5R190/24h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Richter Mag. Guggenbichler als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Böhm und die Richterin Mag. a Aigner in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geb. am **, ***, **, vertreten durch Dr. Maximilian Maier, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH, **, ****, **, vertreten durch die DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (EUR 5.000), über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 10.09.2024, C**, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 877,39 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung (darin EUR 146,23 USt) zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.
Text
Entscheidungsgründe
Der Kläger verwendete von Anfang 2019 bis Anfang 2022 ein von der Beklagten importiertes Beatmungsgerät der ** des US-Herstellers B* D* mit der Seriennummer *.
Der Kläger bemerkte Ende 2021 schwarze Ablagerungen in den Schläuchen des Geräts und in der Maske. Er spürte Anfang 2022 Atemprobleme beim Spazierengehen, wenn er 300 bis 400 Meter gegangen war. Zeitgleich sah er eine Folge der Sendung „*“, die das klagsgegenständliche Problem beinhaltete, das er zuvor nicht gekannt hatte. Seit der Kläger das Beatmungsgerät nicht mehr verwendet, fühlt er sich besser. Er ist stark verunsichert darüber, ob er durch die Verwendung des Gerätes nachhaltig geschädigt worden ist. Er konnte deswegen auch einige Wochen sehr schlecht schlafen.
Der Kläger begehrte mit Klage vom 6.4.2023 EUR 16.000 sA an Schmerzengeld sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen, auf die Verwendung des Beatmungsgeräts zurückzuführenden Schäden.
Dazu brachte er zusammengefasst vor, er habe das Gerät seit 27.07.2018 in Verwendung und durch dieses Gesundheitsschäden erlitten. In seine Lunge seien durch das Beatmungsgerät Schaumstoffpartikel und giftige Gase gepumpt worden. In seinem Lungengewebe hätten sich Feinstaubpartikel abgelagert und es dadurch geschädigt. Aufgrund der jahrelangen toxischen Emissionen habe seine Lungenleistung stetig abgenommen und sein Gesundheitszustand habe sich erheblich verschlechtert. Die Funktionsfähigkeit der Lunge sei eingeschränkt, eine künftige Krebserkrankung oder Asthma können nicht ausgeschlossen werden. Seit ca einem Jahr leide er an starkem Reizhusten mit Auswurf. Er habe eine Zwerchfellentzündung, seine Apnoe habe sich verschlechtert. Er leide auch unter der Angst, durch das fehlerhafte Beatmungsgerät dauerhaft erkrankt zu sein. Er habe über Jahre hinweg unter Tagesmüdigkeit gelitten, weil die Schadstoffbelastung durch das fehlerhafte Beatmungsgerät zu unruhigen Schlafphasen geführt habe. Deshalb und weil seine Lebenserwartung möglicherweise verkürzt sei, begehre er ein Schmerzengeld von EUR 16.000. Weil Beschwerden durch die Belastung mit PE-Schaumstoff in Zukunft nicht ausgeschlossen werden können und derzeit nicht festgestellt werden könne, ob die Ablagerungen im Lungengewebe und die damit im Zusammenhang stehenden Gesundheitsschäden reversibel seien, habe der Kläger ein Feststellungsinteresse. Es sei aus heutiger Sicht zu befürchten, dass er auch in Zukunft krankheitsbedingte Kosten haben werde.
Die Beklagte habe bereits seit 2010 Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der mangelhaft in Verkehr gebrachten und gesundheitsgefährdenden Beatmungsgeräte, jedoch über einen Zeitraum von beinahe 10 Jahren nichts dagegen unternommen, sondern in Österreich lediglich am 14.06.2021 eine Sicherheitsmitteilung für bestimmte betroffene Geräte herausgegeben.
