JudikaturOGH

1Ob59/25w – OGH Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
09. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde M*, vertreten durch Dr. Frank Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei O*, vertreten durch Dr. Markus Fink, Rechtsanwalt in Bezau, wegen Unterlassung, Beseitigung, Feststellung und Zahlung von 4.462,01 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil und Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Februar 2025, GZ 3 R 152/24p 105, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 12. September 2024, GZ 4 Cg 46/22w 94, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten .

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ * KG M* mit dem öffentlichen Gut L*Straße sowie der Liegenschaft EZ * derselben KG mit der Grundstücksadresse W* 24. Die Beklagte ist Eigentümerin der daran angrenzenden Liegenschaft EZ * derselben KG mit der Adresse W* 22. Von dem auf dem Grundstück der Klägerin W* 24 errichteten Gebäude zu dem auf dem Grundstück W* 22 der Beklagten errichteten Haus hin weist die L*Straße ein Gefälle auf.

[2] Auf dem Grundstück der Beklagten verläuft eine Regenwasserrohrleitung entlang dessen Grenze zur L*Straße. In diese Leitung führt (unter anderem) der auf dem Grundstück der Beklagten gelegene Kanalschacht KS 3. Über diesen werden jedenfalls seit 1978 aus den vom Grundstück der Klägerin W* 24 und der L*Straße kommende Oberflächenwasser mittels Leitungen in die Regenwasserrohrleitung eingeleitet. Bis zum Jahr 2018 teilten weder die Beklagte noch deren Rechtsvorgänger der Klägerin mit, dass sie die Zuleitung von Straßenwasser und Wasser vom Nachbargrundstück unterlassen sollten. Die Klägerin war der Ansicht, sie sei berechtigt, das Wasser in den Kanal auf dem Grundstück der Beklagten einzuleiten.

[3] Im Juni 2022 kam es aufgrund starker Regenfälle zu einem Rückstau in der Kanalisation und zu einem Regenwassereintritt in die Tiefgarage des Gebäudes auf dem Grundstück W* 24 der Klägerin. Dadurch entstanden Schäden. Für das Abpumpen des Wassers, Maßnahmen zur Verhinderung des Zulaufs zur Tiefgarage und Schadensbehebungen wurden der Klägerin insgesamt 8.924,02 EUR in Rechnung gestellt.

[4] Zuvor hatte die Beklagte den Kanalschacht KS 3 abgestopft. Dies verursachte einen Rückstau in der L eitung, der zu d em Wasserrückstau auf das Grundstück der Klägerin W* 24 und in die L*Straße führte.

[5] Unmittelbare Ursache für den Wassereintritt in die Tiefgarage der Klägerin war ein entwässerungstechnischer Ausführungsmangel an der Tiefgarage, weil eine Rigolrinne unter der Rückstauebene des abführenden Regenwasserkanals lag. Es wäre daher zu Schäden auch dann gekommen, wenn die Beklagte den Schacht KS 3 vor dem Starkregenereignis im Juni 2022 nicht abgestopft hätte, allerdings nicht im gleichen Ausmaß. In welchem Ausmaß das Abstopfen das Ausmaß der Überflutung der Garage erhöhte, ist nicht feststellbar. Ohne den Ausführungsfehler der Rigolrinne wäre es durch das Abstopfen des Schachts ebenso zu einem Rückstau in die öffentliche Kanalisation und zu einem Wasseraustritt auf die L*Straße gekommen, nicht hingegen zu einem Wassereintritt über die Rigolrinne in die Tiefgarage.

[6] Das Abstopfen des Schachts KS 3 durch die Beklagte erhöht bei jedem Starkregenereignis das Risiko für das Auftreten von Rückstau in der Kanalrohrleitung, was einen verstärkten Wasserandrang auf die Leitungen auf d ie Liegenschaft der Klägerin zur Folge hat. Das Abstopfen führt daher früher und öfter zu einem Rückstau als ohne dieses Abstopfen des Schachts der Fall wäre.

[7] Die Abstopfung hat die Beklagte bislang nicht entfernt, eine Entfernung durch Mitarbeiter der Klägerin hat sie untersagt.

