JudikaturOLG Linz

10Bs135/25m – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
21. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A*und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe gegen das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 11. März 2025, Hv1*-16, nach der in Anwesenheit des Ersten Oberstaatsanwalts EOStA Mag. Winkler, LL.M., der Angeklagten A* und B* sowie ihres Verteidigers Mag. Gartner durchgeführten Berufungsverhandlung am 21. Juli 2025

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben, bei A* die Freiheitsstrafe auf neun Monate erhöht und nach Ausschaltung des § 43 Abs 1 StGB gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von sechs Monaten unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen sodass der unbedingte Teil drei Monate beträgt; sowie bei B* nach Aufhebung des gemäß § 494a StPO gefassten Beschlusses die unbedingte Freiheitsstrafe auf fünf Monate erhöht.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II. beschlossen:

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der B* im Verfahren Hv2* des Landesgerichts Linz gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und nach Abs 6 leg cit die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am ** geborene A* der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der am ** geborene B* der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Unter Anwendung des § 28 StGB wurde nach § 105 Abs 1 StGB über A* eine unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von fünf Monaten und über B* eine (unbedingte) Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt. Unter einem wurde hinsichtlich B* gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der zu Hv2* des Landesgerichts Linz gewährten Strafnachsicht abgesehen.

Inhaltlich des Schuldspruchs haben am 15. November 2024 in **

1./ A* den C* durch Schläge mit einer 0,5-Liter Glasflasche in das Gesicht

a./ in Form einer Schnittwunde und einer Prellung im Gesicht am Körper verletzt,

b./ durch Gewalt zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen der Örtlichkeit, genötigt;

2./ B* den C*

a./ durch Faustschläge, die mangels Treffer zu keinen Verletzungen führten, sowie durch Umklammern des Halses in Form von Abschürfungen am Hals am Körper verletzt;

b./ durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von einer Verständigung der Polizei, zu nötigen versucht, indem er ihn aufforderte, den unter Punkt 1./ beschriebenen Sachverhalt nicht zur Anzeige zu bringen, andernfalls er zu ihm nach Hause kommen und ihn umbringen werde.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht hinsichtlich A* eine teilweise geständige Verantwortung und, dass sich dieser längere Zeit wohlverhalten habe, mildernd; erschwerend hingegen dreizehn einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen. Hinsichtlich B* wog ebenfalls eine teilweise geständige Verantwortung und, dass die Nötigung beim Versuch geblieben ist, mildernd; erschwerend demgegenüber drei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen von zwei Vergehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Anklagebehörde, die hinsichtlich beider Angeklagten eine Anhebung des Strafmaßes sowie hinsichtlich A* die Ausschaltung des § 43 Abs 1 StGB begehrt. Mit ihrer Beschwerde strebt die Staatsanwaltschaft betreffend B* den Widerruf der zu Hv2* des Landesgerichts Linz gewährten bedingten Strafnachsicht an (ON 20).

Die Berufung ist im Sinne der spruchgemäßen Erledigung berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 32 Abs 1 StGB ist die Strafbemessungsschuld tat- und täterbezogen zu beurteilen, wobei durch Präventionserwägungen im Rahmen der Strafbemessung im engen Sinne das Maß des Schuldangemessenen weder über- noch unterschritten werden darf (vgl Tipold in Leukauf/Steininger, StGB 4§ 32 Rz 9; RIS-Justiz RS0090600).

Zum Erstangeklagten :

Zunächst kann hinsichtlich A* kein auch nur teilweises Geständnis angenommen werden, weil dieser bis zuletzt die subjektive Tatseite in Abrede gestellt hat und ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung ob der vorliegenden Videoaufzeichnung ebenfalls nicht angenommen werden kann (vgl RIS-Justiz RS0091585).

Da der Erstangeklagte die Körperverletzung zum Nachteil des C* unter Verwendung einer Glasflasche, sohin unter Verwendung einer Waffe im funktionalen Sinn (vgl hiezu RS0093928), begangen hat, gelangt nicht nur gemäß § 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 1 StGB ein Strafrahmen von zwei Monaten bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe zur Anwendung, sondern ist auch der Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 2 Z 6 StGB heranzuziehen (vgl 11 Os 47/25h; RIS-Justiz RS0130193).

Hingegen vermag sich das Berufungsgericht der vereinzelten Rechtsansicht, wonach eine beim Täter bestehende Alkoholisierung erschwerend zu werten sei, nicht anzuschließen (vgl hiezu RIS-Justiz RS0090903; Riffel , WK 2StGB § 35 Rz 8 mwN).

