4R5/25d – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Prantl als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schallhart und Mag. Eppacher als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei [richtig] A*gesellschaft m.b.H. , FN **, **, vertreten durch Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft OG in 6850 Dornbirn, wider die beklagte Partei B* AG , FN **, **, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, wegen ausgedehnt EUR 286.468,40 s.A., über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 4.11.2024, *-42, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Text
Begründung:
Zwischen den Streitteilen besteht ein Bauwesenversicherungsvertrag, aus dem die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von ausgedehnt EUR 286.468,40 begehrt.
Im Verfahren ist unter anderem strittig, ob und falls ja aufgrund welcher Ursache eine beim versicherten Bauvorhaben ursprünglich eingebaute Grundwasserwärmepumpe beschädigt wurde. Zur Beantwortung dieser Frage bestellte das Erstgericht über Antrag der Klägerin einen technischen Sachverständigen, der für sein schriftliches Gutachten vom 2.9.2024 (ON 26) Gebühren von brutto EUR 10.695,00 verzeichnete (ON 28). Diese Gebühren wurden mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom 29.10.2024 antragsgemäß bestimmt, wodurch der zuvor von der Klägerin geleistete Kostenvorschuss zur Gänze aufgebraucht wurde (ON 40).
Gemeinsam mit der für 20.2.2025 anberaumten Ladung übermittelte das Erstgericht dem Sachverständigen am 29.10.2024 die von beiden Parteien zum schriftlichen Gutachten eingebrachten Erörterungsanträge. Gleichzeitig ersuchte es den Sachverständigen um Übermittlung einer Kostenschätzung, damit rechtzeitig der Erlag eines weiteren Kostenvorschusses aufgetragen werden könne (ON 41).
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss trug das Erstgericht der Klägerin auf, binnen 3 Wochen für die mündliche Erörterung einen weiteren Vorschuss von EUR 6.500,00 (Vorbereitung, Anreise, Teilnahme, Rückreise) zu erlegen (ON 43).
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Klägerin aus den Rechtsmittelgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sowie der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, den Sachverständigen um eine Kostenschätzung für die mit der mündlichen Gutachtenserörterung verbundenen Kosten zu ersuchen und auf Basis dessen einen angemessenen Kostenvorschuss aufzuerlegen. Hilfsweise wird die Abänderung im Sinne einer Herabsetzung des Kostenvorschusses auf ein angemessenes Maß beantragt.
Zusammengefasst argumentiert die Rekurswerberin, das Erstgericht habe keine, zumindest keine für sie ersichtlichen Erhebungen zu den voraussichtlich anfallenden Kosten getätigt. Es sei daher davon auszugehen, dass das Erstgericht die dem Auftrag zu Grunde liegende Kostenschätzung im eigenen Ermessen vorgenommen habe. Zudem sei der Kostenvorschuss in der aufgetragenen Höhe nicht erforderlich.
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsmittel ist nicht erforderlich, weil der Rekurs unzulässig ist.
Rechtliche Beurteilung
1. Vorab ist zu erwähnen, dass über das Rechtsmittel nicht durch einen Einzelrichter, sondern in Senatsbesetzung zu befinden ist, weil mit dem angefochtenen Beschluss nicht über Sachverständigengebühren im Sinn des § 8a JN entschieden, sondern ein Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses erteilt wurde (RW0000879; RL0000125).
2. Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse voraus. Es ist nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Die Beschwer verlangt, dass der Rechtsmittelwerber durch die angefochtene Entscheidung in seinen Rechten, also in seiner materiellen oder prozessualen Rechtssphäre beeinträchtigt wird (vgl RS0002495; RS0041770). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Beschwer (RS0041868 [T14, T15]).
2.1 Der Adressat eines Erlagsauftrags ist nur dann beschwert, wenn bei Nichterlag eine beantragte Beweisaufnahme unterbleiben kann ( Annerl , Kostenvorschuss und Rechtsmittel, ÖJZ 2023/12, Seite 5f).
2.2 Durch die angefochtene Entscheidung ist die Klägerin aber nicht beschwert.
3. Der Auftrag zur Leistung eines Kostenvorschusses ist eine prozessleitende Verfügung im engeren Sinn; das Rekursverfahren ist daher einseitig ( Krammer in Fasching/Konecny³ § 365 ZPO Rz 31). Eine Rekursbeantwortung wurde ohnedies nicht erstattet.
4. Gemäß § 365 ZPO hat das Gericht dem Beweisführer den Erlag eines Kostenvorschusses zur Deckung der zu erwartenden Sachverständigengebühren aufzutragen. Während gegen die Beauftragung eines Sachverständigen und den Umfang dieses Auftrags ein abgesonderter Rekurs nach ständiger Judikatur nicht zulässig ist ( Schneider in Fasching/Konecny³ § 366 ZPO Rz 3; OLG Graz 4 R 109/20a = SV 2021, 160), kann ein Beschluss, mit dem der Erlag eines Kostenvorschusses aufgetragen wird, hinsichtlich seiner Höhe angefochten werden, wenn der Gesamtbetrag der einer Partei aufgetragenen Vorschüsse EUR 4.000,00 übersteigt (§§ 365, 332 Abs 2 ZPO).