[8] Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Unterlassung von Einwirkungen von dem der Beklagten gehörenden Grundstück auf die ihr gehörenden Grundstücke und zwar der unmittelbaren Zuleitung von Oberflächenwasser über den Oberflächenwasserkanal, der entlang der Grundstücksgrenze zwischen der L*Straße und den „Liegenschaften“ W* 24 und W* 22 führt, wei ters die Beseitigung der Abstopfung des Schachtes KS 3 des Oberflächenwasserkanals der Klägerin entlang der L*Straße, die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche aus der Abstopfung entstehenden Schäden und letztlich Zahlung von 4.462,01 EUR sA an Schadensbehebungskosten.

[9] Soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich brachte sie dazu vor, die über das Grundstück der Beklagten führende Kanalisationsleitung bestehe seit mehr als 50 Jahren. Die Entwässerung der in ihrem Eigentum stehenden L*Straße erfolge seit jeher über diese Leitung. Sie habe die Dienstbarkeit der Führung des Oberflächenwasserkanals über dieses Kanalrohr im Grundstück der Beklagten ersessen. Die von diesereigenmächtig und widerrechtlich vorgenommene Abstopfung des Schachts KS 3 habe zur unmittelbaren Zuleitung von Oberflächenwässern auf die Grundstücke der Klägerin geführt und Schäden verursacht. Die Klageansprüche stützte die Klägerin auf §§ 364 Abs 2, 364a ABGB (analog) sowie die Beeinträchtigung des ersessenen Dienstbarkeitsrechts.

[10] Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage mit dem wesentlichen Vorbringen, die auf ihrem Grundstück gelegene Leitung sei erst in den Jahren 1993/94 errichtet worden, die Klägerin habe daher kein Dienstbarkeitsrecht ersessen. Die Abstopfung des KS 3 habe sie vorgenommen, weil im Jahr 2012 ohne ihre Zustimmung Leitungen von anderen Liegenschaften dorthin errichtet worden seien. Zu einer unmittelbaren Zuleitung auf die Grundstücke der Klägerin sei es nicht gekommen, die Oberflächenwässer stammten von den Grundstücken der Klägerin und gelangten ohne ihr Zutun auf die Straße und dann in Richtung des Grundstücks W* 24 der Klägerin. Das Eindringen von Wasser in die Tiefgarage sei auf d eren unsachgemäße bauliche Ausführung zurückzuführen.

[11] Das Erstgericht gab dem Beseitigungsbegehren statt , wies hingegen das Unterlassungs , Feststellungsund Zahlungsbegehren ab. Eine unmittelbare Zuleitung durch das Abstopfen des Kanalschachts KS 3 im Sinn des § 364 Abs 2 ABGB sei zu verneinen. Allerdings habe die Klägerin die Dienstbarkeit des Wasserleitungsrechts in Bezug auf die auf dem Grundstück der Beklagten verlaufende Rohrleitung ersessen. Das Beseitigungsbegehren sei berechtigt, weil die Klägerin die Beeinträchtigung der Dienstbarkeit durch das Abstopfen des Kanalschachts nicht hinnehmen müsse. Das Unterlassungsbegehren stelle auf eine unmittelbare Zuleitung ab, die nicht vorliege. Das Feststellungs und Zahlungsbegehren sei nicht berechtigt, weil primäre Schadensursache die baulichen Ausführungsmängel der Tiefgarage und nicht das Abstopfen seien.

[12] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, derjenigen der Klägerin hingegen teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Unterlassungs und Beseitigungsbegehren stattgab, die Abweisung des Feststellungsbegehrens bestätigte und hinsichtlich des Zahlungsbegehrens mit Zwischenurteil aussprach, dass dieses dem Grunde nach zu Recht bestehe. Rechtlich vertrat es die Auffassung, auf die Frage der Ersitzung der Wasserleitungsservitut komme es nicht an, weil aufgrund der Abstopfung des K S3 von einer unmittelbaren Zuleitung im Sinn des § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB auszugehen sei. Die Beklagte habe durch das Abstopfen des KS 3 aktiv in die seit Jahrzehnten bestehende Entwässerungssituation eingegriffen. Diese Maßnahme habe Einfluss auf das Schadensausmaß gehabt. Die Abstopfung sei eine„Veranstaltung“ im Sinn des § 364 Abs 2 ABGB, habe eine unmittelbare Zuleitung bewirkt und sei daher jedenfalls unzulässig. Daraus resultiere ein Unterlassungs und Beseitigungsanspruch der Klägerin. Das Feststellungsbegehren sei mangels Feststellungsinteresse abzuweisen. Hinsichtlich des Z ahlungsbegehrens ging das Berufungsgericht von summierten Einwirkungen aus, sodass die Beklagte der Klägerin für die Hälfte der aus den Schadensereignissen vom Juni 2022 entstandenen Schäden zu haften habe.

