8Bs209/25h – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer als Vorsitzenden und die Richter Mag. Scherr, LL.M., BA und Mag. Koller in der Strafsache gegen A* B* wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 17. April 2025, GZ **-37, nach der am 7. Oktober 2025 in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Dr. Kirschenhofer, des Angeklagten A* B*, des Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Kuntner und der Dolmetscherin Mag. Talanaj, MBA durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld wird nicht Folge gegeben.
In Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft wird über A* B* die für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt.
Der Angeklagte wird in Ansehung der Straffrage darauf verwiesen, im Übrigen wird seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* B* des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zur für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet. Gemäß § 20 Abs 3 StGB wurde der Betrag von EUR 15.701,38 für verfallen erklärt. Die Privatbeteiligte C* wurde (unangefochten) mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Demnach hat A* B* am 17. Oktober 2023 in ** einen Bestandteil seines Vermögens, nämlich seine 71/2874-Anteile der EZ ** KG **, mit welchen Wohungseigentum an der Wohnung Top 12 untrennbar verbunden ist, im Wert von zumindest EUR 21.938,28 durch schenkungsweise Übertragung an seine Ehegattin D* B* wirklich verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen, nämlich C*, vereitelt, wobei durch die Tat ein EUR 300.000,-- nicht übersteigender Befriedigungsausfall iHv zumindest EUR 15.701,38 herbeigeführt wurde.
Zu den Feststellungen, den beweiswürdigenden Erwägungen und den rechtlichen Ausführungen des Erstgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Urteilsseiten 2ff verwiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die „volle“ Berufung des Angeklagten (ON 36, 6), welche wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 4 und Z 9 lit a StPO iVm § 489 Abs 1 StPO) und wegen des Ausspruchs über die Schuld zur Ausführung gelangte (ON 39) sowie die zum Nachteil des Angeklagten erhobene Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 38).
Rechtliche Beurteilung
Lediglich dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft kommt Erfolg zu.
Zur Reihenfolge der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe ist voranzustellen, dass eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung einer Rüge wegen § 281 Abs 1 Z 4 StPO nachgeht, jedoch vor einer Rüge wegen § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO sowie einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zu behandeln ist ( Ratz, WK StPO § 476 Rz 9).
Entgegen der Verfahrensrüge (§ 489 Abs 1 iVm § 281 Abs 1 Z 4 StPO) wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten durch die Abweisung seines Antrags (ON 36, 4) auf (nochmalige) Einvernahme der Zeugin D* B* zum Beweis dafür, dass „für den Fall der beantragten Zwangsversteigerung auf die streitgegenständliche[n] Wohnungsanteile die Zeugin D* B* jedenfalls den Antrag auf Aussonderung gestellt hätte, da sie einerseits über ein dringendes Wohnbedürfnis an der gegenständlichen Wohnung verfügte und anderweitig nicht wohnversorgt war….[und] drei minderjährige Kinder [hat]“, nicht verletzt. Die begehrte Beweisführung ist für die Schuld- oder Subsumtionsfrage ohne Relevanz. Mit grundbücherlicher Durchführung des zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau abgeschlossenen Schenkungsvertrags wurde der Hälfteanteil des Angeklagten dem Zugriff der Gläubiger des Angeklagten endgültig entzogen. Auch bei gemeinsamem Wohnungseigentum von Partnern ist grundsätzlich eine Zwangsvollstreckung möglich und das Wohnungseigentum stellt tatbildliches Vermögen iSd § 165 StGB dar (vgl RIS-Justiz RS0112410). Das Gesetz sieht lediglich in § 13 Abs 3 WEG eine Sonderregelung für Sonderschulden eines Partners vor (Näheres siehe in den Ausführungen zur Rechtsrüge), wobei auch in diesem Fall eine exekutive Verwertung nur so lange nicht möglich wäre, als der Partner die Wohnung zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses benötigt. Zudem handelt es sich beim Beweisthema der (möglichen) Antragstellung eines (Wohnungseigentums-)Partners im Rahmen eines Exekutionsverfahrens – in Ermangelung eines tatsächlich in der Vergangenheit geführten Zwangsvollstreckungsverfahrens – um eine bloße Mutmaßung. Subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Mutmaßungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge sind jedoch nicht Gegenstand einer Zeugenaussage. Die vom Beweisantrag umfassten Mutmaßungen fallen daher nicht in den Rahmen eines – auf einen Bericht über sinnliche Wahrnehmungen von Tatsachen, die der Vergangenheit angehören, beschränkten – gerichtlichen Zeugnisses und scheiden als Beweisthema eines Antrags nach § 55 StPO aus (RIS Justiz RS0097540, RS0097545 und RS0097573; Kirchbacher , StPO 15 § 154 Rz 2; Ratz , WK StPO § 281 Rz 352). Ergänzendes Vorbringen in der Berufungsausführung ist mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrunds resultierende Neuerungsverbot unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).
