JudikaturJustiz7Ob148/06z

7Ob148/06z – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Juli 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Puttinger, Vogl Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei U*****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Feststellung (Streitinteresse EUR 40.000), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 4. April 2006, GZ 3 R 36/06v-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 29. November 2005, GZ 1 Cg 92/05b-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.764,72 (hierin enthalten EUR 249,12 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist als Versicherungsmaklerin tätig und hat mit der beklagten Versicherung eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abgeschlossen; die Versicherungssumme beträgt S 5 Mio (EUR 363.364,17). Auf das Versicherungsverhältnis sind die „Allgemeinen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsmaklern H932" (im Folgenden: AVB) anzuwenden. Diese lauten - soweit entscheidungswesentlich - auszugsweise wie folgt:

„Artikel 1 - Begriffsbestimmungen

1. Versichertes Risiko ist die Tätigkeit des Versicherungsnehmers als

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da seit der bisher einzigen themenverwandten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Jahre vergangen sind und durch die Entscheidung des verstärkten Senates über die Bindungswirkung bei Unterbleiben einer Nebenintervention durch einen Streitverkündeten auch eine Änderung der Rechtslage in verfahrensrechtlicher Hinsicht eingetreten ist. Sie ist jedoch nicht berechtigt. Da der Oberste Gerichtshof die Begründung des berufungsgerichtlichen Urteils für zutreffend erachtet, kann es genügen, hierauf gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO zu verweisen. Darüber hinaus ist den Ausführungen der Rechtsmittelwerberin folgendes entgegenzuhalten:

Die regelmäßig mit der Aufforderung zur Nebenintervention verbundene Streitverkündung (§ 21 ZPO) begründet für den Benachrichtigten grundsätzlich keine Pflicht, sondern ein Recht, in den Rechtsstreit einzutreten (Schubert in Fasching/Konecny ZPO² Rz 1 zu § 21) - sofern für den Beitretenden ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer der Parteien im Hauptprozess besteht (§ 17 Abs 1 ZPO). Ein solches ist insbesondere im Fall drohender Regressnahme in einem Folgeprozess als Folge des Prozessverlustes der streitverkündenden Partei im Hauptprozess zu bejahen (Schubert aaO Rz 5 zu § 17; Fucik in Rechberger, ZPO² Rz 3 zu § 17). Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 2123/96d (SZ 70/60) und seither in einer Vielzahl von Folgeentscheidungen (RIS-Justiz RS0107338) den Rechtssatz formuliert, dass „die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils sich insoweit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligte, erstrecken, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren soweit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand. Das gilt jedoch nicht auch für denjenigen, der sich am Vorprozess nicht beteiligte, dem aber auch gar nicht der Streit verkündet worden war."

Eine solche Regressmöglichkeit (samt Bindungswirkung im Sinne der Entscheidung SZ 70/60) besteht auch hier gegenüber der Klägerin des vorliegenden Verfahrens, sollten die elf (oder auch bloß einzelne) Kläger gegen A***** mit ihren Ansprüche gegen diese wegen rechtswidrig schuldhafter Verhaltensweisen ihrer Versicherungsmaklerin (= Klägerin) bei Abschluss der Versicherungsverträge und/oder Schadensabwicklung scheitern. Aus diesem (zunächst rein verfahrensrechtlichen) Aspekt war es daher für die Klägerin durchaus geboten, diesen bei unterschiedlichen Landesgerichten geführten Verfahren ihrer Kunden aufforderungsgemäß nach erfolgter Streitverkündung jeweils als Nebenintervenientin beizutreten.

Zur damit verbundenen (und von der Beklagten in Abrede gestellten) Kostentragungspflicht im Rahmen des zwischen den Streitteilen bestehenden Versicherungsvertrages ist - worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat - voranzustellen, dass die diesem Versicherungsverhältnis zugrunde liegenden AVB ausdrücklich den Fall einer Streitverkündung gegenüber der Klägerin als Versicherungsnehmerin durch gegen diese von Dritten gerichtlich geltend gemachte Schadenersatzansprüche vorsehen (Art 7 Z 2 iVm § 153 Abs 4 VersVG), und zwar im Rahmen der dem Versicherungsnehmer auferlegten Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeigenerstattung an den Versicherer (dass die Klägerin hiegegen verstoßen hätte, wird von der beklagten Partei nicht einmal behauptet). Eine solche Anzeigenerstattung macht jedoch nur Sinn, wenn man unterstellt, dass der Versicherer dadurch in die frühestmögliche Lage versetzt werden soll, die für die Prozessabschätzung (mit allfälliger späterer Deckungsnotwendigkeit im Falle einer tatsächlich gegebenen Schadenersatzverpflichtung seines Versicherungsnehmers) maßgeblichen Informationen bewerten und auch steuern zu können, wird doch dadurch sogar unter Umständen eine künftige und kostenverursachende gerichtliche Geltendmachung von Forderungen des Dritten gegen den Versicherungsnehmer, wofür dessen Haftpflichtversicherer später einzutreten hätte, gänzlich vermieden. In diesem Sinne - auch wenn dem Rechtsfall selbst ein anderer Sachverhalt als hier zugrunde lag - hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 7 Ob 15/91 (VersE 1507) ebenfalls im Falle einer Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden den Beitritt des Versicherers selbst als Nebenintervenient (im Rechtsstreit zwischen Käufer und Verkäufer eines vom Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers fehlerhaft abgewickelten Liegenschaftskaufvertrages) als deckungsmäßig nicht zu beanstanden erachtet, da der Versicherungsschutz auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der gerichtlichen Feststellung und Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung umfasste (hier: Art 1 Z 5 lit b AVB; dort Art 3 Abs 6 lit a AVBV). Nichts anderes kann insbesondere auch im Hinblick auf die nunmehr zu beachtende Bindungswirkung im Sinne der Entscheidung SZ 70/60 im Falle des Beitritts eines ausdrücklich streitverkündeten Versicherungsnehmers gelten, dessen Rechtsposition dem Grunde und der Höhe nach auch gegenüber seinem eigenen Versicherer ja unter Umständen erst durch den von ihm als Nebenintervenient mitgesteuerten Schadenersatzprozess maßgeblich bestimmt wird. Dies entspricht auch dem herrschenden Verständnis vom Entstehen des Rechtsschutzanspruches des Versicherungsnehmers gegenüber seinem Haftpflichtversicherer mit der Erhebung von Ansprüchen durch Dritte im Sinne bereits jeder ernstlichen Erklärung des Dritten gegenüber dem Versicherungsnehmer, aus der sich ergibt, dass der Dritte aus einem in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fallenden Rechtsverhältnis Ansprüche zu haben glaubt und diese verfolgen werde (Voit/Knappmann in Pröllss/Martin, VersVG27 Rn 5 und 6 zu § 149 mwN zur insoweit gleichen Rechtslage in Deutschland). Auch nach deutscher herrschender Meinung reicht Streitverkündung hiefür aus (Voit/Knappmann aaO Rn 5; BGH VersR 2003, 900). Darin manifestiert sich auch die Einheitlichkeit und die untrennbare sachliche Zusammengehörigkeit des einem Versicherungsnehmer gegen den Haftpflichtversicherer zustehenden Rechtsschutz- und Befreiungsanspruches (Heiss/Lorenz, VersVG² Rz 3 ff zu § 149; Schauer, Österr Versicherungsvertragsrecht³ 401 ff; vgl auch 7 Ob 173/75 = SZ 48/121 sowie 7 Ob 301/97h = VersE 1762).

Da unstrittig ist, dass etliche Kunden der Klägerin gegen diese unter Umständen Ersatz in Form von Regressansprüchen zu stellen beabsichtigen (zu welchem Zweck ja ihre ebenfalls unstrittigen Streitverkündungen in insgesamt bisher elf Verfahren erfolgten), die durch die Beklagte im Bejahungsfall zu decken wären, umfasst der Deckungsschutz der Klägerin konsequenter Weise auch bereits die Abwehr dieser Ansprüche im Sinn des gestellten Klagebegehrens (§ 149 VersVG; RIS-Justiz RS0080013). Ob die Inanspruchnahme der Klägerin als Versicherungsnehmerin der Beklagten seitens dieser (geschädigten) Dritten zu Recht erfolgte oder nicht, ist im vorliegenden Deckungsprozess nicht zu prüfen (7 Ob 36/94 = SZ 68/9). Damit ist auch das von der Klägerin in der Revision in Abrede gestellte Feststellungsinteresse der Klägerin gemäß § 228 ZPO - in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Vorinstanzen - zu bejahen.

Als zusammenfassendes Ergebnis ist daher festzuhalten: Wird einem Versicherungsnehmer durch einen von ihm (angeblich) geschädigten Dritten der Streit verkündet, so ist der Haftpflichtversicherer zur Übernahme der Kosten der Nebenintervention - außer bei uneingeschränkter Deckungszusage auch bei Unterbleiben der Nebenintervention durch den Versicherungsnehmer - verpflichtet. Dem Rechtsmittel ist damit keine Folge zu geben. Auf die nur „aus Vorsicht" gerügten, jedoch inhaltlich nicht näher substanziierten „Verfahrensfehler" ist gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO nicht weiter einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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