JudikaturJustiz7Ob234/16m

7Ob234/16m – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei G***** AG, *****, vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die erstbeklagte Partei B***** GmbH i.L., *****, und die zweitbeklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei DDr. R***** P*****, vertreten durch die Proksch Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 30. November 2016, GZ 1 R 161/16a 9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 508a Abs 2 Satz 2 und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht hat in Abänderung der vom Erstgericht ohne Anhörung des Gegners und allein aufgrund von Urkunden bewilligten einstweiligen Verfügung den Sicherungsantrag der klagenden und gefährdeten Partei (fortan: Klägerin), der zweitbeklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei (fortan: Zweitbeklagter) gemäß § 379 Abs 3 Z 5 EO die Veräußerung und/oder Belastung von näher bezeichneten, im Alleineigentum des Zweitbeklagten stehenden und mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteilen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die in einem eingebrachte Klage zu verbieten, abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

1. Die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts enthält keinen Bewertungsausspruch nach § 78 EO, §§ 526 Abs 3 iVm 500 Abs 2 Z 1 ZPO. Eine Bewertung durch das Rekursgericht wäre grundsätzlich erforderlich gewesen, weil der Verfahrensgegenstand einer einstweiligen Verfügung nicht einfach der zu sichernde (Geld )Anspruch, sondern das Sicherungsmittel ist (RIS Justiz RS0004918). Im vorliegenden Fall kann ein Auftrag an das Rekursgericht, den für die Beurteilung der Anfechtungszulässigkeit erforderlichen Bewertungsausspruch nachzutragen, aber ausnahmsweise unterbleiben. Eine solche Ergänzung ist nämlich dann als bloßer Formalismus entbehrlich, wenn das Rechtsmittel nach dem nachgetragenen Bewertungsausspruch zwar nicht jedenfalls unzulässig wäre, dafür aber wegen offenkundigen Fehlens der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen ist (RIS Justiz RS0041371 [T1]; 5 Ob 152/14k; 8 Ob 42/15g). Letzteres ist hier der Fall:

2. § 379 Abs 2 Z 1 EO verlangt die Behauptung und Bescheinigung einer konkreten subjektiven Gefährdung durch „besorgniserregendes“ aktives Handeln des Antragsgegners (RIS Justiz RS0005401 [T6]). Zu bescheinigen ist ein Verhalten des Gegners, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit Vereitlungshandlungen abgeleitet werden können (RIS Justiz RS0005401 [T10]). Bei der Beurteilung der Anspruchsgefährdung kommt es typischerweise auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an (RIS Justiz RS0005118; RS0005369 [T8]). Die Klägerin hat keine konkreten Vereitlungshandlungen des Zweitbeklagten behauptet, insbesondere keine Maßnahmen vorgetragen, aus denen dessen Absicht zum Verkauf seines inländischen Wohnungseigentumsobjekts hervorgehen könnte. Die behaupteten früheren Liegenschaftstransaktionen des Zweitbeklagten liegen mehrere Jahre zurück und haben keinerlei erkennbaren Zusammenhang mit dem vorliegenden Streitfall. Bei dieser Sachlage hält sich die Beurteilung des Rekursgerichts, wonach die Voraussetzungen des § 379 Abs 2 Z 1 EO weder behauptet noch bescheinigt seien, im Rahmen vorliegender Rechtsprechung (vgl etwa 3 Ob 209/14b; 3 Ob 67/04f; 9 Ob 48/03d).

3. Die von der Klägerin im Zusammenhang mit dem Vorliegen der Voraussetzungen nach § 379 Abs 2 Z 2 EO vertretene Rechtsansicht, dass – entgegen der Meinung des Rekursgerichts – jenes (hier: unbewegliche) Vermögen, auf das sich die einstweilige Verfügung bezieht, nicht als befriedigungstaugliches inländisches Vermögen qualifiziert werden dürfe (vgl dazu 6 Ob 225/07t; aber auch 1 Ob 2009/96i mwN; RIS Justiz RS0004646) ist genauso wie die generelle Frage nach der „abgestuften Beweislast bei Negativbeweisen“ betreffend das Fehlen eines verwertbaren Vermögens des Zweitbeklagten in einem EU Mitgliedstaat (hier: Vereinigtes Königreich) nicht entscheidungswesentlich.

3.1. Zur Sicherung von Geldforderungen kann eine einstweilige Verfügung nach § 379 Abs 2 Z 2 EO dann erlassen werden, wenn die Entscheidung in Staaten vollstreckt werden müsste, in denen die Vollstreckung des Anspruchs weder durch völkerrechtliche Verträge noch durch Unionsrecht gesichert ist. Aufgrund der von der Klägerin selbst angegebenen (und im Verfahren offenbar tauglich gewesenen) Zustellanschrift des Zweitbeklagten und einzelner vorgelegter Urkunden (vgl Blg ./J und ./K) sind dessen Geschäftsanschrift, Wohnsitz und berufliche Tätigkeit im Vereinigten Königreich (London) bescheinigt. Die EuGVVO 2012 (Verordnung Brüssel Ia) gilt seit 10. 1. 2015 in allen 28 Mitgliedstaaten der Union. Die Vollstreckung eines Anspruchs der Klägerin gegen den Zweitbeklagten im Vereinigten Königreich ist daher durch Unionsrecht gesichert (vgl 3 Ob 241/09a). Ob und wann sich dies allenfalls künftig durch einen Austritt des Vereinigten Königreichs (Englands) aus der Europäischen Union („Brexit“) ändern könnte, ist derzeit in keiner Weise absehbar und daher – entgegen der Ansicht der Klägerin – keine Entwicklung, die schon jetzt bei der Beurteilung der Vertretbarkeit der vom Rekursgericht getroffenen Entscheidung vorweggenommen werden müsste.

3.2. Dass der Zweitbeklagte über kein hinreichendes befriedigungstaugliches Vermögen in seinem Wohnsitzstaat verfügt oder dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass er ein solches Vermögen dem Gläubigerzugriff entziehen werde, hat die Klägerin nicht einmal behauptet und auch nicht bescheinigt (vgl 9 Ob 48/03d). Dass sich die Klägerin zu dieser Frage allein auf den Standpunkt zurückzog, sie könne „nicht beurteilen, ob der Gegner … über Vermögen in England verfügt“, reicht jedenfalls dann nicht für die Darlegung der Voraussetzungen nach § 379 Abs 2 Z 2 EO aus, wenn der Versicherungsnehmer der Klägerin mit dem Zweitbeklagten über die strittige Treuhandvereinbarung im geschäftlichen Kontakt stand und aufgrund dieser dem Zweitbeklagten auf dessen Privatkonto 500.000 EUR überwiesen hat. Auch die Verneinung der Voraussetzungen des § 379 Abs 2 Z 2 EO erweist sich damit als vertretbare Einzelfallbeurteilung.

4. Der Revisionsrekurs macht insgesamt keine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO geltend und ist folglich zurückzuweisen.

Rechtssätze
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