Die Beklagtebestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wendete ein, die Herstellerin des Geräts habe im Juni 2021 eine freiwillige Rückrufmeldung in den USA sowie eine Sicherheitsmeldung außerhalb der USA veröffentlicht, weil es Hinweise gegeben habe, dass der in den Geräten verbaute PE-PUR-Schaum einerseits bestimmte Chemikalien freisetzen und andererseits sich nach längerer Verwendungszeit in Partikel zersetzen könnte, die in den Luftweg des Gerätes gelangen und vom Benutzer eingeatmet werden könnten. Man sei damals von einem Worst-case-Szenario ausgegangen, habe aber keine schlüssigen Daten gehabt, dass diese Vorgänge Krebs hervorrufen würden. Aktuellste Testergebnisse vom 16.5.2023 bestätigten die ursprüngliche Risikobewertung nicht. Von den Geräten gehe daher keine gesundheitliche Gefahr für die Patienten aus. Auch medizinische Fachkreise gingen nicht von einem Gesundheits- und Sicherheitsrisiko aus. Ein Produktfehler liege nicht vor. Aus der Sicherheitsmitteilung könne nicht geschlossen werden, dass sich eines der möglichen Vorkommnisse beim gegenständlichen Beatmungsgerät tatsächlich verwirklicht habe. Der vom Kläger zitierte Inspektionsbericht der E* sei noch nicht endgültig und werde vom Kläger aus dem Kontext gerissen wiedergegeben. Er betreffe auch nicht die Serie des klagsgegenständlichen Beatmungsgeräts. Den Benutzern von Beatmungsgeräten sei eine Sicherheitsmitteilung übermittelt worden, wonach sie sich mit ihrem Arzt beraten sollten, ob die entsprechende Therapie mit dem Gerät fortgesetzt werden solle. Der Kläger habe dies unterlassen und hätte auf ein Beatmungsgerät eines anderen Herstellers umsteigen können. Er habe daher gegen seine Schadenminderungspflicht nach § 1304 ABGB verstoßen und hätte die von ihm behaupteten Schäden verhindern können. Die Beklagte sei für die vorgebrachten Angstzustände nicht kausal. Sie bestritt auch, dass das Gerät toxische Schadstoffe abgegeben habe. Da kein Produktfehler vorliege, sei auch das Feststellungsbegehren nicht berechtigt.
Mit Urteil vom 19.02.2024, C**, wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufungdes Klägers zu 5 R 75/24x teilweise Folge, bestätigte das angefochtene Urteil hinsichtlich der Abweisung des Zahlungsbegehrens als Teilurteil, hob es im Übrigen, somit in Ansehung des Feststellungsbegehrens und der Kostenentscheidung, auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurück. Das Berufungsgericht begründete den aufhebenden Teil seiner Entscheidung zusammengefasst damit, dass der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts, dem Kläger fehle das für das Feststellungsbegehren erforderliche rechtliche Interesse, nicht zu folgen sei. Da nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt künftige Schäden des Klägers aus der Verwendung des Beatmungsgeräts nicht ausgeschlossen werden können, sei ein Feststellungsinteresse nicht von vornherein zu verneinen. Davon ausgehend seien Tatsachenfeststellungen erforderlich, die in rechtlicher Sicht die Beurteilung ermöglichen, ob das vom Kläger verwendete Produkt fehlerhaft im Sinne von §§ 1 und 5 PHG gewesen sei. Wäre dies zu bejahen, so wäre das vom Kläger erhobene Feststellungsbegehren ausgehend vom bislang festgestellten Sachverhalt erfolgreich.
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteilgab das Erstgericht dem Feststellungsbegehren statt. Es traf die auf den Seiten 3-6 des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen, auf die verwiesen wird, und folgerte rechtlich, ein Produkt sei gem § 5 Abs 1 PHG fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit biete, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt sei, besonders angesichts der Darbietung des Produkts, des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden könne und des Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden sei.
