JudikaturJustiz7Ob274/00w

7Ob274/00w – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Januar 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH Co KG, ***** vertreten durch Weiss-Tessbach, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 78.000,-- samt Anhang, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. August 2000, GZ 3 R 206/00v-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. Mai 2000, GZ 12 Cg 37/99t-18, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird, soweit mit ihr ein Teilbetrag von S 18.000 samt 4 % Zinsen seit dem 9. 4. 1999 zugesprochen wird, als Teilurteil bestätigt. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Im Übrigen werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und in diesem Umfang die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind ebenfalls weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

K***** M***** betrieb bis Anfang Mai 1998 in ***** ein nicht protokolliertes Schlüsseldienstunternehmen, das er mit der Bezeichnung "Sch*****" bewarb. Am 7. 5. 1998 wurde die Beklagte zu FN ***** ins Firmenbuch eingetragen. Sie betreibt seither das Unternehmen eines Schlüsseldienstes unter der Bezeichnung "Sch*****" an derselben Adresse, an der K***** M***** seinen Betriebsstandort hatte. Gesellschafter der Beklagten sind H***** B***** und P***** M*****, die Gattin von K***** M*****. K***** M***** selbst ist der alleinige Geschäftsführer der Beklagten. Am 12. 5. 1998 verkaufte K***** M***** die Maschinen und den Materialbestand seines Einzelunternehmens an die Beklagte zu einem Gesamtkaufpreis von S 174.000,--. Der Verkehrswert betrug zu diesem Zeitpunkt S 78.000,-- exklusive Umsatzsteuer. Unter Bedachtnahme eines Unternehmerlohns oder eines Gehalts eines Geschäftsführers liegt der Wert des von der Beklagten übernommenen Unternehmens im Negativbereich. H***** B***** zahlte am 12. 5. 1998 an K***** M***** den Kaufpreis, der ihm seine Kaufpreisforderung gegen die Beklagte abtrat. Die Beklagte hat den Betriebsstandort durch Eintritt in den Mietvertrag sowie den Kundenkreis und den good will des Unternehmens übernommen.

Die Klägerin hatte gegen K***** M***** u.a. folgende unternehmensbezogene Forderungen:

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. 10. 1997, 12 Cg 160/96a-17, wurde K***** M***** zu Punkt II verpflichtet, der Klägerin die mit S 102.977,36 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen (das Klagebegehren [Unterlassung wegen eines Patenteingriffes] wurde auf Kosten eingeschränkt). Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 25. 11. 1997, 2 R 302/97x, wurde die Entscheidung des Landesgerichtes Innsbruck auf S 101.859,32 (zu Punkt II) abgeändert und K***** M***** weiters zu Punkt I zum Ersatz der mit S 2.709,12 bestimmten Rekurskosten binnen 14 Tagen verpflichtet.

Im Jahr 1997 gewährte S***** S***** K***** M***** ein Darlehen in der Höhe von S 60.000, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Im Jahr 1995 nahm K***** M***** außerdem ein Darlehen des T***** W*****fonds auf, und bezahlte die fälligen Raten bis Ende 1997. Die weiteren Raten waren am 1. 6. 1998, am 1. 12. 1998 und am 1. 6. 1999 in der Höhe von jeweils S 33.246,08 fällig. Mit dem erhaltenen Kaufpreis von S 174.000 beglich K***** M***** am 29. 5. 1998 das von S***** S***** gewährte Darlehen in der Höhe von S 60.000 und verwendete den restlichen Kaufpreis dafür, die oben genannten Darlehensraten an den T***** W*****fonds zu bezahlen.

Die Klägerin begehrt nach Einschränkung ihres Klagebegehrens nach Gutachtenserstattung über den Wert des Unternehmens und der Maschinen und Materialbestände die Bezahlung von S 78.000. Die Beklagte hafte gemäß § 1409 ABGB als Übernehmerin des Unternehmens von K***** M***** für dessen während der Unternehmenstätigkeit eingegangene Schulden.

Die Beklagte wandte sich dagegen, dass sie das minderkaufmännische Einzelunternehmen von K***** M***** übernommen habe. Sie habe lediglich die Maschinen und den Materialbestand erworben. Im Übrigen sei die Gegenleistung der Beklagten zur Tilgung unternehmensbezogener Verbindlichkeiten von K***** M***** verwendet worden, sodass andere Gläubiger der Klägerin zuvorgekommen seien und aus diesem Grund auch eine Haftung nach § 1409 ABGB nicht Platz greifen könne.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Beklagte von K***** M***** das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen des von ihm betriebenen Einzelunternehmens und darüber hinaus den good will sowie den Kundenstock und damit eine gesicherte und weitgehend konkurrenzlose Absatzmöglichkeit übernommen habe, weshalb sie im Sinne des § 1409 ABGB hafte. Das Wissen K***** M***** über seine Schulden sei der Beklagten zuzurechnen, da dieser ihr Geschäftsführer sei. Die mit dem Unternehmen übernommenen Schulden seien vom Erwerber je nach Zuvorkommen der Gläubiger zu bezahlen, wobei die Gläubiger - unter Voraussetzung der Fälligkeit ihrer Forderungen - in der Reihenfolge zu befriedigen seien, in der sie ihre Ansprüche gerichtlich oder außergerichtlich geltend machen. Diese Reihenfolge sei auch vom Veräußerer analog anzuwenden. Die Klägerin habe ihre Ansprüche gegen K***** M***** bereits im Jahr 1996 gerichtlich geltend gemacht, während das Darlehen von S***** S***** erst im Jahr 1997 zugezählt worden sei. Wegen der Bevorzugung späterer Gläubiger sei die Klägerin benachteiligt worden und die Beklagte nicht von ihrer Haftung aus der Unternehmensübernahme befreit.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten in der Hauptsache nicht Folge. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass eine Befriedigung der Gläubiger nach dem Zuvorkommen, somit in der zeitlichen Reihenfolge, in der sie ihre Ansprüche geltend machen, zu erfolgen habe. Für das Zuvorkommen eines Gläubigers sei bei gerichtlicher Geltendmachung der Tag der Klagszustellung, sonst der Tag der Mahnung oder der Eintritt der Fälligkeit oder des Termins maßgeblich. Demnach sei aber nicht zweifelhaft, dass die Klägerin bei der Geltendmachung ihrer Forderung den Gläubigern S***** S***** und T***** W*****fonds zuvorgekommen sei, weshalb es keiner weiteren Feststellung über die Fälligkeit des von S***** S***** im Jahr 1997 zugezählten Darlehens bedurft habe.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass die oberstgerichtliche Judikatur zur Frage der Haftungsbefreiung des Unternehmens bei willkürlicher Befriedigung einzelner Gläubiger des Unternehmensveräußerers nicht einheitlich sei.

Die von der Beklagten erhobene Revision ist zulässig, sie ist auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass die Beklagte das Unternehmen von K***** M***** übernommen hat, hat doch die Beklagte die Ausstattung, das Warenlager und die Betriebsmittel, den good will und den Kundenstock sowie den Standort übernommen (6 Ob 34/00v uva).

Die Anwendung des § 25 HGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich hier um ein Minderhandelsgewerbe gehandelt hat (JBl 1984, 436 = SZ 56/6).

Auch wenn der Wert des Unternehmens nach objektivem Maßstab für den Zeitpunkt der Übernahme zu ermitteln ist und dabei alle zum Unternehmen gehörenden Komponenten wie good will, Außenstände, Mietobjekt udgl. zu berücksichtigen sind (8 Ob 602/86, RIS-Justiz RS0010048) ist hier unstrittig, dass der konkrete Wert des Unternehmens im vorliegenden Einzelfall nur im Wert der übernommenen Maschinen und des Materialbestandes gelegen war.

Gemäß § 1409 Abs 1 erster Satz ABGB ist der Übernehmer eines Vermögens oder eines Unternehmens unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen musste, unmittelbar verpflichtet. Dieser - unabdingbare (§ 1409 Abs 3 ABGB) - gesetzliche Schuldbeitritt, der erst durch die 3. TN den Bestimmungen über die Schuldübernahme eingefügt wurde, geht auf die Erwägung zurück, dass das Vermögen des Schuldners objektiver Haftungsfonds für die Forderungen von dessen Gläubigern ist, der diesen durch die Übertragung des im Wesentlichen gesamten Vermögens von deren Schuldnern nicht entzogen werden soll (EvBl 1995/157, SZ 59/163, SZ 56/140, 1 Ob 521/95, Ertl in Rummel II, ABGB2, § 1409, Rz 1). Der Haftungstatbestand greift jedoch nur ein, wenn der den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungsfonds durch die Übertragung gemindert wird, also etwa mangels eines äquivalenten Kaufpreises oder wegen Uneinbringlichkeit der Kaufpreisforderung bzw der gleichzeitigen Verfügung über diese Forderung zu Gunsten Dritter verringert wird (SZ 52/12, 1 Ob 521/95). Das ist nach herrschender Auffassung auch immer schon dann anzunehmen, wenn die Gegenleistung des Erwerbers den Gläubigern des Veräußerers nicht die gleiche Sicherheit bzw die gleichen Befriedigungschancen (wie etwa beim Eintausch einer Liegenschaft gegen eine gleichwertige andere Liegenschaft) wie dessen bisheriges Vermögen gewährt. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung wird im Gegensatz zur vereinzelt gebliebenen Entscheidung SZ 52/12, nach der auch der bezahlte Kaufpreis ein echtes wirtschaftliches Äquivalent für die Gläubiger darstelle, die Ansicht vertreten, dass eine nicht äquivalente Gegenleistung nicht nur dann vorliegt, wenn sie dem Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens nicht entspricht, sondern auch dann, wenn sie in Geld besteht und dadurch nicht die gleiche Sicherheit für die Gläubiger bietet, weil Geld dem Zugriff der Gläubiger leichter entzogen werden kann als Betriebsvermögen (SZ 61/49, ÖBA 1991/275, JBl 1994, 410, ÖBA 1995/493, 1 Ob 521/95 mwN). Die Haftung entfällt nur, wenn der Kaufpreis zur Gänze zur Befriedigung von Gläubigern des Verkäufers verwendet wurde (ÖBA 1994, 410, SZ 61/49, 1 Ob 521/95).

Erfolgt die Befriedigung der Gläubiger des Veräusserers durch den Übernehmer des Unternehmens, so wird er von seiner Haftung nur soweit befreit, als er an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des Vermögens oder Unternehmens beträgt. Er hat die Forderungen nach dem Zuvorkommen zu befriedigen (JBl 1984, 436, SZ 44/170, 9 Ob 254/99i, Wolff in Klang VI, S 354, Ertl in Rummel II2 § 1409 ABGB Rz 6). Zuvorgekommen ist Derjenige, dessen Forderung früher zahlbar ist - sei es durch Mahnung, Präsentation eines Wertpapiers oder Eintritt des Termins. Sonst kommt es darauf an, wer die Zahlung zuerst verlangt (SZ 44/170, 9 Ob 254/99i).

Besteht also für den Ersteher des Unternehmens die Pflicht, die Forderungen nach ihrem Zuvorkommen zu befriedigen, so kann er nur dann von seiner Haftung nach § 1409 ABGB befreit sein, wenn auch der Veräußerer die Forderungen in gleicher Weise erfüllt. Ansonsten würde er über den Umweg der Auszahlung an den Veräußerer diese Verpflichtung unterlaufen. Zahlt also der Erwerber dem Veräußerer den Kaufpreis aus, ohne sich entsprechend Kenntnis über die aushaftenden Forderungen und deren Zeitpunkt der Zahlbarkeit zu verschaffen und überlässt er es dem Veräußerer, die Forderungen seiner Gläubiger zu tilgen, so trägt er das Risiko, dass nicht haftungsbefreiend, weil nicht nach dem Zuvorkommen, den Gläubigern Zahlung geleistet wird. Abgesehen davon kommt im vorliegenden Fall noch hinzu, dass der Veräußerer der nunmehrige Geschäftsführer der Beklagten ist und daher sowohl über die aushaftenden Forderungen als auch über deren Zeitpunkt der Zahlbarkeit voll informiert war, auch wenn er nicht selbst als Vertreter der Beklagten bei der Zahlung des Kaufpreises aufgetreten ist.

Es ist daher zu prüfen, welche Forderungen in welcher Reihenfolge zu befriedigen waren. Zu Recht verweist die Revisionswerberin darauf, dass zur abschließenden Beurteilung dazu noch entsprechende Feststellungen fehlen.

Bei gerichtlicher Geltendmachung einer Forderung ist der Tag der Klagszustellung entscheidend (SZ 9/131). Das Berufungsgericht übersieht aber, dass dies nur für Ansprüche gelten kann, die bereits bei Klageseinbringung bestanden haben. Die Klagseinbringung stellt dann die Zahlungsaufforderung, die Mahnung dar. Das Verfahren 12 Cg 160/96a des Landesgerichtes Innsbruck wurde aber auf Kosten eingeschränkt. Die Kosten der Klägerin wurden erst im Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. 10. 1997 zu 12 Cg 160/96a-17 bestimmt. Das Urteil wird durch Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigungen den Parteien gegenüber wirksam (§ 416 ZPO). Die Leistungsfrist berechnet sich von dem Tag an, mit dem das Urteil gegenüber den Parteien wirksam wird (§ 409 Abs 3 ZPO). Nach Einschränkung des Klagebegehrens auf Kosten ist über dieses Begehren nach ständiger Rechtsprechung mit Urteil zu entscheiden. Dieses kann nur mit Rekurs angefochten werden (RS 0036079, 0036080). Dem Rekurs kommt aber keine aufschiebende Wirkung zu (§ 524 Abs 1 ZPO). Die Kostenforderung der Klägerin konnte daher erst nach Zustellung der Urteilsausfertigung an K***** M***** zur Zahlung fällig werden. Da der Rekurs keine aufschiebende Wirkung hat, kommt es auf die Rechtskraft der Entscheidung nicht an. Der Tag der Zustellung der Urteilsausfertigung an K***** M***** steht aber ebensowenig fest, wie wann das von S***** S***** gewährte Darlehen vereinbarungsgemäß zur Rückzahlung fällig sein sollte bzw wann S***** S***** das Darlehen gegenüber K***** M***** fälligstellte. Erst nachdem diese Feststellungen getroffen worden sind, wird es möglich sein, zu beurteilen, ob die Forderung der Klägerin vor jener S***** S***** wegen Zuvorkommens zu befriedigen gewesen wäre. Im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 25. 11. 1997, 2 R 302/97x, im Verfahren 12 Cg 160/96a des Landesgerichtes Innsbruck ist davon auszugehen, dass die Kostenforderung jedenfalls schon vor Fälligkeit der Darlehensrate an den W*****fonds am 1. 6. 1998 zahlbar war. Soweit daher der Wert des übernommenen Vermögens S 60.000 übersteigt (Darlehensforderung von S***** S*****) war daher die Sache im Teilbetrag von S 18.000 im Sinn einer Klagsstattgebung spruchreif.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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