JudikaturJustiz9Ob39/09i

9Ob39/09i – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Dr. Ernst B*****, Forstwirt, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Schuster, Rechtsanwalt in Hainburg an der Donau, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde B*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun, Rechtsanwälte in Neusiedl am See, und der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.040 EUR sA, über die Revision der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2008, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 17. Dezember 2007, GZ 2 Cg 154/02a-74, infolge Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung über die Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren hinsichtlich des Begehrens, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 7.560 EUR sA zu zahlen statt, während es das Mehrbegehren von 480 EUR sA abwies.

Das Berufungsgericht gab den gegen den stattgebenden Teil des Ersturteils erhobenen Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin nicht Folge. Die Berufungsentscheidung erging in nichtöffentlicher Sitzung, obwohl die Nebenintervenientin in ihrer Berufung die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich beantragt hatte (S 8 in ON 78). Die Beklagte hatte in ihrer Berufung (ON 79) - ebenso wie der Kläger in seiner Berufungsbeantwortung (ON 80) - weder die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt noch auf deren Anordnung ausdrücklich verzichtet. Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte jedoch diesen Ausspruch über Antrag der Nebenintervenientin auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision gemäß § 508 ZPO wieder ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil das Berufungsgericht den in der Berufung der Nebenintervenientin gestellten Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung übersehen hatte. Gleichzeitig wurde dem Kläger mitgeteilt, dass ihm die Beantwortung der Revision freistehe (§ 508 Abs 5 ZPO).

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Nebenintervenientin mit dem Antrag auf Aufhebung des Berufungsurteils als nichtig; hilfsweise wird ein Abänderungs- bzw ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Nebenintervenientin ist infolge einer dem Berufungsgericht unterlaufenen Nichtigkeit zulässig und im Rahmen des gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Revisionsbeantwortung des Klägers ist hingegen verspätet. Hat das Berufungsgericht - wie hier - dem Revisionsgegner nach § 508 Abs 5 ZPO die Einbringung einer Revisionsbeantwortung freigestellt, so ist diese gemäß § 507a Abs 3 Z 1 ZPO beim Berufungsgericht einzubringen. Die Mitteilung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger die Beantwortung der Revision freigestellt werde, wurde dem Klagevertreter am 19. 2. 2009 zugestellt. Die zunächst vom Erstgericht aufgrund eines Versehens unterlassene Zustellung des Antrags nach § 508 Abs 1 ZPO verbunden mit der Revisionsschrift an den Revisionsgegner (§ 507 Abs 2 ZPO; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 507 Rz 17 ua) wurde vom Berufungsgericht am 31. 3. 2009 an den Klagevertreter nachgeholt. Die Notfrist von vier Wochen für die Beantwortung der Revision (§ 507a Abs 1 ZPO) beginnt im Fall eines Antrags nach § 508 Abs 1 ZPO verbunden mit einer ordentlichen Revision grundsätzlich mit der Zustellung der Mitteilung des Berufungsgerichts, dass dem Revisionsgegner die Beantwortung der Revision freigestellt werde (§ 507a Abs 2 iVm § 508 Abs 5 ZPO). Diese Bestimmung legt allerdings den Normalfall zugrunde, dass die Ausfertigung der Revisionsschrift bzw des Antrags nach § 508 Abs 1 ZPO verbunden mit der Revisionsschrift an den Revisionsgegner bereits vorher durch das Prozessgericht erster Instanz erfolgt ist (vgl 1 Ob 186/07w ua). Dies war hier zunächst nicht der Fall gewesen, wurde aber vom Berufungsgericht durch die am 31. 3. 2009 erfolgte Zustellung nachgeholt. Für die Frage, wo die Revisionsbeantwortung einzubringen ist (§ 507a Abs 3 Z 1 ZPO), hatte dieser Umstand keine Bedeutung. Die vom Kläger irrtümlich beim funktionell nicht zuständigen Erstgericht am 28. 4. 2009 im Weg des ERV eingebrachte Revisionsbeantwortung langte beim zuständigen Berufungsgericht erst am 6. 5. 2009, also nach Ablauf der - zugunsten des Klägers erst ab Zustellung der Revision vom 31. 3. 2009 gerechneten - vierwöchigen Notfrist des § 507a Abs 1 ZPO, ein. Sie ist demnach verspätet und muss daher zurückgewiesen werden (vgl Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 507a Rz 6; RIS-Justiz RS0043678 ua).

Wird vom Berufungswerber gemäß § 492 Abs 1 ZPO ausdrücklich die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt und wurde eine solche nicht durchgeführt, so verwirklicht das nach ständiger Rechtsprechung den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (RIS-Justiz RS0042118 ua). Dies gilt auch für die vorliegende Konstellation, in der von der Nebenintervenientin auf Beklagtenseite in der Berufung ausdrücklich eine mündliche Berufungsverhandlung beantragt wurde, während von der Beklagten als Hauptpartei weder die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich beantragt noch auf eine solche ausdrücklich verzichtet wurde (Schubert in Fasching/Konecny² II/1 § 19 Rz 15). Der Nebenintervenient kann nämlich sowohl neben als auch an Stelle der Hauptpartei Rechtsmittel ergreifen. Seine Prozesshandlungen sind insoweit für die Hauptpartei rechtlich wirksam, als sie nicht mit deren eigenen Prozesshandlungen im Widerspruch stehen (§ 19 Abs 1 ZPO).

Die Nebenintervenientin macht in ihrer Revision den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO geltend und verweist zutreffend darauf, dass die dem Berufungsurteil anhaftende absolut wirkende Nichtigkeit eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, die - im Interesse der Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit - wahrzunehmen ist (RIS-Justiz RS0042743 ua). In Stattgebung der Revision ist daher das Urteil des Berufungsgerichts als nichtig aufzuheben. Eine Befassung des Obersten Gerichtshofs mit den weiteren geltend gemachten Revisionsgründen ist im derzeitigen Verfahrensstadium nicht zulässig (8 ObA 58/08z ua). Hierauf ist daher gegenwärtig nicht einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Da nur die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne ein vorangegangenes Verfahren aufgehoben wird, ist § 51 ZPO nicht anwendbar (8 ObA 58/08z ua).

Rechtssätze
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