Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und Hofrätin Mag.a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Feiel als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revisionen des C L in T, vertreten durch Dr. Christian Puchner und Mag. Martin Streitmayer, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Franz Josef Straße 4, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 16. April 2020, 1. W221 2229291 1/2E (hg. protokolliert zu Ro 2020/12/0009) und 2. W244 2229293 1/2E (hg. protokolliert zu Ro 2020/12/0010), betreffend besondere Hilfeleistungen nach §§ 23a und 23b GehG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: jeweils Landespolizeidirektion Steiermark), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und wird bei der Landespolizeidirektion Steiermark, Polizeidiensthundeinspektion (PDHI) Leoben, im Exekutivdienst als eingeteilter Diensthundeführer verwendet.
2 Mit Antrag vom 18. Oktober 2019 begehrte der Revisionswerber die Gewährung einer besonderen Hilfeleistung für Verdienstentgang gemäß den §§ 23a und 23b Gehaltsgesetz 1956 (GehG). Er brachte vor, er sei am 9. Juli 2018 im Rahmen der Pflege und Haltung mit zwei ihm zugewiesenen Polizeidiensthunden auf einem Fußweg unterwegs gewesen. Einer der Diensthunde habe während dieses Spazierganges eine Katze aufgestöbert. Der Revisionswerber habe reflexartig die Flexi Leine blockiert, der Hund habe ihm die Leine mit einem massiven Ruck aus der rechten Hand gerissen und ihn zu Sturz gebracht. Er habe Verletzungen erlitten. Der Vorfall sei von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) mit Bescheid vom 17. Mai 2019 als Dienstunfall anerkannt und ihm eine vorläufige Versehrtenrente zuerkannt worden.
3 Mit Bescheid der Dienstbehörde (Landespolizeidirektion Steiermark) vom 23. Jänner 2020 wurde dieser Antrag gemäß § 23b Abs. 4 GehG abgewiesen.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde.
5 Mit weiterem Antrag vom 29. November 2019 beantragte der Revisionswerber wiederum die Gewährung einer besonderen Hilfeleistung für Verdienstentgang gemäß §§ 23a und 23b GehG. Er führte aus, er sei am 15. August 2019 im Rahmen der Pflege und Haltung mit einem ihm zugewiesenen, angeleinten Polizeidiensthund in Vordernberg auf dem „Knappensteig“ unterwegs gewesen. Es sei eine Gämse aufgetaucht und der Hund habe massiv an der Leine gerissen, sodass er überknöchelt sei und sein rechtes Fußgelenk verletzt habe.
6 Der Vorfall sei von der BVA mittels Bescheid vom 22. August 2019 als Dienstunfall anerkannt worden.
7 Mit Bescheid ebenfalls vom 23. Jänner 2020 wies die Dienstbehörde diesen Antrag ab.
8 Der Revisionswerber erhob dagegen Beschwerde.
9 Mit Erkenntnissen jeweils vom 16. April 2020 (das zur hg. Zl. Ro 2020/12/0009 protokollierte betreffend den Vorfall vom 9. Juli 2018, das zur hg. Zl. Ro 2020/12/0010 protokollierte betreffend den späteren Vorfall vom 15. August 2019) wies das Bundesverwaltungsgericht die beiden Beschwerden als unbegründet ab und sprach aus, die Revisionen seien gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig.
10 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei der belangten Behörde zuzustimmen, dass die Änderung der gesetzlichen Grundlagen mit der Dienstrechts Novelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018, keinesfalls zur Auslegung führten, dass nunmehr alle Unfälle, die sich während der Dienstzeit ereigneten, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der besonderen Hilfeleistung nach den §§ 23a und 23b GehG erfüllten. Vielmehr gehe aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Erläuternden Bemerkungen zur Dienstrechts Novelle 2018 klar hervor, dass es für die Zuerkennung einer besonderen Hilfeleistung nach diesen Bestimmungen (weiterhin) einer Fremdeinwirkung bedürfe (Hinweis auf RV 196 BlgNR XXVI. GP, 9f).
11 Voraussetzung einer besonderen Hilfeleistung nach den §§ 23a und 23b GehG sei daher, dass der Schaden dem Beamten durch eine andere Person zugefügt worden sei. Eigenverschulden des Beamten bzw. ein Schaden ohne das Zutun einer anderen Person schlössen folglich von vornherein einen Anspruch auf Hilfeleistung nach diesen Gesetzesbestimmungen aus.