Im gegenständlichen Fall handle es sich um ein Medizinprodukt für vulnerable Personen, die lungenkrank seien. Daher sei die berechtigte Erwartung an das Beatmungsgerät, dass sich der Schaumstoff im Gerät nicht zerlege und chemische Stoffe emittiere, die gesundheitsschädlich sein können. Damit liege ein Produktfehler iSd PHG vor.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in Ansehung des Feststellungsbegehrens in klagsabweisendem Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Verfahrensrüge
1.1. Die Berufungswerberin macht als Verfahrensmangel geltend, dass das Erstgericht das angefochtene Urteil im zweiten Rechtsgang gefällt habe, ohne die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Dadurch sei ihr rechtliches Gehör verletzt worden.
Das Berufungsgericht hat das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Erstgerichts im Umfang der Entscheidung über das Feststellungsbegehren aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen. Es stand damit im − im zweiten Rechtsgang überprüfbaren − Ermessen des Erstgerichts, ob es eine Tagsatzung anberaumt oder sich mit der Neufassung des Urteils begnügt ( Obermaier in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 496 ZPO Rz 21). Da das Erstgericht die fehlenden Feststellungen auch ohne ergänzende Beweisaufnahme aufgrund der schon vorher aufgenommenen Beweise treffen konnte, liegt in der unterbliebenen Wiedereröffnung des Verfahrens kein Verfahrensmangel (vgl RIS Justiz RS0041953).
1.2.Die Berufungswerberin macht als weiteren Verfahrensmangel die unterbliebene Einholung eines umweltmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Feststellung, ob sich der im Gerät enthaltene Schaumstoff tatsächlich zersetzt habe oder nicht, geltend. Wie im Rahmen der Bearbeitung der Rechtsrüge darzulegen sein wird, ist eine solche Feststellung allerdings für die Beantwortung der entscheidungswesentlichen Rechtsfrage, ob ein Produktfehler im Sinne von § 5 PHG vorliegt, nicht erforderlich. Auch die unterbliebene Einholung eines Sachverständigengutachtens verwirklicht daher keinen Verfahrensmangel.
2. Tatsachenrüge:
2.1. Die Berufungswerberin bekämpft die Feststellung, dass der Kläger das Beatmungsgerät von Anfang 2019 bis Anfang 2022 verwendet habe. Stattdessen wird eine Negativfeststellung begehrt.
Der Kläger hat in seiner Vernehmung (Protokoll ON 11) ausgesagt, er habe ca. Anfang 2019 begonnen, das Gerät zu benutzen und damit im Jänner oder Februar 2022 aufgehört. Diese Aussage ist entgegen der Ansicht der Berufungswerberin geeignet, die getroffene Feststellung zu tragen. Die Berufungswerberin vermag weder gegenteilige Beweisergebnisse zu nennen, noch ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Angaben des Klägers zu erwecken.
2.2. Die Berufungswerberin bekämpft folgende Feststellung:
„Beim Beatmungsgerät des Klägers zersetzte sich der schalldämpfenden Schaumstoff aus Polyesterbasiertem Polyurethan (PE-PUR). Der Kläger bemerkte dies Ende 2021.“
Bei der weiters zitierten Textpassage auf Urteilsseite 7 handelt es sich entgegen der Ansicht der Berufungswerberin um keine „dislozierte Feststellung“, sondern um die die bekämpfte Feststellung begründende Beweiswürdigung.
Stattdessen wird die Feststellung begehrt:
„Der Kläger entdeckte Ende 2021 schwarze Ablagerungen in den Schläuchen und in der Maske. Er hat das auf die schlechte Reinigung zurückgeführt. Es kann nicht festgestellt werden, worum es sich bei den vom Kläger bemerkten Ablagerungen gehandelt hat. Es kann nicht festgestellt werden, ob es sich hierbei um zersetzte Teilchen des schalldämpfenden Schaumstoffes aus Polyesterbasiertem Polyurethan (PE-PUR) gehandelt hat. Es kann nicht festgestellt werden, ob sich der Schaumstoff zersetzt hat."
Die bekämpften Feststellungen sind, wie noch zu zeigen ist, für die rechtliche Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des gegenständlichen Produkts nicht entscheidend und werden daher vom Berufungsgericht nicht übernommen.
