JudikaturJustiz7Ob561/85

7Ob561/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juni 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Gottfried A, Rechtsanwalt, Linz, Fadingerstraße 22, als Masseverwalter im Konkurs der Gerhard B Autohandels- und Verwertungsgesellschaft mbH, Walding, Rohrbacher Bundesstraße 1, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Gerhard B, Kaufmann, Walding, Rohrbacher Bundesstraße 1, vertreten durch Dr. Walter Brandt, Rechtsanwalt in Schärding, wider die beklagte Partei C D E, Linz, Promenade 11-13, vertreten durch Dr. Erich Wöhrle, Rechtsanwalt in Linz, wegen DM 1.360.000,-- (öS 9.680.000,--) samt Anhang und Feststellung (S 100.000,--), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 15. Jänner 1985, GZ 3b R 142/84-41, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19. Juni 1984, 1 Cg 131/83-24

aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung über die Berufungen der klagenden Partei und des Nebenintervenienten nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen. Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Die Gerhard B Autohandels- und Verwertungsgesellschaft mbH, kurz Firma B genannt, tätigte vielfach Autogeschäfte mit einer von Konrad

F geführten Firmengruppe in der Bundesrepublik Deutschland. Sie kaufte vom österreichischen Autoimporteur G Fahrzeuge aus der Bundesrepublik Deutschland und verkaufte sie mit Preisaufschlag an die Firmengruppe F zum Rückimport in die Bundesrepublik. Die dazu erforderlichen Kreditgeschäfte wickelte der Geschäftsführer der Firma B, Gerhard B, mit der Geschäftsstelle der Beklagten in Linz ab, deren stellvertretender Leiter, Alfred H, ein Cousin des Gerhard

B ist. Die den Bankgeschäften zugrundeliegenden Geschäftsbedingungen waren unter anderem:

a) Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen vom 1. Juli 1971 idF vom 1. Oktober 1979:

'Punkt 53 (1): Schreibt die Kreditunternehmung den Gegenwert von zum Einzug eingereichten Wechseln oder Schecks schon vor Eingang gut, so geschieht dies ebenso wie bei der Diskontierung nur unter Vorbehalt des Eingangs.

Punkt 55: Werden gutgeschriebene Wechsel und Schecks, die im Ausland zahlbar gestellt waren, nach den in Betracht kommenden Bestimmungen des ausländischen Rechts oder auf Grund einer mit ausländischen Kreditunternehmen getroffenen Vereinbarung der Kreditunternehmung rückbelastet, so darf die Kreditunternehmung den Kunden weiterbelasten'.

b) Die besonderen Kreditbedingungen der Beklagten, die in ihrem Punkt 9 das Erfordernis der Schriftlichkeit für Abänderungen und Ergänzungen der Kreditvereinbarung bestimmen.

c) Die besonderen Bedingungen für den Giroverkehr der I DN. Sie verweisen in Punkt IV. für den Scheckverkehr auf die Scheckbestimmungen, die vom Kreditunternehmen jeweils mit den Scheckvordrucken ausgefolgt werden.

d) Die Bedingungen für den Scheckverkehr. Sie bestimmen unter Punkt 8.: 'Der Aussteller ist damit einverstanden, daß die Bank auf Grund einer fernmündlichen oder fernschriftlichen Deckungsanfrage eines anderen Kreditinstitutes den entsprechenden Scheckbetrag für die Dauer von acht Tagen sperrt. Derartig gesperrte Schecks können vom Aussteller nicht widerrufen werden.' Die Firma B wickelte ihre Ein- und Verkäufe zumeist mit Schecks ab. Diese Zahlungsform hatte sich bis zum April 1981 bewährt und keine Komplikationen gebracht. Eine der Firmen des Konrad F, die J K L in Schweinfurt stellte auf die M

N O P Q gezogene Schecks aus und zwar a) Nr. 21565176 am 7. April 1981 über DM 300.000

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Die Beklagte führt in ihrem Rechtsmittel aus, die Einholung des von ihr beantragten Gutachtens darüber, daß sie keine Obsorgepflichten vernachlässigt habe, habe sich für das Erstgericht erübrigt, weil der Sachverständige nur ein Gutachten über Rechtsfragen hätte abgeben können, die das Erstgericht unter Bezugnahme auf Lehre und Rechtsprechung ohnedies gelöst habe. Das Erstgericht habe aber auch den Antrag des Nebenintervenienten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber, daß die Bank, die einen Scheckeinlösungsauftrag entgegennehme, nach allgemeinen Usancen für die Sperre des Guthabens zu sorgen habe, mit Recht abgelehnt, weil eine derartige Bankgepflogenheit im Widerspruch zu der vom Erstgericht festgestellten ausdrücklichen Vereinbarung 'unter Vorbehalt des Einganges' stehen würde.

Der Oberste Gerichtshof pflichtet dieser Ansicht nicht bei. Das Beweisverfahren hat - entgegen den Klagebehauptungen - weder ergeben, daß der Angestellte der Beklagten Alfred H über die mit der Ausstellung der Schecks zusammenhängenden Autogeschäfte voll informiert war, noch auch, daß Alfred H Gerhard B versicherte, die Zahlung mittels der Schecks gehe in Ordnung, die Auslieferung der mit den Schecks bezahlten Waren könne bedenkenlos durchgeführt werden, und daß die Beklagte auf Grund der positiven Scheckauskünfte auf den im Scheckeinreichungsformular aufscheinenden Vorbehalt des Eingangs der Zahlung verzichtet hat. Festgestellt wurde vielmehr, daß Gerhard B zu F offenbar volles Vertrauen hatte und weder an die Möglichkeit eines Widerrufs der Schecks dachte, noch auch gegenüber der Beklagten jemals den Wunsch nach einer bankmäßigen Sicherung äußerte, und daß zwar die Beklagte wegen der von F auf die M V gezogenen Schecks bei dieser anrief und von ihr die Zusage erhielt, daß der Scheck mit dem banküblichen Vorbehalt in Ordnung gehe, daß sie aber hievon Gerhard B keine Mitteilung machte, zumal dieser eine Anfrage an die M V nicht nur nicht gewünscht, sondern bei überreichung eines der Schecks sogar zum Ausdruck gebracht hatte, er wolle eine derartige Rückfrage lieber vermeiden. Die Ansicht der Vorinstanzen, es fehle an einem Auftrag des Gerhard B, für die Sicherheit der Schecks zu sorgen, und auch die Erteilung eines falschen Rates durch die Beklagte scheide aus, ist daher zutreffend. Gewiß bestehen Warn- und Aufklärungspflichten, wenn erkennbar ist, daß der Verhandlungspartner im Vertrauen auf eine abgegebene Erklärung - auch schlüssig durch ein bestimmtes Verhalten - sich anschickt, selbst Verbindlichkeiten einzugehen (SZ 52/90), wobei eine solche Aufklärungspflicht vor allem dann besteht, wenn der Vertragspartner zum Ausdruck bringt, daß er auf einen bestimmten Punkt besonderen Wert legt und daher informiert werden will, oder daß er auf Grund der überlegenen Fachkenntnisse des anderen eine entsprechende Beratung erwartet (SZ 55/51). Doch ist Voraussetzung für eine solche Verpflichtung stets, daß der Vertragspartner die Mitteilung der betreffenden Tatsachen nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (Ratz in Großkomm. z. HGB III/1, Anm. 24 zu § 347). Geht man von den getroffenen Feststellungen aus, bestand für die Beklagte keine Warnpflicht. Gerhard B hatte sie nämlich nicht ersucht, eine Auskunft darüber einzuholen, ob die Schecks eingelöst würden. Die Beklagte hatte daher Gerhard B das Ergebnis der jeweils eingeholten Auskunft auch nicht mitgeteilt -

sodaß Gerhard B daraus etwa bestimmte Schlußfolgerungen hätte ziehen können -, zumal Gerhard B sie von der Wichtigkeit der Einlösung der Schecks für ihn nicht entsprechend informiert hatte, sondern an der Einholung einer Deckungsanfrage gar nicht interessiert war. Allein auf Grund des Umstandes aber, daß nach Punkt 8 der Bedingungen für den Scheckverkehr die Bank berechtigt ist ('der Aussteller ist damit einverstanden'), auf Grund einer (fernmündlichen oder fernschriftlichen) Deckungsanfrage eines anderen Institutes den entsprechenden Scheckbetrag für die Dauer von 8 Tagen zu sperren, mit der Folge, daß ein derartig gesperrter Scheck vom Aussteller nicht widerrufen werden kann, durfte Gerhard B noch nicht erwarten, die Beklagte werde eine solche Sperre bei der MN V veranlassen, oder die Beklagte werde ihm die Bedeutung und die Wirkung einer positiven 'Deckungszusage' bei dieser Bank erklären. Diese Bestimmung enthält keineswegs eine Verpflichtung der Bank zu einer Deckungsanfrage, zur Sperre des Scheckbetrages auf Grund einer Deckungsanfrage oder zu einer Verpflichtung der Bank, eine Deckungsanfrage mit der Wirkung einer Sperre des entsprechenden Scheckbetrages durchzuführen. Gerhard B durfte daher - ausgehend von den bisher getroffenen Feststellungen - entsprechend dem Punkt 53 (1) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen nicht davon ausgehen, daß der Gegenwert der zum Einzug eingereichten Schecks vorbehaltlos schon vor Eingang gutgeschrieben würde, sondern nur unter dem Vorbehalt des Eingangs. Der Umstand, daß den Mitarbeitern der Beklagten der Unterschied zwischen Deckungszusage und Einlösungszusage weithin unbekannt war, hätte unter dieser Voraussetzung keine weiteren Folgen für den Klageanspruch. Nun hat aber der Nebenintervenient, wie vom Berufungsgericht aufgegriffen wurde, behauptet, es bestehe eine Verpflichtung der den Scheck zur Einlösung übernehmenden Bank, für die Sperre des Deckungsguthabens bei der bezogenen Bank Sorge zu tragen. Die Gepflogenheiten seien diesbezüglich in Österreich und der Bundesrepublik Deutschland nicht verschieden. Die Beklagte habe gegen diese Verpflichtung verstoßen (AS 87). Zum Beweis seiner Behauptung hat sich der Nebenintervenient auf Punkt 8 der von ihm vorgelegten 'Bedingungen für den Scheckverkehr' und auf die 'Bankusancen' berufen, wie sie unter anderem bei Schinnerer, Bankverträge I 3 112 ff, dargelegt werden, 'gegebenenfalls' auf die Vernehmung eines Sachverständigen aus dem Bankwesen. Aus Punkt 8 der Bedingungen für den Scheckverkehr kann, wie bereits dargelegt wurde, eine Verpflichtung der den Scheck zur Einlösung übernehmenden Bank, für die Sperre des Deckungsguthabens zu sorgen, nicht entnommen werden. Schinnerer-Avancini, Bankverträge I 3 , führen auf Seite 112 f aus, es habe sich zwischen den österreichischen Kreditunternehmungen die übung herausgebildet, über telefonische Anfrage einer Kreditunternehmung, der ein Scheck zum Inkasso übergeben wurde, eine verbindliche Erklärung durch die bezogene Kreditunternehmung über die Deckung abzugeben und gegebenenfalls den Gegenwert bis zum Einlangen des Schecks zu sperren (wobei aber diese Erklärung der Sperre eine überprüfung der Unterschrift des Scheckausstellers nicht ausschließe, sodaß das Risiko der Unterschriftsfälschung von der anfragenden Kreditunternehmung getragen werde). Auch aus diesen Ausführungen geht nicht hervor, daß eine Kreditunternehmung, der ein Scheck zum Inkasso übergeben wird, gegenüber dem übergeber des Schecks ohne weiteres, nämlich ohne dessen (ausdrücklichen oder schlüssigen) Auftrag und ohne eine besondere, aus der konkreten geschäftlichen Beziehung sich ergebende Warn- und Aufklärungspflicht, verpflichtet wäre, fernmündlich oder fernschriftlich eine verbindliche Erklärung durch die bezogene Kreditunternehmung über die Deckung einzuholen und den Gegenwert bis zum Einlangen des Schecks sperren zu lassen (vgl. hiezu auch Schinnerer-Avancini aaO, S 113, 2. Absatz). Es ist für die Entscheidung des Rechtsstreites wesentlich, ob die Beklagte jedenfalls - auch ohne entsprechenden Auftrag und Bestehen einer besonderen Aufklärungspflicht - verpflichtet gewesen wäre, eine Deckungsanfrage bei der MN V durchzuführen und die Sperre des Kontos bis zum Einlangen des Schecks zu verlangen. Ist das Berufungsgericht der Ansicht, der Sachverhalt sei in dieser Richtung noch nicht genügend geklärt, es bedürfe noch der Einholung eines Sachverständigengutachtens, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten. Darauf, daß es keine Rechts-, sondern eine Tatfrage ist, ob ein Handelsbrauch oder eine Usance besteht, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen (EvBl 1964/63).

Der Meinung, daß die vom Nebenintervenienten behauptete Usance gegen die festgestellte Vereinbarung 'unter Vorbehalt des Eingangs' stehen würde, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu folgen. Die Vereinbarung 'unter Vorbehalt des Eingangs' behielte weiterhin Bedeutung in dem von Schinnerer-Avancini aaO 113 behandelten Fall der Unterschriftsfälschung. Die behauptete Usance wäre allerdings geeignet, den Eingang des Scheckbetrages zu sichern. Die Ergänzung des Verfahrens durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über das Vorliegen der behaupteten Bankusance ist, da die Voraussetzungen des § 496 Abs 3 ZPO vorliegen, vom Berufungsgericht durchzuführen. Eine Verfahrensergänzung durch die erste Instanz wäre nur dann zur Höhe des Anspruches erforderlich, wenn sich der Klageanspruch dem Grunde nach als berechtigt erweisen sollte. In diesem Fall wäre die Fällung eines Zwischenurteils über den Grund des Anspruches möglich und angebracht.

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 52 ZPO.

Rechtssätze
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