JudikaturJustiz7Ob3/01v

7Ob3/01v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Januar 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Werner B*****, und 2. Christiana B*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Wilfrid und Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwälte in Freistadt, gegen die beklagten Parteien 1. Friedrich T*****, und 2. Mag. Liselotte M*****, beide vertreten durch Dr. Josef Schartmüller, Rechtsanwalt in Pregarten, sowie 3. Doris T*****, vertreten durch Dr. Peter Keul und Dr. Alexander Burkowski, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Streitinteresse S 80.000,--) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 13. September 2000, GZ 11 R 308/99m-24, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Pregarten vom 4. Juni 1999, GZ C 163/99a-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den erst- und zweitbeklagten Parteien zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 6.999,36 (hierin enthalten S 1.166,56 Umsatzsteuer) sowie der drittbeklagten Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 6.086,40 (hierin enthalten S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Kläger sind als Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 18 GB G***** (ua mit den Grundstücken Nr 531/1 und 41/1) Dienstbarkeitsbelastete, die beklagten Parteien (als Miteigentümer der Liegenschaft EZ 152 GB G***** mit den Grundstücken Nr 530/4 und 151 samt darauf errichtetem Haus G*****) Dienstbarkeitsberechtigte eines ersessenen Fahrrechtes über die bezeichneten Grundstücke der Kläger.

Diese stellten mit der am 8. 4. 1999 eingebrachten Klage das Feststellungsbegehren, dass sie berechtigt seien, an der östlichen Grenze ihres Grundstückes Nr 531/1 zum öffentlichen Weg eine Abschrankung in Form einer Kette oder einer sonstigen unversperrbaren Abschrankung anzubringen. Später wurde auch ein Eventualbegehren gestellt, dass sie berechtigt seien, auf ihren Grundstücken Nr 531/1 oder 41/1 eine unversperrbare Abschrankung in Form einer Kette oder sonstigen unversperrbaren Abschrankung zu errichten. Zur Begründung brachten sie vor, dass es in letzter Zeit (gemeint: vor Klageeinbringung) mehrfach vorgekommen sei, dass der Dienstbarkeitsweg von den berechtigten Personen mit überhöhter Geschwindigkeit befahren und auch durch nicht berechtigte Personen benützt worden sei. Einer außergerichtlichen Aufforderung, ihre Zustimmung zu einer derartigen Absperrung zu erteilen, welche den Beklagten als Dienstbarkeitsberechtigten auch zumutbar sei, hätten diese abgelehnt; die Zumutbarkeit ergebe sich auch daraus, dass der Dienstbarkeitsweg keinesfalls die einzige Zufahrt zum Grundstück der Beklagten darstelle, weil diese eine wesentlich bequemere Zufahrtsmöglichkeit zum öffentlichen Grund hätten.

Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren samt den dafür als maßgeblich behaupteten Anlassfällen und wendeten insbesondere ein, dass den Klägern auch das Rechtsschutzinteresse fehle und es sich bei der Klageführung lediglich um den Versuch handle, das von den Klägern zweifellos nicht geliebte Fahrrecht den Berechtigten "zu verleiden"; insofern sei die Anbringung einer Absperrvorrichtung auch schikanös, zumal diese für die Kläger auch keinerlei rechtserheblichen Vorteil biete.

Das Erstgericht wies das Haupt- und Eventualbegehren ab. Es traf - soweit entscheidungswesentlich - noch folgende Feststellungen:

Der Zufahrtsweg, über den die Dienstbarkeit verläuft, stellt die kürzeste Verbindung zwischen dem Haus G***** und dem Ortszentrum von G***** dar. Die Rechtsvorgänger der Beklagten benützten ihn im Rahmen eines allgemeinen Geh- und Fahrrechtes seit 1938 zunächst als einzigen Verbindungsweg zum öffentlichen Wegenetz. Seit Mitte der Fünfzigerjahre wird er vom Vater der Beklagten auch mit PKWs für alle Transporte befahren, für einen Um- und Zubau in den Jahren 1970 und 1971 wurden auch schwere LKW-Transporte eingesetzt. In weiterer Folge wurden die ausgefahrenen Fahrspuren mit Material, insbesondere auch mit Rollsplitt, ausgefüllt. Die Eltern der Beklagten haben die Liegenschaft EZ 152 an ihre drei Kinder und nunmehrigen Beklagten übergeben, sich jedoch ein lebenslängliches Wohnrecht im Haus ausbedungen. Der Vater der Beklagten (Franz T*****) fuhr und fährt mit seinem PKW Marke Mercedes (mit und ohne Begleitung seiner Gattin) durchschnittlich drei- bis fünfmal täglich, manchmal auch öfter, zur Besorgung von Einkäufen, Arzt- und Gasthausbesuchen etc über den Weg. Franz T***** ist auf Grund einer Hüftoperation am linken Bein und einer Knieabnützung am rechten Bein gehbehindert, weshalb er hinkt und zur Erleichterung den Gehstock verwendet. Auch das Ein- und Aussteigen in den und aus dem PKW bereitet ihm Mühe. Seine Frau hingegen verfügt über eine korpulente Figur und war im vergangenen Jahr (bezogen auf den Schluss der Verhandlung erster Instanz, sohin 1998) schwer krank; auch ihr bereitet das Ein- und Aussteigen aus dem Fahrzeug Mühe. Die Beklagten, die selbst nicht im Elternhaus wohnen, benützen den Zufahrtsweg über den Grund der Kläger für Besuchsfahrten zu den Eltern, und zwar speziell die Zweitbeklagte durchschnittlich ein paar Mal pro Woche, manchmal sogar ein- bis zweimal pro Tag, um ihren Eltern Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. Die Erst- und Drittbeklagten besuchen ihre Eltern in Abständen von ein bis zwei Wochen. Auch die Verwandten und Bekannten der Eltern der Beklagten sowie Briefträger, Rauchfangkehrer udgl fahren über den Grund der Kläger zu.

Die (nicht über den Zufahrtsweg führende) Zufahrt zur G***** wird nur gelegentlich von Franz T***** verwendet, wenn die Zufahrt vor dem Haus der Kläger verstellt ist oder wenn er Fahrten mit einem Ziel insbesondere Richtung Westen zu verrichten hat, wodurch die Fahrtstrecke über den Zufahrtsweg verlängert würde, oder wenn die Ausfahrt im Winter früher geräumt ist. Der Öltankwagen fährt über die Zufahrt von der G***** zum Haus, weil er südlich nicht durchfahren könnte.

Auf Grund einer starken Steigung der Zufahrt und zweier kurzer Zwischensteigungen ist ein angemessenes Befahren des Zufahrtsweges nur mit dem ersten Gang möglich, weil sonst Beschädigungen an den Fahrzeugen die Folge wäre. Demgemäß befahren sowohl die Beklagten als auch deren Vater und andere Besucher des Hauses G***** den Weg (nur) mit dem ersten Gang.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Franz T*****, die Beklagten oder andere Besucher im Haus G***** mit überhöhter Geschwindigkeit den Zufahrtsweg befahren und dadurch die Kläger und andere Bewohner des Hauses der Kläger gefährdet hätten. Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass unberechtigte Personen den Zufahrtsweg über den Grund der Kläger befahren hätten. Einmal haben sich Urlauber vergangen und dabei den Zufahrtsweg benützt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Kirchenbesucher oder Begräbnisteilnehmer den Zufahrtsbereich als Parkplatz verwendeten.

Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt rechtlich dahin, dass in Abwägung der Interessen der Dienstbarkeitsberechtigten und der belasteten Liegenschaftseigentümer auf Seiten der Kläger keine Interessen festgestellt hätten werden können, die durch die von ihnen begehrte Abschrankung geschützt werden könnten, zumal weder festgestellt habe werden können, dass unberechtigte Benützer die Zufahrt oder Teile derselben benützten noch dass die Berechtigten diese mit überhöhter Geschwindigkeit befahren. Die Anbringung einer entsprechenden Tafel könnte ebenfalls Abhilfe gegen unberechtigte Benützer schaffen. Das Befahren mit überhöhter Geschwindigkeit könnte selbst durch eine Abschrankung nicht verhindert werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht jedoch S 260.000 übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass es auch die auf den Einzelfall bezogene Interessenabwägung des Erstgerichtes übernehme, wobei die bloße Eigentümerstellung allein noch keinen ausreichenden Gesichtspunkt dafür bilde, die Errichtung einer unversperrbaren Abschrankung zu rechtfertigen. Zwar müssten nach § 484 ABGB Servituten, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden; es obliege jedoch den Klägern, über ihre Formalposition als Eigentümer hinaus Interessen zu behaupten und zu beweisen, welche nach dem Grundsatz des § 484 ABGB eine Einschränkung nach Natur und Zweck der Dienstbarkeit gestatten würden. Solche Interessen der Kläger seien hier jedoch überhaupt nicht feststellbar. Sämtliche von ihnen behaupteten Beeinträchtigungen (Benützung des Weges und Parken durch Unberechtigte; Fahrten mit überhöhter Geschwindigkeit) seien nicht erweisbar gewesen. Demgemäß brauche auch nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob nicht auf Seiten der Beklagten Umstände vorlägen, die einer Abschrankung des Weges entgegenstünden, wie die körperliche Behinderung ihrer den Weg benützenden Eltern sowie die starke Steigung des Weges mit entsprechenden Problemen vor allem bei winterlichen Verhältnissen.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil der Oberste Gerichtshof zwar in seiner Entscheidung 3 Ob 2338/96m klargestellt habe, dass entgegen bestimmter Meinungen im Schrifttum und zum Teil auch in früherer Judikatur die Errichtung eines unversperrten Tores nicht schlechthin zulässig, sondern in jedem Fall immer eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Eigentümers des belasteten Grundstücks und denen des Dienstbarkeitsberechtigten vorzunehmen sei. Wenngleich eine solche Interessenabwägung grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalles abhänge, so liege hier dennoch eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor, nämlich zur Frage der Beweislast, wenn auf der Tatsachenebene nicht feststellbar sei, ob es ohne Errichtung einer Abschrankung zu Beeinträchtigungen des Eigentümers komme. Während in der früheren Rechtsprechung und im Schrifttum eher der Grundsatz aufgestellt worden sei ("in der Regel"), dass der Grundeigentümer ohne weiteres - also ohne Nachweis eines weiteren Interesses - berechtigt sei, eine unversperrbare Abschrankung zu errichten, widerspreche dem wohl die Entscheidung 3 Ob 2338/96m. Allerdings werde auch in letzterer Entscheidung nicht zur Frage der Beweislastverteilung, nämlich wer die jeweiligen Interessensbeeinträchtigungen zu beweisen habe, Stellung genommen.

Die gegen dieses Urteil gerichtete und auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Parteien mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern, ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO indes nicht zulässig. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Im Einklang mit den bereits bisher in der Rechtsprechung zu dem im § 484 ABGB vorgezeichneten Interessensausgleich zwischen den aus der Dienstbarkeit Berechtigten und Belasteten zum Ausdruck gebrachten Grundsätzen und Beurteilungskriterien hat der Oberste Gerichtshof in der auch vom Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner rechtlichen Beurteilung gestellten Entscheidung 3 Ob 2338/96m (NZ 1997, 165) besonders verdeutlicht, dass eine solche Abwägung der Interessen des Eigentümers des belasteten Grundstückes mit jenen des Dienstbarkeitsberechtigten auch im Falle der Errichtung eines unversperrten Tores (hier: einer Kette oder sonstigen Abschrankung) stattfinden müsse. Diesen Ausführungen ist auch der 1. Senat in seiner Entscheidung 1 Ob 26/99a gefolgt. Hievon abzugehen besteht kein Anlass, zumal dieser Standpunkt auch im maßgeblichen Schrifttum (Kiendl-Wendner in Schwimann, ABGB2 Rz 9 zu § 484; Hofmann in Rummel, ABGB2 Rz 5 zu § 484) nicht anders vertreten wird. Diese Interessenabwägung schlägt dabei vorliegendenfalls umso mehr gegen die Kläger (als Dienstbarkeitsbelastete) und für die Beklagten (als Dienstbarkeitsberechtigte) aus, als ihnen der bereits in der Klage als Beweisführer zukommende Beweis, derartige Abschrankungsmaßnahmen (nur) deshalb setzen zu wollen, weil "in letzter Zeit mehrfach der Dienstbarkeitsweg von den berechtigten Personen mit überhöhter Geschwindigkeit befahren wurde und auch nicht berechtigte Personen den Weg benützen", misslungen ist. Dass das Erstgericht hiezu bloß eine Negativfeststellung traf (die auch das Berufungsgericht in Behandlung der Beweisrüge der Kläger als unbedenklich übernahm), kann schon deshalb nicht - so der Standpunkt der Revisionswerber - zu ihren Gunsten (und damit zu Lasten der beklagten Parteien) gehen, weil selbstverständlich auch im Dienstbarkeitsrecht vom Grundsatz auszugehen ist, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen nicht nur zu behaupten, sondern im Bestreitungsfall auch zu beweisen hat (RIS-Justiz RS0037797). Sonstige, über diese unbewiesenen Klagebehauptungen hinausgehende Umstände, die im Rahmen des erforderlichen Interessensausgleiches die beabsichtigte Absperrmaßnahme zu ihren Gunsten rechtfertigen könnten, wurden aber weder vorgebracht noch sind solche im Beweisverfahren sonst hervorgekommen. Nur in einem derartigen Fall wäre ihnen aber auch nach materiellem Recht der Beweis gelungen (RS0039936), dass die Beklagten als Dienstbarkeitsberechtigte eine derartige Einschränkung ihrer jahrzehntelang ohne eine solche ausgeübten Servitut künftighin dulden müssten. Auch in der Entscheidung ZVR 1990/5 hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, dass die Errichtung eines mit einem Riegel versehenen, aber sonst unversperrten Tores auf dem Servitutsweg durch den Belasteten bloß "in der Regel" erlaubt sei, wobei dem dortigen Fall jedoch ein mit dem hier zur Beurteilung anstehenden nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde lag (nämlich Anbringung eines unversperrten Holzgatters auf einem Durchgangsweg für Einheimische und Fremde zu einem beliebten Ausflugsziel und zu einer im Winter entsprechend frequentierten Schiwiese).

Damit wird aber in der Revision weder eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufgeworfen noch ist dem Berufungsgericht eine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende rechtliche Fehlbeurteilung vorzuwerfen. Die Revision ist damit als unzulässig zurückzuweisen. Gemäß § 510 Abs 3 ZPO bedarf dies keiner weitergehenden Begründung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Sämtliche beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen.

Rechtssätze
6