2.3. Die Berufungswerberin bekämpft folgende Feststellungen:
„Stoffe, die durch die Zersetzung des PU-Schaumstoffes freigesetzt werden, können Irritationen und Entzündungen der Schleimhäute bewirken, solange sie auf den Körper einwirken. Klingen nach Absetzen der Einwirkung die Symptome ab bzw bilden sie sich vollständig zurück, ist nicht davon auszugehen, dass diese wieder auftreten werden. Jegliche Entzündung, auch ein Schnupfen, erhöht das Risiko einer Krebsentstehung, allerdings nur sehr geringfügig. Wenn die Einwirkung eines schädlichen Stoffes weder eine akut- noch eine mittelfristige Schädigung herbeigeführt hat, ist eine später auftretende Schädigung nicht zu erwarten. Freilich kann nicht ausgeschlossen werden, dass Entzündungsvorgänge stattgefunden haben, die während der Einwirkung des Stoffes unbemerkt geblieben sind. Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Medizinprodukt für vulnerable Personen, die lungenkrank sind.“
Bei den von der Berufungswerberin weiters zitierten angeblichen dislozierten Feststellungen auf Urteilsseite 8 handelt es sich tatsächlich um die zugehörige Beweiswürdigung. Was im Einzelfall an Produktsicherheit erwartet werden darf, ist eine Rechtsfrage (RS0107605), weshalb es sich bei den diesbezüglichen Ausführungen des Erstgerichts auf Seite 8 des angefochtenen Urteils entgegen der Ansicht der Berufungswerberin ebenfalls um keine Tatsachenfeststellungen handelt.
Die Berufungswerberin begehrt im Übrigen die deckungsgleichen Ersatzfeststellungen, lediglich ergänzt um die negative Feststellung, wonach nicht festgestellt werden könne, dass sich der Schaumstoff des Geräts zerlegt habe oder gesundheitsschädliche chemische Stoffe emittiert worden seien. Sie bringt daher in Wahrheit keine gesetzmäßig ausgeführte Beweisrüge zur Darstellung, sondern macht einen sekundären Feststellungsmangel geltend. Wie im Rahmen der Bearbeitung der Rechtsrüge zu zeigen sein wird, bedarf es allerdings der begehrten Zusatzfeststellung für die rechtliche Beurteilung nicht, weil bereits unabhängig davon ein Produktfehler im Sinne von § 5 PHG vorliegt.
Das Berufungsgericht übernimmt daher - mit Ausnahme der Feststellungen zu 2.2. - auch die bekämpften Tatsachenfeststellungen und legt auch diese der rechtlichen Beurteilung zugrunde.
3. Rechtsrüge:
3.1.Nach ständiger Rechtsprechung ist das Interesse an der Feststellung der Haftung des Schädigers für künftige Schäden des Geschädigten im Sinne des § 228 ZPO nur dann zu verneinen, wenn weitere Schäden aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Ereignis mit Sicherheit ausgeschlossen werden können. Bleibt hingegen die Möglichkeit offen, dass ein schuldhaftes rechtswidriges Verhalten für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte, ist ein Feststellungsinteresse anzuerkennen (RIS-Justiz RS0038865; vgl auch RS0038920; RS0038971; RS0039018; 8 Ob 138/17b; 2 Ob 11/18h).
In ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird das Feststellungsinteresse iSd § 228 ZPO schon dann bejaht, wenn nur die Möglichkeit künftiger Schäden besteht (RIS-Justiz RS0038865, RS0038971, RS0038976, RS0039018). Am Feststellungsinteresse fehlt es demnach (nur) dann, wenn weitere Schäden aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Ereignis ausgeschlossen werden können (2 Ob 157/00b uva; zuletzt etwa 1 Ob 219/16m).Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof mehrfach verdeutlichend ausgesprochen, dass der Ausschluss „schlechthin und absolut“ zu sein hat (7 Ob 149/06x; 3 Ob 57/07i; 9 ObA 22/10s; 4 Ob 14/16m; vgl auch 2 Ob 58/07d: „gänzlich und mit Bestimmtheit“).