[13] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht mit insgesamt 30.000 EUR übersteigend, die Revision ließ es mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.

[14] Die Klagestattgebung in Ansehung des Unterlassungs und Beseitigungsbegehrens (zumal letzteres als „Punkt 2. des Berufungsurteils“ sehr wohl Gegenstand von Anfechtungserklärung und Anfechtungsantrag ist) und formal auch das Zwischenurteil bekämpft die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision mit dem Antrag, die Klage auch insoweit ab zu weisen.

[15] Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[16] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Ansprüche der Klägerin nach § 364 Abs 2 ABGB

[17]1.1. Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von seinem Grund ausgehenden Einwirkungen insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Eine unmittelbare Zuleitung ist nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig (RS0010528 [T1]).

[18]1.2. Eine unmittelbare Zuleitung im Sinn des § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB erfordert nach ständiger Rechtsprechung, dass sie durch eine „Veranstaltung“ bewirkt wird, die für eine Einwirkung gerade in Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich ist (RS0010635). Voraussetzung für eine „Veranstaltung“ in dem Sinn ist, dass durch den belangten Nachbarn eine Veränderung seines Grundstücks erfolgte (RS0010635 [T31]). Allerdings ist die Wendung „unmittelbare Zuleitung“ im zweitenSatz des § 364 Abs 2 ABGB nicht ausschließlich zielbezogen zu sehen. Auch wer eine Anlage errichtet, aus der unter bestimmten Voraussetzungen Wasser auf das Nachbargrundstück strömt, kann sich daher nicht auf Ortsüblichkeit berufen; eines „finalen zielgesteuerten Verhaltens“ bedarf es nicht (RS0010635 [T15]).

[19] 1.3. Demgemäß wurde etwa die unmittelbare Zuleitung durch einen künstlich hergestellten offenen Graben ebenso bejaht(RS0010635 [T7]) wie bei der Veränderung eines Regenabflussrohrs (Sickerschacht mit Kiesfüllung anstelle einer unterirdisch im Erdreich verlaufenden Schlauchleitung – 1 Ob 92/02i) oder bei erdbautechnischen Veränderungen eines höher gelegenen Grundstücks (Geländekorrekturen durch Aufschüttung und Planierungen), die zu einer Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse der Niederschlagswässer zum Nachteil des Unterliegers führten (1 Ob 263/06t).

[20] 1.4. In ihrer Revision argumentiert die Beklagte damit, die Klägerin selbst sei es, die eine unmittelbare Zuleitung auf das Grundstück der Beklagten vornehme. Das Berufungsgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob d iese unmittelbare Zuleitung schützenswert sei und sich die Klägerin auf eine unmittelbare Zuleitung des Unterliegers berufen könne, wenn ein Teil (nur) dieses Wassers auf ihr Grundstück zurückfließe. Zu dieser über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung.

