JudikaturJustiz7Ob610/88

7Ob610/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma H*** J***, Inhaber Franz K***, Abfaltersbach 125, vertreten durch Dr. Philipp Gruber und Dr. Bruno Pedevilla, Rechtsanwälte in Lienz, wider die beklagte Partei Dkfm. Dr. Walter S***, Unternehmensberater, Wels, Laaberbachstraße 18, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma Wilhelm P***, Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH Co KG, Bad Goisern, vertreten durch Dr. Erich Druckenthaner, Rechtsanwalt in Wels, wegen Herausgabe (Streitwert S 704.825,28 s.A.) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 15. März 1988, GZ 4 R 223/87-31, womit das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 22. Mai 1987, GZ 9 Cg 30/86-25, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Firma F***-C*** Bauerrichtungen Gesellschaft mbH hat der Firma Wilhelm P***, Hoch- und Tiefbaugesellschaft mbH Co KG, über deren Vermögen am 17. Juli 1987 der Konkurs eröffnet wurde, im Sommer 1983 den Auftrag erteilt, als Generalunternehmer das Bauvorhaben "Landwehrkaserne Innsbruck/Kranebitten" auszuführen. Die Gemeinschuldnerin hat im November 1983 dem Kläger den Auftrag erteilt, für vier Mannschaftsunterkunftsgebäude Panzerjalousien mit Kurbelantrieb zu liefern und zu montieren. Die Lieferung ist erfolgt. Hierüber wurde am 15. März 1985 eine Rechnung über S 704.825,28 gelegt. Diese Forderung wurde im Konkurs anerkannt, der Aussonderungsanspruch des Klägers bezüglich der Jalousien jedoch bestritten.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Herausgabe der Jalousien, wobei dem Beklagten die Ermächtigung eingeräumt werden solle, sich von der Herausgabe durch die Zahlung von S 704.825,28 s. A. zu befreien. Sein Begehren stützt der Kläger auf einen behaupteten Eigentumsvorbehalt bezüglich der Jalousien. Der Beklagte hat das wirksame Zustandekommen eines Eigentumsvorbehaltes bestritten und im übrigen eingewendet, selbst wenn ein solcher vereinbart worden wäre, könnte er nicht mehr wirksam sein, weil die geklagte Gemeinschuldnerin ihre Gewahrsame durch den Einbau der Jalousien verloren habe.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es ging hiebei von der Feststellung aus, daß zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin bezüglich der Jalousien Eigentumsvorbehalt vereinbart worden ist. Die Jalousien sind auf eine Art montiert worden, die eine Entfernung ohne Beschädigung der Substanz der Gebäude ohne weiters möglich mache. Die formelle Abnahme der Arbeiten des Klägers hätte erst nach Fertigstellung aller sechs Gebäude erfolgen sollen. Intern war aus Zweckmäßigkeitsgründen vorgesehen, daß die Arbeiten der Subunternehmer und die Arbeiten der Gemeinschuldnerin gegenüber der Firma F***-C*** gemeinsam abzunehmen sind. Bereits am 24. Mai 1985 waren von der Gemeinschuldnerin die von der Klägerin bereits erbrachten Arbeiten übergeben worden, wobei eine Überprüfung der Konstruktion selbst und eine Massenüberprüfung durchgeführt wurden, weil diese zur Erstellung der Teilrechnungen notwendig waren. Dies wurde aber dem Kläger nicht mitgeteilt. Der Masseverwalter war nie Gewahrsamsinhaber der Jalousien, weil die F***-C*** der Gemeinschuldnerin mit Konkurseröffnung den Auftrag entzogen hat.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Kläger habe den von ihm behaupteten Eigentumsvorbehalt bewiesen. Durch die Montage der Jalousien sei dieser Eigentumsvorbehalt nicht erloschen, weil durch sie keine derart unauflösliche Verbindung mit den Gebäuden entstanden sei, daß dies den Jalousien die Qualifikation als selbständige Sache genommen hätte. Der Eigentumskläger müsse jedoch auch beweisen, daß der Beklagte zumindest Innehaber der begehrten Sache sei. Im vorliegenden Fall sei die Innehabung der Gemeinschuldnerin erloschen, so daß die Eigentumsklage ins Leere gehe.

Das Berufungsgericht hat die erstgerichtliche Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Es hat die erstgerichtlichen Feststellungen übernommen und auch dessen Rechtsansicht bezüglich des Fortbestandes der Eigenschaft der Jalousien als selbständige Sache geteilt. Es pflichtete dem Erstgericht auch darin bei, daß eine erfolgreiche Eigentumsklage zumindest Innehabung durch den Beklagten voraussetze. Maßgebend sei hiefür der Zeitpunkt der Klagseinbringung. In dieser Richtung erweise sich die Sache jedoch als noch nicht spruchreif, weil der Kläger vorgebracht habe, sowohl zwischen ihm und der Gemeinschuldnerin einerseits als auch zwischen der Gemeinschuldnerin und der F***-C*** andererseits seien laut Ö*** A 2060 und B 2110 förmliche Übergabstermine vereinbart gewesen. Die Übergabstermine hätten nach Fertigstellung der jeweiligen Gesamtarbeiten stattfinden sollen. Zu einer derartigen förmlichen Übergabe sei es nicht gekommen. Wäre diese Behauptung richtig und wäre eine entsprechende Vereinbarung nicht abgeändert worden, so müßte die Gemeinschuldnerin weiterhin als Inhaberin der Jalousien zum Zeitpunkt der Klagseinbringung angesehen werden. Nur wenn die Übergabe bereits vor Klagseinbringung erfolgt wäre, müßte dies auf jeden Fall zur Klagsabweisung führen. Zu prüfen wäre daher, ob die behauptete Vereinbarung getroffen worden ist und zutreffendenfalls, ob und wann eine Übergabe erfolgte bzw. ob und wann die entsprechende Vereinbarung aufgehoben oder abgeändert worden ist. Der vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt.

