff Ehegesetz oder darauf an, ob der Beamte zur Zeit seines Todes seiner früheren Ehefrau tatsächlich Unterhalt leistete. Gesetzliche Voraussetzung für einen Anspruch auf Versorgungsgenuss der früheren Ehefrau ist nach § 19 Abs. 1 PG 1965 vielmehr, dass der Verpflichtungsgrund für die Unterhaltsleistung in einem gerichtlichen Leistungsurteil, in einem gerichtlichen Vergleich oder in einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarung besteht. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 4 Z 1 PG 1965 ist der Versorgungsbezug des früheren Ehegatten abgesehen von der Ergänzungszulagenach obenhin mit dem Unterhaltsanspruch begrenzt, den der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag gehabt hat (vgl VwGH 20.4.2023, Ra 2021/12/0065, mwN).

23 Im vorliegenden Fall war der frühere Ehemann der Revisionswerberin nach den unbestrittenen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund des am 1. September 2014 geschlossenen Scheidungsvergleichs verpflichtet, einen Unterhalt in der Höhe von monatlich € 575,zu bezahlen. Dieser Unterhaltsbeitrag war nach der Vereinbarung im Scheidungsvergleich nach den Grundsätzen des § 69 Abs. 2 EheG und § 94 ABGB zu leisten und in diesem Umfang allenfalls geänderten Situationen anzupassen.

24 Aufgrund des gestiegenen Einkommens ihres früheren Ehemannes brachte die Revisionswerberin am 24. November 2020 eine Klage auf Anpassung des nachehelichen Unterhalts ab Dezember 2017 ein. Letztlich wurde im zweiten Rechtsgang die Verlassenschaft nach dem früheren Ehemann der Revisionswerberin mit Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 21. September 2022 schuldig gesprochen, ihr für den Zeitraum Dezember 2020 bis einschließlich August 2021 zusätzlich zu dem im Scheidungsvergleich vom 1. September 2014 enthaltenen Betrag iHv monatlich € 575, einen Unterhalt von monatlich € 118, (insgesamt daher € 693, ) samt 4% Zinsen zu bezahlen.

25 Wenn wie im vorliegenden Revisionsfall im Scheidungsvergleich bereits vereinbart wurde, nach welchen Grundsätzen die Höhe des Unterhalts der früheren Ehefrau zu ermitteln ist und vom Zivilgericht die entsprechende am Sterbetag zustehende Höhe bereits ermittelt wurde, bevor die Pensionsbehörde (oder das Verwaltungsgericht) über den Witwenversorgungsbezug abgesprochen hat, ist die Pensionsbehörde (das Verwaltungsgericht) jedenfalls an die Entscheidung des Zivilgerichts gebunden.

26Das angefochtene Erkenntnis war aus den dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

27Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. Juli 2025