14Os103/25s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Strafsache gegen S* P* und andere Angeklagte wegen Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, §§ 148 zweiter Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten S* P* und C* P* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Juni 2025, GZ 51 Hv 39/24p 439.1, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallserkenntnis aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit seiner gegen den Verfallsausspruch gerichteten Berufung wird S* P* auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Entscheidung über die gegen den Strafausspruch und den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche gerichteten Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Den Angeklagten S* P* und C* P* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – S* P* und C* P* jeweils eines Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, §§ 148 zweiter Fall, 15 StGB schuldig erkannt .
[2] Danach haben S* P* und C* P* vom 31. Juli 2020 bis zum 6. September 2022 in Wien „im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter“ (vgl aber RISJustiz RS0117320) gewerbsmäßig und mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der A* GmbH durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe, im angefochtenen Urteil elf namentlich genannte Sport- und Kulturvereine zu betreiben sowie die beantragten Förderungen für vermeintliche Kosten der Vereine und zu Vereinszwecken aufzuwenden, obwohl sie die ausgezahlten Förderungen für private Zwecke verwendeten, vielfach zu Handlungen, welche die genannte Gesellschaft insgesamt im 300.000 Euro übersteigenden Betrag von 480.525,70 Euro schädigten oder schädigen sollten, verleitet und zu verleiten versucht.
Rechtliche Beurteilung
[3]Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten S* P* und C* P*, die sich beide auf Z 5, 9 lit a und 11, letztere auch auf Z 5a des § 281 Abs 1 StPO stützen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S* P*:
[4] Entgegen dem von der Mängelrüge erhobenen Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) hat das Erstgericht die in der Hauptverhandlung abgelegte Aussage des Beschwerdeführers zur Verwendung der Fördergelder keineswegs unberücksichtigt gelassen, jedoch mit mängelfreier Begründung als nicht glaubhaft verworfen (US 21 iVm ON 439, 24 ff; zu seiner sonstigen Verantwortung vgl im Übrigen US 19 ff).
[5] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich mit der Kritik, es fehlten Feststellungen zu einer Täuschung über den (tatsächlichen) Verwendungszweck der erschlichenen Fördergelder, nicht an der Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RISJustiz RS0099810). Abgesehen davon, dass nach diesem die gegenständlichen Vereine keine nennenswerte Tätigkeit in Österreich gesetzt hätten (US 9; vgl § 4 Abs 4 Z 1 NPO Fonds-Richtlinienverordnung kurz: NPO-Fonds-RLV), seien den Vereinen die angegebenen Kosten nicht angefallen und die „ausbezahlten Förderungen“ (tatplangemäß US 9 und 15 f) nicht zugekommen, sondern von den Beschwerdeführern „zu ausschließlich privaten Zwecken verwendet“ worden (US 11).
[6]Das weitere Vorbringen der Rechtsrüge erschöpft sich darin, die Feststellungen zu den Tatbildelementen der Täuschung und des durch diese hervorgerufenen, für die Vermögensverfügungen kausalen Irrtums nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung (vgl § 283 Abs 1 StPO) zu bekämpfen.
[7] Auch der Einwand, es fehlten Konstatierungen zum Täuschungsvorsatz des Beschwerdeführers lässt die gebotene Orientierung am Urteilssachverhalt (US 15 iVm US 22 f) vermissen (erneut RISJustiz RS0099810).
[8]Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) verstößt es nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), den (teilweise infolge Versuchs nur angestrebten) „hohen Schaden“ erschwerend zu werten (US 25). Schon das Übersteigen des Betrags von 300.000 Euro ist nämlich strafsatzbestimmend, weshalb jede größere Schädigung gemäß § 32 Abs 3 StGB straferhöhend wirkt (12 Os 92/06f; 14 Os 170/08v; 17 Os 14/16m; allgemein RISJustiz RS0099961, RS0091126, RS0100061).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten C* P*:
[9] Die Mängelrüge zeigt mit der unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) erhobenen Kritik an den Feststellungen zum auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz (US 15 iVm US 22 f) keine entgegenstehenden, unerörtert gebliebenen Beweisergebnisse auf (vgl aber RISJustiz RS0118316).
[10] Der auch in diesem Zusammenhang gegebene Hinweis auf spätere Fassungen der NPO-Fonds-RLV im Tatzeitraum legt nicht dar, inwieweit nach diesen Förderungsvoraussetzungen im hier relevanten Ausmaß anders gewesen seien (vgl im Übrigen zum Grundsatz „iura novit curia“ RISJustiz RS0130194).
[11] Die weitere Mängelrüge (nominell Z 5 erster, zweiter und dritter Fall) spricht mit dem (an sich zutreffenden) Einwand, aus den Feststellungen gehe unmittelbare Täterschaft der Beschwerdeführerin nicht (mängelfrei begründet) hervor, keine entscheidende Tatsache an (RISJustiz RS0013731), die allein den gesetzlichen Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes bildet (RIS-Justiz RS0117499).
[12] Die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite „aus dem äußeren Tatgeschehen“ (US 22 f) begegnet der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit, insbesondere auch mit Blick auf die leugnende Verantwortung der Beschwerdeführerin, keinen Bedenken (RISJustiz RS0116882 T1).
[13] Im Übrigen erschöpft sich die Mängelrüge, ebenso wie zum Großteil die Tatsachenrüge (Z 5a), im unzulässigen Versuch, den als nicht glaubhaft verworfenen Angaben der Beschwerdeführerin (US 16 ff) mit eigenen Beweiswerterwägungen zum Durchbruch zu verhelfen.
[14] Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) das Fehlen von „objektiven“ Beweisergebnissen moniert, bringt sie diesen Nichtigkeitsgrund nicht prozessförmig zur Darstellung (RISJustiz RS0128874).
[15] Die (beweiswürdigende) Argumentation, die Beschwerdeführerin habe „keinen finanziellen Nutzen“ (aus dem vorgeworfenen Verhalten) gezogen, bleibt angesichts der gegenteiligen Feststellungen (US 13 ff) unverständlich.
[16]Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) einerseits Feststellungen zum auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz der Beschwerdeführerin vermisst, diese (vgl US 15) andererseits bekämpft, verfehlt auch sie die Ausrichtung am Verfahrensrecht (erneut RIS-Justiz RS0099810).
[17] Zur Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) wird auf obige Beantwortung des inhaltsgleichen Vorbringens des Mitangeklagten verwiesen.
[18]Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[19]Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das Verfallserkenntnis nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) zum Nachteil der Angeklagten aufweist, die von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) wahrzunehmen war.
[20]Mit Verfall dürfen nur dem tatsächlichen Empfänger zugekommene Vermögens- und Ersatzwerte (§ 20 Abs 1 und 2 StGB) abgenommen oder in diesem Ausmaß ein Wertersatz ausgesprochen (§ 20 Abs 3 StGB) werden. Haben mehrere Personen Vermögenswerte rechtswidrig erlangt, ist bei jedem Empfänger nur das diesem Zugeflossene für verfallen zu erklären. Der Ausspruch einer Solidarhaftung mehrerer Angeklagter ist daher verfehlt (RISJustiz RS0129964). Genau das hat das Erstgericht jedoch der Sache nach getan, indem es bei jedem der beiden Angeklagten S* P* und C* P* einen Betrag von 311.669,70 Euro für verfallen erklärte (US 6), der nach den Feststellungen durch das gemeinschaftliche Handeln der beiden insgesamt betrügerisch herausgelockt wurde (US 9).
[21]Der Verfallsausspruch war daher zur Gänze aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (zur Zuständigkeit des Einzelrichters vgl § 445 Abs 2 letzter Satz StPO; RISJustiz RS0100271 T13, T14).
[22] Mit seiner das Verfallserkenntnis betreffenden Berufung war S* P* auf diese Entscheidung zu verweisen.
[23]Die Entscheidung über die gegen die Aussprüche über die Strafen und die privatrechtlichen Ansprüche gerichteten Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[24]Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit der amtswegigen Maßnahme verbundenen Kosten (RIS-Justiz RS0101558).