JudikaturOGH

15Os45/25v – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
16. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juli 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Artner als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 6. Februar 2025, GZ 34 Hv 69/24w-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/), nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B/) und nach § 28a Abs 1 sechster Fall SMG (C/) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (D/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung des Rechtsmittels von Bedeutung – in K* und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

A/ in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge ein- und ausgeführt, indem er von 23. August 2020 bis März 2021 in mehreren Angriffen insgesamt 11.000 Gramm Cannabiskraut mit einem Wirkstoffgehalt von 0,42 % Delta-9-THC und 11,7 % THCA sowie 500 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 71,5 % Cocain bei Zugfahrten über das „deutsche Eck“ von Österreich über den Grenzübergang F* nach Deutschland aus- und über den Grenzübergang K* wieder nach Österreich einführte;

B/ in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar von 23. August 2020 bis Ende 2021 die zu A/ genannte Suchtgiftmenge an * D* sowie weitere 5.000 Gramm Cannabiskraut und 2.500 Gramm Kokain je mit dem zu A/ genannten Wirkstoffgehalt an unbekannte Abnehmer;

D/ von 23. August 2020 bis 4. Juni 2024 über die zu A/ bis C/ genannten Mengen hinaus wiederholt in Form von THCA, Delta-9-THC und Cocain ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.

[4] Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu A/ und B/ des Schuldspruchs haben sich die Tatrichter mit den als übergangen erachteten Angaben des Angeklagten und des Zeugen D* sowie mit den Chatprotokollen sehr wohl auseinandergesetzt (US 8 ff). Zur gesonderten Erörterung und Analyse sämtlicher Details waren sie mit Blick auf das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verpflichtet (RIS-Justiz RS0106642).

[5] Indem die Rüge aus diesen Verfahrensergebnissen eigene Schlussfolgerungen zu den Tatzeiträumen und zu den Suchtgiftmengen zieht und diese den Feststellungen gegenüberstellt, zeigt sie keinen Begründungsmangel auf, sondern versucht, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung anzugreifen (vgl RIS-Justiz RS0099599).

[6] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS-Justiz RS0116565), warum Grenzübertritte in einem „Korridorzug“ von den Begriffen Ein- und Ausfuhr im Sinn des § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG nicht erfasst sein sollten, obwohl der Gesetzeswortlaut diesbezüglich keine Einschränkungen vornimmt (vgl RIS-Justiz RS0110752, RS0088197 [T5]; 15 Os 8/17s [implizit zur Ein- und Ausfuhr von Suchtgift über das „deutsche Eck“]).

[7] Das weitere Vorbringen (nominell Z 10, inhaltlich Z 9 lit a), der Schuldspruch zu B/ und D/ betreffe dieselben Suchtgiftquanten und stelle daher eine Doppelbestrafung dar, orientiert sich prozessordnungswidrig (vgl RIS-Justiz RS0099810 [insb T25]) nicht an den Feststellungen, nach welchen der Beschwerdeführer zu D/ Suchtgift „über die bisher zu A./-C./ genannten Quanten hinaus“ (und nicht zum Überlassen, sondern) zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen hat (US 7).

[8] Auch soweit die Rüge zu B/ unter Bezugnahme auf das vorangegangene, einen Tatzeitraum bis zum 22. August 2020 abdeckende Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 27. April 2021, AZ 36 Hv 22/21v (US 4), einen Verstoß gegen das ne-bis-in-idem-Prinzip releviert (nominell Z 3 und 11, der Sache nach Z 9 lit b), hält sie nicht am konstatierten Sachverhalt fest. Denn danach begann die dem Schuldspruch zu B/ zugrunde liegende Tat (erst) am 23. August 2020 (US 5). Mit seiner eigenständigen, auf eine (im Urteil lediglich referierte) Zeugenaussage gestützten Berechnung zeigt der Beschwerdeführer keinen Nichtigkeitsgrund auf, sondern bekämpft abermals die Feststellungen zum Beginn der neuen Tat in unzulässiger Form nach Art einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[9] Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider kam die Verhängung einer Zusatzstrafe nach § 31 Abs 1 StGB zum genannten Urteil nicht in Betracht. Nach den Konstatierungen wurden nämlich nicht alle aktuellen Taten vor diesem begangen, weshalb insoweit eine gemeinsame Aburteilung bereits mit diesem früheren Urteil nicht möglich gewesen wäre (vgl Ratz in WK² StGB § 31 Rz 2). Eine „(partielle) Zusatzstrafe“ ist dem Gesetz fremd (vgl RIS-Justiz RS0090813 [T5, T19]).

[10] Das weitere sanktionsbezogene Vorbringen (nominell Z 10) macht nicht klar, inwieweit hier – mit Blick auf die Anwendung des § 19 Abs 4 JGG (vgl RIS-Justiz RS0134432) und des § 5 Z „6“ (gemeint: 6a) JGG (in Ansehung des Verfallsausspruchs) sowie die Annahme des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 1 StGB (US 3, 17 f) – eine konkrete Zuordnung erforderlich sein sollte, „welche Mengen als junger Erwachsener und welche Mengen als Erwachsener in Vertrieb gebracht wurden“.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[12] Ebenso im Einklang mit dieser bleibt klarzustellen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass zu D/ des Schuldspruchs – angesichts der Feststellungen zum ausschließlichen persönlichen Gebrauch (US 7) – jeweils die Privilegierung nach § 27 Abs 2 SMG anzuwenden gewesen wäre. Ein konkreter Nachteil für den Angeklagten ist durch diesen Rechtsfehler (Z 10) nicht eingetreten; im weiteren Verfahren wird von der richtiggestellten Subsumtion auszugehen sein (RIS-Justiz RS0118870, RS0129614).

[13] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[14] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.