[21] 1.5. Tatsächlich liegt zu dieser Frage bereits dieEntscheidung 1 Ob 64/12m (= RdU 2012/160, 261 [ zust Lang ] = ZVB 2012/90, 305 [zust Michl ]) vor, die einen vergleichbaren Sachverhalt betraf. Dort hatte der beklagte Eigentümer des tiefer gelegenen Grundstücks eine Mauer an der Grundstücksgrenze errichtet, die das vom höher liegenden Grundstück der Klägerin kommende Oberflächenwasser ab hielt . Dieses verblieb damit auf deren Grundstück, was bei starken Regenfällen zu Wasseransammlungen und Verunreinigungen auf den Vorplatz führte . Dazu kam es aber deshalb, weil die Klägerin zuvor auf ihrem Grundstück Baumaßnahmen ( Errichtung eines Gebäudes und eines Traufenwegs) gesetzt hatte, wodurch das auf ihr Grundstück gelangende Oberflächenwasser auf die Liegenschaft des Beklagten abgeleitet wurde. Der S enat ging davon aus, dass die Maßnahmen auf dem höher gelegenen Grundstückder Klägerin bereits eine gemäß § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB unzulässige unmittelbare Zuleitung bewirkt hätten, die der Beklagte nicht hinnehmen habe müssen. Dass der Beklagte eine Mauer errichtete, die dem von der Klägerin künstlich herbeigeführten Wasserabfluss auf sein Grundstück ein Ende setzte, sei zulässig, zumal der Klägerin dadurch keine anderen Nachteile erwachsen seien, als diejenigen, die sie auch hätte, wenn sie von einer Ableitung auf das Grundstück des Beklagten von vornherein Abstand genommen hätte. Die Kernauss ag en dieser Entscheidung sind auf den hier vorliegenden Sachverhalt übertragbar, zumal die Beklagte sich eben so darauf beruft, die Abstopfung des Kanalschachts KS 3 deshalb vorgenommen zu haben, weil die Klägerin zuvor unzulässig Oberflächenwasser in ihre Kanalleitung eingeleitet habe.

[22] 1.6. Von einer unmittelbaren Zuleitung des Oberflächenwassers von den beiden Grundstücken der Klägerin in die Kanalisationsleitung auf dem Grundstück der Beklagten ist hier auszugehen, wurden doch Regenwasser sowohl vom Grundstück W* 24 als auch von der L*Straße unter Verwendung von Leitungen gezielt in die auf dem Grundstück der Beklagten verlaufende Leitung geleitet. Soweit das Abstopfen des Kanalschachts KS 3 daher nur dem Zweck gedient haben sollte, die von den Grundstücken der Klägerin unmittelbar zugeleiteten Oberflächenwasser vom Grundstück der Beklagten fernzuhalten, wäre im Sinn der Entscheidung 1 Ob 64/12m von einer zulässigen Maßnahme auszugehen, wenn der Klägerin kein besonderer Rechtstitel für diese Zuleitung zukam. Damit kommt es aber rechtlich im Gegensatz zur A uffass ung des Berufungsgerichts sehr wohl darauf an, ob die Klägerin – wie sie behauptet – diese Wasserleitungservitut ersessen hat oder nicht.

2. Zur Ersitzung des Wasserleitungsrechts

[23]2.1. Gemäß § 497 ABGB ist derjenige, der das Recht hat, Wasser von fremden Grund auf dem seinigen oder von seinem Grund auf fremden zu leiten, auch berechtigt, die dazu nötigen Röhren, Rinnen und Schleusen auf eigene Kosten anzulegen. Das nicht zu überschreitende Maß dieser Anlagen wird durch das Bedürfnis des herrschenden Gutes festgesetzt. Demgemäß hat der mit einer solchen Servitut belastete Eigentümer jedenfalls erforderliche Instandsetzungsarbeiten an einerWasserversorgungsanlage zu dulden (RS0107735 [T1]). Das Recht der Wasserleitung nach § 497 ABGB umfasst auch das Recht, das dienende Grundstück zur Reinigung und Instandhaltung zu betreten, wozu auch die Überprüfung der Funktionstüchtigkeit zählt (RS0011812 [T1]). Dass die Beklagte – hätte die Klägerin diese Wasserleitungsdienstbarkeit ersessen – das Ableiten der Oberflächenwasser von der L*Straße und dem Grundstück W* 24 zu dulden hätte und das Betreten ihres Grundstücks zwecks Instandsetzung der Wasserleitung gestatten müsste, bedarf damit keiner weiteren Erörterung .

[24]2.2. Gemäß § 1460 ABGB wird zur Ersitzung nebst der Fähigkeit der Person und des Gegenstands „erfordert“, dass jemand die Sache oder das Recht, die auf diese Art erworben werden sollen, wirklich besitzt, dass sein Besitz rechtmäßig, redlich und echt sei und durch die ganze vom Gesetz bestimmte Zeit festgesetzt wurde. Wird die Ersitzung auf einen Zeitraum von 30 Jahren gestützt, bedarf sie gemäß § 1477 ABGB keiner Angabe des rechtmäßigen Titels. Nur die erwiesene Unredlichkeit des Besitzes schließt auch in diesem längeren Zeitraum die Ersitzung aus. Bei der – hier behaupteten – uneigentlichen (langen) Ersitzung hat der Ersitzungsbesitzer außer der Besitzausübung, die nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entspricht, daher nur noch die Vollendung der Ersitzungszeit zu beweisen, wobei es genügt, wenn der Bestand des Rechtsbesitzes am Beginn und Ende der Ersitzungszeit feststeht, während der Gegner einen in deren Verlauf eingetretenen Verlust des Besitzes oder eine Unterbrechung der Ersitzung zu beweisen hat, ebensodass der Besitz nicht redlich oder nicht echt gewesen sei (RS0034251).

