4R138/25h – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richterinnen Dr. in Angerer (Vorsitz), Mag. a Zeiler-Wlasich und Dr. in Jost-Draxl in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Chauffeur, **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B* Ltd , **, Malta, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 18.747,43 samt Anhang, über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 18.747,43) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 17. Juni 2025, **-17, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.089,32 (darin EUR 348,22 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Text
Entscheidungsgründe:
Das beklagte Unternehmen mit Sitz in Malta verfügt über eine Glücksspiellizenz in jenem Staat, jedoch über keine Glücksspielkonzession in Österreich. Es bietet über seine auch in deutscher Sprache verfügbare Webseite ** auch in Österreich Online-Spiele an, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.
Der Kläger ist Verbraucher. Er spielte von Österreich aus bei der Beklagten zwischen 16. August 2016 und 9. Oktober 2024 zu privaten Zwecken virtuelle Walzenspiele und erlitt dabei einen Verlust von EUR 18.747,43.
Im Prozess begehrt der Kläger von der Beklagten EUR 18.747,43 samt 4 % Zinsen seit 10. Oktober 2024. Die Beklagte richte ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf Österreich aus. Es komme österreichisches Recht zur Anwendung; die in den AGB der Beklagten enthaltene Rechtswahl sei mangels Hinweises auf den Schutz durch zwingende Bestimmungen des Verbraucherrechts im Wohnsitzstaat des Klägers nichtig. Die abgeschlossenen Glücksspielverträge seien wegen des Verstoßes gegen das unionsrechtskonforme österreichische Glücksspielmonopol unwirksam. Der Spielverlust sei sowohl bereicherungs- als auch schadenersatzrechtlich rückforderbar.
Die Beklagte wendet ein, sie sei nach dem hier zur Anwendung gelangenden maltesischen Recht berechtigt, ihr Dienstleistungsangebot im Internet anzubieten. Das österreichische Glücksspielmonopol verletze EU-Primärrecht. Die österreichischen Glücksspielregelungen seien inkohärent. Die Werbepraxis der Konzessionäre sei aggressiv und ziele auf eine Ausweitung des bestehenden Marktes und nicht darauf ab, einer Ausweitung im Interesse des Verbraucherschutzes entgegenzuwirken. Die bisherige Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte zum Glücksspielmonopol sei überholt. Die Beklagte bestreitet auch den Beginn des Zinsenlaufs: Mangels früherer Fälligstellung bzw Mahnung seien Zinsen erst ab dem auf die Zustellung des europäischen Zahlungsbefehls folgenden Tag, somit ab 31. Dezember 2024, zuzusprechen.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtet das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 18.747,43 samt 4 % Zinsen seit 10. Oktober 2024 an den Kläger . Über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus trifft es im Detail die auf der Seite 2 seiner Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird.
Rechtlichgelangt es - stark verkürzt wiedergegeben - für diese Verbraucherstreitigkeit zur Anwendbarkeit österreichischen materiellen Rechts gemäß Art 6 Rom-I-VO, zur Konformität des österreichischen Glücksspielmonopols mit dem Unionsrecht, zur Unerlaubtheit und damit Unwirksamkeit der Glücksspielverträge zwischen den Streitteilen infolge Fehlens einer österreichischen Glücksspiellizenz der Beklagten und daraus resultierend zur Rückforderbarkeit der Spielverluste des Klägers. Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten Geldsumme seien Vergütungszinsen nach § 1333 ABGB. § 1000 ABGB sei in diesem Zusammenhang ganz generell als Pauschalierung des gewöhnlichen Nutzungsentgelts für Geld („Zinsen“) zu verstehen. Eine Einmahnung des geforderten Betrags für den Beginn des Zinsenlaufs sei nicht notwendig. Zinsen stünden dem Kläger ab dem Folgetag der letzten Einzahlung zu.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel. Sie beantragt – in eventu nach Verfahrensergänzung - die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung in gänzliche Klageabweisung; hilfsweise deren Aufhebung und die Zurückverweisung der Rechtssache zur Verfahrensergänzung (und neuerlichen Entscheidung) an das Erstgericht. Der Kläger erstattet eine Berufungsbeantwortung .
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt .
A. Zur Mängelrüge
1. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RIS-Justiz RS0043049). Verfahrensmängel sind nur dann beachtlich, wenn sie geeignet waren, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen (RS0043027). Ein primärer Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO kann überdies nur dann vorliegen, wenn das Erstgericht infolge Zurückweisung von Beweisanträgen andere als die vom Beweisführer behaupteten Tatsachen festgestellt hätte ( Pimmer in Fasching/ Konecny 3ZPO § 496 Rz 57). Hat das Erstgericht zum Beweisthema keine Feststellungen getroffen, könnte in der unterlassenen Beweisaufnahme - vorausgesetzt, diese wäre rechtlich relevant - nur eine sekundäre Mangelhaftigkeit (§ 496 Abs 1 Z 3 ZPO) liegen, die mit der Rechtsrüge aufzugreifen wäre und daher im Rahmen deren Erledigung zu behandeln ist.
2. Die Beklagte rügt die unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend die Werbe- und Marketingmaßnahmen der österreichischen Monopolisten. Sie habe aufgrund dieses Stoffsammlungsmangels nicht unter Beweis stellen können, dass das österreichische Glücksspielmonopol im Zeitraum der Spieleinsätze des Klägers nicht kohärent gewesen sei, da die Werbemaßnahmen nicht den strengen Kriterien des EuGH entsprochen hätten.
3. Das Verfahren ist nicht mangelhaft geblieben: Die von der Beklagten (nur allgemein) behaupteten Werbeeffekte (Ausweitung des Markts und Gewinn neuer Verbrauchergruppen; Verleiten zum Mitspielen; Ausrichtung des Marktverhaltens auf die Expansion des Glücksspielmarktes; Umsatzsteigerungen der österreichischen Monopolisten) führen nach der Rechtsprechung des EuGH (dazu unten) nicht zur Unionsrechtswidrigkeit der österreichischen Glücksspielregelungen. Konkrete relevante Feststellungen, die nach Einholung der beantragten Gutachten anstelle von getroffenen Feststellungen zu treffen gewesen wären, nennt die Beklagte nicht. Im Übrigen genügt zur Beurteilung der Ziele und der Wirksamkeit der Werbung der gemäß dem österreichischen Glücksspielmonopol konzessionierten Anbieter von Online-Glücksspielen - deren Werbung für legale Glücksspiele zielt jedenfalls darauf ab, Spieler von illegalen Glücksspielen fern zu halten - die Erfahrung des täglichen Lebens, sodass insoweit keine einem Sachverständigen- oder Zeugenbeweis zugängliche Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage vorliegt (RS0039926).
B. Zur Rechtsrüge
Das Berufungsgericht hält das Vorbringen in der Rechtsrüge der Beklagten für nicht stichhältig, hingegen die rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht für zutreffend, weil die Gesetzesdeutung durch das Erstgericht der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht. In der deshalb gebotenen Kürze (§ 500a ZPO) ist der Berufung nur noch das Folgende entgegenzuhalten:
1. Zum anwendbaren Recht
Die Anwendbarkeit von österreichischem Recht auf den vorliegenden Sachverhalt ist im Berufungsverfahren nicht weiter strittig.
2. Unionsrechtliche Grundlagen
2.1. Es steht den Mitgliedstaaten der Europäischen Union frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet des Glücksspiels festzulegen und das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen (EuGH C-98/14), wobei sie einen weiten Ermessens- und Gestaltungsspielraum haben. Solche Ziele, die Beschränkungen von Glücksspieltätigkeiten rechtfertigen, können unter anderem der Verbraucherschutz, die Verhinderung der Spielsucht und die Betrugsvorbeugung, aber auch die Verhütung von Störungen der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Sicherheit sein (EuGH C-920/19, vgl auch C-3/17, C-243/01, C-338/04, C-46/08 ua). Dass eine Beschränkung von Glücksspieltätigkeiten auch dem Haushalt des Mitgliedsstaats zugute kommt, darf nur eine Nebenfolge der Maßnahmen sein (EuGH C-67/98; C-243/01; C-98/14). Nationale Beschränkungen müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (EuGH C-338/04; C-46/08; C-316/07), sie müssen also geeignet sein, die Verwirklichung des zulässigen Ziels in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (EuGH C-98/14).