Auch die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld ist nicht erfolgreich, zumal gegen die Richtigkeit der im Urteil erster Instanz enthaltenen Feststellungen keine Bedenken bestehen (zum Prüfungsumfang des Berufungsgerichts RIS - Justiz RS0132299). Nach Durchführung des Beweisverfahrens nahm die Erstrichterin auf Basis der vorliegenden Beweisergebnisse eine umfassende und nachvollziehbare Abwägung vor, die gemessen am Akteninhalt mit den Denkgesetzen der Logik in Einklang steht und unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Lebenserfahrung gut nachvollziehbar ist. Feststellungen zur Tatbegehung in objektiver Sicht konnte das Erstgericht in nicht zu beanstandender Weise auf die Aussagen der Zeugen C*, vorgelegte Urkunden und das eingeholte Sachverständigengutachten stützen und aus dem objektiven Geschehen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite ableiten (RIS-Justiz RS0116882). Dabei gestand der Angeklagte die Übertragung seines Hälfteanteils zugunsten seiner Ehegattin zu. Nachvollziehbar konnte das Erstgericht seine Einlassung, dies sei ausschließlich aufgrund familiärer Konflikte und ohne Zusammenhang mit einer drohenden Zwangsversteigerung erfolgt, als unglaubwürdige Schutzbehauptung qualifizieren und dies überzeugend mit der Vermögensübertragung kurze Zeit nach Erhalt eines Schreibens des Rechtsanwalts der C*, mit dem er auf die mögliche Exekution in Bezug auf seine Eigentumswohnung hingewiesen wurde, begründen. Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vermag insgesamt keine Bedenken an den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen zu erwecken.
Auch die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) bleibt erfolglos. Als Feststellungsmangel wird geltend gemacht, dass ungeachtet der Zeugenaussage der D* B* keine Konstatierungen zum gemeinsamen Wohnungseigentum sowie zum dringenden Wohnbedürfnis der Ehegattin des Angeklagten getroffen wurden. Dieser liegt nicht vor. Mit grundbücherlicher Durchführung des zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau D* B* abgeschlossenen Schenkungsvertrags vom 17. Oktober 2023 wurde der Hälfteanteil des Angeklagten dem Zugriff der Gläubiger des Angeklagten endgültig entzogen (wobei nach den Urteilsfeststellungen bei C* effektiv ein Befriedigungsausfall eintrat [US 4]; RIS-Justiz RS0115184). Auch bei gemeinsamem Wohnungseigentum von Partnern ist grundsätzlich eine Zwangsvollstreckung möglich, das Gesetz sieht lediglich eine Sonderregelung für Sonderschulden eines Partners vor. Nach § 13 Abs 3 WEG ist eine Zwangsvollstreckung auf Grund eines Exekutionstitels, der bloß gegen einen der Partner besteht, nur im Weg des mit der Pfändung des Anspruchs auf Aufhebung des gemeinsamen Wohnungseigentums zu verbindenden Antrags auf Zwangsversteigerung des gesamten Mindestanteils und des damit verbundenen gemeinsamen Wohnungseigentums zulässig und der Partner, gegen den kein Exekutionstitel besteht, kann gegen die Exekution Widerspruch erheben (§ 37 EO), wenn sich die Exekution auf das Wohnungseigentumsobjekt bezieht, das ihm zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient. Gemeinsames Wohnungseigentum von Partnern stellt somit tatbildliches Vermögen iSd § 165 StGB (vgl zu diesem Begriff RIS-Justiz RS0094739, Kirchbacher , WK 2 -StGB § 165 Rz 7; siehe auch RIS-Justiz RS0112410) dar, wobei der Umstand, ob ein Widerspruch iSd § 37 EO erhoben wird/würde, spekulativ ist und auch in diesem Fall eine exekutive Verwertung nur so lange nicht möglich wäre, als der Partner die Wohnung zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses benötigt. Der in der Rechtsmittelschrift als indiziert genannte Sachverhalt kann somit nicht die angestrebte rechtliche Konsequenz eines Freispruchs (vgl RIS-Justiz RS0112410) haben. Bei seinen weiteren Ausführungen orientiert sich der Rechtsmittelwerber nicht am festgestellten Sachverhalt; Gegenstand der Rechtsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 581).
Erfolg kommt der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe zu, mit der sie eine Anhebung des Strafmaßes unter Beibehaltung der bedingten Strafnachsicht anstrebt. Besondere Erschwerungsgründe liegen nicht vor. Mildernd ist ins Kalkül zu ziehen, dass der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB). Abstellend auf diesen Strafzumessungssachverhalt und unter Berücksichtigung des Erfolgsunwerts (Befriedigungsausfall in Höhe von zumindest EUR 15.701,38) ist (ausgehend von der Strafbefugnis des § 156 Abs 1 StGB: Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) die vom Erstgericht verhängte Sanktion nicht ausreichend, um dem konkreten Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Angeklagten angemessen Rechnung zu tragen. Schuld- und tatangemessen ist eine Freiheitsstrafe von acht Monaten. Da sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nur gegen das Ausmaß der Freiheitsstrafe, nicht aber gegen die bedingte Nachsicht richtet, war die Freiheitsstrafe jedenfalls bedingt nachzusehen.
Der Ausspruch des Verfalls gemäß § 20 Abs 3 StGB erfolgte zu Recht, weil auch ein Gegenstand, durch dessen (hier) Veräußern iSd § 156 Abs 1 StGB das Vermögen des Täters wirklich verringert und daher die Befriedigung eines Gläubigers vereitelt oder geschmälert wird, einen durch die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung erlangten Vermögenswert darstellen und solcherart dem Verfall unterliegen kann, und zwar auch beim Täter selbst, in dessen Eigentum der Gegenstand definitionsgemäß ("wer einen Bestandteil seines Vermögens") zum Tatzeitpunkt stand. Denn auch diesfalls wird der – in der Verhinderung des Gläubigerzugriffs auf die Sache gelegene – Vermögenszuwachs eben gerade durch nach § 156 StGB tatbildliches Verhalten bewirkt (14 Os 64/19x). Dass der Täter den durch Entzug eines Bestandteils seines Vermögens aus dem Befriedigungsfonds der Gläubiger bewirkten Vermögensvorteil nicht selbst lukriert hat, ändert daran nichts (14 Os 54/17y). Zumal gegenständlich keine Sicherstellung oder Beschlagnahme erfolgte und das Veräußern des Wohnungseigentumsanteils ohne Erhalt eines entsprechenden wirtschaftlichen Äquivalents (hier: Verschenken; siehe Kirchbacher , WK²-StGB § 156 Rz 11) ursächlich für den Befriedigungsausfall in Höhe von zumindest EUR 15.701,38 war, war dieser Betrag gemäß § 20 Abs 3 StGB für verfallen zu erklären.
Die Kostenentscheidung ist eine Folge der Sachentscheidung und gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.