JudikaturOLG Wien

7Ra86/24d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
30. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende und die Richter Mag. Nigl und Mag. Zechmeister sowie die fachkundigen Laienrichter DI Beate Ebersdorfer und Ministerialrätin Mag. Angela Weilguny in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat des Universitätsklinikums A* , **, vertreten durch bfp Brandstetter Feigl Pfleger Rechtsanwälte GmbH in Amstetten, wider die beklagte Partei Land Niederösterreich, Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 24.7.2024, ** 22,

Spruch

I.) gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 471 Z 5 und 473 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen .

II.) gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird im Übrigen nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.095,12 (darin EUR 182,52 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist Arbeitgeberin der im Universitätsklinikum A* beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Bei der klagenden Partei handelt es sich um den Angestelltenbetriebsrat der dort angestellten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Die klagende Parteierhebt mit ihrer Klage ein Feststellungsbegehren nach § 54 Abs 1 ASGG. Konkret begehrt sie folgende Feststellung:

„Zwischen den Parteien wird festgestellt, dass den bei der beklagten Partei angestellten Arbeitnehmern im Falle ihrer Erkrankung ein Recht zum Rücktritt von einer mit der beklagten Partei geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung zukommt, wenn der Zeitausgleich – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind – auch den Zweck hat, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen.“

Die klagende Partei brachte vor, es handle sich bei ihr um den Angestelltenbetriebsrat der bei der beklagten Partei angestellten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Seitens der parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft könne gemäß § 54 Abs 1 ASGG eine Feststellungsklage im Rahmen ihres Wirkungsbereichs gegen den jeweiligen Arbeitgeber geführt werden, woraus sich die Aktivlegitimation der klagenden Partei und die Passivlegitimation der beklagten Partei ergebe.

Inhaltlich brachte die klagende Partei vor, dass die beklagte Partei mit ihren Arbeitnehmern laufend Zeitausgleichsvereinbarungen treffe, um aufgelaufene Plusstunden auszugleichen. In weiterer Folge würden immer wieder Arbeitnehmer vor bzw. bei Antritt des Beginns der vereinbarten Zeitausgleichsphase bzw. oftmals auch während des Zeitausgleichs (also nach Beginn der vereinbarten Zeitausgleichsphase) erkranken. Zwischen den Streitteilen herrsche Uneinigkeit darüber, ob den erkrankten Arbeitnehmern aufgrund ihrer Erkrankung in diesem Fall ein Recht zum Rücktritt von der getroffenen Zeitausgleichsvereinbarung zukomme. Nach Ansicht der klagenden Partei sei ein solches Rücktrittsrecht, zumindest in jenen Fällen zu bejahen, in denen der vereinbarte Zeitausgleich auch den Zweck habe, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Dies liege insbesondere dann vor, wenn Arbeitnehmer entweder zuvor Plusstunden im Zusammenhang mit der Erbringung von Nachtarbeit erworben hätten oder Plusstunden, weil sie über die volle oder – bei Teilzeitbeschäftigten – vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus gearbeitet hätten. In diesen Fällen liege eine besondere Arbeitsbelastung der Arbeitnehmer vor, die auch eine entsprechende Erholung der Arbeitnehmer erfordere. Daher sei den Arbeitnehmern zumindest in diesen Fällen im Krankheitsfall ein Rücktrittsrecht von der getroffenen Zeitausgleichsvereinbarung zuzugestehen, zumal die Erkrankung es ihnen trotz Zeitausgleichsvereinbarung unmöglich mache, sich von der besonderen Arbeitsbelastung zu erholen. Die beklagte Partei weigere sich ein derartiges Rücktrittsrecht der Arbeitnehmer im Sinne der obigen Ausführungen anzuerkennen.

Die von der beklagten Partei eingewendete mangelnde Aktivlegitimation werde bestritten, da das von der klagenden Partei durch den Zentralbetriebsrat zu B* des Erstgerichts geführte Gerichtsverfahren (im Folgenden kurz als „Vorverfahren“ bezeichnet) völlig andere Rechtsfragen betroffen habe, als sie nunmehr gegenständlich seien. Dort sei nämlich der Zeitausgleichskonsum einseitig von der beklagten Partei vorgegeben gewesen und hätte automatisch als nicht konsumiert gelten sollen, während im gegenständlichen Fall der Zeitausgleichskonsum einvernehmlich festgelegt werde und der Mitarbeiter ein aktives Rücktrittsrecht haben solle.

Die beklagte Partei übersehe, dass eine Kompetenzübertragung nicht auf alle Ewigkeit erfolgt sei. Jedenfalls ende eine solche Kompetenzübertragung mit Ablauf der Tätigkeitsdauer des Betriebsrats. Seit der im Vorverfahren ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 27.02.2018 zu 9 ObA 10/18p habe selbstverständlich eine neue Wahl des Betriebsrats stattgefunden. Die zuletzt stattgefundene Betriebsratswahl sei im Zeitraum 26.04. bis 28.04.2022 von Statten gegangen.

Festzuhalten sei, dass die Arbeitnehmer Plusstunden im Interesse der beklagten Partei bzw. des Universitätsklinikums A* erarbeiten würden, weil diese zusätzlich entstandenen Arbeitsstunden notwendig seien, um den reibungslosen Betrieb aufrecht zu erhalten und den Kranken im Universitätsklinikum A* die erforderliche Versorgung zukommen zu lassen. Dabei gehe es um besonders schützenswerte Rechtsgüter, nämlich um Gesundheit bzw. Leib und Leben der im Krankenhaus zu versorgenden Menschen. Es liege daher auch im Interesse der beklagten Partei bzw. des Universitätsklinikums A*, wenn sich die Arbeitnehmer von dieser besonderen Arbeitsbelastung auch wieder erholen könnten, um ihren Dienst weiterhin in vollem Umfang und möglichst fehlerfrei erbringen zu können.

Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 9 ObA 62/18k eine grundlegende Klarstellung getroffen, nämlich, dass in Ausnahmefällen ein einseitiges Abgehen von einer Zeitausgleichsvereinbarung aus betrieblichen Gründen zulässig sein könne. Das könne auch nicht anders beurteilt werden, wenn ein Arbeitnehmer von einer Zeitausgleichsvereinbarung zurücktreten wolle. Ein Rücktrittsrecht sei jedenfalls zu bejahen, wenn der vereinbarte Zeitausgleich auch den Charakter habe, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen und dem aufgrund eines Krankenstands nicht entsprochen werden könne.

Die beklagte Parteibestritt das Klagsvorbringen und beantragte Klagsabweisung. Sie wandte zunächst mangelnde Aktivlegitimation der klagenden Partei ein und brachte vor, dass das Universitätsklinikum A* zu den NÖ Landeskliniken zähle, deren Rechtsträger die beklagte Partei sei. Für die Landeskliniken und Landespflegeheime NÖ sei der sogenannte Zentralbetriebsrat der NÖ Landeskliniken und Landespflegeheime eingerichtet. Dieser habe bereits im Juli 2016 Klage gegen die hier beklagte Partei vor dem Landesgericht St. Pölten erhoben und die Feststellung begehrt, dass die bei den Landeskliniken und Landespflegeheimen der beklagten Partei privatrechtlich beschäftigten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer, auf die das NÖ Landes-Bedienstetengesetz (NÖ LBG) oder das Landes-Vertragsbedienstetengesetz des Landes NÖ (NÖ LVBG) anzuwenden sei, ein vom Dienstgeber im Rahmen der Dienstplanerstellung einseitig festgelegter Zeitausgleich, der aus der Mehrarbeit oder Überstundenarbeit resultiere, im Falle der krankheits- oder unfallbedingten Arbeitsverhinderung zum Zeitpunkt der festgelegten Zeitausgleichskonsumation nicht als konsumiert zu gelten habe und in diesem Umfang vom Ausmaß des Zeitausgleichsguthabens nicht in Abzug gebracht werden dürfe. Weiters habe der Zentralbetriebsrat die Feststellung begehrt, dass bei den Landeskliniken und Landespflegeheimen der beklagten Partei privatrechtlich beschäftigten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer, auf die das NÖ LBG oder das NÖ LVBG anzuwenden sei, ein vom Dienstgeber im Rahmen der Dienstplanerstellung einseitig festgelegter Zeitausgleich, dessen Anspruch auf § 3 des Artikels V der Nachtschwerarbeitsgesetznovelle 1992 beruhe, im Falle der krankheits- oder unfallbedingten Arbeitsverhinderung zum Zeitpunkt der festgelegten Zeitausgleichskonsumation nicht als konsumiert zu gelten habe und in diesem Umfang vom Ausmaß des Zeitausgleichgutachtens nicht in Abzug gebracht werden dürfe. Da der Betriebsrat seine Kompetenzen gemäß § 114 ASVG an den Zentralbetriebsrat übertragen habe, sei dieser daher nicht zur Klagsführung legitimiert.

