8Ob133/24b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, *, vertreten durch Mag. Stefan Ebner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Univ. Prof. DI P*, Deutschland, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 418.492,22 EUR sA, über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 29.277,23 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 361.922,77 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. Juli 2024, GZ 2 R 73/24d 189, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 25. März 2024, GZ 1 Cg 84/17w 179, teilweise abgeändert wurde, sowie den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse 27.292,22 EUR) gegen den mit dem Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz verbundenen Beschluss, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen .
Den Revisionen beider Parteien wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird auch insofern an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt dem Erstgericht nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache vorbehalten.
Text
Begründung:
[1] Der Beklagte ist Architekt und Inhaber einer Architekturbüro GmbH. Er war seit 2013 Hälfteeigentümer einer in der Stadt Salzburg gelegenen, denkmalgeschützten ehemaligen Gestüthalle, welche er und sein mit ihm befreundeter Miteigentümer umbauen und parifizieren wollten, wobei der Beklagte den Obergeschoßbereich und einen kleinen Teil des Erdgeschoßes und der Freund das übrige Erdgeschoß nutzen wollte. Der Beklagte bewohnte in der Folge selbst mit seiner Familie einen Teil und hatte ursprünglich geplant, sein Unternehmen von München nach Salzburg zu bringen, was aber an den Verzögerungen beim gegenständlichen Projekt scheiterte. Er hatte im Bauprojekt ein Architektenbüro sowie für sich persönlich Wohnungen in Salzburg errichten wollen. Während der Vertragsanbahnung kommunizierte er über die Planung mit der Klägerin unter Verwendung der E Mail Adresse seines Architekturbüros.
[2] Der Beklagte beauftragte das nunmehr klagende Metallbauunternehmen während des bereits laufenden Umbaus anstelle eines ursprünglich damit befassten anderen Unternehmens mit der Ersatzvornahme der Errichtung einer im Obergeschoßbereich geplanten Metallfassade inklusive Schiebe-, Faltschiebe- und Drehelementen samt Unterkonstruktion. Laut dem – am 30. 6. 2016 von der Klägerin firmenmäßig und am 1. 7. 2016 vom Beklagten als Auftraggeber „als Privatperson“ unterfertigten – Vertrag („auf Basis Ihres Angebots, unserer Gespräche und der Baugenehmigung …“) wurde ein „Pauschalangebot/Fixpreis“ von 326.000 EUR zuzüglich USt, somit 391.200 EUR, vereinbart, wobei dies nach Pkt 3.4. des Vertrags „einen Fixpreis für die gesamte Baudauer dar[stellte]“. Primäre Vertragsgrundlage sei nach Pkt 3.1. des Vertrags „das gegenständliche Auftragsschreiben als Pauschale für die schlüsselfertige Übergabe der gesamten Metallischen Fassade inkl Schiebe-, Faltschiebe- und Drehelemente“, weiters die Pläne des Beklagten, „Künstlerische Leitdetails“, Energieausweis, Baugenehmigung und Behördenauflagen (Pkt 3.1.1.) sowie „der bestehende Rohbau“, das Angebot der Klägerin und die Gespräche mit dieser (Pkt 3.1.2.). Die Klägerin verpflichtete sich im Vertrag zu einem Arbeitsbeginn vor Ort im (bei Vertragsunterfertigung bereits verstrichenen) Juni 2016 und zur Fertigstellung spätestens am 30. 10. 2016.