[25] 2.3. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen werden in den Rohrkanal auf dem Grundstück der Beklagten über Leitungen Wasser aus den Grundstücken W* 24 und L*Straße der Klägerin über den K S 3 zumindest seit 1978 eingeleitet. Bis zum Jahr 2018 gab es keine Mitteilungen an die Klägerin, die Zuleitung von Straßenwasser und Wasser vom Nachbargrundstück zu unterlassen. E ine Unredlichkeit des Besitzes der Klägerin ist – abgesehen davon, dass es hiezu an Vorbringen der Beklagten im Verfahren erster Instanz mangelte – auszuschließen , weil das Erstgericht ausdrücklich feststellte, dass sie der Ansicht gewesen sei, dazu berechtigt zu sein, die Wasser in den Kanal auf dem Grundstück der Beklagten einzuleiten. Auf Basis dieser Feststellungen hat die Klägerin ihre Behauptungs und Beweislast zum Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen der uneigentlichen Ersitzung erfüllt; auf die Frage der Rechtmäßigkeit (des Vorliegens eines Titels) ist nicht abzustellen. Die Ersitzungszeit einer allfälligen Rechtsvorgängerin der Klägerin wäre gemäß § 1493 ABGB ohnedies einzurechnen.

[26] M it dem Erstgericht ist zusammengefasst davon auszugehen, dass die Klägerin die Servitut des Wasserleitungsrechts über das Grundstück der Beklagten (und damit auch hinsichtlich des Kanalschachts KS 3) ersessen hat.

3. Zur schonenden Ausübung dieser Dienstbarkeit

[27] 3.1. Gemäß § 484 ABGB kann der Besitzer des herrschenden Gutes sein Recht zwar auf die ihm gefällige Art ausüben; Servituten dürfen aber nicht erweitert werden, sie müssen vielmehr, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden. Aus diesem Schonungsprinzip folgt, dass sich der Dienstbarkeitsberechtigte solche Einschränkungen des Belasteten gefallen lassen muss, die die Ausübung der Dienstbarkeit nicht ernstlich erschweren oder gefährden. Eigenmächtige Maßnahmen, die die Ausübung der Dienstbarkeit ernstlich erschweren, braucht der Berechtigte aber nicht hinnehmen (RS0011740). Bei der Beurteilung, ob dem Dienstbarkeitsberechigten Erschwernisse zuzumuten sind, sind Natur und Zweck der Dienstbarkeit zu berücksichtigen (5 Ob 121/20k [ Pkt 1.1 mwN]). Der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und des Belasteten einer Dienstbarkeit ist in ein billiges Verhältnis zu setzen, wobei keine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Grundstücks entstehen darf (RS0011733). B ei mehreren Möglichkeiten der Zweckerreichung mussjene gewählt werden, die den Eigentümer am wenigsten belastet; die Belastung ist so gering zu halten, wie es der Zweck der Dienstbarkeit gerade noch erlaubt (1 Ob 220/21s [Rz 15 mwN; Wasserbezugsrecht]).