Die beiden zuvor genannten Feststellungsbegehren des Zentralbetriebsrats seien rechtskräftig erledigt. Die Feststellungsbegehren des Zentralbetriebsrats seien nahezu wortgleich, aber jedenfalls inhaltsgleich. Darüber hinaus sei das Klagebegehren unschlüssig und unkonkret und entspreche nicht einem Feststellungsbegehren im Sinne des § 54 ASGG. Die klagende Partei lege nicht dar, inwiefern die beklagte Partei gegen Bestimmungen des NÖ LBG oder des NÖ LVBG verstoße und daher ein gesetzwidriges Verhalten setze. Diesbezüglich bestehe ein Konkretisierungserfordernis. Die klagende Partei lege auch nicht dar, welche Arbeitnehmer dem NÖ LBG oder NÖ LVBG unterliegend, konkret vom Feststellungsbegehren umfasst seien. Der Oberste Gerichtshof habe, wie bereits in den zuvor angeführten Entscheidungen über das von der klagenden Partei begehrte Feststellungsinteresse, mehrfach entschieden und liege hierzu bereits eine einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Es mache daher auch keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer während eines vereinbarten oder eines – wie hier nach den landesgesetzlichen Vorschriften zulässiger Weise – einseitig von der beklagten Partei angeordneten Zeitausgleichs erkranke oder verunfalle. In beiden Fällen bestehe für den Arbeitnehmer während des Zeitausgleichs keine Arbeitspflicht. Dem Arbeitnehmer stehe kein Rücktrittsrecht von der zwischen dem jeweiligen Arbeitnehmer und der beklagten Partei getroffenen oder einseitig angeordneten Zeitausgleichsvereinbarung zu, da den Arbeitnehmer während der Inanspruchnahme des vereinbarten Zeitausgleichs keine Arbeitspflicht treffe. Mangels einer verpflichtenden Arbeitserbringung habe eine allenfalls eintretende Erkrankung während des Verbrauchs von Zeitausgleich keine Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis und stelle die Erkrankung keinen wichtigen Grund zum Rücktritt von der getroffenen Vereinbarung dar. Ein allenfalls eintretender Krankenstand unterbreche den vereinbarten Zeitausgleich für die geleisteten Überstunden nicht und werde das Zeitguthaben des Arbeitnehmers somit unabhängig von einer eintretenden Krankheit während des vereinbarten Zeitausgleichs (weiter) konsumiert.

Die Vereinbarung von Zeitausgleich habe zwar grundsätzlich Entgeltcharakter, führe aber letztlich nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit. Wenn der Arbeitnehmer an der Erbringung seiner Arbeitsleistung durch Krankheit gehindert sei, bestehe ein Entgeltfortzahlungsanspruch. Das bedeute, dass eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit oder Unfall nur in jenen Zeiten bestehen könne, in denen der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überhaupt verpflichtet sei. Die klagende Partei verkenne, dass keine Entgeltfortzahlungszeiträume verkürzt würden, wenn die beklagte Partei vereinbarte oder einseitig angeordnete Zeitausgleichsstunden im Krankheitsfall des Arbeitnehmers als konsumiert werte. Die gesetzliche Möglichkeit, dass Zeitguthaben erwirtschaftet und durch Zeitausgleich abgebaut werden könnten, führe letztlich nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit, ohne dass die Gewährung eines auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden Freizeitausgleichs ein zusätzliches Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft darstelle.

Eine gegenteilige Rechtsansicht führe zu einer Umgehung der zwingenden Entgeltbestimmungen nach dem NÖ LVBG bzw. dem NÖ LBG. Auch bei einem Nichtverbrauch von Zeitausgleichsstunden und auch von Freizeitguthaben aufgrund von Nachtschwerarbeit würde eine zusätzliche Entlohnung geschaffen werden, die gesetzlich nicht vorgesehen sei. Die von der klagenden Partei begehrte Nichtberücksichtigung widerspreche sohin den gesetzlichen Entlohnungsbestimmungen und wäre die beklagte Partei im Falle einer Klagsstattgebung zu einem gesetzwidrigen Vorgehen verhalten.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

„Bei der beklagten Partei werden Zeitausgleichsguthaben für Überstunden (wie auch für sonstige Mehrarbeit, Nachtdienste etc.) im Rahmen des Soll-Dienstplanes für das nachfolgende Monat festgelegt. Danach wird der Dienstplan ins „Ist“ gestellt und ist nahezu unveränderbar für die Mitarbeiter. Die vorhandenen Mehrstunden können nur nach den gegebenen Möglichkeiten abgebaut werden.

Bei der beklagten Partei gibt es schon seit vielen Jahren, auch schon im Jahr 2016, die Zeitplanung und Zeiterfassung mit dem System „**“, welches auch derzeit verwendet wird. Im Jahr 2016 wurde die Kompetenz gemäß § 114 ArbVG an den Zentralbetriebsrat übertragen und hat der Zentralbetriebsrat im Rahmen dieser rechtlichen Möglichkeit zu hg. B* Klage geführt. Das dortige Klagebegehren beantragte, dass ein vom Dienstgeber im Rahmen der Dienstplangestaltung einseitig festgelegter Zeitausgleich, der aus Mehrarbeit oder Überstundenarbeit resultiert bzw. dessen Anspruch auf § 3 des Artikels 5 der Nachtschwerarbeitsnovelle 1992 beruht, im Falle der krankheits- oder unfallbedingten Arbeitsverhinderung zum Zeitpunkt der festgelegten Zeitausgleichskonsumation nicht als konsumiert zu gelten hat und in diesem Umfang vom Ausmaß des Zeitausgleichsguthabens nicht in Abzug gebracht werden dürfe.

Das gegenständliche Klagebegehren betrifft den vom Dienstgeber im Rahmen der Dienstplanerstellung im vorhinein festgelegten Zeitausgleich, der aus Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind – der auch den Zweck hat, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen, welcher im Fall einer Erkrankung zum Zeitpunkt des festgelegten Zeitausgleichskonsumation den Mitarbeiter zum Rücktritt von der Zeitausgleichsvereinbarung berechtigen soll.

Inhaltlich betreffen beide Verfahren die Erkrankung eines Mitarbeiters zum Zeitpunkt des im „Ist-Dienstplan“ festgelegten Zeitausgleichskonsums für Nachtarbeitsstunden oder Mehrarbeit. Der „Ist-Dienstplan“ eines im Turnusdienst arbeitenden Mitarbeiter legt im vorhinein anhand der zu leistenden Sollstunden fest, an welchen Tagen der Mitarbeiter für die beklagte Partei Arbeitsleistungen zu erbringen hat. Die nunmehr klagende Partei, die nicht ident ist mit der klagenden Partei im Verfahren hg. B*, verändert das Klagebegehren zu diesem Verfahren inhaltlich nur insofern, als im gegenständlichen Klagebegehren dem Dienstnehmer ein Recht auf Rücktritt von dem vereinbarten Zeitausgleich infolge von Nichtkonsumationsmöglichkeit des Zeitausgleiches wegen Erkrankung eingeräumt werden soll. Der Unterschied zwischen den beiden Klagebegehren liegt lediglich darin, dass im damaligen Begehren kein automatischer Abzug durch den Dienstgeber von Zeitausgleich erfolgen dürfe und dieser Zeitausgleich im Stundenguthaben des Dienstnehmers weiterhin aufscheinen müsse und im gegenständlichen Fall soll dem Dienstnehmer ein aktives Rücktrittsrecht eingeräumt werden, was ebenfalls zu einer nachträglichen Veränderung des Stundenguthabens und des „Ist-Dienstplanes“ führen soll.

In beiden Fällen aber ist der Dienstnehmer zu Zeiten, in denen im „Ist-Dienstplan“ Zeitausgleich festgelegt ist, egal ob einseitig angeordnet oder einvernehmlich festgelegt, nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Ist der Dienstnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet, kann bei Arbeitsverhinderung durch Krankheit auch kein Zeitausgleichsguthaben wieder entstehen.

