JudikaturJustiz7Ob159/15f

7Ob159/15f – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Oktober 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen J***** Z*****, Mutter D***** Z*****, vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, Rechtsanwalt in Nebersdorf, Vater Ing. M***** S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Pail, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 29. Juni 2015, GZ 20 R 32/15b 164, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Befasst sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge nicht oder nur so mangelhaft, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind, liegt der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO vor (RIS Justiz RS0043027 [T3]). Diese Grundsätze gelten auch für das Rekursverfahren in Außerstreitsachen (RIS Justiz RS0043027 [T4]).

Im vorliegenden Fall hat sich das Rekursgericht ohnedies mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts zu den vom Revisionsrekurswerber bekämpften Feststellungen auseinandergesetzt.

2. Die Beurteilung, ob ein Gutachten schlüssig ist oder noch weitere Zeugen zu vernehmen sind, ist eine nicht revisible Beweisfrage (RIS Justiz RS0043371 [T15]; RS0043320 [T12]), auch die Frage, ob ein eingeholtes Sachverständigengutachten die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigt, gehört in das Gebiet der Beweiswürdigung (RIS Justiz RS0043320 [T21]).

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs setzt eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Eltern ein gewisses Mindestmaß an Kooperations und Kommunikationsfähigkeit voraus. Um Entscheidungen gemeinsam im Sinn des Kindeswohls treffen zu können, ist es erforderlich, in entsprechend sachlicher Form Informationen auszutauschen und einen Entschluss zu fassen. Es ist also eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob bereits jetzt eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden ist oder ob zumindest in absehbarer Zeit mit einer solchen gerechnet werden kann (RIS Justiz RS0128812 [T4]). Ob dies zutrifft, hängt in hohem Maß von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS Justiz RS0128812 [T5]).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass ausgehend von den getroffenen Feststellungen eine Kommunikationsbasis zwischen den Eltern fehlt und mit einer solchen auch in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann, sodass die gemeinsame Obsorge der Eltern nicht im Kindeswohl liegt, hält sich im Rahmen der Judikatur.

4. Auch die Entscheidung, welcher Elternteil mit der alleinigen Obsorge zu betrauen ist, hängt allein vom Kindeswohl ab (RIS Justiz RS0120492 [T3]). Entscheidungen über die Obsorge stellen, sofern auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde, solche des Einzelfalls dar, denen keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 62 AußStrG zukommt (RIS Justiz RS0115719 [T7]).

Eine Fehlbeurteilung dieser Frage durch das Rekursgericht, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste, wird im außerordentlichen Revisionsrekurs nicht aufgezeigt. Nach den Feststellungen besteht bei der Mutter eine höhergradige Erziehungsfähigkeit aufgrund einer höheren Kontinuität, Stabilität und realen Absicherung verbunden mit guter emotionaler Bindung des Kindes an die jetzige Lebens- und Betreuungsituation. Nach der Lebenserfahrung ist die Kontinuität der Lebensverhältnisse Grundbedingung für eine erfolgreiche und damit dem Wohl des Kindes dienende Erziehung (RIS Justiz RS0047928 [T1, T10]). Die Entscheidung des Rekursgerichts, die Obsorge bei der Mutter zu belassen und nicht dem Vater zu übertragen, trägt nach den Umständen des Einzelfalls diesem Grundsatz Rechnung und entspricht damit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

5. Das Recht auf persönlichen Verkehr zwischen Eltern und Kindern ist ein allgemein anzuerkennendes Menschenrecht. Darüber hinaus ist ein Mindestmaß persönlicher Beziehungen eines Kindes zu beiden Elternteilen höchst erwünscht und im Dienst der gesunden Entwicklung des Kindes allgemein gefordert. Den Eltern steht das Recht auf persönlichen Verkehr nur insoweit nicht zu, als die Ausübung des Rechts das Wohl des Kindes gefährdet (RIS Justiz RS0047754). Für die Festlegung des Kontaktrechts ist das Wohl des Kindes ausschlaggebend (RIS Justiz RS0047958).

Von diesen Grundsätzen und der Feststellung ausgehend, dass eine Nächtigung beim Vater derzeit nicht dem Wohl des Kindes entspricht, ist die Einräumung des Kontaktrechts ohne Nächtigung nicht zu beanstanden.

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG).

Rechtssätze
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