Da nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt künftige Schäden des Klägers aus der Verwendung des Beatmungsgeräts nicht ausgeschlossen werden können, ist sein Feststellungsinteresse im Fall des Vorliegens eines Produktfehlers zu bejahen.
3.2. Nach dem festgestellten Sachverhalt veröffentlichte die Herstellerin des Beatmungsgeräts im Juni 2021 die auf den Seiten 5 und 6 des angefochtenen Urteils wiedergegebene Sicherheitswarnung, wonach sich der im Gerät enthaltene PE-PUR-Schaum in Partikel zersetzen könne, die in den Luftweg des Geräts gelangen und vom Benutzer aufgenommen oder eingeatmet werden können. Weiters könne der Schaum bereits bei der ersten Inbetriebnahme und möglicherweise während der gesamten Nutzungsdauer bestimmte Chemikalien freisetzen. Dies könne zu schweren und lebensbedrohlichen Verletzungen und bleibenden Schäden führen.
3.3.Der OGH führte zu 4 Ob 109/24v (ErwGr I.2.3) erst jüngst bei einem in den wesentlichen Punkten deckungsgleichen Sachverhalt aus:
„Wenn in einem Beatmungsgerät, das über lange Zeit jede Nacht für viele Stunden verwendet werden soll, ein Material enthalten ist, das sich zersetzen und in die Lunge geraten und/oder Chemikalien freisetzen kann, wodurch jeweils Gesundheitsschädigungen eintreten können, genügt das Gerät nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen eines durchschnittlichen Anwenders (dies ungeachtet eines Verstoßes gegen besondere Sicherheitsvorschriften für Medizinprodukte).
Damit hat der Kläger bereits einen Produktfehler iSd § 5 PHG (im Zeitpunkt des Inverkehrbringens gemäß § 6 PHG) nachgewiesen. Für die Produkthaftung ist entscheidend, ob das Produkt ein nicht zu erwartendes Sicherheitsdefizit aufweist (vgl 6 Ob 162/05z). Ob sich der potentiell gefährliche PE-PUR-Schaumstoff im Gerät des Klägers tatsächlich während seiner Nutzung zersetzt hat und in dessen Lunge geraten ist, oder Chemikalien freigesetzt hat, ist entgegen der Ansicht der Beklagten für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit hier nicht entscheidend(s auch Posch/Terlitza in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar, § 1 PHG Rz 3 mwN).
Da somit ein Fehler iSd § 5 PHG vorliegt und nicht bloß eine Fehlergefahr, bedarf es insoweit auch keines Rückgriffs auf die vom Berufungsgericht und der Beklagten thematisierte Entscheidung C-503/13, C-504/13 – Bosten Scientific gegen F*. Dort hielt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) fest, dass ein Produkt, das zu einer Gruppe oder Produktionsserie von Produkten wie Herzschrittmachern und implantierbaren Cardioverten Defibrillatoren gehört, bei denen ein potenzieller Fehler festgestellt wurde, als fehlerhaft eingestuft werden kann, ohne dass der Fehler bei diesem Produkt festgestellt zu werden braucht.“
3.4.Diese Grundsätze haben auch im vorliegenden Fall Anwendung zu finden. Da auch in dem vom Kläger verwendeten Beatmungsgerät ein PE-PUR-Schaumstoff verbaut war, der sich zersetzen kann, entspricht dieses schon deshalb nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen eines durchschnittlichen Anwenders und der Kläger hat einen Produktfehler iSd § 5 PHG (im Zeitpunkt des Inverkehrbringens gemäß § 6 PHG) nachgewiesen. Die zu 3.2.ff der Berufungsschrift begehrten Zusatzfeststellungen sind daher für die rechtliche Beurteilung nicht wesentlich.
5. Der Berufung war somit nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Der Wert des Entscheidungsgegenstands und damit die Bemessungsgrundlage für die Verfahrenskosten betrug im zweiten Rechtsgang EUR 5.000.
Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.