2.2. Die Prüfung der Unionsrechtskonformität der nationalen Rechtsvorschriften darf sich nicht auf den Norminhalt beschränken, sondern muss kumulativ - in einer Gesamtwürdigung der Umstände (EuGH C-390/12 ua) - auch die tatsächlichen Wirkungen der Durchführung dieser Vorschriften in die Beurteilung einbeziehen (EuGH C-243/01; C-258/08; C-347/09; C-464/15 ua). Das bedeutet aber nicht, dass das Vorhandensein von bestimmten Auswirkungen der nationalen Regelung „empirisch mit Sicherheit“ festzustellen wäre (EuGH C-464/15). Auch im Zusammenhang mit Werbemaßnahmen hat sich die Unionsrechtskonformität nicht allein am Norminhalt zu orientieren - so verpflichtet etwa § 56 Abs 1 erster Satz GSpG die Konzessionäre und Bewilligungsinhaber zur Wahrung eines verantwortungsvollen Maßstabs bei ihren Werbeauftritten -, vielmehr kommt es auf die tatsächliche Wirkung dieser Bestimmung an. Zuletzt setzte sich der EuGH in der Entscheidung vom 18. Mai 2021, C-920/19, Fluctus und Fluentum, neuerlich mit dem österreichischen Glücksspielmonopol auseinander und hielt fest, dass Art 56 AEUV einem dualen System der Organisation des Glücksspielmarkts nicht allein deshalb entgegensteht, weil die Werbepraktiken des Monopolisten für Lotterien und Spielbanken darauf abzielen, zu aktiver Teilnahme an den Spielen anzuregen, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen, erhöht wird.
2.3. Schließlich ist bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses entscheidend, sondern es kommt auch auf die danach zu bewertenden Auswirkungen an; der Ansatz der Prüfung der Verhältnismäßigkeit darf also nicht statisch, sondern muss dynamisch sein (EuGH Admiral Casinos C-464/15).
3. Innerstaatliche Rechtsprechung
3.1. In zahlreichen aktuellen Entscheidungen hält der Oberste Gerichtshof – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte ( VfGH G 161/2021 vom 24. Juni 2021; G 286/2019 vom 28. Februar 2020; E 945/2016 ua vom 15. Oktober 2016; VwGHRa 2021/17/0031 vom 17. März 2021; Ra 2018/17/0048 vom 11. Juli 2018; Ro 2015/17/0022 vom 16. März 2016 und andere) – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH fest, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im zum Teil auch hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt(vgl RS0130636 insbesondere [T7 = 1 Ob 229/20p]; jüngst 1 Ob 60/25t [Spielzeitraum bis Mai 2024]; 6 Ob 70/25z [bis Oktober 2023]; 8 Ob 54/25m [bis Februar 2024]; 6 Ob 215/24x [bis Jänner 2024]; 6 Ob215/24x [bis Jänner 2024]; 8 Ob 67/24x [bis Mai 2023]; 2 Ob 187/24z [bis Juni 2023] uvm.
3.2. Dass der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur deshalb keine Aussagekraft mehr zukomme, weil sie die aktuelle Werbepraxis der Konzessionsinhaber und das daraus folgende kontinuierliche Wachstum des österreichischen Glücksspielmarkts nicht berücksichtigt habe, überzeugt schon deshalb nicht, weil die Beklagte auch durch die in den vorgelegten Urkunden konkret dargestellten Werbebeispiele nicht konkret aufzeigt, inwieweit aus dieser behaupteten Praxis in jüngster Zeit Rückschlüsse gezogen werden können, dass es zu einer maßgeblichen Änderung jenes Sachverhalts gekommen wäre, der den genannten oberstgerichtlichen Entscheidungen zugrunde lag (vgl 1 Ob 229/20p; 1 Ob 174/21a; 7 Ob 213/21f). Im Übrigen überschreiten die in den Urkunden ersichtlichen Werbebotschaften und Slogans, welche zum Spielen animieren sollen, den europarechtlich gesetzten Rahmen für Werbepraktiken (vgl EuGH C-920/19, Fluctus und Fluentum ; siehe oben Punkt 2.2.) jedenfalls nicht.
3.3. Entgegen der Auffassung der Berufungswerberin geht damit auch keine Bindungswirkung an Tatsachenfeststellungen in den zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen einher. Auch wenn das Erstgericht an die dargestellte Rechtsprechung zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit nicht gebunden, sondern vielmehr gefordert war, diese selbst zu prüfen, durfte es sich dabei an der Judikatur der österreichischen Höchstgerichte orientieren. Aus der Entscheidung des EuGH C-920/19, Fluctus und Fluentum, ergibt sich nämlich kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (1 Ob 78/24p). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, legt die Berufungswerberin nicht dar (vgl 2 Ob 23/23f mwN). Die von ihr behauptete Feststellungslücke zum Thema Unionsrechtswidrigkeit liegt daher nicht vor.