12 Der Revisionswerber habe in Ausübung unmittelbarer Dienstpflichten einen Dienstunfall erlitten, jedoch liege keine Fremdeinwirkung vor, weil ein Diensthund einer natürlichen Person nicht gleichgestellt werden könne. Es seien daher die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer besonderen Hilfeleistung nach den §§ 23a und 23b GehG nicht erfüllt.
13 In der Zulassungsbegründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur mit der Dienstrechts Novelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018, erfolgten gesetzlichen Neugestaltung der besonderen Hilfeleistung gemäß §§ 23a ff GehG fehle.
14 Die belangte Behörde erstattete jeweils keine Revisionsbeantwortung.
15 Gegen diese beiden Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts richten sich die vorliegenden Revisionen. In deren Zulässigkeitsbegründungen wird übereinstimmend ausgeführt, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob es einer Fremdeinwirkung bedürfe, um die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der besonderen Hilfeleistung nach den §§ 23a und 23b GehG zu erfüllen. Zudem gebe es keine Rechtsprechung hierüber, ob die durch einen Diensthund verursachte Verletzung eines Diensthundeführers als Fremdeinwirkung im Sinne der §§ 23a und 23b GehG gesehen werden müsse.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist die Revision gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 21.4.2017, Ro 2016/11/0004, mwN).
18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergangen wäre (VwGH 20.12.2017, Ra 2017/12/0124, mwN).
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 27. April 2020, Ro 2019/12/0004 (Rn 29ff), bereits ausgesprochen, dass (auch) die §§ 23a und 23b GehG nach ihrem eindeutigen und klaren Wortlaut Fremdverschulden als Voraussetzung für eine Hilfeleistung durch vorläufige Übernahme von Ansprüchen vorsehen. Dies ergibt sich zunächst schon daraus, dass die Hilfe durch Übernahme von Ansprüchen geleistet wird, was voraussetzt, dass derartige Ansprüche bestehen bzw. überhaupt denkbar sind. Voraussetzung für die Leistung eines Vorschusses ist gemäß § 23b GehG, abgesehen von den weiteren Voraussetzungen, dass sich der Beamte im Zusammenhang mit einem Dienst oder Arbeitsunfall im Sinne des § 23a Abs. 1 GehG an einem Strafverfahren beteiligt, das nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten oder der Hinterbliebenen gegen den Täter abgeschlossen wird (Z 1 leg. cit) oder solche Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten im Zivilrechtsweg nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche rechtskräftig zugesprochen werden (Z 2 leg. cit). Ist eine gerichtliche Entscheidung über Ersatzansprüche unzulässig (unbekannter Täter) oder kann sie nicht erfolgen (abwesender oder flüchtiger Täter), ist gemäß § 23b Abs. 4 GehG jedenfalls die Leistung eines Vorschusses vorgesehen. Die Hilfeleistung wird also auch dann gewährt, wenn ein Anspruch aus bestimmten Gründen nicht realisierbar ist. Es finden sich aber keinerlei Anhaltspunkte in den genannten gesetzlichen Bestimmungen dafür, dass eine Hilfeleistung auch dann erfolgen sollte, wenn ein Anspruch der Beamtin oder des Beamten von vornherein ausgeschlossen ist, weil ein Fremdverschulden nicht vorlag. Die Ansprüche der Beamtin oder des Beamten gegen die Täterin oder den Täter gehen, soweit sie vom Bund bezahlt werden, durch Legalzession auf den Bund über (§ 23b Abs. 6 GehG). Gemäß § 23b Abs. 2 ist ein Vorschuss auch betreffend jenes Einkommen, das die Beamtin oder dem Beamten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsentschädigung entgangen ist oder künftig entgeht, zu leisten (vgl. auch VwGH 3.7.2020, Ro 2020/12/0005).
20 Die Fremdeinwirkung durch einen Hund ist nicht ausreichend, um einen Anspruch nach den §§ 23a und23b GehG auszulösen, weil allein deshalb ein Anspruch gegen eine andere Person nicht besteht. Weil ein Fremdverschulden einer Täterin oder eines Täters in den vorliegenden Revisionsfällen nicht vorliegt (nicht einmal behauptet wurde), ist das Bestehen eines Anspruchs des Revisionswerbers nach den §§ 23a und 23b GehG ausgeschlossen.
21 Da somit weder in der Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts noch in der Zulässigkeitsbegründung der Revision eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 aufgezeigt wurde, waren die vorliegendenfalls aufgrund ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beschlussfassung verbundenen Revisionen gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 14. Juni 2021