12Os79/25x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Artner in der Strafsache gegen * G* wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 7. März 2025, GZ 40 Hv 18/24s 37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * G* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 14. Oktober 2023 in L* die schlafende und solcherart wehrlose * N* unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vornahm, indem er sie vaginal mit zwei Fingern penetrierte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag des Angeklagten auf Einholung eines „psychiatrischen und toxikologischen Gutachtens“ zum Beweis dafür, dass „der Angeklagte die […] Handlung nicht begangen hat und die diesbezüglichen Schilderungen der Zeugin * N* auf eine Alkoholpsychose bzw. auf ihren alkoholbedingt beeinträchtigten Zustand zurückzuführen sind“ (ON 36 S 12), zu Recht der Abweisung (ON 36 S 12 f).
[5] Die mit dem Antragsvorbringen angesprochene Überzeugungskraft von Personalbeweisen (hier der Glaubhaftigkeit der Angaben einer Zeugin) obliegt der Beurteilung durch das Gericht (§ 258 Abs 2 StPO), wobei nur ausnahmsweise die Hilfestellung eines Sachverständigen in Betracht kommt (RIS Justiz RS0120634, RS0097733). Ein solcher Ausnahmefall wurde nicht dargetan.
[6] Im Übrigen ließ der Antrag offen, weshalb die angestrebte Einholung des bezeichneten Gutachtens das behauptete Ergebnis (Alkoholpsychose „bzw“ fehlende Glaubhaftigkeit des Opfers durch den „alkoholbedingt beeinträchtigten Zustand“) hätte erwarten lassen. Solcherart war er auf im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS Justiz RS0099353, RS0118444, RS0099453 [T1]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 330).
[7] Mit der Kritik an der Begründung des abweisenden Beschlusses entfernt sich die Rüge vom Prüfungsmaßstab des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0116749, RS0121628 [T1]).
[8] Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat angesichts des aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen (RIS Justiz RS0099618).
[9] Die Mängelrüge behauptet einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen dem „Urteilsspruch“ (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO, US 1), dem „kein Vorsatz des Angeklagten“ zu entnehmen sei, und den zur subjektiven Tatseite getroffenen Konstatierungen, wonach der Angeklagte bei der vaginalen Penetration „wusste“, dass das Opfer schlief und „es ihm geradezu darauf an[kam], dass er * N* unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht“ (US 4). Sie übersieht in ihrer Argumentation, dass das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteil (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) dann keinen Hinweis auf den Vorsatz des Angeklagten enthalten muss, wenn (wie hier betreffend § 205 Abs 1 erster Fall StGB) § 7 Abs 1 StGB einen zur Anwendung gelangenden Tatbestand ergänzt, gilt doch der Vorsatz diesfalls als „subintellegiert“ (RIS Justiz RS0089089; Ratz , WK StPO § 281 Rz 283; Lendl , WK StPO § 260 Rz 21; vgl im Übrigen auch RIS Justiz RS0117402).
[10] Soweit die Rüge eine Begründung der Feststellungen zur objektiven Tatseite (US 3) vermisst (Z 5 vierter Fall), die in den Entscheidungsgründen genau dazu angestellten Erwägungen des Erstgerichts (US 6 ff [11 ff]) aber übergeht, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS Justiz RS0119370).
[11] Dem Vorwurf der Scheinbegründung zuwider ist die Herleitung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 4) aus dem objektiven Tatgeschehen (US 21) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden und bei einem – wie hier – leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS Justiz RS0098671, RS0116882).
[12] Mit dem Hinweis auf die (von den Tatrichtern als Schutzbehauptung qualifizierte [US 6]) Verantwortung des Angeklagten und auf isoliert hervorgehobene (vom Erstgericht eingehend gewürdigte [US 6 ff]) Beweisergebnisse weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS Justiz RS0118780).
[13] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug darauf, dass „die Umstände, dass die Zeugin N* schlief, alkoholisiert war und zuvor zwei Mal erbrochen hat, ein Fehlen der partiellen Diskretions oder Dispositionsfähigkeit bewirkt haben“. Sie leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (siehe aber RIS Justiz RS0116565), weshalb die erstgerichtliche Konstatierung, wonach der Angeklagte mit dem Vorsatz handelte, das schlafende Opfer unter Ausnützung dieses Zustands zu missbrauchen (US 4, 21), für die Subsumtion nach § 205 Abs 1 erster Fall StGB nicht ausreichen sollte (RIS Justiz RS0102727 [T1], RS0095097 [T2]).
[14] Mit der Behauptung, der Angeklagte hätte von einem Einverständnis des Opfers „ausgehen“ dürfen, „in eventu“ sei er „dem Irrtum verfangen“ gewesen, setzt sich die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0099810) über die – gerade gegenteiligen – Urteilskonstatierungen (US 4, 21) hinweg.
[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[16] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[17] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.