3.4. Auch der Hinweis auf die Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 3 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof (G 259/2022) ändert an dieser Beurteilung nichts. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Bereich des Online-Glücksspiels und in dem System der Konzessionen nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweise Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken kann nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre (RS0130636 [T9] = 2 Ob 23/23f; 1 Ob 25/23t; 7 Ob 44/23f; 3 Ob 69/23b; 6 Ob 216/23t; 5 Ob 35/24v).
3.5. Auf die Argumentation von Jaeger (im Fachbeitrag Jaeger/Lanser, Das Bundesmonopol für das Online-Glücksspiel: Alles ausjudiziert?, ZfV 2020, 249) nahm der Oberste Gerichtshof bereits explizit in seiner Entscheidung 9 Ob 20/21p (unter Hinweis auf 1 Ob 229/20p, 5 Ob 30/21d, 3 Ob 72/21s) Bezug. Zur jüngst nach der Aufhebung des § 25 Abs 3 GSpG durch den VfGH veröffentlichen Lehrmeinung desselben Autors (Der Elefant im Casino: Österreichs verfahrenes Glücksspielrecht, wbl 2023, 481) genügt der Hinweis auf die zu Punkt B.3.4. der Berufungsentscheidung zitierte Rechtsprechungskette.
4. Die Berufungswerberin kritisiert schließlich den vom Erstgericht angenommenen Beginn des Zinsenlaufs mit dem Tag nach der letzten Einzahlung des Klägers (10. Oktober 2024) und strebt mangels vorheriger außergerichtlicher Einmahnung - unter Hinweis insbesondere auf die Entscheidung 5 Ob 115/23g - den Beginn erst mit dem Tag nach Zustellung des europäischen Zahlungsbefehls (laut Vorbringen 30. Dezember 2024 [richtig: 14. Jänner 2025]) an. Das Zinsenmehrbegehren für den dazwischen liegenden Zeitraum sei abzuweisen.
Dem ist zu entgegnen, dass der Kläger - anders als in dem zu 5 Ob 115/23g entschiedenen Fall [vgl dort Rz 23] - sein Zinsenbegehren erkennbar nicht auf einen Verzug der Beklagten, sondern auf den Eintritt von deren Bereicherung stützte. Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme sind sogenannte Vergütungszinsen (RS0032078; RS0031939). Diese gebühren im Fall unrechtmäßiger Bereicherung dem Entreicherten - unabhängig vom Eintritt des Verzugs - ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Bereicherung des Bereicherungsschuldners zumindest in Höhe der gesetzlichen Zinsen (§ 1000 Abs 1 ABGB). Selbst ein redlicher Bereicherungsschuldner hat – außer bei Vorliegen einer Gegenleistung – die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben. Die Nutzungsmöglichkeit des Kapitals ist inter partes dem Bereicherungsgläubiger zugeordnet. Es wäre daher nicht zu rechtfertigen, wenn die Schuldnerin den Nutzungsvorteil bis zum Einlangen eines Rückzahlungsbegehrens behalten könnte (vgl 10 Ob 2/23a vom 21.02.2023 [Rz 123ff]; 3 Ob 140/22t [Rz 61]; 7 Ob 10/20a; 4 Ob 46/13p). Dem Kläger gebühren daher Vergütungszinsen ab dem Eintritt der Bereicherung (vgl auch OLG Wien 14 R 44/24d). Da die letzte Einzahlung des Klägers auf dem Spielerkonto am 9. Oktober 2024 erfolgte, ist der Zinsenzuspruch des Erstgerichts ab dem Folgetag gerechtfertigt. Da die Klage am 5. Dezember 2024 eingebracht wurde, liegt der Zinsenzuspruch jedenfalls auch innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist.
C. Zur Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens
1. Der Oberste Gerichtshof kam insbesondere auch noch nach der Entscheidung des EuGH vom 18. Mai 2021 zu C-920/19, Fluctus und Fluentum , zum Ergebnis, dass die Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols abschließend beantwortet ist.
2. Auch nach Auffassung des Berufungssenats ist die Anregung der Beklagten auf neuerliche Befassung des EuGH mit dem österreichischen Glücksspielmonopol nicht aufzugreifen, weil die unionsrechtlichen Rechtsgrundsätze geklärt sind (vgl 9 Ob 64/25i; 5 Ob 13/24h; 7 Ob 152/23p; 7 Ob 71/23a; 6 Ob 200/22p).
D. Kosten und Zulassung
1. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat dem Kläger die richtig verzeichneten Kosten seiner Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
2. Die ordentliche Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, von der das Berufungsgericht nicht abweicht.