Richtig ist, dass das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und jenes der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB unter dem Blickwinkel einer Aggressionsbereitschaft auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen können (vgl RIS-Justiz RS0091978, RS0091417). Allerdings ist eine Sachbeschädigung auch ohne Gewalteinwirkung auf eine Sache (z.B. durch „Sprayen“) denkbar, weshalb ohne nähere Informationen über die zu U* des Bezirksgerichts Mauthausen wegen § 125 StGB aufscheinende Verurteilung des Erstangeklagten diese Annahme nicht getroffen werden kann.

Zutreffend hinwieder das Berufungsvorbringen der Staatsanwaltschaft, wonach vom Erstgericht zu Unrecht ein längeres Wohlverhalten des Erstangeklagten veranschlagt wurde. So stellt das längere Zurückliegen einschlägiger Vorstrafen keinen Milderungsgrund dar. Lediglich als erschwerend zu wertende Vorstrafen können durch Zeitablauf an Bedeutung verlieren (vgl RIS-Justiz RS0091522).

Ausgehend von dem (unter Anwendung des § 39a Abs 2 Z 1 StGB) zur Verfügung stehenden Strafrahmen von zwei Monaten bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe, wird die vom Erstgericht ausgemittelte Freiheitsstrafe von fünf Monaten dem einschlägig massiv belasteten Vorleben des Erstangeklagten nicht gerecht. Auch eine gänzlich bedingte Strafnachsicht erweist sich unter diesen Prämissen als ungeeignet, A* von künftigen Straftaten abzuhalten. Es war daher die Freiheitsstrafe auf neun Monate anzuheben, wobei vor dem Hintergrund, dass die letzte Abstrafung in das Jahr 2018 zurückreicht, sowohl spezial- als auch generalpräventiv mit dem Vollzug eines Teils der Strafe im Ausmaß von drei Monaten das Auslangen gefunden werden kann.

Zum Zweitangeklagten:

Das Berufungsvorbringen, wonach eine Drohung mit dem Tod unter entsprechenden Begleitumständen eine Subsumtion unter den Verbrechenstatbestand der schweren Nötigung nach § 106 Abs 1 Z 1 (erster Fall) StGB rechtfertigen würde, orientiert sich nicht an den erstgerichtlichen Feststellungen und der Subsumtion des Verhaltens unter den Tatbestand des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB.

Richtig ist hingegen, dass sich beim Zweitangeklagten die Tatbegehung während offener Probezeit zusätzlich schuldaggravierend auswirkt (vgl RIS-Justiz RS0090597, RS0090954).

Hier darf nicht übersehen werden, dass selbst die zu Hv2* des Landesgerichts Linz hinsichtlich einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten gewährte bedingte Strafnachsicht den Genannten nicht von einer weiteren Straffälligkeit abzuhalten vermochte. Die (unbedingte) Freiheitsstrafe war auf fünf Monate anzuheben, um auch hier dem strafrechtlich belasteten Vorleben des Zweitangeklagten entsprechend Rechnung zu tragen.

Aufgrund der Abänderung des Strafausspruchs war zugleich der gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO gefasste Beschluss hinfällig und mit der neuen Straffestsetzung auch eine neue Entscheidung im Sinne des § 494a StPO zu treffen (vgl RIS-Justiz RS0101886).

Gemäß § 53 Abs 1 StGB hat das Gericht, wenn der Rechtsbrecher wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung verurteilt wird, die bedingte Strafnachsicht oder die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe zu widerrufen und die Strafe, den Strafteil oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn dies in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Wird die bedingte Strafnachsicht oder Entlassung nicht widerrufen, kann das Gericht die Probezeit, falls sie kürzer bestimmt war, bis auf höchstens fünf Jahre verlängern (§ 53 Abs 3 StGB).

Da sich der Zweitangeklagte nun erstmals mit dem Vollzug einer Haftstrafe konfrontiert sieht, erscheint es nicht zusätzlich zu dieser neuerlichen Verurteilung geboten, eine 21-monatige Freiheitsstrafe zu widerrufen. Vielmehr erweist sich eine Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre als ausreichend, um so einen längeren Beobachtungszeitraum nach weiteren strafbaren Handlungen zu gewährleisten. Dass diese nicht auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, steht dem nicht entgegen.

Mit ihrer Beschwerde ist die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.