Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der R GmbH in G, vertreten durch die Niederhuber Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 10. März 2025, Zl. LVwG 414 16/2024 R6, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch), zu Recht erkannt:
Spruch
Das Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
11. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 28. Juni 2024, mit welchem der Revisionswerberin gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 und § 91 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) die Gewerbeberechtigungen betreffend „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und Handelsagent“ und „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer und Winterdienst)“ entzogen worden waren, als unbegründet abgewiesen. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.
2Zusammengefasst traf das Verwaltungsgericht die Feststellung, die Revisionswerberin sei Inhaberin der oben genannten Gewerbeberechtigungen. P.N. sei einer von zwei handelsrechtlichen Geschäftsführern der Revisionswerberin. Die belangte Behörde habe der Revisionswerberin schriftlich mitgeteilt, dass „zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes vom 08.04.2024“ betreffend P.N. insgesamt 25 im weiteren aufgezählte Verwaltungsübertretungen vorlägen und die Revisionswerberin von der belangten Behörde gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 aufgefordert worden sei, die betreffende Person binnen acht Wochen als handelsrechtlichen Geschäftsführer zu entfernen. Dieser Aufforderung sei nicht Folge geleistet worden.
3 Gemäß den Eintragungen im Verwaltungsstrafregister des P.N. vom 19. April 2024 sei „bei keiner der in den Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichtes vom 08.04.2024, Zl LVwG 414-20/2023-R15 ua, als schwerwiegender Verstoß beurteilten Verwaltungsübertretungen“ die Tilgung eingetreten. Festgehalten werde, dass „die oa Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes vom 08.04.2024, Zl LVwG-414-20/2023-15 ua, mit deren Zustellung in Rechtskraft erwachsen sind. Es ist daher keine Rechtswidrigkeit darin zu erkennen, dass die Behörde den angefochtenen Bescheid erlassen hat, obwohl der Verwaltungsgerichtshof inhaltlich noch nicht über die gegen diese Erkenntnisse erhobenen Revisionen entschieden hat“.
4Die festgestellten rechtskräftigen und noch nicht getilgten Verstöße des handelsrechtlichen Geschäftsführers der Revisionswerberin führten ohne Notwendigkeit einer Prognose zwingend dazu, dass die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 nicht mehr vorliege. Ob es sich bei den festgestellten Verwaltungsübertretungen um schwerwiegende Verstöße handle, sei danach zu beurteilen, ob sich unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzungen der Schluss ziehen lasse, der Gewerbeberechtigte sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Im vorliegenden Fall lägen mehrere schwerwiegende Verstöße gegen die im Zusammenhang mit den betreffenden Gewerben zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen vor.
Dabei bezieht sich die Begründung des Verwaltungsgerichts auf die festgestellten Verwaltungsübertretungen, die in erster Linie Übertretungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) und des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) betrafen.
5 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 3.1. In der Revision wird zur Begründung der Zulässigkeit unter anderem vorgebracht, es sei maßgeblich, dass die konkret übertretenen Rechtsvorschriften auch bei der Ausübung des gegenständlichen, von der Entziehung betroffenen Gewerbes zu beachten seien. Das Verwaltungsgericht habe es jedoch unterlassen darzulegen, inwiefern die als schwerwiegend qualifizierten Verstöße bei der Ausübung der fallbezogen betroffenen Gewerbeberechtigungen relevant seien.
7 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
83.2. Gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 GewO 1994 angeführten Entziehungsgründe oder der in § 85 Z 2 GewO 1994 angeführte Endigungsgrund sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen (vgl. VwGH 23.5.2014, Ro 2014/04/0009, Pkt. 4.2.).
9Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass es nicht entscheidend ist, dass der Gewerbeinhaber einen Teil der Tathandlungen bei der Ausübung anderer, von der Entziehung nicht betroffener Gewerbe begangen hat, sofern die dabei übertretenen Rechtsvorschriften auch bei der Ausübung des gegenständlichen, von der Entziehung betroffenen Gewerbes zu beachten sind (vgl. wiederum VwGH 23.5.2014, Ro 2014/04/0009, Pkt. 4.4., mwN).
10Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts auf dem Boden des § 29 VwGVG mit Blick auf § 17 VwGVG den Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach dieser Rechtsprechung bestehen die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung 1. in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, 2. in der Beweiswürdigung, 3. in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund. Bei der Anwendung der in Rede stehenden Rechtsvorschriften ist die besondere Stellung der Verwaltungsgerichte zu berücksichtigen. Angesichts ihrer sich aus Art. 130 BVG ergebenden Zuständigkeit werden die Verwaltungsgerichte ihrer Begründungspflicht nach § 29 VwGVG dann nicht gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie die rechtliche Beurteilung in den wesentlichen Punkten nicht aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (vgl. VwGH 24.2.2021, Ra 2020/03/0171, Rn. 17, mit Hinweis auf VwGH 16.6.2020, Ro 2020/03/0001, mwN).
11 Diesen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung wird das angefochtene Erkenntnis im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung, ob es sich bei den festgestellten Verwaltungsübertretungen um solche handelt, die eine Entziehung der konkret betroffenen Gewerbeberechtigungen rechtfertigen, nicht gerecht: Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall eine nicht unerhebliche Anzahl von Verwaltungsübertretungen festgestellt und diese in seiner rechtlichen Beurteilung pauschal dahingehend beurteilt, dass „im vorliegenden Fall [...] mehrere schwerwiegende Verstöße gegen die im Zusammenhang mit den betreffenden Gewerben zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen“ vorlägen. Der im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung erforderliche Zusammenhang der durch die im vorliegenden Fall festgestellten Verwaltungsübertretungen verletzten Schutzinteressen mit der Ausübung der hier betroffenen Gewerbeberechtigungen wird jedoch mit diesem bloß pauschalen Hinweis nicht fallbezogen begründet, weshalb dem angefochtenen Erkenntnis ein Begründungsmangel anhaftet.
123.4. Das angefochtene Erkenntnis ist daher schon aus diesem Grund mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
13Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. Juli 2025