7Ob83/25v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des T* N*, einstweiliger Erwachsenenvertreter: Dr. R*, Rechtsanwalt, über die außerordentlichen Revisionsrekurse des Betroffenen, vertreten durch Christoph Trafoier, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht 1.) vom 16. Oktober 2024, GZ 42 R 399/24y-173 und 2.) vom 26. Februar 2025, GZ 42 R 32/25d-234, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Anträge, den außerordentlichen Revisionsrekursen hemmende Wirkung zuzuerkennen, werden zurückgewiesen.
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] 1. Nach Anregung durch die Schwester des Betroffenen bestellte das Erstgericht einen Rechtsanwalt zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter für bestimmte Angelegenheiten.
[2]Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, wies zwei Ergänzungen der Rekursschrift zurück und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu (7 Ob 83/25v).
[3] Der Betroffene richtete in der Folge eine Mehrzahl von Eingaben an das Erstgericht, in denen er die Beendigung der Erwachsenenvertretung und/oder die Übertragung auf einen anderen Erwachsenenvertreter beantragte.
[4] 2. Diese Anträge wies das Erstgericht – soweit Gegenstand des Revisionsrekursverfahren – ab.
[5] Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung der Anträge, wies eine Ergänzung der Rekursschrift zurück und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu (7 Ob 84/25s).
I. Zu den Revisionsrekursen
Rechtliche Beurteilung
[6]Die vom Betroffenen erhobenen Revisionsrekurse zeigen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf:
1. Zu 7 Ob 83/25v
[7]1.1 In zweiter Instanz bereits verneinte Mängel des Verfahrens sind grundsätzlich auch im Außerstreitverfahren in dritter Instanz nicht mehr anfechtbar (RS0030748 [T18]). Das Rekursgericht hat die Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens verneint.
[8]Zudem zeigt der Revisionsrekurs nicht auf, inwiefern die unterbliebene Verhandlung geeignet war, eine unrichtige Sachentscheidung herbeizuführen. Verfahrensverstöße bilden aber nur dann eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wenn sie abstrakt geeignet sind, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen (RS0043027 [T4]). Die Erheblichkeit des Mangels in diesem Sinn ist vom Rechtsmittelwerber auch im Außerstreitverfahren darzulegen.
[9]1.2 Gemäß § 271 Z 1 ABGB ist ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter nur zu bestellen, wenn eine volljährige Person bestimmte Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann. Ob ausreichend Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters vorliegen, ist immer eine individuell zu beurteilende Frage des Einzelfalls (RS0106166 [T12]).
[10] Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist der Betroffene aufgrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung nicht in der Lage, einzelne – im Beschluss angeführte – Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen.
[11] Mit der bloßen Behauptung, es sei davon auszugehen, dass seit der Enthebung des (damaligen) Sachwalters im Jahr 2013 keine relevante Änderung seines Gesundheitszustands eingetreten sei, zeigt der Revisionsrekurs keine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen auf. Andere Gründe, warum auf Basis der Feststellungen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Erwachsenenvertreters nicht vorlägen, macht der Betroffene nicht geltend.
2. Zu 7 Ob 84/25s
[12]2.1 Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist nach § 246 Abs 3 Z 3 ABGB unter anderem dann zu beenden, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung nach § 271 ABGB weggefallen sind. Über die Beendigung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung ist ein eigenes Verfahren zu führen (§ 128 Abs 1 AußStrG), das gemäß § 16 Abs 1 AußStrG dem Untersuchungsgrundsatz unterliegt. Es obliegt ausschließlich dem Gericht zu entscheiden, ob es weitere Erhebungsmaßnahmen für erforderlich hält (RS0132309). Ob eine gerichtliche Erwachsenenvertretung wegen Wegfalls der Voraussetzungen zu beenden ist, ist stets eine Frage des Einzelfalls (RS0106166 [T11]).
[13] 2.2 Der Revisionsrekurs lässt auch hier keine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen erkennen.
[14]Der Betroffene wendet ein, dass die von ihm vorgelegten Befunde nicht berücksichtigt worden seien und diese geeignet wären, das gerichtliche Sachverständigengutachten zu widerlegen. Abgesehen davon, dass sich sowohl das Erst- als auch das Rekursgericht mit den vom Betroffenen vorgelegten Befunden auseinandergesetzt haben, bekämpft er damit in unzulässiger Weise die vom Rekursgericht gebilligte Beweiswürdigung des Erstgerichts. Der Oberste Gerichtshof ist auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz (RS0108449 [T2]).
[15] Im Übrigen begegnet es keinen in dritter Instanz aufzugreifenden Bedenken, dass die Vorinstanzen aufgrund der Aktenlage übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass der Betroffene grundsätzlich einen Erwachsenenvertreter ablehnt und der Widerstand des Betroffenen unabhängig von der Person des bestellten Erwachsenenvertreters auch gegenüber einer anderen Person zu erwarten ist, weshalb eine Umbestellung nicht angezeigt ist. Spezifische, gegen die konkrete Person des bestellten Erwachsenenvertreters sprechende Gründe, werden auch im Revisionsrekurs nicht genannt.
II. Zu den Anträgen auf Zuerkennung hemmender Wirkung
[16]Gemäß § 43 Abs 1 AußStrG treten die Beschlusswirkungen erst mit der Rechtskraft ein. Nach § 44 AußStrG kann das Gericht einem Beschluss vorläufig Verbindlichkeit oder Vollstreckbarkeit zuerkennen, soweit es dies zur Vermeidung erheblicher Nachteile für eine Partei oder die Allgemeinheit für notwendig erachtet. Dem Beschluss, mit dem der gerichtliche Erwachsenenvertreter bestellt wird, kann gemäß § 125 AußStrG aber keine vorläufige Wirksamkeit zuerkannt werden.
[17] Die Entscheidung über die Zuerkennung kann geändert werden, wenn einem Rekurswerber erheblichere Nachteile drohen, die bei einem Erfolg seines Rekurses nicht beseitigt werden könnten.
[18]Sowohl der Ausspruch über die Zuerkennung vorläufiger Rechtswirksamkeit als auch die Abänderung haben von Amts wegen zu erfolgen. Den Parteien steht kein Antragsrecht zu, sie können eine Entscheidung nur anregen (6 Ob 218/15z [Punkt 4.2]).
[19]Die Anträge, den Revisionsrekursen hemmende Wirkung zuzuerkennen, richten sich im Ergebnis auf eine Abänderung eines Ausspruchs über die vorläufige Verbindlichkeit nach § 44 AußStrG. Da die Vorinstanzen ihren Beschlüssen keine vorläufige Verbindlichkeit zuerkannt haben, eine solche beim Bestellungsbeschluss nach § 125 AußStrG sogar ausgeschlossen ist, besteht kein Raum für eine Abänderung. Da kein Antragsrecht besteht, sind sie zurückzuweisen (vgl RS0122828).