JudikaturJustiz9Ob23/15w

9Ob23/15w – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juli 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P***** GmbH, ***** 2. P*****, beide vertreten durch Mayrhofer Rainer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 2.651,70 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 2.651,70 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 23. Februar 2015, GZ 19 R 53/14a 18, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Bezirksgerichts Mödling vom 24. Juni 2014, GZ 8 C 332/13a 12, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben, die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger sind Vermieter, die Beklagte ist Mieterin der Geschäftsräumlichkeit Top 1 im Haus M*****, in ***** V*****, in dem die Beklagte ein Büro betreibt. Bei Anmietung waren im Objekt Klimageräte vorhanden.

Aufgrund geplanter Sanierungsmaßnahmen luden die Kläger die Mieter des Hauses für den 24. 4. 2012 zu einer Besprechung ein. Als Tagesordnungspunkte wurden „Umbauarbeiten (Fenster, Klimaanlagen, Fassade, Lift, etc), Eingangsgestaltung, Parkplatzverteilung (Beschilderung), Sonstiges“ angeführt. Für die Beklagte nahm A***** an der Besprechung teil. In dieser wurde von Vermieterseite unter anderem ausgeführt, dass die alten Klimageräte nicht mit der geplanten Fassade kompatibel seien. Sollten die Mieter Klimaanlagen wünschen, müssten sie diese aufgrund der hohen Kosten der Sanierung selbst bezahlen. A***** äußerte sich dazu nicht, obwohl er sich bei anderen Punkten aktiv am Gespräch beteiligte. Auf die wie bei jedem Tagesordnungspunkt gestellte Frage, ob Widersprüche erhoben werden, meldete sich niemand.

A***** ist kein organschaftlicher Vertreter der Beklagten; es kann nicht festgestellt werden, ob er sonst für sie vertretungsbefugt ist. Die Korrespondenz wurde seitens der Klägerin immer an die Beklagte gerichtet. Reaktionen erfolgten durch A*****, der am täglichen Betrieb der Beklagten am Ort des Bestandobjekts als Verantwortlicher und Entscheidungsträger agierte. Der Geschäftsführer der Beklagten hatte dem nie widersprochen.

In der Folge wurden die Fassade erneuert und die Klimaanlagen entfernt. Im Sommer 2013 gab es im Objekt der Beklagten während des Tages bei Sonnenschein beinahe stets über 30 Grad Celsius.

Die Kläger begehren Zahlung von 2.651,70 EUR sA an rückständigem Mietzins für August und September 2013. Weiters werde aufgrund des qualifizierten Mitzinsrückstands die Auflösung des Mietverhältnisses erklärt, weshalb die Beklagte auch zur Räumung des Objekts verpflichtet sei. Bei der Besprechung zwischen Vermietern und Mietern sei vereinbart worden, dass die Kosten neuer Klimageräte in den Bestandobjekten von den Mietern zu tragen seien, dies aufgrund der aufwendigen Generalsanierung. A***** sei zwar nicht Geschäftsführer der Beklagten, doch stets als deren Vertreter aufgetreten. Diese habe auch bisher sämtliche seiner Vertretungshandlungen gegen sich gelten lassen. Das Fehlen der Klimageräte habe auch zu keiner Gebrauchsbeeinträchtigung geführt, gegebenenfalls hätte sich die Beklagte diese selbst zuzuschreiben.

Die Beklagte bestreitet und bringt vor, dass sie berechtigter Weise den Mietzins für August und September 2013 auf 25 % gemindert habe. Die bei Anmietung eingebauten Klimageräte seien ersatzlos im Zuge von Erhaltungsarbeiten entfernt worden. Für adäquate Klimatisierung sei nicht gesorgt worden. Eine Vereinbarung über eine Installation von Klimageräten durch die Beklagte sei nie getroffen worden. A***** sei nicht Geschäftsführer der Beklagten und nicht vertretungsbefugt. Aufgrund der thermischen Verhältnisse sei es in den Sommermonaten unzumutbar, in den Räumen zu arbeiten.

Mit Teilurteil erkannte das Erstgericht das Zahlungsbegehren als berechtigt, die Entscheidung über das Räumungsbegehren wurde vorbehalten. Es führte aus, dass es bei der Besprechung am 24. 4. 2012 durch die konkludente Zustimmung zur Kostentragung für allfällige Klimaanlagen durch die Beklagte zu einer Abänderung des Mietvertrags gekommen sei. Aufgrund der Umstände habe ein redlicher Erklärungsempfänger davon ausgehen können, dass nach einer Frage nach Widersprüchen solche auch geäußert würden, andernfalls Zustimmung vorliege. Ob A***** vertretungsbefugt für die Beklagte sei, sei irrelevant, weil jedenfalls eine Anscheinsvollmacht vorliege.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nur hinsichtlich des Zinsenbegehrens Folge. Im Übrigen ging es ebenfalls davon aus, dass es bei der Besprechung zu einer Vereinbarung zwischen den Parteien gekommen sei, nach der die Kosten allfälliger Klimageräte durch die Beklagte zu tragen seien. Da A***** die Korrespondenz und Tagesgeschäfte der Beklagten abwickle und gegenüber den Klägern für die Beklagte aufgetreten sei, hätten sie darauf vertrauen dürfen, dass er berechtigt sei, die Beklagte zu vertreten. Dieser Rechtsschein sei dem Geschäftsführer der Beklagten insoweit zuzurechnen, als er selbst gegenüber den Klägern nie in Erscheinung getreten sei, sondern A***** zu Besprechungen geschickt habe, an denen sich dieser aktiv beteiligt habe, ohne Rücksprache zu halten. Die Ankündigung der Vermieter, dass die Kosten allfälliger Klimageräte von den Mietern zu tragen sei, stelle ein Anbot zur Vertragsänderung dar, das im Gesamtzusammenhang mit der Sanierung der Mietobjekte zu sehen sei. Aufgrund der überschaubaren Anzahl der Erklärungsempfänger von Mieterseite seien vier Personen anwesend gewesen , sei nach Treu und Glauben zu erwarten, dass im Falle einer Nichtzustimmung Widerspruch erhoben werde. Das Schweigen sei daher als Zustimmung zu werten.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig, da Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung nicht zu lösen seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen in der ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Zulässigkeitsvoraussetzungen zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Ein Zwischenstreit über die Höhe des Mietzinsrückstands ist auch für den Räumungsstreit präjudiziell. Gegenstand des Zwischenstreits ist damit nicht nur der geschuldete Mietzinsrückstand, sondern auch das Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses. Die Entscheidung über ein mit einem Räumungsbegehren verbundenes Mietzinszahlungsbegehren, bei dem der Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz 5.000 EUR nicht übersteigt, kann daher durch die Erlassung eines Teilurteils nicht einer Anfechtung in dritter Instanz entzogen werden, wenn im gleichen Verfahren noch über die Rechtswirksamkeit einer Räumung zu erkennen ist (RIS Justiz RS0042977).

Die Revision ist daher bei Vorliegen einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, im konkreten Fall aus Gründen der Rechtssicherheit, zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Ein wie im vorliegenden Fall vom Berufungsgericht verneinter Verfahrensmangel erster Instanz kann in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei, weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei, mangelhaft geblieben, umgangen werden (10 ObS 54/14k mwN).

2. Nach § 1096 Abs 1 ABGB ist der Vermieter verpflichtet, das Bestandobjekt auf eigene Kosten in brauchbarem Zustand zu übergeben und zu erhalten, und den Bestandnehmer im bedungenen Gebrauch nicht zu stören. Ist das Bestandobjekt bei der Übergabe derart mangelhaft oder wird es während der Bestandzeit derart mangelhaft, dass es zu dem bedungenen Gebrauch nicht (mehr) taugt, hat der Bestandnehmer einen Anspruch auf Mietzinsminderung für die Dauer und in dem Maß der Unbrauchbarkeit. Die Zinsminderung tritt kraft Gesetzes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Bestandgebers ein (4 Ob 191/10g). § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB ist eine Vorschrift des Gewährleistungsrechts. Die daraus ableitbaren Ansprüche bestehen ex lege ab Beginn der Unbrauchbarkeit bzw Gebrauchsbeeinträchtigung des Bestandobjekts bis zu deren Behebung und können unabhängig von den Fristen des § 933 ABGB geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0021326, RS0107866). Ihre Anwendung setzt nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass die tatsächlich erbrachte von der vertraglich geschuldeten Leistung abweicht (vgl P. Bydlinski in KBB 4 § 922 Rz 1 mwN).

Eine derartige Gebrauchsbeeinträchtigung kann auch darin liegen, dass durch das Versagen von bei Anmietung vorhandenen Anlagen wie etwa Klimageräten jahreszeit und temperaturbedingt nur eine eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit besteht.

Im Voraus kann auf eine Zinsminderung bei der Miete einer unbeweglichen Sache nicht verzichtet werden (§ 1096 Abs 1 dritter Satz ABGB). Ausgeschlossen ist eine Zinsminderung aber dann, wenn der Bestandnehmer die Umstände, die seinen Gebrauch behindern, akzeptiert (RIS Justiz RS0021408). Soweit der Mieter zulässiger Weise vertraglich zur Wartung, Instandhaltung oder Erneuerung von für den Mietgegenstand bestimmten Einrichtungen verpflichtet ist, kann er sich ebenfalls nicht auf eine aus einer Verletzung dieser Verpflichtungen resultierende Unbrauchbarkeit des Mietgegenstands berufen, daraus daher auch keinen Zinsminderungsanspruch nach § 1096 Abs 1 ABGB ableiten, weil dann die Gebrauchsbeeinträchtigung durch nicht behobene Mängel aus seiner Sphäre stammt (vgl RIS Justiz RS0122135).

3. Richtig haben die Vorinstanzen daher geprüft, ob zwischen den Parteien nachträglich eine Vereinbarung getroffen wurde, wonach eine Erneuerung der zunächst im Mietobjekt vorhandenen Klimageräte nach deren Entfernung im Zuge der Sanierungsarbeiten, vom Mieter zu finanzieren ist. Eine derartige Vereinbarung wäre, da nicht gegen zwingende Mieterschutzbestimmungen verstoßend, grundsätzlich zulässig.

3.1. Die Kläger haben sich auf eine bei der Besprechung vom 24. 4. 2012 getroffene mündliche Vereinbarung berufen. Dass Änderungen des Mietvertrags nur schriftlich erfolgen dürfen, hat die Beklagte in erster Instanz nicht vorgebracht. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision stellen daher eine unzulässige Neuerung dar (§ 504 Abs 2 ZPO), auf die nicht weiter einzugehen ist.

3.2. Den Vorinstanzen kann jedoch nicht darin gefolgt werden, dass es bei der Besprechung zu einer mündlichen Vereinbarung über eine Änderung des Mietvertrags gekommen ist.

Durch einen Vertrag werden zwischen Parteien verbindliche Regelungen getroffen, die die bisherige Rechtslage verändern. Anbot und Annahme erfordern demzufolge Bindungswille (Abschlusswille) der Kontrahenten (vgl Rieder in Schwimann/Kodek , ABGB 4 IV § 861 Rz 5). Dabei sind Erklärungen und die aus ihnen abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war (RIS Justiz RS0014205). Auch der Bindungswille bei einem Anbot oder einer Annahme ist nach der redlichen Verkehrsübung aus der Sicht des Erklärungsempfängers zu beurteilen.

Ausgehend davon ist im konkreten Fall schon das Vorliegen eines Anbots zur Vertragsänderung zu verneinen, auf die Problematik einer konkludenten Annahme durch die Beklagte kommt es daher nicht an. Die Kläger hatten als Vermieter die Mieter zu einer Informationsveranstaltung über geplante Sanierungsmaßnahmen geladen, wie sich aus der Tagesordnung der Einladungen ergibt. Im Zuge dieser Besprechung wurden die Sanierungsmaßnahmen unter anderem an der Fassade, die eine Entfernung der Klimageräte erforderlich machten, präsentiert. Wenn die Vermieter in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, die Kosten allfällig neuer Geräte nicht zu übernehmen, stellt dies ebenfalls nur eine Darstellung der Absichten der Vermieter, aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers jedoch kein Anbot zu einer Vertragsänderung dar. Einer solchen, nicht an eine Einzelperson gerichteten Erklärung bei einer Informationsveranstaltung kommt aus objektiver Sicht ebenfalls nur Informationscharakter über die Absichten der Vermieter zu, insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass die angesprochenen Mieter gerade in diesem Punkt auch unterschiedlich betroffen waren. Nicht in allen Objekten waren bei Mietvertragsabschluss Klimageräte vorhanden. Auch dass bei diesem wie bei allen anderen Punkten abschließend gefragt wurde, ob von Seiten der Mieter Widerspruch erhoben wird, bedeutet letztlich nur die Aufforderung in eine Diskussion einzutreten, nicht aber zur Abgabe einer verbindlichen Äußerung zu einem Anbot auf Vertragsänderung. Ebenso wenig könnte daraus, dass von Vermieterseite eine bestimmte Fassadengestaltung in Aussicht gestellt wurde und die Mieter dagegen keinen Widerspruch erhoben, auf eine Verpflichtung des Vermieters zu dieser Ausgestaltung geschlossen werden. Allein dass bei dieser Veranstaltung daher die Absicht geäußert wurde, bestimmte Arbeiten und Kosten zu übernehmen bzw andere nicht zu übernehmen, stellt demnach kein Anbot auf Vertragsänderung dar.

Auf die Problematik einer stillschweigenden Annahme oder einer Anscheinsvollmacht muss daher nicht weiter eingegangen werden.

3.3. Da somit nicht davon auszugehen ist, dass die Mieter sich verpflichteten, die Kosten neuer Klimageräte zu übernehmen, oder sich mit der ersatzlosen Entfernung der alten Geräte einverstanden erklärten, kann bei einer Gebrauchsbeeinträchtigung, die auf die Entfernung der bei Anmietung vorhandenen Klimageräte zurückzuführen ist, ein Mietzinsminderungsanspruch im Umfang dieser Gebrauchsbeeinträchtigung geltend gemacht werden. Ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, hat das Erstgericht jedoch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung des Umfangs der Gebrauchsbeeinträchtigung und daher der zulässigen Mietzinsminderung ermöglichen.

Demzufolge waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten (§ 52 ZPO).

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