Richtig ist, daß gemäß § 369 ABGB vom Kläger auch bewiesen werden muß, daß der Beklagte die eingeklagte Sache in seiner Macht hat. Maßgebend hiefür ist, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, der Zeitpunkt der Klagseinbringung. Anspruchsgegner ist jeder Innehaber, mag er selber Besitzer oder nur Besitzmittel für einen anderen sein, oder auch seine Herrschaft bloß durch einen Dritten vermittelt erhalten (Spielbüchler in Rummel, Rz 3 zu § 369). Es genügt also die sogenannte Besitzmittelschaft, das ist das Bestehen von Rechtsverhältnissen, die eine Anerkennung der Oberherrschaft bedeuten (Spielbüchler aaO Rz 2 zu § 309). Mit der Eigentumsklage kann also auch der Besitzer belangt werden, in dessen Namen ein anderer die Sache inne hat (Klang2 II, 228, SZ 51/56, EvBl 1955/375 ua).

Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Fall ist nun strittig, ob bisherige Besitzrechte dadurch erloschen sind, daß die Jalousien in den Besitz anderer gelangten. Im konkreten Fall kommt nur ein Besitzübergang durch Übergabe im Sinne der §§ 315 und 426 ABGB in Frage. Ein Vorbehalt in Bezug auf die Übernahme verbietet im Zweifel die Annahme der Übergabe (Spielbüchler Rz 3 zu § 426). Wäre die Behauptung des Klägers richtig, daß nach einer Vereinbarung der jeweils in Betracht kommenden Parteien die Übernahme nur durch einen formellen Akt zu geschehen hätte, so hätte sich durch die bloße Montage der Jalousien an den bestehenden Besitzverhältnissen nichts geändert. Diesfalls hätte bis zu dem formellen Übergabsakt der nunmehrige Inhaber die Jalousien lediglich im Namen des bisherigen Besitzers innegehabt. Wenn also bisheriger Besitzer oder Innehaber die Gemeinschuldnerin gewesen wäre, so hätte sich, unter Voraussetzung der Richtigkeit der klägerischen Behauptung, daran bis zu einer formellen Übergabe nichts geändert. Wäre eine solche formelle Übergabe bis zur Klagseinbringung nicht erfolgt, so stünde § 369 ABGB einem Erfolg der Eigentumsklage nichts entgegen. Natürlich wäre es denkbar, daß vor Klagseinbringung zwischen der Gemeinschuldnerin und ihrer Auftraggeberin eine Vereinbarung getroffen worden wäre, die zu einer Abänderung des ursprünglichen Vertragsinhaltes bezüglich einer bestimmten Übergabsform geführt hätte. Eine solche Abänderung hätte auch konkludent erfolgen können. Inwieweit eine solche konkludente Abänderung einer bestehenden Vereinbarung im Rücktritt der F***-C*** vom Vertrag mit der Gemeinschuldnerin gelegen sein kann, entzieht sich derzeit einer abschließenden Beurteilung.

Notwendig wird ein solcher Rücktritt eine Abänderung der erwähnten Vereinbarung nicht in sich schließen. Ob aber die Umstände des Einzelfalles eine solche Auslegung zulassen, kann vor Kenntnis dieser Umstände nicht gesagt werden.

Was die im Rekurs behandelte Frage anlangt, ob die behauptete Vereinbarung auch tatsächlich getroffen worden ist oder nicht, ist darauf zu verweisen, daß es an diesbezüglichen Feststellungen fehlt, obwohl eine solche Klagsbehauptung ausdrücklich aufgestellt worden ist. Nach den obigen rechtlichen Darlegungen handelt es sich hiebei aber um eine für die Entscheidung des Rechtsstreites wesentliche Frage, so daß ein Feststellungsmangel vorliegt, der den Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes rechtfertigt. Eine bloße Auslegung der in den Ö*** verwendeten Wortlaute ist deswegen nicht zielführend, weil diese Wortlaute sowohl die Möglichkeit einer förmlichen Übernahme, als auch die Möglichkeit einer formlosen Übernahme vorsehen. Eine förmliche Übernahme hat zu erfolgen, wenn eine solche im Vertrag vorgesehen oder nach Art und Umfang der Leistung üblich ist. Nach der Behauptung des Klägers war aber eine förmliche Übernahme sowohl in dem von ihm mit der Gemeinschuldnerin als auch in dem von der Gemeinschuldnerin mit ihrem Auftraggeber abgeschlossenen Vertrag ausdrücklich vorgesehen. Demnach muß geprüft werden, ob die erwähnte Behauptung des Klägers richtig ist oder nicht. Der Oberste Gerichtshof ist nicht in der Lage, ohne entsprechende vorinstanzliche Feststellungen diese dem Tatsachenbereich zuzuordnende Frage zu klären.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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