JudikaturJustiz7Ob65/09y

7Ob65/09y – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juni 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. DI Werner S*****, und 2. Gisela S*****, beide: *****, vertreten durch Mag. Dr. Georg Prchlik, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E***** AG, *****, vertreten durch Neudorfer Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 14 Cg 65/02x des Handelsgerichts Wien, über die „außerordentliche Revision" der klagenden Parteien gegen das „Urteil" des Oberlandesgerichts Wien als „Berufungsgericht" vom 15. Jänner 2009, GZ 1 R 221/08i-26, womit das „Urteil" des Handelsgerichts Wien vom 22. August 2008, GZ 42 Cg 22/07m-21, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die als Revisionsrekurs zu behandelnde „außerordentliche Revision" wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Im November 1992 nahmen die Kläger bei der Beklagten ein Fremdwährungsdarlehen auf und unterfertigten zur Besicherung Blankowechsel. Die Darlehenssumme verwendeten die Kläger zur Veranlagung bei der F***** AG (in der Folge: F*****) in Z*****, über deren Vermögen im Jahr 1997 der Konkurs eröffnet wurde. Die Kläger und weitere österreichische Gläubiger der F***** kamen mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (in der Folge: G*****) in Kontakt. Diese führte einen Passivprozess gegen die in Z***** ansässige M***** AG. Sie war interessiert, Forderungen gegen die M***** AG zu erwerben, um sie als Gegenforderungen einwenden zu können. Sie kaufte mit Zustimmung der geschädigten Anleger eine mögliche Forderung der F***** gegen die M***** AG aus der Konkursmasse. Mit den Anlegern, so auch mit den Klägern, war im Gegenzug vereinbart, dass im Fall einer erfolgreichen Geltendmachung der Forderung die geschädigten Anleger mit insgesamt 730.000 USD entschädigt werden sollten, wobei den Klägern in diesem Fall ein Betrag von 165.000 USD zukommen sollte. Sollte die Forderung gar nicht oder nur teilweise verwertet werden können, so sollten auch die geschädigten Anleger gar nicht oder nur anteilsmäßig von der G***** entschädigt werden.

Die G***** konnte im Verfahren 14 Cg 231/94v des Handelsgerichts Wien diese Gegenforderung gegenüber der M***** AG jedoch nicht erfolgreich einwenden. Es wurden dabei nicht nur alle Unterlagen verwendet, die man von der Zweitklägerin erhielt, sondern es wurde auch selbst recherchiert. Das Gericht erkannte jedoch die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend. Die G***** schloss letztlich einen Vergleich, bei dem diese Forderung im Hinblick auf die Ergebnisse des Verfahrens nicht berücksichtigt wurde.

Im wiederaufzunehmenden Verfahren 14 Cg 65/02x des Handelsgerichts Wien wandten die Kläger gegen die von der Beklagten im Wechselmandatsverfahren geltend gemachte Forderung die Gegenforderung von 165.000 USD aus dem Titel des Schadenersatzes ein. Die G***** habe ohne Benachrichtigung und Zustimmung der Beklagten den Vergleich geschlossen. Sie müsse sich als Verschulden zurechnen lassen, dass sie von sich aus die Forderung nicht weiter im Verfahren verfolgt habe. Das Handelsgericht Wien erkannte mit Urteil vom 21. 3. 2003, 14 Cg 65/02x-25, die Klagsforderung als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat zur Gegenforderung die Rechtsansicht, dass die Bank ausreichend Anstrengungen unternommen habe, um die Forderung durchzusetzen, was aber aufgrund der nachvollziehbaren Beweiswürdigung des Gerichts nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen wäre der Gegenforderung ohnehin das Hindernis des vereinbarten Aufrechnungsverbots entgegengestanden. Die Bank habe auf das Aufrechnungsverbot aufgrund der dargestellten Vereinbarung auch nicht verzichtet. Das Urteil erwuchs in Rechtskraft.

Die Kläger begehren nun die Wiederaufnahme des Verfahrens 14 Cg 65/02x des Handelsgerichts Wien. Sie führten aus, dass „Knackpunkt" des Urteils die Ansicht des Gerichts gewesen sei, die Rechtsvorgängerin der Beklagten, G*****, habe mit gehöriger Anstrengung und unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten die Forderung der F***** gegen die M***** AG verfolgt. Essentiell für das Verfahren sei die Aussage Manfred R*****s als Vertreter der Darlehensgeberin bei mehreren, nach der Darlehensgewährung verfassten Schreiben gewesen, in denen ausdrücklich von einem Privatdarlehen an Klaus G***** gesprochen worden sei. Dieser Argumentation hätte die G***** bei gehöriger Sorgfalt durch die Führung eines Urkundenbeweises begegnen können. In dem Telefax von Klaus G***** vom 15. 3. 1994, welches das Aviso betreffend die Überweisung einer Summe von 5 Mio USD beinhalte, sei mit Maschinschrift eine Zeile zugesetzt worden, nämlich: „Darlehen an Klaus G*****". Die unterschiedlichen Schriften und die Schreibweise des Namens „G*****" mit „zwei ss" hätte der G***** auffallen müssen und sie hätte mit gehöriger Sorgfalt Nachforschungen anstellen müssen. Dann hätte sie in dem von der Staatsanwaltschaft K***** geführten Akt gegen Klaus G***** das Telefax in der Form, wie es Klaus G***** abgesandt habe (Beil ./B) und das Telefax in der Form, wie es dem Empfänger zugekommen sei (Beil ./C), vorgefunden und wahrgenommen, dass bei Beilagen ./B und ./C der Zusatz „Darlehen an Klaus G*****" nicht enthalten sei. Mittels dieser Urkunden wäre es der G***** bei gehöriger Sorgfalt gelungen nachzuweisen, dass Manfred R***** offenbar bemüht gewesen sei, durch eine Verfälschung des Telefax den Anschein einer Darlehensgewährung an Klaus G***** persönlich zu konstruieren. Dies hätte wiederum die von Manfred R***** verfassten Schreiben mit dem Hinweis auf ein Privatdarlehen von Klaus G***** inhaltlich unglaubwürdig erscheinen lassen, weshalb im wiederaufzunehmenden Verfahren das Zurechtbestehen der compensando eingewandten Forderung hätte festgestellt werden müssen.

Zur Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsklage wurde vorgebracht, dass der Zweitwiederaufnahmsklägerin am 20. 11. 2006 vom Schweizer Rechtsanwalt Dr. K*****, der vom Erwerb der M***** AG-Forderung durch die G***** im Auftrag letzterer tätig gewesen sei (Beilage ./A), per Telefax übermittelt worden sei und die Wiederaufnahmsklägerin in dieser Weise von ihr Kenntnis erlangt habe. Die Originale der Beilagen ./B und ./C seien von der Zweitwiederaufnahmsklägerin im Zuge einer Einsicht in den Akt der Staatsanwaltschaft K***** aufgefunden worden. Die Wiederaufnahmskläger treffe somit kein Verschulden daran, dass sie die bezeichneten Beweismittel nicht im aufzunehmenden Verfahren vorgelegt haben. Weiters sei es den Wiederaufnahmsklägern jetzt erst gelungen, einen neuen Zeugen, Otto Friedrich E*****, aufzufinden. Durch seine Einvernahme könne dargetan werden, dass die Gegenforderung tatsächlich bestanden habe. Dieser Zeuge sei nur unter großen Schwierigkeiten aufzufinden gewesen, dies insbesondere aufgrund des Umstands, dass der Zeuge strafgerichtlicher Verfolgung im Zusammenhang mit dem auch hier gegenständlichen Anlagengeschäften ausgesetzt gewesen sei. Die hier vorgelegte eidesstättliche Erklärung des Zeugen sei erst am 3. 1. 2007 verfasst worden.

Das Erstgericht hat die Wiederaufnahmsklage nach Durchführung eines Beweisverfahrens mit Urteil „abgewiesen". Es kam zu dem Ergebnis, dass die Beilage ./A der Zweitwiederaufnahmsklägerin per Fax am 20. 11. 2006 übermittelt worden sei und dass die Beilagen ./B und ./C Aktenkopien von im Strafakt erliegenden Kopien seien, die die Zweitwiederaufnahmsklägerin hergestellt habe. Den Klägern sei die Existenz des Zeugen E***** bereits im Jahr 1993 bekannt gewesen. Es wäre möglich gewesen, bereits im Hauptprozess die Einvernahme des Zeugen - etwa für den Fall seiner Inhaftierung im Rechtshilfeweg - zu beantragen. Weiters traf das Erstgericht die Negativfeststellung, dass nicht feststehe, dass die F***** an die M***** AG ein Darlehen in der Höhe von 5 Mio USD gewährt habe und dass die G***** zu 14 Cg 231/94 des Handelsgerichts Wien den Vergleich mit der M***** AG mutwillig oder sorglos abgeschlossen habe. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Beantragung des Zeugen E***** allein zur Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage hätte führen müssen, weil dieser den Klägern bereits ab 1995 bekannt gewesen sei und das Wiederaufnahmeverfahren nicht dazu diene, etwaige Unterlassungen der Kläger im Hauptprozess nachzuholen. Für die erst später in ihre Hände gelangte Beilage ./A gelte dies allerdings nicht. Das Erstgericht unterzog die bis dahin nicht bekannte Beilage ./A einer von ihm so genannten „eingeschränkten" Beweiswürdigung, „um festzustellen, ob sich an dem Urteil des Hauptprozesses etwas geändert hätte". Es kam im Rahmen der Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass die Beilagen ./A bis ./C allein überhaupt keinen Beweis für ein angebliches Darlehen der F***** an die M***** AG darstellten und dass ihre Widersprüchlichkeiten keine eindeutigen Feststellungen zuließen. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass jedenfalls die neuen Beweismittel nicht geeignet seien, die fundierte und nachvollziehbare Beweiswürdigung im Hauptverfahren zu erschüttern. Unabhängig davon stehe der Wiederaufnahmsklage das vereinbarte Aufrechnungsverbot entgegen. Dazu sei von den Wiederaufnahmsklägern weder ein Beweismittel vorgelegt noch ein Vorbringen erstattet worden, welches in der Lage gewesen wäre, die Entscheidungsgrundlage des Gerichts im Hauptprozess abzuändern. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das angefochtene „Urteil". Das Erstgericht habe im Hauptprozess seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass die Gegenforderung im Hinblick auf das vertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot nicht hätte eingewandt werden können, weil der behauptete schlüssige Verzicht der Beklagten auf das Aufrechnungsverbot nicht vorliege. Die neu aufgefundenen Beweismittel der Kläger könnten die Frage der Wirksamkeit des Aufrechnungsverbots nicht beeinträchtigen. Daraus ergebe sich klar, dass die Möglichkeit der Benützung dieser Beweismittel im Hauptverfahren am dortigen Prozessverlust der Kläger nichts hätte ändern können. Der erstmals im Wiederaufnahmsverfahren in der Berufung erhobene Einwand, dass das vereinbarte Aufrechnungsverbot auch sittenwidrig sei, sei nicht Gegenstand des Hauptprozesses gewesen. Es sei nicht Zweck des Wiederaufnahmsverfahrens, den Wiederaufnahmsklägern die Nachholung versäumter Einwände im Hauptprozess zu ermöglichen. Fraglich sei allenfalls, ob das Erstgericht im Hauptverfahren über die Berechtigung der Gegenforderung überhaupt hätte absprechen dürfen oder ob es die Aufrechnungseinrede wegen der fehlenden Aufrechenbarkeit hätte abweisen müssen. Auch letzteres hätte am Prozessverlust der Wiederaufnahmskläger nichts geändert, hätte ihnen aber immerhin ermöglicht, auch den von der Höhe der Klagsforderung umfassten Teil der Gegenforderung weiterhin aktiv geltend zu machen. Dies hätten sie aber bereits im Hauptverfahren geltend machen müssen, weil die Frage der Relevanz der neuen Beweismittel im Wiederaufnahmsverfahren aus dem Blickwinkel der Richtigkeit der unbekämpft gebliebenen rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts im Hauptverfahren zu beurteilen sei.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass die „Revision" nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 2 ZPO zu lösen gewesen sei.

Dagegen richtet sich die „außerordentliche Revision" der Kläger.

Rechtliche Beurteilung

Die - wie noch darzustellen sein wird - als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandelnde „Revision" der Kläger ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO berechtigen nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zur Wiederaufnahmsklage, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Es kommt dabei darauf an, ob die Außerachtlassung der neuen Tatsachen oder Beweismittel im Vorprozess einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Findung der materiellen Wahrheit und die Vollständigkeit der Urteilsgrundlage darstellt (RIS-Justiz RS0044676). Für die Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage reicht es aus, dass die neuen Beweismittel für sich allein betrachtet eine andere Entscheidung herbeizuführen vermögen. Ob ihnen diese Eignung wirklich zukommt, kann aber nicht im Vorverfahren (judicium rescindes), sondern nur im Hauptverfahren (judicium rescissorium) beurteilt werden. Nur im Hauptprozess kann der Beweiswert der neuen Zeugenbeweise, das heißt die Glaubwürdigkeit der Zeugen und auch die Frage geprüft werden, ob die neuen Beweismittel die Beweisergebnisse und die darauf aufgebauten Fragestellungen des Erstgerichts im Vorprozess wirklich erschüttert haben (RIS-Justiz RS0044481). Es ist also zunächst vom Gericht eine Prüfung der Schlüssigkeit und Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage nach § 538 ZPO vorzunehmen. Der Beweiswert der angebotenen Beweismittel ist in einer nach § 538 ZPO zu treffenden Entscheidung nicht zu überprüfen, wohl aber ist bei dieser Entscheidung zu untersuchen, ob die Klagsvoraussetzungen der Wiederaufnahmsklage gegeben sind (RIS-Justiz RS0036544). Zur Prüfung gehört auch, ob den Klägern die neuen Tatsachen oder Beweismittel innerhalb der Frist des § 534 ZPO zur Kenntnis gelangt sind und ob die Kenntnis erst nach Schluss der Verhandlung erster Instanz im Hauptprozess auf ein Verschulden der Kläger zurückzuführen ist. Ist schon aufgrund der Klagsangaben klar, dass ein Erfordernis fehlt, ist die Klage sofort zurückzuweisen. Die Frage, ob die als Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemachten Umstände ersichtlich von vornherein keinen Einfluss auf die Entscheidung in der Hauptsache haben können, ist im Vorprüfungsverfahren nach § 538 Abs 1 ZPO abstrakt zu prüfen. Ergibt diese abstrakte Prüfung, dass die in der Klage vorgebrachten Tatsachen oder die aus den neuen Beweismitteln abzuleitenden Tatsachen sogar dann, wenn man sie als richtig unterstellt, zu keiner Änderung der früheren Entscheidung führen können, sind die vorgebrachten Umstände auch abstrakt als Wiederaufnahmsgrund untauglich und die Klage ist mit Beschluss zurückzuweisen. Bei dieser Prüfung der Wiederaufnahmsklage, bei der von der dem früheren Urteil zugrundegelegten Rechtsansicht auszugehen ist, handelt es sich letztlich um eine Schlüssigkeitsprüfung (RIS-Justiz RS0044631, auch RS0044504). Aus § 543 ZPO ergibt sich, dass eine unschlüssige Wiederaufnahmsklage in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0044620).

Wird die Zulässigkeit und Schlüssigkeit der Klage bejaht, müssen im Wiederaufnahmeverfahren Beweise zu den Klagsangaben aufgenommen werden und es muss über die Wiederaufnahmsklage mit Urteil abgesprochen werden (§ 541 ZPO). Die Würdigung der Beweise kann nicht abschließend sein, weil sie zumeist nur im Zusammenhang mit den Beweisergebnissen im Hauptprozess möglich ist. Wohl aber muss eine Würdigung der neuen Beweise für sich allein betrachtet und soweit es sich um das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiederaufnahme handelt, schon im judicium rescindes vorgenommen werden (RIS-Justiz RS0044678). Wird der Wiederaufnahmsklage stattgegeben, so ist das Verfahren im Hauptprozess im Sinn von § 541 Abs 2 ZPO aufzunehmen.

Das Erstgericht hatte im Sinn des § 541 ZPO und der dargelegten Judikatur die neuen Beweismittel nicht schon vor Bewilligung der Wiederaufnahmsklage in Zusammenschau mit den Beweismitteln des Hauptprozesses zu würdigen. Es hat sich aber unter anderem auch darauf gestützt, dass sich die Wiederaufnahmsklage nicht auf die Beseitigung des vereinbarten Aufrechnungsverbots beziehe. Das Berufungsgericht ist dieser Ansicht gefolgt. Damit wurde von den Vorinstanzen in Wahrheit ausgesprochen, dass die Wiederaufnahmsklage unschlüssig sei. Die Wiederaufnahmsklage hätte deshalb nicht mit Urteil abgewiesen, sondern schon im Vorprüfungsverfahren mit Beschluss mangels Schlüssigkeit zurückgewiesen werden müssen. Das Berufungsgericht hätte das „Urteil" des Erstgerichts mit Maßgabe (als zurückweisenden Beschluss) bestätigen müssen, geht es doch - wie auch das Erstgericht - davon aus, dass von vornherein kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund in Betracht kommen konnte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beeinflusst das Vergreifen in der Entscheidungsform aber weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des gegen die Entscheidung erhobenen Rechtsmittels (2 Ob 8/06z, RIS-Justiz RS0036324 [T1]). Maßgeblich ist nicht die vom Gericht gewählte, sondern nur die vom Gesetz vorgeschriebene Entscheidungsform (RIS-Justiz RS0041880). Insofern ist daher die Revision der Kläger als Revisionsrekurs aufzufassen. Dieser ist nur bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig und nicht absolut nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unzulässig, weil die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (2 Ob 8/06z).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts, die als Bestätigung der Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage mangels Schlüssigkeit aufzufassen ist, ist aber im Ergebnis richtig.

Im wiederaufzunehmenden Verfahren sprach das Handelsgericht Wien eindeutig und unzweifelhaft nach seinem Spruch und der Begründung über das Bestehen der Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung ab und erkannte sie als nicht zu Recht bestehend. Der Hinweis auf das Aufrechnungsverbot in den Entscheidungsgründen, das eine Entscheidung über die Gegenforderung ausschließen würde, die Aufrechnungseinrede müsste abgewiesen werden (RIS-Justiz RS0033992), kann nur als nicht tragende Hilfsbegründung aufgefasst werden. Da die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ist, sind die Wiederaufnahmsgründe an dieser rechtlichen Beurteilung zu messen und nicht an einer Hilfsbegründung, die zu einer ganz anderen Entscheidung, nämlich zur Abweisung der Aufrechnungseinrede, hätte führen müssen. Der vom Gericht zweiter Instanz herangezogene Grund für die Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung (Zurückweisungsgrund) ist daher nicht stichhältig. Es liegt aber ein anderer Zurückweisungsgrund vor:

Zwar ist die Frage, ob die Kläger ein Verschulden daran trifft, die nunmehr genannten Beweismittel nicht früher geltend gemacht zu haben (§ 530 Abs 2 ZPO), noch nicht geklärt. Das Erstgericht stellte - vom „Berufungsgericht" nicht geprüft - fest, dass der Zeuge schon im Hauptverfahren hätte namhaft gemacht werden können. Zu den Urkunden fehlt es bereits an erstgerichtlichen Feststellungen, ob nicht auch diese bei gehöriger Prozessvorbereitung bereits früher hätten bekannt sein müssen. Die Frage kann aber im vorliegenden Fall auf sich beruhen.

Aus der Wiederaufnahmsklage geht nicht hervor, inwiefern durch die genannten Beweismittel eine Änderung der Beurteilung eintreten könnte, die G***** habe daran, dass sie die Forderung der F***** gegen die M***** AG im Verfahren aus dem Jahr 1992 nicht geltend gemacht habe, kein Verschulden getroffen. Es geht weder aus den Klagebehauptungen noch aus den Urkunden hervor, wann die G***** von diesen Urkunden in ihrer Gesamtheit Kenntnis erlangen hätte können und zu welchem Zeitpunkt eine Einsicht in den Strafakt die von den Klägern genannten Ergebnisse hätte zeitigen können. Zusätzlich ist nicht erkennbar, inwiefern es der Bank als Verschulden angelastet werden könnte, diese Beweismittel nicht in dem damaligen Verfahren verwendet zu haben, also nicht erkannt zu haben, dass sie eine relevante Änderung der Beweissituation hätten bringen können. Allein der Umstand, dass die Unstimmigkeit in der Schreibweise des Namens „G*****" nicht bemerkt wurde, wäre nach den vorliegenden Umständen noch nicht geeignet, eine Änderung der rechtlichen Beurteilung herbeizuführen.

Die Wiederaufnahmsklage ist daher im Ergebnis unschlüssig und wurde zu Recht (sinngemäß) zurückgewiesen.

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