[3] Die Klägerin stellte die Fassade nicht fertig; sie wurde an der Errichtung der metallischen Fassade inklusive Schiebe-, Faltschiebe- und Drehelemente samt Unterkonstruktion im vereinbarten Ausführungszeitraum durch mangelhafte und unvollständige Vorarbeiten des Beklagten maßgeblich gehindert. Zur Fertigstellung der Fassade notwendige Vorleistungen und Vorgewerke hatte der Beklagte zum Zeitpunkt des Beginns der Bauarbeiten der Klägerin nicht fertiggestellt und nicht näher definiert. Der Beklagte hatte weder eine Gesamtplanung zur Koordinierung der Gewerke aller im Bauprojekt beauftragten Werkunternehmer konzipiert noch genaue Zuständigkeitsregelungen zwischen den verschiedenen Werkunternehmen getroffen, sodass es zu zahlreichen Koordinationsproblemen zwischen den Gewerken kam. Durch diese fehlenden oder fehlerhaften Vorarbeiten des Beklagten konnte die Klägerin die bedungenen Leistungen nicht in Einem erfüllen, sondern nur etappenweise, was zu zeitlichen Verzögerungen des gesamten streitgegenständlichen Bauprojekts geführt hat. Die Klägerin konnte die bedungenen Leistungen durch die verspäteten Entscheidungen des Beklagten nicht in vollem Umfang im vertraglich vereinbarten Ausführungszeitraum erfüllen, sodass sie zum 15. 12. 2016 die Freigabe verschiedener Zusatzangebote für „von ihm gewünschte, teils geänderte Leistungen“ urgierte. Insgesamt legte die Klägerin dem Beklagten im Rahmen von zwölf Nachtragsangeboten dar, welche Leistungen zur vollständigen Herstellung der metallischen Fassade notwendig seien.
[4] Nachdem die Klägerin den Beklagten (auch) mit Schreiben vom 15. 12. 2016 auf aus ihrer Sicht ausstehende und fehlerhafte Vorgewerke und nicht beglichene Teilrechnungen aufmerksam gemacht hatte, forderte sie ihn zur Herstellung des zur Realisierung des Bauprojekts notwendigen Zustands sowie zur Begleichung der übermittelten Teilrechnungen und Freigabe von ausstehenden Nachtragsangeboten bis zum 16. 1. 2017 bei sonstigem Vertragsrücktritt auf. Sie erklärte am 12. 1. 2017 den Vertragsrücktritt im Umfang des zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllten Vertrags. Danach stellte sie die Bauarbeiten ein.
[5] Mit 5. 4. 2017 erstellte die Klägerin eine Schlussrechnung über insgesamt 418.492,22 EUR (bestehend aus 435.516,15 EUR netto, abzüglich Sondernachlass von 21.775,81 EUR netto, zuzüglich USt, ferner unter Abzug von fünf Abschlagszahlungen von zusammen 77.996,19 EUR). Der Beklagte beglich diese Schlussrechnung nicht.
[6] Das erbrachte Werk der Klägerin wies einen technischen Mangel auf, der die nachträgliche Anbringung eines Korrosionsschutzes erforderlich machte. Dazu beauftragte der Beklagte nach Einstellung der Bauarbeiten durch die Klägerin ein anderes Unternehmen, dessen Material und Lohnkosten dafür sich auf 29.277,23 EUR belaufen. Weitere technische Mängel der Leistungen der Klägerin waren nicht feststellbar.
[7] Die Klägerin begehrte am 7. 7. 2017 418.492,22 EUR samt unternehmerischen Zinsen als restlichen Werklohn gemäß Schlussrechnung. Sie brachte zusammengefasst vor, der Beklagte sei unternehmerisch tätig gewesen, indem Plangrundlagen aus seinem Architekturbüro übermittelt und Details von dort aus gesichtet und freigegeben worden seien. Dem Auftrag sei ein Anbot der Klägerin zugrunde gelegen, aus dem sich die beauftragten Leistungen im Detail ergeben hätten. Ein Pauschalpreis sei nicht vereinbart worden. Wenn doch, dann handle es sich um eine sogenannte „unechte Pauschale“, bei der nur der Werklohn für die konkret im beauftragten Angebot angeführten Leistungen pauschaliert worden sei. Trotz unzähligen Urgenzen, umfangreicher Korrespondenz und wiederholten Aufforderungen habe der Beklagte für die Bauausführung notwendige Entscheidungen (Details, Freigabe von Zusätzen und dergleichen) nicht rechtzeitig getroffen. Darüber hinaus sei die Klägerin von Beginn an durch fehlende und mangelhafte Vorleistungen des Beklagten behindert gewesen und habe deshalb ihre Leistungen auf der Baustelle nicht erbringen können, woraus ihr ein beträchtlicher Produktivitätsverlust entstanden sei. Im Laufe des Dezember 2016 habe sich dadurch ein für die Klägerin unzumutbarer Zustand ergeben, weshalb sie den Beklagten am 15. 12. 2016 aufgefordert habe, verschiedene Bedingungen zu erfüllen, damit eine sinnvolle Weiterarbeit möglich wäre.