[28] 3.2. Diese Interessensabwägung rechtfertigt es nach den Feststellungen nicht, der Beklagten das Abstopfen des Kanalschachts KS 3 zu gestatten. Diese Abstopfung führt nämlich zu einem bei jedem Starkregenereignis erhöhten Risiko für das Auftreten von Rückstau und zu einem verstärkten Wassereindrang auf die Leitungen auf der Liegenschaft der Klägerin. Beim Starkregenereignis im Juni 2022 wäre es – selbst ohne die Ausführungsfehler im Bereich der Tiefgarage – jedenfalls aufgrund des Abstopfens zu einem Rückstau in der öffentlichen Kanalisation und zu einem Wasseraustritt auf die Straße gekommen. Demgegenüber konnte das Erstgericht Schäden im Bereich des Grundstücks der Beklagten und des darauf errichteten Hauses durch in die Leitungen auf deren Grundstück eingedrungene Schmutzwässer nicht feststellen. Die Behauptung in der Berufung der Beklagten, der Kanalschacht KS 3 sei desolat, wodurch es zu einem Eindringen des Oberflächenwassers auf das übrige Grundstück der Beklagten komme , war eine unbeachtliche Neuerung im Sinn des § 482 ZPO, weil es an Behauptungen dazu im Verfahren erster Instanz fehlte . Auch aus dem Schonungsprinzip des § 484 ABGB kann die Beklagte daher nicht für sich ableiten, zur Abstopfung des Kanalschachts KS 3 berechtigt zu sein, zumal dadurch das der Klägerin aufgrund der Ersitzung der Wasserleitungsdienstbarkeit zustehende Recht , die Oberflächenwasser in die Wasserleitung auf dem Grundstück der Beklagten einzuleiten, nicht nur erschwert, sondern sogar verhindert wird. Eine derartige Einschränkung der Wasserleitungsdienstbarkeit ist für die Klägerin unzumutbar und von dieser nicht hinzunehmen.

[29] 3.3 . Soweit das Erstgericht – das bereits von einer ersessenen Wasserleitungsdienstbarkeit ausgegangen war – das Unterlassungsbegehren unter Hinweis darauf abgewiesen hatte, dass es sich bei der Zuleitung der Beklagten nicht um eine unmittelbare Zuleitung handle, ist dem entgegenzuhalten, dass sich die unmittelbare Zuleitung hier daraus ergab, dass die Beklagte den Kanalschacht KS 3 verschloss, um das Abfließen der Oberflächenwässer von den Grundstücken der Klägerin entgegen der ihr zustehenden Wasserleitungsdienstbarkeit unmöglich zu machen und damit den Rückfluss dieser Oberflächenwässer auf die L*Straße und das Grundstück der Klägerin W* 24 unmittelbar bewirkte. A uchdas Unterlassungsbegehren hat das Berufungsgericht daher im Ergebnis als berechtigt angesehen (vgl 1 Ob 206/15y).

4. Zum Rechtsmissbrauch

[30] 4.1. In ihrer Revision meint die Beklagte, nach der Rechtsprechung (10 Ob 45/14m) sei von Rechtsmissbrauch auszugehen, wenn die Zuleitung von Oberflächenwasser nur bei starken Niederschlägen und auch nur dann im geringen Ausmaß erfolge.

[31] 4.2. Dass das Beseitigungsund Unterlassungsbegehren der Klägerin ausnahmsweise als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen wäre, weil sich die willkürliche Änderung der Abflussverhältnisse nur geringfügig auswirke und diese Folge kein Vernünftiger als nennenswerten Nachteil ansehe (vgl RS0121625) hat die Beklagte im Verfahren erster Instanz – wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhob – nicht behauptet. Dererstmals in der Berufung erhobene Rechtsmissbrauchseinwand verstieß daher gegen das Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO. Auf die diesbezügliche Beurteilung des Berufungsgerichts geht die Revision im Übrigen inhaltlich nicht ein, weshalb sich eine nähere Auseinandersetzung mit dem Schikaneeinwand erübrigt.

5. Zum Zahlungsbegehren

[32] Formal bekämpft die Beklagte auch das Zwischenurteil zum Anspruchsgrund betreffend das Zahlungsbegehren. Inhaltliche Ausführungen dazu, weshalb die Berufungsentscheidung insoweit unrichtig sein sollte, fehlen allerdings. Darauf ist somit nicht näher einzugehen.

[33] 6. Im Ergebnis ist der Revision daher letztlich kein Erfolg beschieden.

[34] 7.Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO. Bei Bestätigung eines stattgebenden Zwischenurteils kommt ein endgültiger Kostenzuspruch nicht in Betracht (RS0035896) und der Anspruch der Klägerin auf Kostenersatz hinsichtlich der mit dem Teilurteil zuerkannten Ansprüche ist vom Ausgang des Verfahrens über die noch offenen Anspruchsteile nicht unabhängig (vgl RS0085837).