9Ob59/25d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Korn, Dr. Stiefsohn, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner Helm in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch Mag. Gabriele Vierziger und Mag. Astrid Stöphasius, Rechtsanwältinnen in Bruck an der Glocknerstraße, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. J* als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der T*, vertreten durch die Lirk Spielbüchler Hirtzberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, und 2. O*, wegen Räumung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 13. März 2025, GZ 53 R 355/24y 42, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 10. Oktober 2024, GZ 17 C 103/23t 36, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 1.505,40 EUR (darin enthalten 250,90 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin als Verkäuferin und T* als Käuferin schlossen 2020 einen Kaufvertrag über die Liegenschaft *, die damals im Eigentum der Klägerin stand. In weiterer Folge war zwischen ihnen jedoch strittig, ob bestimmte Zahlungen der Käuferin auf den vereinbarten Kaufpreis anzurechnen sind und die Käuferin daher über den von ihr bereits gezahlten Betrag hinaus noch einen Restkaufpreis schuldet. Am 11. April 2021 wurde die – von ihr spätestens an diesem Tag beantragte – Vormerkung des Eigentumsrechts der Käuferin an der Liegenschaft bewilligt und mit dem Zusatz „(UB fehlt)“ im Grundbuch vollzogen. Die Rechtfertigung des für die Käuferin vorgemerkten Eigentums erfolgte im Juni 2024, vor Schluss der mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtsgang. Bereits am 15. Februar 2022 erklärte die Klägerin in einem von der Käuferin gegen sie geführten, auf Einwilligung in die Einverleibung ihres Eigentums an der Liegenschaft gerichteten Vorverfahren aufgrund des bislang nicht vollständigen „Kaufpreiserlages“ den Rücktritt vom Kaufanbot.
[2] Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang dem auf das Eigentum der Klägerin an der Liegenschaft gestützten Räumungsbegehren wegen titelloser Benützung durch die Käuferin infolge des Rücktritts der Klägerin vom Kaufvertrag und der erklärten Aufhebung eines mit der Käuferin und dem Zweitbeklagten geschlossenen Pachtverhältnisses betreffend ein auf der Liegenschaft befindliches Gasthaus statt.
[3] Das nur vom Erstbeklagten angerufene Berufungsgericht änderte die Entscheidung im Sinne einer Klagsabweisung ab. Der Klägerin fehle es im Hinblick auf die zum Schluss der mündlichen Verhandlung bereits erfolgte Verbücherung des Eigentums der Käuferin an der Aktivlegitimation zur Klagsführung.
[4]Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vorliege, ob sich ein Räumungskläger wie hier bei einer Klagsführung gestützt auf § 366 ABGB gegenüber dem verbücherten Eigentümer zum Nachweis seines Eigentumsrechts auf ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Beklagten und einen Rückabwicklungsanspruch ihm gegenüber berufen könne.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die Revision der Klägerin ist entgegen dem– den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[6] 1. Die Käuferin hat zum Schluss der Verhandlung im zweiten Rechtsgang unstrittig durch die Rechtfertigung ihrer Vormerkung bücherliches Eigentum an der Liegenschaft erworben. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, ob sich die Klägerin gegenüber der Käuferin darauf berufen kann, dass der Kaufvertrag infolge des von der Klägerin zwischen Vormerkung und Rechtfertigung erklärten Vertragsrücktritts unwirksam und sie daher – trotz der anderslautenden Grundbuchseintragung – nach wie vor Eigentümerin der Liegenschaft ist. Zu den sachenrechtlichen Folgen der Unwirksamkeit eines Titelgeschäfts in der hier vorliegenden Konstellation besteht aber bereits gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung, von der das Berufungsgericht nicht abgewichen ist:
[7] 2. Das Recht, die Herausgabe einer Sache von demjenigen zu begehren, der sie titellos benützt, gründet im Eigentumsrecht und steht daher dem Eigentümer zu, der die Innehabung der Sache verloren hat ( 4 Ob 320/00p). Die Räumungsklage wegen behaupteter titelloser Benützung einer Liegenschaft ist daher als Eigentumsklage nach § 366 ABGB zu qualifizieren. Der Kläger hat sein Eigentum und die Innehabung durch den Beklagten zu beweisen (RS0062419 [T4] ; 7 Ob 37/08d [Pkt 3.]).
[8]3. Richtig ist, dass für die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen sowohl ein gültiger Titel als auch die Eintragung in das Grundbuch erforderlich sind (Intabulationsprinzip). Die bücherliche Eintragung macht den nach den §§ 380 und 424 ABGB erforderlichen gültigen Titel daher nicht entbehrlich. Die Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Titels hindert demnach den Übergang des Eigentums an der Liegenschaft trotz der bücherlichen Eintragung. In einem solchen Fall ist der Käufer somit nicht Eigentümer der Liegenschaft. Darüber hinaus ist die Einverleibung im Grundbuch mit einem materiellen Fehler behaftet ( 4 Ob 188/19d [Pkt 1.3] mwN; RS0132902 ).
[9] So wie der beklagte Verkäufer im Räumungsverfahren dem Herausgabeanspruch des klagenden Käufers unter anderem die von Anfang an fehlende Eigentumsübertragung (ex tunc) wegen Unwirksamkeit des Titels entgegenhalten kann (vgl 4 Ob 188/19d [Pkt 2.2] mwN), kann sich auch der auf Räumung klagende Verkäufer einer Liegenschaft zum Nachweis seines Eigentums auf die behauptete Unwirksamkeit des Titels für die Eigentumsübertragung berufen. In diesem Fall kann sich der beklagte Käufer nicht auf die grundbücherliche Einverleibung seines Eigentumsrechts stützen ( 1 Ob 518/88 ).
[10] 4. Dies gilt aber nach der Rechtsprechung nur in jenen Fällen, in denen der maßgebliche Titel entweder bereits ursprünglich unwirksam war oder doch nachträglich mit sachenrechtlicher Wirkung ex tunc angefochten werden kann (vgl etwa 4 Ob 188/19d [Pkt 2.1 ff]: 7 Ob 669/87 [jeweils Nichtigkeit];1 Ob 518/88; 10 Ob 512/94; 8 Ob 62/11t [jeweils Unwirksamkeit wegen Geschäftsunfähigkeit]; RS0011105 [Anfechtung wegen Willensmängeln]; 5 Ob 231/98a [Aufhebung eines Enteignungsbescheides wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit ex tunc]). Nur eine sachenrechtlich rückwirkende (ex tunc) Aufhebung des Titels hat nämlich zur Folge, dass die Eigentumsübertragung vom Veräußerer auf den Erwerber ipso iure aufgehoben ist. Wirkt die Aufhebung (nur) schuldrechtlich zurück – wie im Fall eines Rücktritts oder einer Wandlung (vgl RS0018414 ) – entstehen dagegen bloß schuldrechtliche (bereicherungsrechtliche) Rückgabeansprüche des Veräußerers gegenüber dem Erwerber, die erst sachenrechtlich vollzogen werden müssen ( Holzner in Rummel/Lukas, ABGB 4 § 424 Rz 6; W agner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 424 ABGB Rz 60; ua). Ein – wie hier von der Klägerin erklärter – Vertragsrücktritt wirkt (auch für den Fall seiner Berechtigung) sachenrechtlich nicht zurück und hindert einen Eigentumsübergang bezogen auf einen davor liegenden Zeitpunkt nicht.
[11] 5. Die Vormerkung eines Rechts im Grundbuch führt zu einem durch die spätere Rechtfertigung bedingten Rechtserwerb. Die Rechtfertigung erfolgt durch den Nachtrag der noch fehlenden Voraussetzungen für die Einverleibung des vorgemerkten Rechts. Die Rechtfertigung der Vormerkung wirkt – wie sich aus § 49 GBG ergibt – ex tunc; dh das unbedingte Recht wird auf Grund der Rechtfertigung rückwirkend auf den Zeitpunkt der Einreichung des zur Vormerkung führenden Grundbuchsgesuchs erworben ( 5 Ob 39/92 ; RS0039319 [T2]; RS0060248 ; Höller in Kodek , Grundbuchsrecht 2 § 8 GBG Rz 15 f). Auch im Fall eines – wie hier – zwischen der grundbücherlichen Vormerkung des Eigentumsrechts des Käufers und deren Rechtfertigung erklärten Vertragsrücktritts bleibt daher der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein gültiger Titel für den Eigentumserwerb des Käufers an der Liegenschaft vorlag, jener der Vormerkung.
[12]6. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach der von der Klägerin erklärte Vertragsrücktritt nichts am Eigentumserwerb der Käuferin ändere, hält sich somit im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Einreichung des zur Vormerkung führenden Grundbuchgesuchs lag – unstrittig – ein gültiger Vertrag vor. Dieser wurde durch den späteren Vertragsrücktritt auch nicht sachenrechtlich rückwirkend beseitigt. Daran ändert es auch nichts, dass vom Grundbuchsgericht erst nach der Erklärung des Vertragsrücktritts über die Rechtfertigung der Vormerkung zu entscheiden war. Nach der bei der grundbücherlichen Eintragung der Vormerkung des Eigentums der Käuferin beigefügten Anmerkung stand einem unbedingten Eintrag nämlich nur mehr das Fehlen der Unbedenklichkeitsbescheinigung („UB“) entgegen. Damit war vom Grundbuchsgericht bei Bewilligung des Antrags auf Rechtfertigung nur noch das Vorliegen der Unbedenklichkeitsbescheinigung zu prüfen, nicht jedoch auch die übrigen Voraussetzungen des Rechtserwerbs (hier also das Vorliegen eines gültigen Titels für die Eigentumsübertragung an der Liegenschaft), weil ihr Vorliegen – bezogen auf den Zeitpunkt der Einbringung des ersten Grundbuchsgesuchs – zwischen den am Rechtserwerb beteiligten Personen schon rechtskräftig feststand (5 Ob 39/92; 5 Ob 231/15d [Pkt 4.]; 5 Ob 77/21s Rz 13 mwN).
[13]7. § 234 ZPO soll verhindern, dass sich eine Partei durch Veräußerung des Streitgegenstands an eine dritte Person ihrer Sachlegitimation entledigt und damit einen an sich berechtigten Anspruch des Gegners zum Scheitern bringt (vgl RS0039314 [T1, T2]). Entgegen der Revision widerspricht der Erwerb des unbedingten Eigentums durch die Käuferin aufgrund der während des Verfahrens erfolgten Rechtfertigung ihrer grundbücherlichen Vormerkung also nicht § 234 ZPO.
[14]8. Die Frage, ob sich der Räumungskläger bei einer auf § 366 ABGB gestützten Klagsführung grundsätzlich auf eine rechtsmissbräuchliche Eigentumseintragung des Gegners stützen könnte, begründet schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RS0088931 [T18]), weil das Berufungsgericht im Einzelfall (vgl RS0110900) vertretbar verneint hat, dass die Einverleibung des Eigentumsrechts durch die Käuferin rechtsmissbräuchlich erfolgt sei. Der Klägerin ist es insgesamt nicht gelungen, Gründe für einen– wie von der Rechtsprechung gefordert – krassen Ausnahmefall darzulegen, bei dem ihrem Interesse an der Räumung ein größeres Gewicht zukäme als dem – im Hinblick auf die Abwehr des Räumungsbegehrens ebenso legitimen – Interesse der Käuferin, das unbedingte Eigentum an der Liegenschaft zu erwerben (vgl RS0026265; RS0026271 [T19, T23, T24]).
[15]9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Erstbeklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Als Bemessungsgrundlage für die Revisionsbeantwortung war aber lediglich ein Betrag von 18.000 EUR heranzuziehen. Der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 ZPO hat keinen Einfluss auf die von der Klägerin nach § 56 Abs 2 JN vorgenommene Bewertung des Streitgegenstands. Dieser Betrag bleibt als Bemessungsgrundlage nach § 4 RATG (vgl RS0042617[T14]) weiter relevant. Weiters liegen die Voraussetzungen für den verzeichneten Streitgenossenzuschlag nach § 15 RATG nicht vor.