4.1 Wird der nach § 365 ZPO aufgetragene Kostenvorschuss nicht rechtzeitig erlegt, kommt das Regelungsregime des § 332 Abs 2 ZPO zum Tragen. Demnach kann der Gegner des Beweisführers die Fortsetzung der Verhandlung unter Verzicht auf den Sachverständigenbeweis beantragen ( Spitzer in Kodek/Oberhammer , ZPO-ON § 365 ZPO Rz 10).
5. Davon ist der - auch hier vorliegende - Fall zu unterscheiden, in dem zwar das schriftliche Sachverständigengutachten bereits vorliegt, allerdings dessen mündliche Erörterung beantragt ist. In diesem Fall kann zwar das Gericht von den Parteien für die mündliche Gutachtenserörterung eine Ergänzung der Kostenvorschüsse fordern, darf aber die Anberaumung der Verhandlung zur Beweiserörterung nicht vom Erlag des ergänzenden Vorschusses abhängig machen ( Klauser/Kodek , ZPO 18 E 9 zu § 357 ZPO). Gemäß § 357 Abs 2 ZPO ist der Sachverständige nämlich nach Abgabe eines schriftlichen Gutachtens verpflichtet, sein Gutachten auf Verlangen mündlich zu erörtern. Die mündliche Erörterung eines schriftlichen Gutachtens bildet einen wesentlichen Teil des Sachverständigenbeweises (RW0000386; Krammer, aaO, § 365 ZPO Rz 17; Spitzer , aaO, § 357 ZPO Rz 4). Das Recht, eine Erörterung zu verlangen, kommt auch den Parteien zu (RS0040376; Braun in Höllwerth/Ziehensack , § 357 ZPO Rz 2). Nach der jüngeren Judikatur kann der Umstand, dass die mündliche Erörterung trotz gegenteiligem Antrag unterblieb, in der Hauptsachenentscheidung mit Verfahrensrüge bekämpft werden (6 Ob 216/14d; RS0040376 [T1]).
5.1 Nach diesen Grundsätzen erweist sich der Nichterlag des für die mündliche Erörterung eines schriftlichen Gutachtens aufgetragene Kostenvorschuss als sanktionslos. Das Gericht hat - unabhängig von der Leistung des Kostenvorschusses - den Sachverständigen zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung zu laden und mit diesem sein Gutachten mündlich zu erörtern. Durch den Nichterlag des Kostenvorschusses entstehen für die Partei, die dem Auftrag zum Erlag des Kostenvorschusses für die Erörterung nicht nachkam, somit keine Nachteile. Weder unterbleibt die Aufnahme des Sachverständigenbeweises, noch tritt in diesem Fall ein ruhensähnlicher Verfahrensstillstand ein. Vielmehr ist das Gericht (jedenfalls nach überwiegender Ansicht) gemäß § 362 Abs 2 ZPO verpflichtet, von Amts wegen dafür zu sorgen, dass ein beschlossenes Sachverständigengutachten vollständig abgegeben wird (RS0040604; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka 5 , § 360 362 ZPO Rz 6).
5.2 Von den unter 5.1 dargelegten Grundsätzen könnte allenfalls dann abzugehen sein, wenn die beantragte „Gutachtenserörterung“ in Wahrheit auf eine „Gutachtenserweiterung“ und damit im Ergebnis auf einen § 365 ZPO zu unterstellendem Fall abzielen würde. Eine nähere Untersuchung dieser Rechtsansicht kann unterbleiben, weil sich die Erörterungsanträge beider Parteien jedenfalls im Rahmen des (ursprünglichen) Gutachtensauftrags bewegen und damit von einer Erörterung, nicht aber einer „Erweiterung“ auszugehen ist.
6. Mangels Sanktionen bei Nichtbezahlung des ihr für die mündliche Gutachtenserörterung aufgetragenen Kostenvorschusses entfaltet der bekämpfte Beschluss für die Klägerin keine nachteiligen Folgen. Es hat auf die Rechtssphäre der Klägerin keinen Einfluss, ob die Entscheidung des Erstgerichts auf Leistung des Kostenvorschusses bestehen bleibt, ersatzlos behoben oder auf einen niedrigeren Betrag abgeändert wird. In Ermangelung einer Beschwer der Klägerin ist der Rekurs somit als unzulässig zurückzuweisen.
7. Nach § 528 Abs 2 Z 5 ZPO ist der Revisionsrekurs gegen Entscheidungen über die Gebühren der Sachverständigen jedenfalls unzulässig. Dieser Rechtsmittelausschluss gilt ebenso für einen Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses, und zwar auch bei einer rein formalen Entscheidung der zweiten Instanz (RS0044179).