JudikaturJustiz7Ob641/84

7Ob641/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin E*****, vertreten durch Dr. Walter Papis, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner S*****, vertreten durch Dr. Anton Baier, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Juli 1984, GZ 43 R 326/84 26, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 1. Februar 1984, GZ 3 F 3/82 20, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 8.880 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 80 S Barauslagen und 800 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht die erstinstanzliche Abweisung des am 30. 7. 1982 gestellten Antrags auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens. Beide Vorinstanzen hielten den Antrag für verspätet, weil im Ehescheidungsverfahren der Ausspruch über die Ehescheidung ungeachtet des weiteren Streits über die Schuldanteile schon vor der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs rechtskräftig geworden und der Aufteilungsantrag demnach nicht innerhalb der Frist des § 95 EheG gestellt worden sei.

Der vom Rekursgericht als zulässig erklärte Revisionsrekurs der Antragstellerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Aktenwidrigkeit war nicht zu prüfen, weil nach § 232 Abs 2 AußStrG der Revisionsrekurs nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhoben werden kann.

Wie das Berufungsgericht zutreffend und insoweit unbekämpft erkannte, besteht nach österreichischer Rechtsansicht kein Grundsatz der Einheitlichkeit des Eheurteils. Im Eheverfahren kann der Scheidungsausspruch in Rechtskraft erwachsen, ohne dass bereits rechtskräftig über das Verschulden entschieden ist (JB 57 neu = SZ 25/331; Fasching , Komm IV 34 und Handbuch Rz 2365). Bei einer Ehescheidung aus Verschulden ist allerdings die Annahme irgendeines Verschuldens des Beklagten präjudiziell für den Scheidungsausspruch. Wenngleich es den Parteien freisteht, nur den Verschuldensausspruch anzufechten, sodass das Gericht grundsätzlich den unangefochten gebliebenen Ausspruch über die Ehescheidung nicht mehr überprüfen darf, muss das Rechtsmittelgericht deshalb bei Verneinung jeglichen Verschuldens (der Beklagten, wenn keine Widerklage erhoben wurde) das Scheidungsbegehren selbst dann abweisen, wenn der Rechtsmittelwerber den Scheidungsausspruch nicht angefochten und insoweit keinen Rechtsmittelantrag gestellt hat (Punkt V des Judikats 57 neu, Fasching aaO). Im Fall von Klage und Widerklage trifft die Präjudizialität des Verschuldens eines der Streitteile begrifflich nur dann zu, wenn noch kein Verschulden eines der Streitteile wenigstens teilweise rechtskräftig festgestellt ist (vgl Fasching , Komm IV 35).

Im vorliegenden Fall hatten beide Parteien im Ehescheidungsverfahren Klage und Widerklage erhoben. Das Ersturteil vom 2. 5. 1980 war von beiden Parteien jeweils mit dem primären Berufungsantrag angefochten worden, die Ehe der Streitteile aus dem Alleinverschulden der anderen Partei zu scheiden. Damals war demnach das von beiden Parteien jeweils für die eigene Person zur Gänze bestrittene Verschulden für die Wirksamkeit des an sich nicht bekämpften Ehescheidungsausspruchs noch präjudiziell. Nach Bestätigung des Ersturteils im Ehescheidungsprozess durch die am 7. 11. 1980 zugestellte Entscheidung des Berufungsgerichts vom 17. 9. 1980 bekämpfte der heutige Antragsgegner dieses Urteil neuerlich mit dem Hauptantrag, die Ehe aus dem Alleinverschulden der dortigen Beklagten zu scheiden. Die heutige Antragstellerin erhob gleichfalls Revision. Sie erklärte eingangs, das Berufungsurteil insoweit anzufechten, als die zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe aus Verschulden beider Teile und nicht aus Alleinverschulden des Klägers oder zumindest aus dessen überwiegendem Verschulden geschieden wurde; ihr Revisions antrag lautete hingegen ausdrücklich dahin, das Berufungsurteil dahin abzuändern, dass die zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers für geschieden erklärt werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin war der damalige Widerspruch zwischen der Anfechtungserklärung und dem Revisionsantrag nicht wegen eines erkennbaren offenbaren Schreibfehlers im Sinne des weiteren Umfangs der Anfechtungserklärung zu lösen. Einer über den Rechtsmittelantrag hinausgehenden Rechtsmittelerklärung kommt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich keine Bedeutung zu; maßgeblich ist der Rechtsmittelantrag als das primäre, eine Teilrechtskraft absteckende Erfordernis des Rechtsmittelschriftsatzes (JBl 1954, 45 uva, zuletzt 1 Ob 607/82; ebenso Fasching , Komm IV 59; die durch die ZV Nov 1983 eingetretene neue Rechtslage, vgl Fasching , Lehrbuch RZ 1699 und 1748, ist im vorliegenden Fall noch nicht maßgebend). Allerdings konnten die Rechtsmittelgründe für die Beurteilung mit herangezogen werden, welche Entscheidung die Antragstellerin damals wirklich anstrebte; wegen ihres logischen Zusammenhangs mit dem Rechtsmittelantrag hätte dann ein bloßes Vorgreifen im Antrag nicht geschadet (JBl 1976, 444; JBl 1978, 490 ua). Im vorliegenden Fall boten aber auch die Revisionsgründe keine klaren weiteren Anhaltspunkte, zumal dort zusammenfassend ausgeführt wurde, dass die einmalige wenn auch absolute Eheverfehlung der Frau nicht geeignet sei, ein beiderseitiges gleich teiliges Verschulden herbeizuführen … (S 383).

Der hilfsweise gestellte Aufhebungsantrag aber war im eingeschränkten Sinn des Hauptbegehrens auszulegen (JBl 1962, 333 mit zustimmender Anm von Novak ).

Ausgehend von der dargestellten Rechtslage betreffend die Teilrechtskraft eines Ausspruchs über die Ehescheidung hat das Rekursgericht den Aufteilungsantrag mit Recht als verspätet angesehen, weil die Jahresfrist des § 95 EheG ab der Zustellung des Berufungsurteils zu bemessen und hier im Zeitpunkte der Einbringung des Antrags bereits abgelaufen war. Diese Rechtsansicht wurde vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach vertreten und eingehend begründet (EvBl 1982/105, JBl 1982, 495 ua). Die dagegen von der Rekurswerberin vorgebrachten Argumente wurden im Wesentlichen bereits in den Vorentscheidungen widerlegt. Soweit das Verschulden im Aufteilungsverfahren überhaupt eine Rolle spielt (vgl hiezu nunmehr Pichler in Rummel , ABGB, Rdz 1 zu §§ 83, 84 EheG; im gleichen Sinn 7 Ob 515/84), kann über einen rechtzeitig gestellten Aufteilungsantrag der Außerstreitrichter nötigenfalls das Endurteil im Scheidungsverfahren abwarten. Es ist dann auch eine allfällige spätere Einschränkung des Aufteilungsbegehrens möglich. Unlösbare Probleme der Bindungswirkung sind nicht zu befürchten, zumal der Außerstreitrichter unter Mitberücksichtigung aller anderen wesentlichen Umstände eine Billigkeitsentscheidung zu treffen hat. Die Möglichkeit einer Teilrechtskraft des Scheidungsurteils wurde bereits im Judikat 57 mit eingehender Begründung bejaht. Eine Zurücknahme der Klage wäre bei dieser Rechtslage auch nach § 79 Abs 2 der 1. DVEheG wegen der bereits eingetretenen Rechtskraft des Scheidungsausspruchs nicht mehr möglich gewesen. Auch eine Rückziehung der damaligen Revision der Antragstellerin hätte nicht mehr zur Beseitigung des Scheidungsurteils führen können, sondern es wäre dann beim gleichteiligen Verschuldensausspruch der vorinstanzlichen Urteile geblieben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 234 AußStrG. Der Oberste Gerichtshof hält einen bloßen Teilzuspruch der auf der Basis des von der Antragstellerin begehrten Geldbetrags als billig im Sinn des § 234 AußStrG, weil der Antragsgegner offenbar in den besseren finanziellen Verhältnissen lebt und Antrag und Revisionsrekurs der Frau nicht als mutwillig erschienen.

Rechtssätze
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