Auch wenn es von 26.04. bis 28.04.2022 bei der beklagten Partei Betriebsratswahlen gegeben hat und ein neuer Betriebsrat gewählt wurde, ändert das nichts daran, dass im Jahr 2016 die Kompetenzen zur Klagseinbringung betreffend „nachträgliche Veränderung von Zeitausgleichsguthaben“ gemäß § 114 ArbVG an den Zentralbetriebsrat übertragen wurden und dieser im Rahmen der rechtlichen Möglichkeit zu hg. B* Klage geführt hat, die rechtskräftig entschieden wurde.

Inhaltlich handelt es sich um idente Klagebegehren, an die beide Parteien gebunden sind.“

Rechtlich begründete das Erstgericht seine Entscheidung wie folgt:

Liege ein rechtskräftiges Urteil vor, könne derselbe Anspruch zwischen denselben Parteien nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden (Einmaligkeitswirkung, ne bis in idem). Eine dennoch eingebrachte Klage wäre zurückzuweisen. Gegenständlich liege zwar keine Identität der Parteien vor, aber trotzdem binde das rechtskräftige Urteil zu hg B* die gegenständlichen Parteien, da im bereits rechtskräftig entschiedenen Verfahren eine Übertragung der Kompetenzen gemäß § 114 ArbVG vorgenommen worden sei.

Identität des Anspruchs liege vor, wenn das neue Begehren inhaltlich auf dieselbe Leistung, Feststellung oder Rechtsgestaltung gerichtet sei, die bereits Gegenstand des rechtskräftigen Vorerkenntnisses gewesen sei und die zur Begründung des Begehrens vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen dieselben seien, auf die sich auch die rechtskräftige Entscheidung gründe, sodass sie zwangsläufig dieselbe rechtliche Beurteilung zur Folge haben müssten.

Die Wirkung der materiellen Rechtskraft einer Entscheidung werde nach § 411 ZPO grundsätzlich durch den Urteilsspruch bestimmt. Sie erstrecke sich aber insoweit auch auf die Entscheidungsgründe, als sie zu dessen Individualisierung notwendig seien. Maßgeblich sei der vom Gericht herangezogene Sachverhalt und die aus dessen rechtlicher Qualifikation abgeleitete – im Spruch zum Ausdruck gebrachte – Rechtsfolge.

In beiden Verfahren sei zu beurteilen, ob die Dienstnehmer den Zeitausgleichsanspruch bei Krankheit weiter auf ihren Stundenlisten behalten dürften, also eine nachträgliche Änderung des Dienstplans erfolgen müsse. Im bereits rechtskräftig entschiedenen Fall automatisch und im gegenständlichen Fall durch Rücktritt, offenbar Erklärung durch den Dienstnehmer.

Der Einwand der entschiedenen Rechtssache sei von Seiten der beklagten Partei nicht erhoben worden, lediglich die aktive Klagslegitimation sei bestritten worden.

Inhaltlich sei auszuführen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit nur in Zeiten bestehen könne, in denen der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überhaupt verpflichtet sei. Nicht die Erkrankung des Arbeitnehmers im Zeitausgleichszeitraum bewirke den Entfall der Arbeitsleistung, sondern die mangelnde Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich hätten daher keinerlei Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Die Vorgangsweise der beklagten Partei entspreche auch den gesetzlichen Entlohnungsbestimmungen.

In der genannten Entscheidung habe der Oberste Gerichtshof auch für solche Ersatzruhezeiten für Nachtdienste dasselbe festgestellt wie für Erkrankungen. Dadurch komme es nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit. Es gelte jedenfalls der Grundsatz, dass eine Dienstverhinderung durch Krankheit nur in Zeiten bestehen könne, in denen der Dienstnehmer zur Dienstleistung verpflichtet sei. Dies sei aber auch während des Verbrauchs des Zeitguthabens nicht der Fall. Die Übertragung des geplanten Zeitausgleichs aus dem Soll-Dienstplan (als Angebot des Dienstgebers) in den Ist-Dienstplan (als Annahme des Dienstnehmers, wenn er sich dieser Anordnung füge) sei eine zumindest schlüssige Vereinbarung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der klagenden Partei wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich rechtlicher Feststellungsmängel mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Mit ihrem weiteren Eventualantrag beantragt die klagende Partei, das angefochtene Urteil als nichtig aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die unberechtigte Nichtigkeitsberufung war spruchgemäß zu verwerfen.

Der Berufung kommt auch im Übrigen keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsberufung :

Die klagende Partei macht aus „rechtlicher Vorsicht“ eine Nichtigkeit mit der zusammengefassten Begründung geltend, dass das Erstgericht zu Unrecht „eine Identität der Klagebegehren und daher entschiedene Rechtssache“ angenommen habe.

Die behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor.

1.) Zunächst ist festzuhalten, dass sich aus dem angefochtenen Urteil nicht ausreichend deutlich ergibt, dass das Erstgericht bei seiner Entscheidung von einer „entschiedenen Rechtssache“ ausgegangen ist. In der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Urteils sind zwar Ausführungen in diesem Zusammenhang enthalten. Dabei wird unter anderem - unter Bezugnahme auf verschiedene Rechtssätze - auf die sogenannte „Einmaligkeitswirkung“ Bezug genommen und ausgeführt, dass eine eingebrachte Klage bei Verstoß gegen die Einmaligkeitswirkung zurückzuweisen sei (vgl Seite 9 oben des angefochtenen Urteils). Wie sich aus dem Spruch des angefochtenen Urteils ergibt, hat das Erstgericht jedoch das Klagebegehren nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen.

2.) Eine weitere Auseinandersetzung mit der vom Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung letztlich vertretenen Rechtsmeinung kann hier mangels Relevanz dahin stehen, da auch dann, wenn das Erstgericht fälschlicherweise von einer sich aus § 411 ZPO ergebenden Einmaligkeitswirkung und Bindungswirkung ausgegangen wäre, dies keine Nichtigkeit des angefochtenen Urteils begründen würde (vgl Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 411 ZPO Rz 1 ff, insbes Rz 3 mwN; 5 Ob 253/11h; RS0042963 [T35]; 5 Ob 220/10d mwN). Eine Nichtigkeit wäre nur dann verwirklicht, wenn man die Rechtskraftwirkung eines Urteils - welche nämlich ein Prozesshindernis darstellt - zu Unrecht nicht berücksichtigen würde (vgl Rechberger/KlickaaaO Rz 2 mwN und Vor § 226 ZPO Rz 7 ff; RS0039968 ua).

3.) Soweit das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung ausführt, dass der „Einwand der entschiedenen Rechtssache“ von Seiten der beklagten Partei nicht erhoben worden sei, im Anschluss daran jedoch die daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen nicht nachvollziehbar darlegt, ist festzuhalten, dass ein derartiger Einwand seitens der beklagten Partei gemäß § 411 Abs 2 ZPO nicht Voraussetzung dafür wäre, um die Einmaligkeitswirkung und Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils über denselben Anspruch zwischen denselben Parteien als Prozesshindernis für das gegenständliche Verfahren wahrzunehmen. Die Rechtskraftwirkungen eines Urteils sind nämlich nach § 411 Abs 2 ZPO bei sonstiger Nichtigkeit des nunmehrigen Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen (RS0039968; Rechberger/KlickaaaO § 411 ZPO Rz 1 uva).

Zur übrigen Berufung :

Zur Tatsachenrüge und zur behaupteten Aktenwidrigkeit :

Die klagende Partei bekämpft mit ihrer Tatsachenrüge (Punkt I. der Berufung) folgende erstgerichtlichen Feststellungen:

„Die nunmehr klagende Partei, die nicht ident ist mit der klagenden Partei zum Verfahren hg. B*, verändert das Klagebegehren zu diesem Verfahren inhaltlich nur insofern, als im gegenständlichen Klagebegehren dem Dienstnehmer ein Recht auf Rücktritt von dem vereinbarten Zeitausgleich infolge Nichtkonsumationsmöglichkeit des Zeitausgleiches wegen Erkrankung eingeräumt werden soll.“

„Ist der Dienstnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet, kann bei Arbeitsverhinderung durch Krankheit auch kein Zeitausgleichsguthaben wieder entstehen.“

„Inhaltlich handelt es sich um idente Klagebegehren, an die beide Parteien gebunden sind.“

Stattdessen begehrt die klagende Partei folgende Ersatzfeststellungen:

„Die nunmehr klagende Partei, die nicht ident ist mit der klagenden Partei zum Verfahren hg. B*, verändert das Klagebegehren zu diesem Verfahren inhaltlich insofern, als im gegenständlichen Klagebegehren dem Dienstnehmer ein Recht auf Rücktritt von dem vereinbarten Zeitausgleich infolge Nichtkonsumationsmöglichkeit des Zeitausgleiches wegen Erkrankung eingeräumt werden soll, wenn der Zeitausgleich – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind – auch den Zweck hat, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen.“

„Ist der Dienstnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet, kann bei Arbeitsverhinderung durch Krankheit ein Zeitausgleichsguthaben wieder entstehen, wenn dem Dienstnehmer ein diesbezügliches Rücktrittsrecht zukommt und er dieses ausübt.“

„Inhaltlich handelt es sich nicht um idente Klagebegehren, an die beide Parteien gebunden sind.“

Die erste und dritte Feststellung der bekämpften Feststellungen bekämpft die klagende Partei unter Punkt II. der Berufung auch als aktenwidrig . Stattdessen begehrt sie dabei die erste und dritte Ersatzfeststellung der in der Tatsachenrüge begehrten drei Ersatzfeststellungen.

Die Tatsachenrüge der klagenden Partei und die von ihr geltend gemachte Aktenwidrigkeit werden gemeinsam behandelt, weil die klagende Partei diesbezüglich im Wesentlichen die gleichen Argumente ins Treffen führt.

Die Berufung geht in beiden Punkten ins Leere.

Vorweg ist festzuhalten, dass die klagende Partei ihre Tatsachenrüge und die behauptete Aktenwidrigkeit lediglich „vorsorglich“ geltend macht. So führt sie aus, dass es sich bei den bekämpften Feststellungen „wohl eher um (unrichtige) rechtliche Schlussfolgerungen“ handle.

Der klagenden Partei ist zuzustimmen, dass die bekämpften „Feststellungen“ nicht als „Sachverhaltsfeststellungen“ eines Urteils zu qualifizieren sind. Vielmehr handelt es sich dabei im Wesentlichen um Rechtsausführungen, eine bloße Wiedergabe der Aktenlage oder unstrittige Tatfragen. Für eine solche Beurteilung spricht auch, dass das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung (und auch im Rahmen seiner Tatsachenfeststellungen) diesbezüglich keine beweiswürdigenden Überlegungen angestellt hat. So ist beispielsweise die Frage, ob es sich inhaltlich um idente Klagebegehren handelt, an die beide Parteien gebunden sind, und die Frage, ob dann, wenn der Dienstnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, bei Arbeitsverhinderung durch Krankheit ein Zeitausgleichsguthaben entstehen kann, eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Darüber hinaus ist der Wortlaut des Klagebegehrens in dem beim Erstgericht zu B* geführten Verfahren ohnehin unstrittig, weshalb in diesem Zusammenhang auch ein rechtlicher Feststellungsmangel ausscheidet.

Da die Streitteile gegen die (wirklichen) Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts keine Tatsachenrüge erhoben haben, übernimmt das Berufungsgericht den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt, soweit es sich dabei um Tatsachenfeststellungen handelt (§ 2 Abs 1 ASGG, 498 Abs 1 ZPO).

Zur Mängelrüge und zur Rechtsrüge :

Beide Berufungsgründe werden vom Berufungsgericht gemeinsam behandelt, da sie im Wesentlichen gleich lautende Ausführungen enthalten.

1.) Die klagende Partei macht beide Rechtsmittelgründe geltend, weil in der Judikatur umstritten sei, ob ein vom Erstgericht zu Unrecht angenommenes Vorliegen einer res iudicata bzw einer Bindungswirkung im Sinne einer entschiedenen Rechtssache einen Stoffsammlungsmangel (Verfahrensfehler) oder eine unrichtige rechtliche Beurteilung verwirkliche.

Der klagenden Partei ist zuzustimmen, dass es zu dieser Thematik unterschiedliche Rechtsstandpunkte gibt. So wird in der Lehre (vgl Rechberger/KlickaaaO § 411 ZPO Rz 3 mwN) die fälschliche Annahme einer Bindungswirkung als Mangelhaftigkeit des Verfahrens qualifiziert. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird die fälschliche Annahme einer Bindungswirkung entweder als Fall eines auch in dritter Instanz wahrnehmbaren Stoffsammlungsmangels (RS0042963 [T35]), als Mangel des Berufungsverfahrens selbst (vgl 1 Ob 35/02g) oder als Ursache für sekundäre Feststellungsmängel angesehen und damit dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zugeordnet (5 Ob 220/10d mwN; vgl auch 5 Ob 253/11h; Rechberger/Klicka aaO).

Aus Sicht des Berufungssenats kann eine nähere Auseinandersetzung mit diesen unterschiedlichen Rechtsauffassungen hier dahinstehen, weil einer solchen rechtlichen Differenzierung keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt.

2.) Die klagende Partei steht in ihrer Mängelrüge und in ihrer Rechtsrüge zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass dem im Vorverfahren ergangenen rechtskräftigen Urteil keine Bindungswirkung im Sinne einer entschiedenen Rechtssache zukomme. In einem Verfahren nach § 54 Abs 1 ASGG seien vorrangig keine Sachverhaltsfragen zu klären. Zentraler Gegenstand eines solchen Verfahrens sei die an das Gericht zur Klärung herangetragene Rechtsfrage. Im Vorverfahren sei maßgebliche Rechtsfrage gewesen, ob im Falle krankheits- oder unfallbedingter Arbeitsverhinderung zum Zeitpunkt der festgelegten Zeitausgleichskonsumation der Zeitausgleich automatisch als nicht konsumiert gelte. Dies sei vom Erstgericht im Vorverfahren bejaht worden, vom Oberlandesgericht Wien in seiner Berufungsentscheidung hingegen verneint worden. Der Oberste Gerichtshof habe der dagegen erhobenen Revision keine Folge gegeben und sich - ebenso wie die Unterinstanzen - insbesondere mit der Frage des Bestehens eines Rücktrittsrechts von einer Zeitausgleichsvereinbarung nicht auseinandergesetzt, da eine diesbezügliche Frage im gesamten Verfahren nicht gegenständlich gewesen sei. Demgegenüber gehe es im vorliegenden Fall um die Rechtsfrage, ob den Dienstnehmern das Recht zum Rücktritt von einer mit der beklagten Partei geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung zukomme, wenn der Zeitausgleich - etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden seien - auch den Zweck habe, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Die maßgebliche Rechtsfrage betreffe daher die Frage, ob den Dienstnehmern unter bestimmten Voraussetzungen ein Rücktrittsrechtvon der Zeitausgleichsvereinbarung zukomme, und somit eine völlig anders gelagerte Thematik. Dies sei vom Obersten Gerichtshof im Rahmen eines anderen Verfahrens nach § 54 Abs 1 ASGG (9 ObA 62/18k) auch grundsätzlich in Erwägung gezogen worden, da dieser ausgeführt habe, es sei richtig, dass in Ausnahmefällen ein einseitiges Abgehen von einer Zeitausgleichsvereinbarung zulässig sein könne.

Das Berufungsgericht hat dazu Folgendes erwogen:

1.) Der klagenden Partei ist zuzustimmen, dass das im Vorverfahren ergangene rechtskräftige Urteil kein Prozesshindernis im gegenständlichen Verfahren darstellt.

Nach § 411 Abs 2 ZPO ist die Rechtskraft eines Urteils von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft setzt Identität des Anspruchs der Parteien und des rechtserzeugenden Sachverhalts voraus (RS0039347; vgl RS0041340; zuletzt 7 Ob 67/24i).

Identität des Anspruchs liegt nur dann vor, wenn das neu gestellte Begehren sowohl inhaltlich dieselbe Leistung, Feststellung oder Rechtsgestaltung fordert, wie sie bereits Gegenstand des rechtskräftigen Vorerkenntnisses war, als auch die zur Begründung des neuen Begehrens vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen dieselben sind, auf die sich auch die rechtskräftige Entscheidung gründet, sodass sie auch zwangsläufig dieselbe rechtliche Beurteilung zur Folge haben muss (RS0041229; vgl RS0039347; zuletzt 7 Ob 67/24i). Ob dies zutrifft, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und wirft daher im Regelfall keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf (RS0044453 [T3]; RS0041229 [T6]).

Die Rechtskraftwirkung besteht darin, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen hinsichtlich des strittigen Rechtsschutzanspruchs unbestreitbar, dauernd bindend und daher unwiderlegbar und unabänderbar festgestellt werden. Diese Wirkung kann nur nach den in der Rechtsordnung vorgesehenen Regeln beseitigt werden (RS0041272; zuletzt 7 Ob 67/24i).

Liegt ein rechtskräftiges Urteil vor, kann zwischen denselben Parteien derselbe Anspruch somit nicht mehr zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens gemacht werden (sogenannte Einmaligkeitswirkung, ne bis in idem; vgl RS0111238, RS0041115 [T2, T4, T6]). Eine dennoch eingebrachte Klage ist zurückzuweisen (RS0039968 [T3]).

Bereits ein Vergleich des Klagebegehrens im gegenständlichen Verfahren mit dem Klagebegehren im Vorverfahren zeigt, dass die dargestellte Identität des Anspruchs nicht vorliegt, weil das im gegenständlichen Verfahren gestellte Begehren nicht zwangsläufig dieselbe rechtliche Beurteilung zur Folge haben muss.

Wie die Berufungswerberin zutreffend herausgearbeitet hat, stellt sich im gegenständlichen Verfahren - im Unterschied zum Vorverfahren - vor allem die Frage, ob Arbeitnehmern, die bei der beklagten Partei angestellt sind, im Falle ihrer Erkrankung ein Recht zum Rücktritt von einer mit der beklagten Partei geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung zukommt, wenn der Zeitausgleich auch den Zweck hat, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Die Frage eines solchen Rücktrittsrechts stellte sich im Vorverfahren aufgrund eines diese Rechtsfrage nicht umfassenden Klagebegehrens nicht. Im Vorverfahren war vereinfacht gesagt die maßgebliche Rechtsfrage, ob ein solcher Zeitausgleich automatisch als nicht konsumiert gilt, wenn zum Zeitpunkt der festgelegten Zeitausgleichskonsumation bei den betroffenen Dienstnehmern eine krankheits- oder unfallbedingte Arbeitsverhinderung besteht.

Da bereits aufgrund dieser Überlegungen keine Identität des Anspruchs im aufgezeigten Sinn vorliegt, kommt dem im Vorverfahren ergangenen Urteil in Bezug auf das gegenständliche Verfahren keine sogenannte Einmaligkeitswirkung zu. Ein diesbezügliches Prozesshindernis ist somit nicht gegeben, weshalb in diesem Zusammenhang auch keine Zurückweisung der Klage in Betracht kommt.

2.) Soweit die beklagte Partei im erstinstanzlichen Verfahren eine mangelnde Aktivlegitimation der klagenden Partei eingewendet hat, wird darauf hingewiesen, dass die beklagte Partei dieses Argument in ihrer Berufungsbeantwortung nicht mehr ins Treffen führt. Es genügt daher, kurz festzuhalten, dass die beklagte Partei im erstinstanzlichen Verfahren diesen Einwand mit der Begründung erhoben hat, dass die klagende Partei „Angestelltenbetriebsrat des Universitätsklinikums A*“ nicht zur Klagsführung legitimiert sei, weil die klagende Partei ihre Kompetenzen gemäß § 114 ASGG an den Zentralbetriebsrat übertragen habe. Die Feststellungsbegehren des Zentralbetriebsrats seien im Vorverfahren rechtskräftig erledigt worden.

Der Einwand der beklagten Partei ist nicht berechtigt, weil eine Übertragung nach § 114 ArbVG längstens für die Funktionsdauer des übertragenden Organs gilt (vgl Kallabin ZellKomm³ § 114 ArbVG Rz 8 ua). Wie vom Erstgericht unbekämpft festgestellt wurde, gab es von 26.4. bis 28.4.2022 bei der beklagten Partei Betriebsratswahlen und wurde ein neuer Betriebsrat gewählt (vgl Seite 8 Mitte des angefochtenen Urteils). Demzufolge hat die Kompetenzübertragung an den Zentralbetriebsrat nach § 114 ArbVG hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Angelegenheiten zwischenzeitig geendet und ist die hier klagende Partei „Angestelltenbetriebsrat des Universitätsklinikums A*“ auch zur Klagsführung legitimiert.

3.) In ihrer weiteren Rechtsrüge steht die klagende Partei zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass den bei der beklagten Partei angestellten Arbeitnehmern ein Rücktrittsrecht von einer getroffenen Zeitausgleichsvereinbarung im Falle ihrer Erkrankung zukomme, wenn der Zeitausgleich – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden seien – auch den Zweck habe, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Die klagende Partei führt dazu zusammengefasst aus, dass eine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu der hier entscheidungswesentlichen Rechtsfrage noch nicht vorliege. Der Oberste Gerichtshof habe jedoch in seiner Judikatur, insbesondere in der Entscheidung 9 ObA 62/18k die grundlegende Klarstellung getroffen, dass in Ausnahmefällen ein einseitiges Abgehen von einer Zeitausgleichsvereinbarung – durch den Arbeitgeber – aus betrieblichen Gründen zulässig sein könne. Diese Grundsätze könne man auch auf die Arbeitnehmerseite übertragen. Man müsse davon ausgehen, dass von einer Zeitausgleichsvereinbarung unter gewissen Umständen auch von Arbeitnehmerseite abgegangen werden könne, wenn diese Vereinbarung Interessen des betroffenen Arbeitnehmers widerstreite. Ein Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers werde man jedenfalls zu bejahen haben, wenn der vereinbarte Zeitausgleich auch den Charakter habe, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen und dem auf Grund eines Krankenstands nicht entsprochen werden könne. Dies stehe auch im Einklang mit grundsätzlichen urlaubsrechtlichen Erwägungen (vgl. 9 ObA 90/02d). In der Entscheidung 9 ObA 11/13b habe der Oberste Gerichtshof nur grundsätzlich zu beurteilen gehabt, ob Zeitausgleich auch im Krankheitsfall als verbraucht gelte. In dieser Entscheidung und auch in der Entscheidung 9 ObA 10/18p sei mangels Entscheidungsrelevanz die Frage unbeantwortet geblieben, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen einem Arbeitnehmer ein Rücktrittsrecht von der Zeitausgleichsvereinbarung im Falle des Krankenstands zustehe.

Unter Punkt IV.3. der Berufung behauptet die klagende Partei auch das Vorliegen von sekundären Feststellungsmängeln und begehrt die dort ersichtlichen zusätzlichen Feststellungen in Bezug auf die von Arbeitnehmern der beklagten Partei erarbeiteten „Plusstunden“.

Diese Rechtsrüge der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Soweit für das Berufungsgericht überschaubar, ist der klagenden Partei insofern zuzustimmen, als es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der hier entscheidungswesentlichen Frage gibt, ob Arbeitnehmern im Falle ihrer Erkrankung ein Rücktrittsrecht von einer mit dem Dienstgeber geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung – unter bestimmten Voraussetzungen – zukommt.

Auf Basis der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist das von der klagenden Partei in ihrem Klagebegehren gestellte Feststellungsbegehren, in dem sie die Feststellung eines Rücktrittsrechts der bei der beklagten Partei angestellten Arbeitnehmer im Falle ihrer Erkrankung von einer mit der beklagten Partei geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung begehrt, wenn der Zeitausgleich – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind – auch den Zweck hat, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen, aus Sicht des Berufungssenats als nicht berechtigt zu beurteilen.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit oder Unfall nur in Zeiten bestehen, in denen der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überhaupt verpflichtet ist (9 ObA 10/18p; 9 ObA 11/13b; 9 ObA 182/05p). Nicht die Erkrankung des Arbeitnehmers im Zeitausgleichszeitraum bewirkt einen Entfall der Arbeitsleistung, sondern die mangelnde Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Erkrankung während des Verbrauchs von Zeitausgleich hat daher keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis (9 ObA 10/18b mit zahlreichen Nachweisen; 9 ObA 11/13b).

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung betont, dass tragendes Argument seiner ständigen Rechtsprechung sei, dass der Dienstnehmer nur in jenen Zeiten durch Krankheit oder Unfall an der Leistung seiner Arbeit verhindert sein kann, in denen eine Arbeitspflicht des Dienstnehmers besteht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Dienstnehmer während eines vereinbarten (einen solchen Fall hatte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 9 ObA 11/13b zu beurteilen) oder eines – nach gesetzlichen Vorschriften zulässigerweise – einseitig vom Dienstgeber angeordneten Zeitausgleichs erkrankt oder verunfallt (einen solchen Fall hatte der Oberste Gerichtshof in seiner im Vorverfahren ergangenen Entscheidung 9 ObA 10/18p zu beurteilen). In beiden Fällen besteht für den Dienstnehmer während des Zeitausgleichs keine Arbeitspflicht. Nicht die Erkrankung des Dienstnehmers im Zeitausgleichszeitraum bewirkt einen Entfall der Arbeitsleistung, sondern die mangelnde Verpflichtung des Dienstnehmers zur Arbeitsleistung.

In der im Vorverfahren ergangenen Entscheidung 9 ObA 10/18p hatte sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage eines allfälligen Rücktrittsrechts eines erkrankten Arbeitnehmers von einer mit dem Dienstgeber geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung nicht auseinanderzusetzen. Die genannte Entscheidung enthält insofern demzufolge keinerlei (auch nicht obiter) Ausführungen. Auch den zu diesem Judikat ergangenen Entscheidungsbesprechungen lässt sich diesbezüglich nichts entnehmen (vgl. ZfG 2018, 58; ASoK 2018, 278; DRdA-infas 2018/122).

Der wesentliche Rechtssatz der Entscheidung 9 ObA 10/18p (und auch der übrigen zur Frage der Rechtswirkungen von Erkrankungen von Arbeitnehmern während des Verbrauchs von Zeitausgleich bisher vorliegenden Judikatur) lautet, dass Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben (RS0121539; RS0128851; zuletzt auch 8 ObA 97/21d Rn 11 mwN).

Das in der (im Vorverfahren ergangenen) Entscheidung 9 ObA 10/18p zitierte Judikat 9 ObA 11/13b enthält eine für das gegenständliche Verfahren relevante zusätzliche Aussage. So führte der Oberste Gerichtshof aus, dass die Frage, ob die Erkrankung des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund darstellt, welcher ihn nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zum Rücktritt von der Zeitausgleichsvereinbarung berechtigen würde, dahingestellt bleiben kann, weil der Kläger keinen Rücktritt erklärt hat.

Kernaussage der Entscheidung 9 ObA 11/13b war, dass Erkrankungen während eines Zeitausgleichs – im Unterschied zu Erkrankungen während des Urlaubs – keinerlei Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben und das Überstundenguthaben des Arbeitnehmers trotz faktischer Erkrankung dennoch abgebaut wird, somit die Zeit des Krankenstands das Überstundenguthaben vermindert.

Diese Entscheidung hat nicht nur Interesse in der juristischen Literatur sondern auch starkes mediales Interesse gefunden, wobei in der juristischen Literatur die Vermutung geäußert wurde, dass diese Entscheidung möglicherweise zu einer Gesetzesänderung führen werde (vgl. Niksova , Krankheit unterbricht Urlaub, aber nicht den Zeitausgleich, EvBl 2013/123; Kiesel , Krankheit unterbricht Zeitausgleich nicht, ZAS 2013/54; Laimer/Przeszlowska , OGH: Krankheit unterbricht Zeitausgleich nicht, RdW 2013/470, 78 ff; Mosing, Krankenstand im Zeitausgleich – Einige Überlegungen zur aktuellen OGH-Judikatur, ASoK 2014, 11 ff ua).

Die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 9 ObA 11/13b aufgeworfene, aber inhaltlich nicht behandelte Frage, ob die Erkrankung des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund darstellt, welcher ihn nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zum Rücktritt von der Zeitausgleichsvereinbarung berechtigen würde, hat in der juristischen Literatur unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.

Kiesel (aaO) vertritt dazu folgenden Standpunkt:

Die Partner einer Vereinbarung könnten sich in der Regel nicht auf den Wegfall einer – wenngleich typischen – Voraussetzung berufen, die sich auf Tatsachen der eigenen persönlichen Sphäre beziehe. Die wichtigen Gründe, die zum Rücktritt bewegten, müssten von der Rechtsordnung höher bewertet werden als das Prinzip der Vertragstreue. Für den Rücktritt von einer Urlaubsvereinbarung verlange die Judikatur das Vorliegen von besonders schwerwiegenden Gründen. Ein Rücktrittsgrund müsse daher zwei Qualitätserfordernisse aufweisen: Einerseits müsse er so massiv sein, dass er ein Festhalten an der Vereinbarung für einen Vertragsteil unzumutbar mache. Andererseits müsse er auch im Hinblick auf den Charakter des Geschäfts dieses für den Rücktretenden sinnlos machen. Der Erholungscharakter des Zeitausgleichs trete stark in den Hintergrund, sodass der Maßstab beim Rücktritt von der Zeitausgleichsvereinbarung ein anderer sein müsse als beim Urlaub. Beim Zeitausgleich gehe es vor allem um Abgeltung von vorgeleisteter Arbeit. Zum Rücktritt könnten daher nur schwerwiegende Umstände berechtigen, die dem Entgelt- und Arbeitszeitverteilungscharakter des Zeitausgleichs in keiner Weise mehr entsprächen. Wie der Arbeitnehmer seine Freizeit während des Zeitausgleichs verbringen habe wollen, stelle ein unbeachtliches Motiv dar, sodass eine Erkrankung grundsätzlich unbeachtlich bleibe.

Niksova (aaO) führt zu dieser Frage lediglich aus, dass fraglich sei, ob der Arbeitnehmer von einer Zeitausgleichsvereinbarung zurücktreten könne. Der Oberste Gerichtshof lasse diese Frage in der Entscheidung 9 ObA 11/13b offen. Gehe man mit Mayr (ecolex 1996, 188) davon aus, dass die Zeitausgleichsvereinbarung ein Dauerschuldverhältnis sei, könne sie nach allgemeinen Regeln aus wichtigen Gründen beendet werden. Ob der Krankenstand ein solcher wichtiger Grund sei, könne dabei nicht von der ratio des Zeitausgleichs losgelöst werden. Folge man dem Obersten Gerichtshof und bejahe man beim Zeitausgleich primär den Zweck der anderen Verteilung der Arbeitszeit, sei dies wohl zu verneinen.

Laimer/Przeszlowska (aaO) führen zu dieser Frage aus, dass es im Hinblick auf die Wirksamkeit einer abgeschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung unerheblich sei, ob eine Erkrankung vor dem Antritt oder während des Zeitausgleichs eintrete. Die im Zusammenhang mit der Entscheidung 9 ObA 11/13b für die Praxis relevante Frage sei daher, ob eine Erkrankung einen wichtigen Grund darstelle, der den Arbeitnehmer nach allgemein zivilrechtlichen Grundsätzen zum Rücktritt von einer Zeitausgleichsvereinbarung berechtigen könnte. Diese Frage sei bisher höchstgerichtlich noch nicht entschieden worden. Auch im gegenständlichen Fall habe der Oberste Gerichtshof die Beantwortung ausdrücklich offen gelassen, da ein Rücktritt vom Arbeitnehmer selbst nicht erklärt worden sei.

In Bezug auf Urlaubsvereinbarungen sei bereits in den Materialien zum Urlaubsgesetz der Hinweis zu finden, dass die vom Gesetz nicht erfassten Fälle nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts zu lösen seien. Dementsprechend sei anerkannt, dass aus wichtigem Grund auch ein einseitiger Rücktritt von der Urlaubsvereinbarung erfolgen könne, sofern der konkrete Fall nicht ohnehin gesetzlich geregelt sei.

Nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts liege ein wichtiger Grund dann vor, wenn die Vereinbarung für einen der Vertragspartner unzumutbar wäre. Die Beurteilung der Frage, wann eine solche Unzumutbarkeit vorliege, sei grundsätzlich jeweils anhand des konkreten Einzelfalls zu prüfen. Im Zusammenhang mit Urlaubsvereinbarungen sei nur ein Fall der Unzumutbarkeit gesetzlich geregelt. Demzufolge werde der Urlaub gemäß § 5 Abs 1 UrlG unter Umständen dann unterbrochen, sofern eine Erkrankung in dessen Verbrauch falle. Erkrankungen, die nach Abschluss der Urlaubsvereinbarung, aber vor dem Urlaubsantritt einträten, seien davon zwar nicht erfasst. Angesichts des primären Erholungszwecks des Urlaubs rechtfertige eine Erkrankung in diesen Fällen aber einen Rücktritt von der Urlaubsvereinbarung.

Diese Überlegungen seien auch auf eine Zeitausgleichsvereinbarung übertragbar, stelle diese doch auch „eine Art Dauerschuldverhältnis“ dar. Fraglich sei jedoch, ob eine Erkrankung einen wichtigen Grund für eine erfolgreiche Rücktrittserklärung darstellen könnte. Ein Zeitausgleich verfolge zwar durchaus ähnliche Zwecke wie der Urlaub; zu berücksichtigen sei hier allerdings insbesondere, dass im Unterschied zu einer Urlaubsvereinbarung der Erholungszweck beim Zeitausgleich unstrittig im Hintergrund stehe. Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich werde demnach weniger Bedeutung beigemessen. Überdies seien Zeitausgleichszeiträume in der Regel von einer relativ kurzen Dauer, sodass bereits aus diesem Grund ein strengerer Maßstab an die Zulässigkeit eines Rücktritts anzulegen sei. Vor diesem Hintergrund könnte eine Erkrankung einen wichtigen Grund zum Rücktritt von der Zeitausgleichsvereinbarung darstellen. Eine „abschließende“ Beurteilung des Rücktrittsrechts wäre allerdings wieder nur im Einzelfall, unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Schwere der Erkrankung, möglich. Eine klärende höchstgerichtliche Entscheidung bleibe auch in diesem Zusammenhang abzuwarten.

Mosing (aaO) vertritt zur Frage eines Rücktrittsrechts von der Zeitausgleichsvereinbarung folgende Auffassung:

Wie Mayrbereits nachgewiesen habe, seien auf Zeitausgleichsvereinbarungen die Regeln, die für Dauerschuldverhältnisse gelten, anzuwenden. Daher sei in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob ein Rücktrittsrecht nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen gegeben sei, wenn der Arbeitnehmer während des Zeitausgleichs erkranke. Hierzu liege noch keine einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Allerdings liege ein ähnliches Rechtsproblem im Urlaubsrecht vor, wenn ein Krankenstand in den Zeitraum einer Urlaubsvereinbarung falle. Bis zur gesetzlichen Regelung der Urlaubsunterbrechung durch Krankenstand (§ 5 UrlG) sei eine ungünstige Rechtsprechung vorherrschend gewesen, welche eine Unterbrechung bzw. Verlängerung des Urlaubs durch Krankenstand verneint habe (vgl. 4 Ob 43/50, Arb 5200; 4 Ob 75/52, Arb 5436; 4 Ob 68/52, Arb 5467). Es ergebe sich somit, dass bis zur gesetzlichen Regelung der Urlaubsunterbrechung durch Krankenstand (§ 5 UrlG) diese keine Selbstverständlichkeit gewesen sei und der bloße Bestand der nunmehrigen Bestimmung den Verdacht nahe lege, dass eine Erkrankung im Urlaub keinen ausreichenden Grund für den Rücktritt von einer Urlaubsvereinbarung darstelle.

Auch ein allgemeiner Blick auf die höchstgerichtliche Judikatur betreffend den Rücktritt von Urlaubsvereinbarungen lasse nur den Schluss zu, dass die Anforderungen an einen rechtmäßigen Rücktrittsgrund sehr hoch seien. Daher stelle die Zulässigkeit eines Rücktritts in der spärlichen Rechtsprechung eher den Ausnahmefall dar. Eine höchstgerichtliche Judikatur betreffend einen arbeitnehmerseitigen Rücktritt liege – soweit ersichtlich – nicht vor. Erwähnenswert erscheine aber eine Entscheidung des OLG Wien (OLG Wien 9 Ra 29/05h, Arb 5638/9/2005), in der ein Rücktrittsrecht wegen einer Erkrankung vor Urlaubsantritt bejaht worden sei. Die Entscheidung setze sich aber in keinster Weise mit den einschlägigen Lehrmeinungen auseinander und begründe das Vorliegen eines wichtigen Grundes ausschließlich damit, dass der Urlaub primär einen Erholungszweck verfolge, der im Falle eines Krankenstands nicht gegeben sei.

Aus all dem ergebe sich eine sehr enge Auslegung des Rücktrittsrechts und selbst die zitierte Entscheidung des OLG Wien sehe einen wichtigen Grund nur im gescheiterten Erholungszweck des Urlaubs. Nun liege aber bei einem Zeitausgleich nicht der primäre Zweck in der Erholung, sondern – wie der Oberste Gerichtshof ausdrücklich in der Entscheidung 9 ObA 11/13b festhalte – in einer weitgehenden Annäherung der durchschnittlichen Arbeitszeit an die Normalarbeitszeit. Dies spreche eindeutig gegen das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Berücksichtige man zusätzlich, dass Gründe, mit denen bereits bei Vertragsabschluss gerechnet hätte werden müssen, nicht als solche für einen Rücktritt herangezogen werden dürften, so sei ein krankheitsbedingtes Rücktrittsrecht im Zusammenhang mit Zeitausgleichsvereinbarungen wohl endgültig zu verneinen. Denn ein Arbeitnehmer müsse bei Abschluss der Zeitausgleichsvereinbarung stets damit rechnen, dass er unter Umständen zum Zeitpunkt des Zeitausgleichs erkrankt sei.

Radlingmayr (in RdW 2022/576, 704) vertritt - im Zusammenhang mit einer Coviderkrankung oder Quarantäne eines Arbeitnehmers nach dem Epidemiegesetz - eine abweichende Auffassung. Der Arbeitnehmer sei berechtigt, aus wichtigem Grund von einer Zeitausgleichsvereinbarung für Überstunden zurückzutreten. Der Zeitausgleich für geleistete Überstunden diene maßgeblich der Erholung des Arbeitnehmers. Sei durch eine Krankheit oder eine Quarantäne der Erholungszweck vereitelt, sei der Rücktritt zulässig. Radlingmayr nimmt auf verschiedene – vom Berufungsgericht oben bereits eingehend referierte – Auffassungen von Autoren Bezug, wonach ein Rücktritt von einer Zeitausgleichsvereinbarung wegen Erkrankung nicht in Frage komme. Er führt dazu zusammengefasst aus, dass dies von diesen Autoren in Anlehnung an die Rechtsprechung unter anderem damit begründet werde, dass der Zeitausgleich nur ähnliche Zwecke wie der Urlaub verfolge und es hauptsächlich um die Annäherung der durchschnittlichen Arbeitszeit an die Normalarbeitszeit gehe. Der Erholungszweck stehe im Hintergrund, weshalb eine Erkrankung kein wichtiger Grund sein könne, der zum Rücktritt von einer getroffenen Zeitausgleichsvereinbarung berechtige. Radlingmayr tritt diesen Auffassungen insbesondere mit dem Argument entgegen, dass die Behauptung, eine konkrete Zeitausgleichsvereinbarung im Einzelfall würde nur ähnliche Zwecke wie der Urlaub verfolgen und der Erholungszweck wäre weniger von Bedeutung, zumindest aus Sicht des Arbeitnehmers nicht überzeugend sei. Der Argumentationslinie, der Zeitausgleich für Überstunden diene dazu, die durchschnittliche Arbeitszeit der Normalarbeitszeit anzunähern, sei entgegenzuhalten, dass es sich hierbei um eine „generell-abstrakte“ Rechtsfolge jeder Zeitausgleichsvereinbarung handle, aber seines Erachtens nicht um das, ja wohl nicht einmal um ein Motiv für den Abschluss einer solchen im konkreten Einzelfall. Bei Beurteilung der Zulässigkeit des Rücktritts von einer Zeitausgleichsvereinbarung könne es nur um die konkreten Motive der Vertragsparteien gehen, speziell um jene des Arbeitnehmers, weil nur anhand dieser beurteilt werden könne, ob das Festhalten an der Vereinbarung tatsächlich unzumutbar sei. Die Sichtweise zur Angleichung der Arbeitszeit sei daher lediglich bei jenen Durchrechnungsmodellen beachtlich, bei denen die Normalarbeitszeit flexibel verteilt werde. Nur in diesen Fällen wäre ein Rücktrittsgrund zu verneinen.

Seines Erachtens sei der Rücktritt bei Krankheit zulässig, zumal unstrittig sei, dass die Freizeit und der Erholungswert gänzlich vereitelt seien, wenn der Arbeitnehmer etwa mit Fieber und Schüttelfrost im Bett liege. Soweit die Ansicht vertreten werde, der Rücktritt sei nur zulässig, wenn der wichtige Grund bei Abschluss der Vereinbarung nicht vorhersehbar gewesen sei, könne diese Erkennbarkeit für eine Erkrankung oder Infektion nicht gelten, zumal eine solche immer, das heiße vor, während oder nach dem Zeitausgleichszeitraum, auftreten könne und der konkrete Zeitpunkt damit gerade nicht vorhersehbar sei. Die abstrakte Möglichkeit, sich zum vereinbarten Zeitausgleichszeitpunkt infizieren zu können, reiche nicht aus, um dem Arbeitnehmer das Rücktrittsrecht zu verwehren. Andernfalls dürfte er auch von einer Urlaubsvereinbarung nie zurücktreten, weil er ja ebenso damit rechnen müsste, in diesem Zeitraum zu erkranken.

Nach Beurteilung des Berufungssenats kommt Arbeitnehmern im Falle ihrer Erkrankung im Generellen kein Recht zum Rücktritt von einer mit dem Dienstgeber geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung zu. Dies gilt auch dann, wenn der Zeitausgleich – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind – den Zweck hat, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Demzufolge hat das Erstgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Der Berufungssenat schließt sich insbesondere den oben eingehend dargelegten Argumenten von Mosing an, dies aus folgenden Überlegungen:

Der Berufungssenat folgt der Auffassung von Mayr (ecolex 1996, 186) insofern, als auf Zeitausgleichsvereinbarungen die Regeln, die für Dauerschuldverhältnisse gelten, (sinngemäß) anzuwenden sind. Wie Mayrnäher ausführt, wird von Lehre und Rechtsprechung aus den §§ 1117, 1162 ff ABGB ua der allgemeine Grundsatz abgeleitet, dass Dauerschuldverhältnisse wegen des besonderen Vertrauens, das sie zwischen den Parteien voraussetzen, aus wichtigen Gründen jederzeit gelöst werden können. Ein derartiger wichtiger Grund ist laut Mayr mit der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses gleichzusetzen. Die entscheidende Frage, ob ein Rücktritt von einer Zeitausgleichsvereinbarung möglich ist oder nicht, ist jene, ob die Erkrankung eines Arbeitnehmers einen derart wichtigen Grund darstellt.

Aus Sicht des Berufungssenats stellt eine Erkrankung eines Arbeitnehmers keinen solchen wichtigen Grund dar, der ihm generell ein Recht zum Rücktritt von einer mit dem Dienstgeber geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung einräumen würde. Wie Mosing zutreffend näher dargelegt hat, lässt die von ihm dargestellte höchstgerichtliche Judikatur betreffend den Rücktritt von Urlaubsvereinbarungen nur den Schluss zu, dass die Anforderungen an einen rechtmäßigen Rücktrittsgrund sehr hoch sind. Daher stellt die Zulässigkeit eines Rücktritts sogar in Bezug auf Urlaubsvereinbarungen eher den Ausnahmefall dar.

In seiner Entscheidung 9 Ra 29/05h (ARD 5638/9/2005) hat das Oberlandesgericht Wien ein Rücktrittsrecht wegen einer Erkrankung vor Urlaubsantritt mit der wesentlichen Begründung bejaht, dass der Urlaub primär einen Erholungszweck verfolge, der im Falle eines Krankenstands nicht gegeben sei.

Im Hinblick darauf, dass bei einem Zeitausgleich der primäre Zweck nicht in der Erholung, sondern in einer weitgehenden Annäherung der durchschnittlichen Arbeitszeit an die Normalarbeitszeit liegt, kann somit das Argument der Vereitelung des Erholungszwecks während des Krankenstands keinen wesentlichen Grund für einen arbeitnehmerseitigen Rücktritt darstellen (idS auch Niksova aaO und Mosing aaO).

Ein weiteres Argument, dass eine Erkrankung des Arbeitnehmers ihn nicht zum Rücktritt von einer geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung berechtigt, ist, dass der Umstand seiner Erkrankung nicht in die Sphäre des Dienstgebers, sondern in seine eigene Sphäre fällt. Die gegenteilige Auffassung von Mayr (aaO), wonach für das Argument, dass die Erkrankung in die Sphäre des Arbeitnehmers falle und von diesem zu verantworten sei, kein Raum bleibe, weil bei der Beendigung von Dauerschuldverhältnissen nur der wichtige Grund von Bedeutung sei und nicht die Frage des Verschuldens, überzeugt nicht. So ist die Frage des Verschuldens von der Frage der Sphärenzurechnung zu unterscheiden. Gerade bei der Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes zur vorzeitigen Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses und der in diesem Zusammenhang sich stellenden Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses spielt die Frage, aus wessen Sphäre der Umstand stammt, dass die Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses unzumutbar ist, eine wesentliche Rolle. So wird in der Lehre vertreten und auch vom Obersten Gerichtshof judiziert, dass die Zumutbarkeit zumindest von der anderen Vertragspartei ausgelöst worden sein muss (vgl. Pfeil in ZellKomm 3§ 25 AngG Rz 26; 9 ObA 116/04f ua). Es wird außerdem auf die Entscheidung 9 ObA 193/94 hingewiesen (vgl. auch RS0028999 [T1]), in der ausgesprochen wurde, dass ein in der Sphäre des Arbeitgebers aufgetretener wichtiger Grund zur berechtigten vorzeitigen Auflösung des befristeten – und daher eine Kündigung ausschließenden – Arbeitsverhältnisses nicht geeignet ist.

Überdies ist zu berücksichtigen, dass nach allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts Partner einer Vereinbarung sich in der Regel nicht auf den Wegfall einer – wenngleich typischen – Voraussetzung berufen können, die sich auf Tatsachen der eigenen persönlichen Sphäre bezieht (vgl. Kiesel aaO mwN).

Hinzu kommt, dass die wichtigen Gründe, die zum Rücktritt berechtigen, nach herrschender Auffassung von der Rechtsordnung höher bewertet werden müssen als das Prinzip der Vertragstreue ( Kiesel aaO; Steinwenter , Die Vertragstreue im bürgerlichen Recht, JBl 1950, 924 ua). Diese Voraussetzung ist im Falle einer Erkrankung eines Arbeitnehmers im Generellen nicht gegeben.

Wie oben bereits kurz angesprochen wurde, spricht für diese Auffassung auch die zur Frage der Rücktrittsmöglichkeit von einer Urlaubsvereinbarung vorliegende Judikatur. Für den Rücktritt von einer Urlaubsvereinbarung verlangt die Rechtsprechung das Vorliegen von besonders schwerwiegenden Gründen. So wird judiziert, dass ein Rücktrittsgrund zwei Qualitätserfordernisse aufweisen muss: einerseits muss er so massiv sein, dass er ein Festhalten an der Vereinbarung für einen Vertragsteil unzumutbar macht. Andererseits muss er auch im Hinblick auf den Charakter des Geschäfts dieses für den Rücktretenden sinnlos machen (vgl. Kiesel aaO).

Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung tritt der Erholungscharakter des Zeitausgleichs stark in den Hintergrund, sodass der Maßstab beim Rücktritt von der Zeitausgleichsvereinbarung ein strengerer sein muss als der beim Rücktritt von einer Urlaubsvereinbarung. Beim Zeitausgleich geht es vor allem um Abgeltung vorgeleisteter Arbeit. Nichts anderes gilt auch für einen Zeitausgleich, der - wie klagsgegenständlich - den Zweck hat (etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind), eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Zum Rücktritt von einer Zeitausgleichsvereinbarung können daher nur schwerwiegende Umstände berechtigen, die dem Entgelt- und Arbeitszeitverteilungscharakter des Zeitausgleichs in keiner Weise mehr entsprechen (vgl. Kiesel aaO). Wie der Arbeitnehmer seine Freizeit während des Zeitausgleichs verbringen wollte, stellt in diesem Zusammenhang ein unbeachtliches Motiv dar, sodass eine Erkrankung des Arbeitnehmers während des Zeitausgleichs grundsätzlich unbeachtlich bleibt (so auch Kiesel aaO).

Auch die von der klagenden Partei ins Treffen geführte Entscheidung 9 ObA 62/18k spricht nicht gegen die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Berufungssenats. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung keine Aussagen getätigt, die mit den obigen Argumenten des Berufungssenats nicht in Einklang zu bringen wären. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang dort nämlich lediglich Folgendes - ganz allgemein - ausgeführt:„Richtig ist, dass in Ausnahmefällen ein einseitiges Abgehen von einer Zeitausgleichsvereinbarung zulässig sein kann, wie auch davon ausgegangen wird, dass der Arbeitgeber von einer getroffenen Urlaubsvereinbarung aus wichtigem Grund zurücktreten kann, wenn dies aus betrieblichen Gründen unumgänglich notwendig ist und daher das Festhalten an der Urlaubsvereinbarung unzumutbar wäre (RIS-Justiz RS0077424 [T2]).“

Der Berufung war somit spruchgemäß nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 2 Abs 1 ASGG, 41 Abs 1 und 50 ZPO. Die klagende Partei hat der beklagten Partei die tarifmäßig verzeichneten Kosten ihrer (erfolgreichen) Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die ordentliche Revision war zuzulassen, weil – soweit für den Berufungssenat ersichtlich – zur hier entscheidungswesentlichen Frage, ob Arbeitnehmern im Falle ihrer Erkrankung ein Recht zum Rücktritt von einer mit dem Dienstgeber geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung zukommt, insbesondere wenn (wie hier klagsgegenständlich) der Zeitausgleich – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind – den Zweck hat, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt.