JudikaturOLG Linz

8Bs115/25f – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
30. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* B*wegen Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft Salzburg wegen Strafe und die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld, Strafe sowie wegen der privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 2. April 2025 nach der in Anwesenheit der Staatsanwältin Dr. Steinwender als Vertreterin des Leitenden Oberstaatsanwalts, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Dr. Kinberger durchgeführten Berufungsverhandlung vom 30. September 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung des Angeklagten teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem Adhäsionserkenntnis dahin abgeändert, dass gemäß § 366 Abs 2 StPO die Privatbeteiligte C* mit sämtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen (§ 366 Abs 2 StPO).

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* B* abseits unangefochten belassenen teilweisen Freispruchs mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 15 Abs 1, § 83 Abs 1 StGB sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt und dafür zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von vier Monaten verurteilt, unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Weiters wurde der Privatbeteiligten C* ein Schmerzengeld in Höhe von EUR 400,00 und sonstiger Schadenersatz in Höhe von EUR 50,00 zugesprochen; darüberhinaus erfolgte eine Verweisung auif den Zivilrechtsweg.

Nach dem Schuldspruch hat A* B* in ** „zu Strafantrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 16. Oktober 2024 in ON 13

A./ nachgenannte Personen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

2. am 28.03.2023 C* durch die Äußerung "Einer von uns kommt ins Gefängnis und der andere wird im Grab sein!" zumindest mit einer Verletzung am Körper;

3. am 05.03.2024 C* durch die Äußerung "Ich breche dir die Beine!" zumindest mit einer Verletzung am Körper;

4. am 24.07.2024 D* durch die fernmündliche sinngemäße Äußerung, er werde ihn umbringen, zumindest mit einer Verletzung am Körper;

5. am 29.07.2024 C* und D* durch das Zeigen einer Geste des Halsabschneidens zumindest mit einer Verletzung am Körper;

6. am 11.08.2024 C* durch die Äußerung "Ich bringe dich um du Hure!" zumindest mit einer Verletzung am Körper;

8. am 03.09.2024 E* durch das Zeigen einer Geste des Halsabschneidens zumindest mit einer Verletzung am Körper;

B./ nachgenannte fremde Sachen in einem EUR 5.000 nicht übersteigenden Gesamtwert beschädigt, und zwar

1. am 15.09.2023, indem er einen Glasteller nach C* warf, wodurch dieser zu Bruch ging;

3. am 06.09.2023, indem er mehrere Gläser des Unternehmen „F*“ der C* zu Boden warf, wodurch diese zu Bruch gingen;

C./ durch die unter B./1. geschilderte Tat C* am Körper zu verletzten versucht, wobei er sie verfehlte;

D./ im Juli 2024 C* fremde bewegliche Sachen, mit dem Vorsatz sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern weggenommen, nämlich ein Mountainbike der Marke „G*“ im Wert von EUR 510,99;

zu Strafantrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 26. Oktober 2024 in ON 22.14

in 5020 Salzburg

B./ am 04.10.2024 und am 14.10.2024 C* gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht, um sie in Furcht und Unruhe iu versetzen, indem er seine Hand auf seinen Hals legte, als würde er sich würgen, während er in ihre Richtung blickte, wodurch er ihr zu verstehen gab, er werde sie umbringen.“

Dagegen richten sich die Berufung der Staatsanwaltschaft Salzburg wegen des Ausspruchs über die Strafe, mit der sie die Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe anstrebt sowie jene des Angeklagten wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld, die Strafe sowie die privatrechtlichen Ansprüche, die primär auf einen Freispruch, hilfsweise auf eine Herabsetzung der Strafe bzw die Verhängung einer (bedingten) Geldstrafe und der Probezeit auf ein Jahr sowie die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg abzielt.

Nur das Rechtsmittel des Angeklagten ist im spruchgemäßen Umfang berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Was die Reihenfolge bei der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe anbelangt, geht eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung einer Rüge wegen Z 10a des § 281 Abs 1 (§ 469 Abs 1) StPO vor.

I. Zur Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld:

Vorauszuschicken ist, dass die freie Beweiswürdigung als kritisch-psychologischer Vorgang begriffen wird, bei dem durch die Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390). Das Gericht prüft die im Verfahren vorgekommenen Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit (ob dasjenige, das durch ein Beweismittel zutage gefördert werden sollte, auch wirklich dadurch bewiesen wurde) und Beweiskraft (ob der durch das Beweismittel als bewiesen anzunehmende Umstand auch geeignet ist, die Sache, die er bestätigen soll, für wahr halten zu können) und kommt aufgrund des Ergebnisses dieses Vorgangs zur Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen – entscheidender – Tatsachen, die es im Urteil feststellt. Die Bewertung der Beweise hat unter Beachtung der Gesetze folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungswissens zu erfolgen. Nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse berechtigen das Gericht zu Tatsachenfeststellungen (RIS-Justiz RS0098362, RS0098471, RS0098445). Bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, ist oft der persönliche Eindruck der erkennenden Richter entscheidend. Dieser unmittelbare, lebendige Eindruck, der sich auch auf das Auftreten, die Sprache, die Ausdrucksweise und die Bewegungen einer Person stützen kann, lässt sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden und muss darum im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden ( Lendl in Fuchs/Ratz,WK StPO § 258 Rz 25 ff mwN). Der Zweifelsgrundsatz "in dubio pro reo" (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) stellt keine negative Beweisregel dar und verpflichtet das erkennende Gericht nicht, sich bei mehreren denkbaren Schlussfolgerungen durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336, RS0098400). Ebenso wenig ist es – dem Gebot gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – verhalten, auf jedes Detail sämtlicher Zeugenaussagen und sonstiger Beweise einzugehen, sondern nur in einer Gesamtschau aller Beweisergebnisse die entscheidenden Tatsachen zu bezeichnen und diese schlüssig sowie zureichend zu begründen, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (vgl RIS-Justiz RS0106642, RS0106295, RS0098541).

Auf diesen Prämissen aufbauend, hat das Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend begründet (US 9 ff), warum – aufgrund des in der Hauptverhandlung jeweils gewonnenen persönlichen Eindrucks – die belastenden Angaben der Zeugen C*, D* und E* als glaubhaft und nachvollziehbar eingestuft wurden, während es die Angaben des Angeklagten widerlegt sah. Dabei fiel auch ins Gewicht, dass der Angeklagte jede Verantwortung für den fortdauernden Konflikt ablehnte; Schuld seien alleine C* und ihr nunmehriger Ehemann, D*. Weiters behauptete er, C* habe die ihn belastenden und ihre Angaben bekräftigenden aktenkundigen Videos so geschnitten, dass der Kontext verfälscht sei. Demgegenüber erschien dem Erstgericht die Aussage des D* aufgrund dessen sachlicher Betrachtungsweise frei von Belastungs- und Übertreibungstendenzen zu sein. Auch er räumte ein, zunächst ein freundschaftliches Verhältnis zum Angeklagten gehabt zu haben, wobei sich dieses nach und nach aufgrund dessen offensiven Verhaltens verschlechtert habe (US 12).

Sofern der Berufungswerber ein anzunehmendes Abhängigkeitsverhältnis des Angestellten E* zur Arbeitgeberin C* releviert, gelingt es nicht, alleine damit Bedenken an der Validität der Aussagen dieses Zeugen zu erzeugen. Damit im Einklang standen vielmehr die Angaben von C* und D* (US 10). Daran ändert weiters nichts entscheidend, sollte dieser wie behauptet bei Behördenwegen durch C* – im Ergebnis erfolgreich - unterstützt worden sein (vgl dazu HV- Protokoll ON 35, Seite 10).

Soweit mangelnde objektive Nachweise zu den A./ 4., A./ 6., A./8 sowie B./ unterfallenden Schuldsprüchen releviert werden, ist unbedenklich an die Zusammenschau der Angaben der vernommenen Zeugen C*, D* und E* zu erinneren. Das Erstgericht begründete nachvollziehbar, dass diese übereinstimmend eine wiederholte Drohsituation im Wesentlichen zum Nachteil der Zeugin C* schilderten. Dabei ist hervorzuheben, dass das Erstgericht den Aussagen der Zeugen auch die verfügbaren Videos vom Inneren des Marktes gegenüberstellte und zum Ergebnis kam, dass die Aussagen der Zeugen mit der Gesamtinhalt der Videos zumindest augenscheinlich kongruent erscheinen (US 10). Zu B./ etwa ist im Video ON 9.2 erkennbar, dass der Angeklagte im Zuge einer aggressiv wirkenden Annäherung an die Zeugin C* Gegenstände zu Boden wirft.

Dass es sich bei den inkriminierten Äußerungen nicht einfach um milieubedingte Unmutsäußerungen gehandelt hat, eruierte das Erstgericht nachvollziehbar anhand des Wortlaut sder Äußerungen in Zusammenschau mit Gesten des „Halsabschneidens“ als auch mit dem zum Teil ausschließlichen wiederholten Zeigen der Geste des Halsabschneidens und des Würgens (gemeint der Adressatin). Ferner ist die Feststellung der Ernstlichkeit gerade auch in der wiederholten Tatbegehung begründet gewesen. Schließlich erfolgte auch die Bejahung der subjektiven Tatseite lebensnah und begründet. Videodokumentiert ist mehrfach eine bedrohliche Situation für die Zeugin C* insbesondere, wenn diese vor dem Angeklagten zurückwich (US 11). Davon abgesehen bliebt die Möglichkeit einer bloß alternativen Würdigung der Beweisergebnisse außer Betracht.

Gegen Schuldspruch D./ führt der Berufungswerber ins Treffen, es fehle an Nachweisen, dass er das Fahrrad „G*“ gestohlen habe; dieses gehöre vielmehr ihm. Allerdings legte das Erstgericht unbedenklich dar, dass es seine Feststellungen aus dem Umstand ableitete, dass die betroffenen Zeugen das Mountainbike als Eigentum der Privatbeteiligten wiedererkannten, wobei die subjektive Tatseite auch aus dem Umstand abgeleitet wurde, dass das Fahrrad vom Kellerabteil der C* ins Abteil des Angeklagten verbracht worden war, zu welchem nur er Zugang hatte. Das allgemeine Argument, wonach dem Angeklagten (ebenfalls ein grünes) Fahrrad geschenkt worden sei, reicht mangels sonstiger individualisierender Merkmale für indizierte Identität mit dem aus der Gewahrsame der Privatbeteiligten entwendeten auch nicht hin.

Der Schuldspruch hat damit Bestand.

II. Zu der Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit:

Einem diversionellen Vorgehen im Sinne des 11. Hauptstücks der StPO durch das Erstgericht stand ungeachtet der Frage nach weiteren Voraussetzungen einer solchen Vorgangsweise schon die fehlende Verantwortungsübernahme, damit auch spezialpräventiv ein Hemmnis entgegen, womit die Diversionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10a StPO) scheitern muss (vgl RIS-Justiz RS0116299, RS0126734).

III. Zu den Strafberufungen:

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) mildernd. Erschwerend berücksichtigte es das Zusammentreffen von insgesamt 12 Vergehen.

Das Argument des Angeklagten aufzugreifen, das Erstgericht habe in der Straffrage die milieubedingte Herkunft der Drohungen bzw. der Gesten sowie die äußeren Umstände nicht ausreichend berücksichtigt, käme einem Widerspruch zum Schuldspruch gleich; auch „kulturell bedingte Äußerungen“ stellen keinen sonstigen mildernden Umstand dar. Zutreffend eingefordert wird allerdings das Vorliegen von bloßem Versuch in diesem Teilbereich (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB).

Die Staatsanwaltschaft verweist demgegenüber auf das aggressive Verhalten des Angeklagten, die Tatbegehung über einen sehr langen Zeitraum gegen die ehemalige Lebensgefährtin und ihr nahestehende Personen und den Umstand, dass der Angeklagte trotz Kenntnis des gegen ihn bereits geführten Strafverfahrens noch weitere Tathandlungen setzte. Die Tatbegehung gegen die frühere Lebensgefährtin wirkt tatsächlich besonders erschwerend (§ 33 Abs 2 Z 2 StGB).

Alles in Allem verbieten schon die häufig wiederholten Taten - teilweise während bereits behördlicher Intervention, also während anhängigen Strafverfahrens, ebenso zu ergänzen – spezialpräventiv die Verhängung eine Geldstrafe; sie erfordern zugleich auch die Bestimmung der Probezeit mit drei Jahren. Der Strafausspruch ist daher in keiner Richtung zu korrigieren.

IV. Hingegen ist die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche im Recht:

Das Schmerzengeld hat die Aufgabe, eine Globalentschädigung für alle durch die eingetretenen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen zu gewähren (RIS-Justiz RS0031191 [T5]). Ausgehend vom Schuldspruch zu A./ und den korrespondierenden Feststellungen (US 9), wonach C* aufgrund des emotionalen Stresses infolge der festgestellten Vorfälle seit zwei bis drei Jahrenin psychiatrische Behandlung steht, sah das Erstgericht ausreichende Verfahrensergebnisse. Allerdings zeigen schon die korrespondierenden Angaben der Privatbeteiligten in der Hauptverhandlung vom 5. Februar 2025 (ON 45, S 40), dass die Therapie zeitlich vor den dem Schuldspruch unterworfenen Vorfällen einsetzte, mag dies auch im Zusammenhang mit den Konflikten mit dem Angeklagten stehen, wie sie darlegte; dennoch fehlt zum Teil die zeitliche und kausale Kongruenz zum Schuldspruch; zum anderen ist der Nachweis der Krankheitswertigkeit der Tatfolgen nicht mit den Mitteln dieses Strafverfahrens gelungen, weshalb der Zuspruch unter dem Titel „seelischer Schmerzen“ scheitert. Auch der Zuspruch an Sachschaden ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu treffen; dies am Maß der Positionen des Anschlusses ON 3 und den Ergebnissen des Hauptverfahrens (vgl S 29ff in ON 45), wonach nur bekannt wurde, dass mehrere Glasobjekte durch die Tat zu Bruch gingen, vermutlich nicht durch eine Versicherungsleistung gedeckt sein dürften, davon abgesehen jedenfalls die Privatbeteiligte selbst den konkreten Sachschaden – auf Nachfrage auch nicht in einer Art „Untergrenze“ gesichert mit EUR 50,00 – benennen konnte und sonstige etwa urkundliche Nachweise unterblieben. Daher musste insgesamt die Verweisung nach § 366 Abs 2 StPO erfolgen.