[8] Da der Beklagte auf das Schreiben vom 15. 12. 2016 nicht reagiert habe, habe ihn die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 21. 12. 2016 nochmals unter Fristsetzung bis Jahresende und Androhung des Vertragsrücktritts im Umfang der noch nicht erfüllten Teile aufgefordert, die notwendigen Erklärungen abzugeben. Da die geforderten Bedingungen nicht fristgerecht erfüllt worden seien, sei der Vertragsrücktritt wirksam geworden, was die Klägerin dem Beklagten auch nochmals mit Schreiben vom 12. 1. 2017 mitgeteilt habe. Nicht sie sei in Verzug geraten, sondern der Beklagte.
[9] Die vom Beklagten geleisteten Abschlagszahlungen seien in der Schlussrechnung berücksichtigt.
[10] Der Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung der Klage und wandte zusammengefasst ein, er habe den Auftrag privat in seiner Eigenschaft als Verbraucher im Sinne des KSchG erteilt. Er habe selbst seinen Hauptwohnsitz im Objekt gehabt und Wohnungen für sich und andere Familienmitglieder geplant. Für die schlüsselfertige Übergabe der Gesamtfassade sei ein Pauschalpreis vereinbart worden. Auch die in den Nachtragsangeboten vorgesehenen Leistungen wären bereits von den im Vertrag definierten Pflichten der Klägerin erfasst gewesen. Die Klägerin habe die Fassadenarbeiten nicht sach- und fachgerecht ausgeführt. Es sei unrichtig, dass er Entscheidungen nicht rechtzeitig getroffen habe oder die Klägerin alleine aufgrund mangelhafter Vorleistungen ihre Arbeiten nicht fristgerecht durchführen habe können. Tatsächlich sei diese selbst in Verzug gewesen. Sie habe ihr Gewerk nicht fertiggestellt und sei in rechtswidriger und schikanöser Art und Weise vom Vertrag zurückgetreten.
[11] Gegen eine allenfalls zu Recht bestehende Klageforderung wendete der Beklagte Gegenforderungen von insgesamt 294.805,08 EUR aufrechnungsweise ein. Eine weitere Gegenforderung ergebe sich aus den Kosten des Beweissicherungsverfahrens von 4.325,60 EUR.
[12] Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 389.214,99 EUR samt unternehmerischen Zinsen seit 26. 5. 2017, sprach aus, dass die eingewandte Gegenforderung von 294.805,08 EUR nicht zu Recht bestehe und wies das Mehrbegehren von 29.277,23 EUR ab. Mit in das Urteil aufgenommenem Beschluss wies das Erstgericht die weitere Gegenforderung von 4.325,60 EUR wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Es behielt sich die Kostenentscheidung nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache vor.
[13] Die Klägerin sei aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Beklagten berechtigt nach § 1168 Abs 2 ABGB zurückgetreten, weshalb sie Anspruch auf den in Abs 1 Satz 1 leg cit statuierten gemäßigten Werklohnanspruch habe, der sich auf 418.492,22 EUR belaufe. Etwaige Kosten und Vorteile, die sich die Klägerin infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt habe, seien hier nicht anzurechnen, zumal sich der Leistungsumfang der Klägerin durch zahlreiche Zusatzleistungen und Nachtragsangebote erweitert habe und hierdurch Mehrkosten entstanden seien. Der Mangel des Werks reduziere den Klagsanspruch um die Behebungskosten von 29.277,23 EUR. Mangels Verzugs der Klägerin stehe der Beklagten kein Pönale zu. Eine Überzahlung des Beklagten sei aus den Feststellungen nicht ableitbar.
[14] Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht und der des Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte teilweise das Urteil als Teilurteil mit der Maßgabe, dass es einen dreigliedrigen Spruch fasste, mit dem es die Klagsforderung als mit 391.200 EUR zu Recht, die mit 294.805,08 EUR eingewandte Gegenforderung als mit 29.277,23 EUR zu Recht und als mit 265.527,85 EUR nicht zu Recht bestehend erkannte und den Beklagten zur Zahlung von 361.922,77 EUR samt 4 % Zinsen seit 26. 5. 2017 verpflichtete. Das Mehrbegehren von 29.277,23 EUR samt Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 9,2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sowie weiteren Zinsen aus 389.214,99 EUR in Höhe von 5,2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils seit 26. 5. 2017 wies es ab. Im Umfang des restlichen Klagebegehrens von 27.292,22 EUR samt 4 % Zinsen seit 26. 5. 2017 hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts auf und trug ihm die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Zurückweisung der Gegenforderung von 4.325,60 EUR bestätigte es mit in sein Urteil aufgenommenem Beschluss.
[15] Die Klägerin mache ihren Werklohnanspruch nach Teilrücktritt geltend und lege diesem ersichtlich eine Abrechnung zugrunde, welche die bis zum Rücktritt erbrachten Leistungen bei der Fassadenerrichtung nach den aus ihrem Letztstandsangebot ersichtlichen Einheitspreisen und die dort beschriebenen Leistungen als Schuldinhalt verrechne und Leistungsänderungen gegenüber diesem als Nachträge hinzurechne. Eine Rückabwicklung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil das von der Klägerin bereits erbrachte Teilgewerk gar nicht vom Rücktritt erfasst werde und insoweit daher der Vertrag aufrecht bleibe. Die Teilbarkeit ihrer Leistung und damit die (grundsätzliche) Zulässigkeit eines Teilrücktritts sei unbestritten geblieben.
[16] Nach dem klaren Wortlaut des Vertrags, hinsichtlich dessen keine der Parteien einen davon abweichenden natürlichen Konsens behauptet hätte, sei der Werklohn insgesamt als Pauschale für die schlüsselfertige Übergabe der gesamten metallischen Fassade festgelegt und Schiebe-, Faltschiebe- und Drehelemente würden nur als Inklusivleistungen angeführt; der Preis werde als Fixpreis für die gesamte Baudauer mit einem konkreten Betrag benannt. Habe sich die Klägerin zur Herstellung der gesamten Fassade zu einem Pauschalpreis verpflichtet, so trage sie das Mengenrisiko und das Vollständigkeitsrisiko für die vereinbarte Ausführung. Sollte sich die Ausführung aber ändern oder sollten Erweiterungen stattfinden, so wäre dies nicht von der Pauschalpreisvereinbarung umfasst.
[17] Gemäß § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB gebühre dem Unternehmer, wenn die Ausführung des Werks unterbleibe, gleichwohl das vereinbarte Entgelt in seiner Gesamtheit, wenn er zur Leistung bereit gewesen und durch Umstände, die auf Seiten des Bestellers lägen, daran verhindert worden sei. Er müsse sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt habe. Der Beklagte habe im Verfahren keine Behauptungen darüber aufgestellt, dass und was sich die Klägerin durch das (teilweise) Unterbleiben der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hätte. Ob der Beklagte als Verbraucher hier schützenswert wäre, sei nicht weiter zu vertiefen, weil er keinen Einwand nach § 27a KSchG erhoben habe. Der Umstand, dass die Klägerin den Einwand des Beklagten vorweggenommen und der Abrechnung (nach Einheitspreisen) nur das von ihr auch errichtete Teilgewerk zugrundegelegt habe, hätte den Beklagten nicht von seiner Behauptungs- und Beweislast dafür enthoben, dass sich die Klägerin durch das Unterbleiben der Ausführung des Werks noch mehr erspart habe. Der Fertigstellungsgrad bleibe einerseits mangels eines Einwands einer Ersparnis und andererseits der getroffenen Pauschalpreisvereinbarung unbeachtlich. Soweit der Klagebetrag im Anspruch der Klägerin Deckung finde, komme es auch nicht auf dessen richtige Berechnung an. Die Klägerin sei zu Recht nach § 1168 Abs 2 ABGB vom Vertrag zurückgetreten.
[18] Schikane oder Sittenwidrigkeit des Rücktritts und seiner Umstände oder der dem Beklagten gesetzten Fristen lägen auch bei Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht vor; die Klägerin sei vor dem Rücktritt auch nicht zu Sanierungen aufgefordert worden. Zudem sei auch eine schwerwiegende Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners und die daraus abzuleitende Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag zu bejahen. Die Klägerin könne nach § 1168 Abs 1 ABGB den hier vereinbarten und auch fälligen Pauschalpreis von 391.200 EUR inkl USt fordern. Ihre höhere Forderung habe sie aber auch mit Nachträgen und Zusätzen begründet; nachträgliche Änderungen und Ergänzungen – gegenüber dem Werkvertrag, nicht schon gegenüber dem Anbot der Klägerin – seien grundsätzlich zu entlohnen, weil sie nicht vom Pauschalpreis umfasst seien. Dazu fehlten aber nicht nur Feststellungen, die diese Vertragsauslegung berücksichtigen und die von der Klägerin behaupteten Nachträge und Ergänzungen abbilden würden, sondern bereits konkretes Vorbringen, aufgrund welcher Zusätze und Nachträge welches das Pauschalentgelt übersteigende Entgelt geschuldet werde.
[19] Ausgehend von den Feststellungen habe die Klägerin einen Mangel zu verantworten, dessen Behebung 29.277,23 EUR kosten würde; in diesem Umfang sei die Compensandoforderung des Beklagten berechtigt. Der Beklagte habe nach den Feststellungen den Auftrag nicht als Unternehmer erteilt und schulde daher nur 4 % Zinsen.
[20] Gegen das Teilurteil und den Aufhebungsbeschluss ließ das Berufungsgericht jeweils ordentliche Rechtsmittel zu, weil zum Umfang der Koordinationspflicht des Bauherrn und zu ihrer Bedeutung im Hinblick auf einen auf Unzumutbarkeit gestützten Vertragsrücktritt des Werkunternehmers nach § 1168 Abs 2 ABGB keine klarstellende höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
[21] Die (von der Gegenseite jeweils beantworteten) Revisionen beider Parteien sind zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[22] Hingegen ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts der (vom Kläger beantwortete) Rekurs des Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich insofern auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
I. Zu den Revisionen:
[23] Die Revisionen der Streitteile werden im Folgenden aufgrund mehrerer thematischer Überschneidungen gemeinsam behandelt.
[24] 1.1. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer Pauschalvereinbarung bejaht und der Klägerin das gesamte im Vertrag vereinbarte Pauschalentgelt zugestanden, weil sie zur Leistung bereit gewesen und durch Umstände, die auf Seiten des Bestellers lägen, daran verhindert worden sei.
[25] 1.2. Die Klägerin hatte jedoch – wie auch das Berufungsgericht erkannte – gar nicht für alle Leistungen, zu denen sie laut Vertrag verpflichtet gewesen wäre, ein Entgelt begehrt, sondern nur für die tatsächlich vor dem Rücktritt erbrachten Leistungen laut Schlussrechnung, dies jedoch ohne die dafür errechneten 435.516,15 EUR netto näher nachvollziehbar aufzuschlüsseln.
[26] Der Betrag wurde anscheinend aus einer (ebenso wie die Schlussrechnung) in Blg ./X 10 enthaltenen Leistungsaufstellung entnommen, welche diese Endsumme ausweist. In diese Gesamtsumme flossen – soweit nachvollziehbar – als „vor Ort erbrachte Leistungen“ teilweise erbrachte Leistungen laut Auftrag (bzw nach dem Verständnis der Klägerin: laut „Letztstandsangebot“) ebenso wie Leistungen aufgrund von Nachtragsangeboten, zusätzliche eigene Aufwendungen sowie solche von Subfirmen ein; weiters werden darin „Zusatzkosten“ durch bauseitig nicht erbrachte Vorleistungen und diverse Schäden sowie eine „Gewinntangente“ ausgewiesen. Eine nähere betragliche Aufschlüsselung, welche Summen konkret welchen Leistungen betraglich zuordenbar wären, ist dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen; auch aus der Leistungsaufstellung ergibt sich dies nicht konkret, wobei aber überschlagsmäßig abschätzbar ist, dass die darin genannten „vor Ort erbrachten Leistungen“ grob je zur Hälfte einerseits solche vom Auftrag gedeckten bzw andererseits Nachtrags- und Zusatzleistungen sein sollen. Jedenfalls scheinen die vom Auftrag gedeckten Leistungsentgelte nur einen Bruchteil der vom Berufungsgericht als berechtigt angesehenen Pauschalsumme auszumachen.
[27] 1.3. Der diesen Anteil der vom Vertrag gedeckten Leistungsentgelte übersteigende Teil der vom Berufungsgericht zugesprochenen Pauschalsumme wurde somit von der Klägerin gar nicht begehrt, zumal sie ersichtlich nur für von ihr tatsächlich erbrachte Leistungen Forderungen stellte. Umgekehrt scheint der Großteil der von ihr begehrten Zusatzentgelte auf Leistungen zurückzugehen, die nicht vom ursprünglichen Auftrag umfasst gewesen wären. Dieser Teil würde aber das vom Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts umfasste, zu Recht von ihm als unschlüssig erachtete Teilbegehren von 27.292,22 EUR bei weitem übersteigen.
[28] 1.4. Dass mit der Klägerin die Unschlüssigkeit ihres Klagebegehrens auch bei Bejahung einer Pauschalvereinbarung zu erörtern sein wird, ergibt sich schon aus der Rechtslage, wonach auch über eine Pauschalvereinbarung hinausgehende Werkaufträge grundsätzlich gesondert zu entlohnen wären (vgl RS0018079 [T4]; RS0112186 [T2]). Eine Pauschalvereinbarung ist im Kern darauf angelegt, die Mengenermittlung durch Abrechnung zu ersparen, erfasst aber gerade nicht nachträgliche Änderungen des vereinbarten Leistungsinhalts (vgl nochmals RS0018079 [insb T4]).
[29] Dass die Klägerin bereits in erster Instanz – sei es vom Erstgericht, sei es vom Beklagten – auf die Ergänzungsbedürftigkeit ihres Vorbringens zu diesem Aspekt konkret hingewiesen worden wäre, sodass es keiner Erörterung dieser Aspekte mehr bedürfte, wird nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.
[30] 1.5. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens nicht nur, wie das Berufungsgericht meinte, den die Pauschalsumme von 391.200 EUR übersteigenden Teil des Klagebegehrens betrifft, sondern das nicht konkret aufgeschlüsselte Klagebegehren insgesamt. Ein Zuspruch aus dem Titel der im Vertrag vorgesehenen Leistungen wird – unabhängig von der Frage, ob eine Pauschalvereinbarung zu bejahen wäre oder nicht – nicht mehr umfassen können als die Klägerin zufolge ihres zu ergänzenden Vorbringens unter diesem Titel überhaupt begehrt.
[31] 2. Da somit die Berechtigung des Klagebegehrens noch nicht beurteilt werden kann, kann auch der Ausspruch über die Gegenforderungen des Beklagten keinen Bestand haben. Im Lichte der Revisionen der Parteien und im Interesse einer Begrenzung der Verfahrensdauer wird zur Klarstellung noch das Folgende festgehalten:
[32] 2.1. Im fortgesetzten Verfahren wird zu beachten sein, dass dem Berufungsgericht in seiner Entscheidung insofern ein Irrtum unterlaufen ist, als es Zahlungen des Beklagten von insgesamt 77.996,19 EUR nicht berücksichtigte (wie in der Revision des Beklagten auch erkennbar aufgezeigt wird).
[33] Die Klägerin hatte nämlich von der ihr nach ihren Behauptungen zustehenden Forderung von 496.488,41 EUR brutto bereits in der Schlussrechnung (in Blg ./X 10 ) 77.996,19 EUR an vom Beklagten geleisteten Abschlagszahlungen abgezogen und unter entsprechendem Hinweis darauf nur 418.492,22 EUR eingeklagt. Die Klägerin brachte in erster Instanz auf entsprechende Aufforderung des Erstgerichts (ON 88) auch ausdrücklich vor, 77.996,19 EUR erhalten zu haben (ON 92), wobei sich der Beklagte in der Folge weder dazu noch zur Bestreitung einer darüber hinausgehenden Zahlung von insgesamt 162.901,08 EUR äußerte.
[34] Von einem der Klägerin zustehenden, von ihrem – zu ergänzenden – Vorbringen gedeckten Betrag waren daher die Zahlungen des Beklagten in (unstrittig zumindest) der Höhe eines Betrags von 77.996,19 EUR abzuziehen.
[35] 2.2. Überschaubare kurzfristige Verzögerungen, die der Sphäre des Werkbestellers zuzurechnen sind, gleichviel ob sie von ihm angeordneten Leistungsänderungen oder der zögerlichen Erfüllung von dessen Mitwirkungspflichten entspringen, verlängern die vertraglich festgelegten Fertigstellungsfristen entsprechend; die Vertragsstrafe sichert dann die Einhaltung der so modifizierten (verlängerten) Ausführungsfristen. Überschreiten indes die aus der Sphäre des Werkbestellers herrührenden Verzögerungen das in erster Linie am Umfang der zu erbringenden Werkleistungen und an der wirtschaftlichen Leistungskraft des Werkunternehmers abzulesende zeitliche Maß des Üblichen, auf das sich jeder Werkunternehmer einzustellen hat, wird also der Zeitplan „über den Haufen geworfen“, dann gibt es keine verbindliche Fertigstellungsfrist mehr und die Strafabrede geht ins Leere, selbst wenn der Unternehmer grundsätzlich zur Leistung in angemessener Frist verhalten bliebe und insofern auch in Verzug geraten könnte (vgl RS0111948 ).
[36] 2.3. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine schwerwiegende Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners einen Auflösungsgrund im Sinne der §§ 918 , 1168 ABGB bilden, wenn ihm die Aufrechterhaltung des Vertrags aufgrund des eingetretenen Vertrauensverlusts nicht mehr zugemutet werden kann ( RS0018286 ; RS0111147 ; vgl unlängst 8 Ob 124/23b Rz 10). Ein Rücktritt vom Vertrag wegen schwerwiegenden Vertrauensverlusts bedarf keiner Nachfristsetzung ( RS0018286 [T8]; RS0111147 [T2]). Das Rücktrittsrecht wegen des Unterbleibens der Mitwirkung des Bestellers nach § 1168 Abs 2 ABGB schließt nicht aus, dass der Werkunternehmer aus anderen Gründen vom Vertrag zurücktritt ( RS0021955 ).
[37] Ob und welche Mitwirkungspflichten des Werkbestellers im Übrigen bestehen, deren Verletzung zum Vertragsrücktritt unter Setzung einer angemessenen Frist nach § 1168 Abs 2 ABGB berechtigen, ergibt sich insbesondere aus der Auslegung der Vereinbarung zwischen den Parteien (vgl G. Kodek in Schwimann/Kodek , ABGB 5 [2021] § 1168 Rz 253 ). Die Angemessenheit der Nachfristsetzung in diesem Fall richtet sich nach den zu § 918 ABGB in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl RS0018395 [T1]; Schopper in Klang 3 [2020] § 1168 ABGB Rz 174 ). Zwar ist daher auf die beiderseitigen Interessen Bedacht zu nehmen (vgl RS0018458 [T3]); die Nachfrist muss aber nicht so bemessen werden, dass der Besteller auch dann noch genügend Zeit hat, wenn er erst mit der Fristsetzung beginnt, seiner Obliegenheit nachzukommen ( RS0018385 ; RS0018452 ; RS0018389 ; Kletečka in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.04 § 1168 [2020] Rz 50).
[38] 2.4. Verbrauchern gegenüber erlegt § 27a KSchG dem Unternehmer die Verpflichtung auf, jenem die Gründe dafür mitzuteilen, dass er infolge Unterbleibens der Arbeit weder etwas erspart noch durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Nach herrschender Ansicht bedeutet dies keine gänzliche Beweislastumkehr (vgl 4 Ob 119/21k Rz 16; Kathrein/Schoditsch in KBB 7 [2023] § 27a KSchG Rz 1 ; Apathy/Frössel in Schwimann/Kodek 5 [2022] § 27a KSchG Rz 2 ; Kolba in Kosesnik Wehrle , KSchG 4 [2015] § 27a Rz 4; Eccher in Klang 3 [2006] § 27a KSchG Rz 2 ; vgl auch Reischauer , Zur Informationspflicht des Unternehmers gemäß § 27a KSchG und deren analoge Anwendung, VbR 2022/128, 202 [„Glaubhaftmachung“]; M. Bydlinski in KBB 7 [2023] § 1168 ABGB Rz 5 [„Verschiebung der Beweisführungslast“]; offenlassend noch 8 Ob 131/17y ). Nach den Materialien hat der Unternehmer spätestens im Prozess auf eine entsprechende Behauptung des Verbrauchers hin substanziiert darzulegen, aus welchen Gründen er am vereinbarten Entgelt festhalten will (vgl ErläutRV 311 BlgNR 20. GP 30 f ).
II. Zum Rekurs:
[39] Soweit der Beklagte in seinem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und darin nur die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach eine Verfahrensergänzung erforderlich sei, deshalb bekämpft, weil – so der Beklagte – im Hinblick auf das Vorliegen einer Pauschalpreisvereinbarung zur Gänze Spruchreife vorliege, ist er auf die vorstehende Behandlung der Revisionen zu verweisen.
[40] Der Rekurs zeigt in Ansehung des Aufhebungsbeschlusses auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage auf.
III. Ergebnis:
[41] 3. Zusammengefasst war daher beiden Revisionen im Sinne der Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen Folge zu geben; der sich gegen die teilweise Aufhebung wendende Rekurs des Beklagten war zurückzuweisen.
[42] 3.1. Im fortgesetzten Verfahren wird die Klägerin ihr Klagebegehren im dargelegten Sinne schlüssig zu stellen haben, bevor beurteilt werden kann, ob und in welchem Umfang ihre Forderungen aus einzelnen Anspruchsgründen zu Recht bestehen.
[43] 3.2. Wenn – wie hier schon durch das Erstgericht – die Kostenentscheidung nach § 52 Abs 1 Satz 1 und 2 ZPO vorbehalten wurde, ist nach § 52 Abs 3 ZPO im weiteren Verfahren keine Kostenentscheidung zu treffen; über die Kosten des gesamten Verfahrens entscheidet das Erstgericht nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache.