JudikaturJustiz8ObA61/07i

8ObA61/07i – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. November 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Dr. Vera Moczarski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz V*****, vertreten durch Grießer Gerlach Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr. Bierbaumer Vergeiner, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Kündigungsanfechtung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 3. Juli 2007, GZ 11 Ra 40/07t 71, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits und Sozialgericht vom 31. Jänner 2007, GZ 11 Cga 15/02w 67, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

Die am 1. 1. 2002 zum 15. 3. 2002 ausgesprochene Kündigung wird für rechtsunwirksam erklärt.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.376,82 EUR (darin enthalten 229,47 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die wesentlichen Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der 1944 geborene Kläger war über viele Jahre in einem großen Konzern beschäftigt, wurde jedoch schließlich gekündigt und focht diese Kündigung an. Im Zuge dieser Auflösungsstreitigkeiten kam es zu einer Vereinbarung, wonach der Kläger in dem früheren Betriebspensionssystem verbleiben sollte und sich seine frühere Dienstgeberin auch verpflichtete, die entsprechenden Beiträge bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers einzubezahlen. Im Zuge der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger von seiner früheren Dienstgeberin eine gesetzliche und eine freiwillige Abfertigung in Höhe von zusammen etwa 2,3 Mio S. Diese Abfertigungszahlungen verwendet er im Wesentlichen zur Rückzahlung der Mittel für sein Eigenheim und zur Unterstützung seiner Tochter beim Bau eines neuen Hauses.

Die Beklagte übernahm den Kläger von dem früheren Unternehmen per 1. 1. 1999 mit einem Bruttomonatsgehalt von 74.894 S 14 mal jährlich sowie einem auch zu Privatzwecken zur Verfügung stehenden Firmenauto. Die Beklagte sagte auch zu, den Kläger bis 31. 12. 2001 nicht zu kündigen. Dazu gab es auch Vorgaben des früheren Arbeitgebers gegenüber der Beklagten. Die Beklagte übernahm vom früheren Arbeitgeber das Vertriebsrecht und einige Kunden. Als eine Bedingung dafür war die Übernahme des Klägers und eines weiteren Arbeitnehmers mit den genannten Zusagen vereinbart, was dem Kläger ebenso wie das Risiko, danach gekündigt zu werden und die schwer zu erreichenden Erfordernisse hinsichtlich entsprechender Umsätze bekannt war.

Die vom Kläger zu vertreibenden Produkte (50 60 Hauptprodukte; bis zu 20.000 verschiedene Produkte) der Beklagten waren andere als bei seinem früheren Arbeitgeber. Großteils handelt es sich um Spezialanfertigungen, die für den Verkauf eine entsprechende Information des Außendienstmitarbeiters erfordern. Auch die Kundenstruktur ist eine andere (Mittel- und Kleinkunden statt Großkunden). Eine entsprechende Zusammenarbeit zwischen Innen- und Außendienst ist erforderlich. Der Kläger erhielt beim Mutterkonzern der Beklagten zwei bis drei Wochen Schulungen, die es dann, wenn man ein gewisses Grundwissen hat, ermöglichen, sich das benötigte Wissen anzueignen.

Das Tätigkeitsgebiet des Klägers als Außendienstmitarbeiter umfasste zunächst Ungarn, Slowenien, Kärnten und das Burgenland. Er hatte ca 70 80 Kunden zu betreuen, die ihm übertragen wurden. Der Kläger war nicht in der Lage, die Produkte der Beklagten vorzustellen und dem hohen Betreuungsaufwand gerecht zu werden. Er erzielte nur 20 % des Umsatzes, während die beiden anderen Außendienstmitarbeiter 40 % des Umsatzes hereinbrachten.

In weiterer Folge wurde der Kläger nur eingeschränkt für den Extrusionsbereich eingesetzt, war aber auch dabei nicht erfolgreich und brachte nur ein bis zwei Geschäfte. Auch im Team gab es Unzufriedenheiten, weil der Kläger bestimmte Sachverhalte betreffend Kunden nicht selbständig abarbeiten konnte, weil er nach den Feststellungen des Erstgerichts „unfähig war und die Produkte der Beklagten trotz Schulung nicht kapiert hat". Der zweite übernommene Mitarbeiter hat die Arbeiten ohne Probleme erledigt. Unter anderem konnte der Kläger die Anfrage eines Kunden, der Kunststoffprodukte für ein Auto benötigt, das 120 Grad Hitze übersteht, nicht beantworten, obwohl dies ein geschulter Mitarbeiter der Beklagten sonst kann. Gewöhnlich werden 9 von 10 Anfragen durch die Außendienstmitarbeiter selbst beantwortet, der Kläger war jedoch dazu überhaupt nicht in der Lage, sodass andere Mitarbeiter dies übernehmen mussten. Auch konnte der Kläger kein Budget erstellen, weil er die Produkte und Kunden nicht kannte und das auch nicht erlernt hat. Auf dem von der Beklagten Anfang 2001 den Mitarbeitern zur Verfügung gestellten Laptop konnte er auch nach zwei Computerkursen nur mit Einzelfinger und nicht im 10 Fingersystem tippen und seine Berichte auf Word schreiben. Diese wurden dann von einer externen Sekretärin geschrieben.

Die anderen Mitarbeiter, die teilweise Arbeiten des Klägers übernehmen mussten, waren unzufrieden, weil sie wesentlich weniger verdienten als der Kläger.

Die Beklagte sprach dann mit 1. 1. 2002 die hier gegenständliche Kündigung des Klägers zum 15. 3. 2002 aus. Die Position des Kläger ist nicht nachbesetzt worden. Seine Tätigkeiten wurden von anderen Mitarbeitern übernommen. Ein Jahr später wurde für Ungarn überhaupt eine eigene Tochtergesellschaft gegründet. Ein anderer Einsatz des Klägers bei der Beklagten, die bei der Übernahme der Klägers nur 6 Mitarbeiter beschäftigte, war nicht möglich.

Im Zuge der Auflösungsgespräche mit seiner früheren Dienstgeberin wurde dem Kläger schriftlich zugesagt, dass dann, wenn die beklagte Partei geschlossen oder veräußert würde und dadurch eine Weiterbeschäftigung des Klägers aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre, die frühere Dienstgeberin bis zum frühestmöglichen Bezug der ASVG Pension eine Zuzahlung zum Arbeitslosengeld bzw zur Notstandsunterstützung in Höhe bis zu 85 % seines letzten monatlichen Nettogehalts leisten werde. Darüber hinaus wurde mündlich auch vereinbart, dass die Zuzahlung auch für den Fall gelte, dass der Kläger von der beklagten Partei gekündigt werde. Nach Ausspruch der hier maßgeblichen Kündigung hat die frühere Dienstgeberin des Klägers die Zahlung jedoch verweigert. Das Streitverfahren dazu ist unterbrochen.

Der Kläger ist Hälfteeigentümer eines Doppelhauses im Wert von 5 Mio S, für das monatlich an Betriebskosten einschließlich Strom, Gas, Wasser, Müllgebühren, Telefonkosten und Versicherungsaufwendungen ca 400 EUR anfallen, die er gemeinsam mit seiner Gattin zu tragen hat. Weiters zahlt er etwa 280 EUR monatlich in eine seit 1987 für eine Laufzeit von 17 Jahren abgeschlossene Lebensversicherung und weitere ca 25 EUR in eine weitere Versicherung, die 2009 abläuft und vor 30 Jahren abgeschlossen wurde. Auch hat der Kläger eine Krankenzusatzversicherung für die gesamte Familie und eine Unfallversicherung, die einen monatlichen Aufwand von ca 350 EUR verursachen. An Leistungen für seine Betriebspension bei seinem früheren Arbeitgeber hat er monatlich ca 140 EUR zu bezahlen. Der Kläger verfügt über einen Baugrund im Wert von ca 140.000 EUR, den er seiner Tochter zu Bauzwecken zur Verfügung gestellt hat sowie über Wertpapiere mit einem Volumen von ca 35.000 EUR.

Die Ehegattin des Klägers hat seit 20 Jahren in einem Mietobjekt eine Zahnarztpraxis und erzielt daraus jährlich ein Nettoeinkommen von ca 60.000 EUR. Auch sie hat Wertpapiere in einem Ausmaß von ca 25.000 EUR. An monatlichen Versicherungsleistungen hat sie etwa 350 EUR und an Kreditraten ca 1.300 EUR monatlich zu erbringen. Sie besitzt auch noch ein ihr von ihrer Schwiegermutter geschenktes Bauernhaus im Waldviertel mit einem nicht feststellbaren Wert, wofür Erhaltungsaufwendungen von monatlich ca 400 EUR anfallen.

Der Kläger ist TGM Absolvent. Er hatte nach verschiedenen kürzeren Dienstverhältnissen sein Arbeitsverhältnis bei jenem Dienstgeber, von dem die Beklagte im Zusammenhang mit der Begründung des Dienstverhältnisses des Klägers auch eine Vertriebsberechtigung und Kunden übernommen hat, 1969 begonnen und war fast 30 Jahre beschäftigt. Der Arbeitsmarkt ist für ältere Arbeitnehmer sehr schlecht und die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit sehr lang. Beim Kläger konnte nicht mehr damit gerechnet werden, dass er überhaupt wieder eine Arbeitsstelle findet. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses zur Beklagten bezog der Kläger auch nur noch Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich ca 1.100 EUR Er erhält seit 1. 12. 2006 eine vorzeitige Alterspension in Höhe von 2.261,01 EUR.

Der Kläger stützt seine Kündigungsanfechtung nach § 105 Abs 3 ArbVG im Wesentlichen darauf, dass er durch die Kündigung in seinen Interessen massiv beeinträchtigt sei, da er in seinem 58sten Lebensjahr am Arbeitsmarkt keinen neuen Arbeitsplatz erlangen werde. Nach seiner 30 jährigen Beschäftigungszeit bei seinem früheren Arbeitgeber sei sein Übergang auf die Beklagte von diesem auf die Beklagte betrieben worden. Diese habe dem wegen der Übernahme der attraktiven neuen Kundenbeziehungen zugestimmt, aber offensichtlich von Beginn an die Absicht gehabt, den Kläger bei der ersten Gelegenheit wieder loszuwerden . Es gebe keine Gründe für die Kündigung, insbesondere treffe es nicht zu, dass der Kläger seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß erbracht habe. Dass der Kläger keine Kenntnis von den Produkten der Beklagten und deren Kunden gehabt habe, sei der Beklagten bekannt gewesen. Der Kläger habe dann aber auch Erfolge für die Beklagte eingebracht. Im Wesentlichen seien alle Vorwürfe unsubstantiiert.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass die Kündigung des Klägers nicht sozialwidrig sei, da der Kläger durch seine 30 jährige gut dotierte Tätigkeit bei seinem früheren Arbeitgeber ausreichend Möglichkeit gehabt habe, ein Vermögen zu erwerben und sich dieser auch verpflichtet habe, im Fall der Auflösung des Dienstverhältnisses 80 % des Nettogehaltes bis zum Pensionsantritt zu bezahlen. Auch verfüge die Ehegattin des Klägers über ein ausreichendes Einkommen. Der Kläger habe im Hinblick auf die Befristung des Kündigungsausschlusses mit 31. 12. 2001 mit einer Kündigung danach rechnen müssen . Die Kündigung sei erfolgt, weil der Kläger den an ihn gestellten Anforderungen nicht mehr gerecht werden konnte. Insbesondere sei er teamunfähig und nicht mehr in der Lage gewesen, sich auf eine neue Kundenstruktur und die neuen Produkte einzustellen. Der Kläger sei auf seine „Unfähigkeit" auch hingewiesen worden. Auch Schulungen hätten dies nicht verbessert. Das vom Kläger erstellte Budget sei unrealistisch und branchenfremd gewesen. Er sei drauf hingewiesen worden, dass er das Ziel in keiner Weise erreichen konnte und habe dies zur Kenntnis genommen, ohne sich weiter darum zu bemühen. Seine kurze Beschäftigungsdauer von bloß drei Jahren relativiere auch dessen Interessenbeeinträchtigung. Es habe ihm an Motivation und Engagement trotz Ermahnungen und Mitarbeitergesprächen gefehlt.

Das Erstgericht wies auch im dritten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Es stützte dies rechtlich im Wesentlichen darauf, dass zwar von der Unvermittelbarkeit des Klägers auszugehen sei, dass die Abwägung der Interessen unter Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer von knapp drei Jahren und der finanziellen Absicherung des Klägers zu dessen Lasten ausfalle. Er habe sich bei der Einstellung bewusst sein müssen, dass das Risiko einer Kündigung nach Ablauf des mit 3 Jahren vereinbarten Kündigungsschutzes sehr hoch sei. Auch habe er unterdurchschnittliche Leistungen erbracht und sich in die Organisationsstruktur nicht entsprechend eingegliedert. Trotz Einschulung habe er schließlich auch auf dem neuen Arbeitsbereich keine entsprechenden Arbeitsleistungen erbracht. Schließlich habe der Kläger mittlerweile auch die Pension angetreten.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es sei zwar eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung des Klägers durch die Kündigung zu bejahen; allerdings würden die nachgewiesenen Gründe für die Kündigung überwiegen. Der Kläger habe die Produkte und Kunden der Beklagten trotz Schulungen auch nach einer dreijährigen Einarbeitungszeit nicht entsprechend betreuen können. Er habe für sein überdurchschnittliches Gehalt keine entsprechende Leistung erbracht. Eine Berücksichtigung der Dienstzeiten beim früheren Arbeitgeber für die Interessenabwägung komme nicht in Betracht. Die Interessenabwägung falle auch unter Berücksichtigung des Vermögens des Klägers und der Einkommensverhältnisse seiner Ehefrau zu seinem Nachteil aus. Dass die anderen Mitarbeiter der Beklagten deutlich weniger als der Kläger verdient haben, habe sich nachteilig auf deren Motivation ausgewirkt. Das hohe Risiko , dass nach drei Jahren die Kündigung ausgesprochen werde, sei dem Kläger bewusst gewesen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig, da es nur um die Beurteilung der Umstände des Einzelfalles gehe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und auch berechtigt. Zur Frage, inwieweit bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 105 ArbVG auch Vordienstzeiten eines Arbeitgebers zu berücksichtigen sind, dessen Kündigung angefochten wurde und der dann mit dem neuen Arbeitgeber, der auch Betriebsmittel vom alten Arbeitgeber übernimmt, übereingekommen ist, dass dieser den Arbeitnehmer übernimmt und für einige Zeit auf die Kündigung verzichtet, liegt keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Unabhängig vom Vorliegen eines Betriebsübergangs im Sinne des § 3 AVRAG kommt der Frage der Berücksichtigung von Vordienstzeiten jedoch allgemeine Bedeutung zu.

Dass hier bei der Beurteilung der Frage, ob überhaupt wesentliche Interessen des Klägers beeinträchtigt wurden (vgl etwa OGH 19. 12. 2001, 9 ObA 174/01f = ASoK 2002, 417, OGH 29. 8. 2002, 8 ObA 177/02s, OGH 19. 9. 2002, 8 ObA 25/02p mwN etwa Arb 10.755; DRdA 1989/24 [ Floretta ] uva), wofür dieser behauptungs und beweispflichtig ist (vgl 9 ObA 174/01f, 8 ObA 177/02s, 8 ObA 25/02p jeweils mwN etwa Arb 10.874 uva), die strittigen Zusagen über eine weitere Absicherung durch den früheren Arbeitgeber nicht ausschlaggebend sind, hat der Oberste Gerichtshof bereits im ersten Rechtsgang ausgesprochen (8 ObA 48/03x = Arb 12.329 = ZAS 2004/33 [ Tomandl , der zutreffend darauf hinweist, dass nur eher rasch durchsetzbare Forderungen die wirtschaftliche Lage des Gekündigten verbessern]).

Die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des 1944 geborenen Klägers wurde durch die Kündigung im 58sten Lebensjahr Anfang 2002, nachdem er sich 1999 noch im Ergebnis erfolgreich gegen die Kündigung durch den Vordienstgeber gewehrt hat, massiv beeinträchtigt. War doch ausgehend vom Kündigungszeitpunkt (vgl zur anzustellenden Prognoseentscheidung RIS Justiz RS0051772 mzwN) davon auszugehen, dass der Kläger keinen neuen Arbeitsplatz mehr erlangen kann und damit dauerhaft auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung und letztlich der vorzeitigen Alterspension angewiesen ist.

Weiters ist darauf zu verweisen, dass der Gesetzgeber im § 105 Abs 3 ArbVG den Interessen älterer, länger im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer dann, wenn sie eine Interessenbeeinträchtigung nachweisen können, einen besonderen Schutz eingeräumt hat (vgl zur Zulässigkeit unter dem Aspekt der positiven Förderungsmaßnahmen nach Art 7 Abs 1 der Richtlinie 8 ObA 48/03x mwN, etwa 9 ObA 223/02p). Bei der Prüfung, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, sind der Umstand einer vieljährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, sowie die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen. Bei der Kündigung älterer Arbeitnehmer ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller ArbVG Band III 2 , § 105 Erl 56; RIS Justiz RS0052008). Wie bereits in der Vorentscheidung dargestellt, bedeutet das nicht automatisch die Sozialwidrigkeit der Kündigung, sondern ist dies bei der Prüfung im Einzelfall zu berücksichtigen (8 ObA 48/03x unter Hinweis auf Karl , Die sozial ungerechtfertigte Kündigung, 50).

Das Einkommen des Klägers ist mit der Kündigung von etwa 75.000 S zuzüglich einem zur Privatnutzung zur Verfügung stehenden Firmenauto auf 15.000 S Arbeitslosenunterstützung gefallen, ohne dass die Aussicht auf die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes bestand. Das Einkommen seiner Ehegattin mit monatlich netto etwa 60 – 70.000 S kann unter Berücksichtigung der doch sehr erheblichen Kreditbelastungen (ca 20.000 S) und laufenden Aufwendungen für das Haus, die KFZ sowie Versicherungen und Telefonkosten (ca weitere 25 30.000 S auch ohne das Zweithaus) auch keinen entsprechenden Ausgleich bieten, auch wenn man allfällige Unterhaltsansprüche berücksichtigt (9 ObA 174/01f = ASoK 2002, 417).

Es ist - wie vom Berufungsgericht auch zutreffend bejaht - von einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG auszugehen.

Damit wird aber auch die Frage des § 105 Abs 3 ArbVG virulent, wonach den Interessen älterer, länger im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer einen besonderen Schutz eingeräumt wird, und ob der Kläger als so ein länger beschäftigter Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist. Dazu ist schon darauf hinzuweisen, dass das Gesetz ausdrücklich nicht nur die vieljährige ununterbrochene Beschäftigungszeit in dem konkreten Betrieb, sondern auch in dem Unternehmen, dem der Betrieb angehört, heranzieht.

Hier wurde der Kläger von seinem früheren Dienstgeber von der Beklagten gemeinsam mit der Übertragung von Vertriebsberechtigungen und Kunden „übernommen". Ob dies die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs im Sinne des § 3 AVRAG erfüllt, wurde nicht weiter erörtert.

Nach der Rechtsprechung sowohl des Obersten Gerichtshofs als auch des Europäischen Gerichtshofs wurde stets besonderes Gewicht auf die Wahrung der Identität der Einheit, die von einem Inhaber auf den anderen übergegangen ist, gelegt (8 ObA 64/07f; 8 ObA 122/03d zum Übergang zwischen den Betreibern einer „Spitalsküche" mwN; etwa EuGH 2. 12. 1999, Rs C 234/98m ua; Slg 1999 I 8643 Rz 23). Hingegen wurde auf die rechtliche Beziehung zwischen dem „Veräußerer" und dem „Erwerber" regelmäßig nicht abgestellt (8 ObA 64/07f mwN; 8 ObA 122/03d mwN, EuGH 10. 12. 1998, Rs C 127/96, Rs C 229/96 und Rs C 74/97, Vidal ua, Slg 1998, I 8179, EuGH 10. 12. 1998, Rs C 173/96 ua, Hidalgo ua, Slg 1998, I 8237 RIS Justiz RS0110832). Grundsätzlich wurde bei Prüfung des Vorliegens eines Betriebsübergangs vorweg darauf abgestellt, ob eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung gegeben ist (vgl dazu SZ 70/219 oder SZ 71/216 aber auch EuGH 11. 3. 1997, Rs C 13/95, Ayse Süzen Slg 1997, I 1259, Rz 13 uva).

In weiterer Folge wurde dann geprüft, ob die wirtschaftliche Einheit auf den neuen Betreiber übergegangen ist.

Zur Beurteilung dieses „Überganges" der „Einheit" auf einen neuen Inhaber wurde auf

1. die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs,

2. den Übergang der wesentlichen materiellen und immateriellen Betriebsmittel,

3. den Übergang von wesentlichen Teilen der Belegschaft,

4. den Übergang von Kunden und Kundenbeziehungen,

5. den Grad der Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit und

6. die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit abgestellt und letztlich eine Gesamtbewertung durchgeführt (vgl etwa SZ 71/216 uva).

Aus der von der Beklagten selbst vorgelegten und insoweit nicht bestrittenen Vereinbarung vom 22. 6. 1998 (AS 35, Blg ./1) ergibt sich, dass die Beklagte das „Kunststoffgeschäft und die in diesem Bereich beschäftigten Dienstnehmer übernehmen sollte". Dafür sollte der Kläger, der seine Kündigung durch den früheren Arbeitgeber angefochten hatte, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich auflösen und mit der Beklagten mit einem dreijährigen Kündigungsverzicht neu begründen. Es kann nun letztlich dahingestellt bleiben, ob dies als „wirtschaftliche Einheit" im Sinne der dargestellten Rechtsprechung zu § 3 Abs 1 AVRAG als Betriebsübergang anzusehen ist. Dann wäre wohl jedenfalls von der Erfüllung der langjährigen Beschäftigung im gleichen Betrieb oder Unternehmen auszugehen, weil sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers für den neuen Betriebsinhaber auch betriebsverfassungsrechtlich als Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses darstellt (allgemein zur „Haftung" RIS Justiz RS0112978 mzwN). Aber auch bei Arbeitnehmern aus einem übernommenen Bereich, der in den Betrieb integriert wird und dies keine „wirtschaftliche Einheit" im Sinne der dargestellten Rechtsprechung umfasst, sind diese „Vordienstzeiten" bei der Beurteilung des Kündigungsschutzes nach § 105 ArbVG beachtlich, wenn es wie hier - gerade um die Ablöse des alten Anfechtungsrechts durch die Übernahme des Arbeitnehmers geht. Zwar ist davon auszugehen, dass die Bestimmungen des Betriebsverfassungsrechts absolut zwingenden Charakter haben (vgl RIS Justiz RS0118912, RIS Justiz RS0050863 jeweils mwN), jedoch verweisen diese ja hier auf die konkrete soziale Lage des Arbeitnehmers, die eben auch durch diese vertraglichen Vereinbarungen mitgestaltet wird.

Berücksichtigt man aber die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess hier im besonderen Maße, so bedarf es des Nachweises von erheblichen konkreten Kündigungsgründen. Dabei reicht es aus, dass die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Umstände die betrieblichen Interessen soweit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würden und die Kündigung als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen (RIS Justiz RS0051888).

Die Beklagte trifft die Behauptungs- und die Beweislast für diese Kündigungsgründe (RIS Justiz RS0110154; 9 ObA 143/05b). Weitere Kündigungsgründe sind nicht zu berücksichtigen. Die Beklagte hat nur Gründe in der Person des Klägers, die die betrieblichen Interessen nachteilig im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG berühren geltend gemacht. Sie hat sich auf vage Ausführungen gestützt, wie etwa, dass der Kläger den an ihn gestellten Anforderungen nicht mehr gerecht werden konnte, teamunfähig und nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich auf eine neue Kundenstruktur und die neuen Produkte einzustellen. Der Kläger hat schon im erstinstanzlichen Verfahren den Einwand der mangelnden Konkretisierung der Kündigungsgründe erhoben.

Diese behaupteten Schwierigkeiten wurden auch nur sehr allgemein gehalten festgestellt. Welche konkreten und auch geeigneten Maßnahmen ergriffen wurden, um den aus einer anderen Unternehmenskultur übernommenen Kläger in den Betrieb der Beklagten zu integrieren, und inwieweit er darauf hingewiesen worden wäre, dass sich seine Arbeitsleistung verbessern müsse, wurde ebenfalls nicht konkretisiert. Zwar wurde vorgebracht, dass der Kläger auf seine „Unfähigkeit" auch hingewiesen worden sei und sich diese auch durch Schulungen, Mitarbeitergespräche und Ermahnungen nicht verbessert hätte, jedoch wurde ein präzises Vorbringen dazu nicht erstattet. Feststellungen zu Ermahnungen oder Mitarbeitergesprächen wurden überhaupt nicht getroffen und jene zu den Schulungen sind so allgemein gehalten, dass im Ergebnis nicht ersichtlich ist, ob diese überhaupt als ausreichend einzustufen sind.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die festgestellten Schwierigkeiten zum Nachweis eines in der Person gelegenen Kündigungsgrundes ausreichen würden, so ergibt sich jedenfalls aus der vorzunehmenden Interessenabwägung (RIS Justiz RS0051994; RIS Justiz RS0051719 jeweils mzwN; Karl , Die sozial ungerechtfertigte Kündigung, 178) unter Berücksichtigung des Alters des Klägers und der Unmöglichkeit der Erlangung eines anderen Arbeitsplatzes sowie der Beschäftigungsdauer, dass die Interessen des Klägers an der Weiterbeschäftigung überwiegen. Es wäre bei einem Mitarbeiter, der jahrzehntelang in diesem Bereich tätig war und wegen seines fortgeschrittenen Alters am Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar ist, erforderlich, ihm vorweg neben konkret geeigneten Schulungen etwa durch Mitarbeitergespräche den Ernst der Situation bewusst zu machen. Hier hat die Beklagte aber im Ergebnis nur den Ablauf des vereinbarten dreijährigen Kündigungsschutzes abgewartet und dann die Kündigung ausgesprochen.

Es ist der Beklagten nicht gelungen, konkrete Gründe in der Person des Klägers, die die betrieblichen Interessen nachteilig beeinträchtigen und die die Interessen des Klägers an der Weiterbeschäftigung überwiegen, nachzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2, 58 ASGG und § 41 ZPO.

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