JudikaturJustiz7Ob106/07z

7Ob106/07z – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. September 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner L*****, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, gegen die beklagten Parteien 1. Dipl. Ing. Anton L*****, vertreten durch Dr. Harald Burmann und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, und 2. Regina W*****, vertreten durch Dr. Herwig Fuchs, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 6.818,92 sA (erstbeklagte Partei) und EUR 12.032,75 sA (zweitbeklagte Partei), über die Revision der erstbeklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 5.955,07) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Februar 2007, GZ 3 R 97/06y-62, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. August 2006, GZ 41 Cg 168/03d-58, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in dem die in Rechtskraft erwachsene Abweisung des Klagebegehrens von EUR 863,85 samt 4 % Zinsen seit 13. 1. 2003 zuzüglich 4 % Zinseszinsen seit 16. 10. 2003 übersteigenden Teil und in der Kostenentscheidung dahingehend abgeändert, dass das Urteil insoweit lautet:

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 5.955,07 samt 4 % Zinsen seit 13. 1. 2003 zuzüglich 4 % Zinseszinsen seit 16. 10. 2003 binnen 14 Tagen zu zahlen und die mit EUR 6.484,18 (darin enthalten EUR 870,46 an USt und EUR 1.261,39 an Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Vorweg ist festzuhalten, dass das Verfahren gegen die Zweitbeklagte ruht.

Der Kläger, der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte sind Geschwister. Nach dem Tod des Vaters am 26. 7. 1994 gaben die Kinder und die Mutter wegen Ungültigkeit des Testamentes Erbserklärungen aufgrund des Gesetzes ab und schlossen ein Erbenübereinkommen. Danach erhielt unter anderem jeder der Erben Grundstücke aus der Liegenschaft EZ 346, GB W*****; der Mutter und dem Erstbeklagten wurden unter anderem die Grundstücke 1381/1 und .291 je zur Hälfte übertragen. Mit notariellem Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 12. 1. 1996 verzichtete der Erstbeklagte für sich und seine Nachkommen auf alle künftigen Pflichtteilsansprüche nach der Mutter. Es wurde festgehalten, dass ein Erbverzicht nicht Gegenstand des Vertrages ist und dass letztwillige Zuwendungen sowie Zuwendungen unter Lebenden sowie deren Annahme nicht unterbunden sind.

Ein solcher Pflichtteilsverzichtsvertrag ohne gleichzeitigen Erbrechtsverzicht ist unüblich. Zunächst war auch ein Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vorbereitet worden. Es kann nicht festgestellt werden, ob die betreffende Änderung nach einem Aufklärungsgespräch durchgeführt wurde und wer sie verlangte. Mit notariellem Vertrag vom 19. 3. 1996 übertrug die Mutter ihren Hälfteanteil an den oben genannten Grundstücken einschließlich aller beweglicher Sachen, die sich zum damaligen Zeitpunkt auf der Liegenschaft befanden, ausgenommen jedoch Geld, Sparbücher, Schmuck und Kleidung der Übergeberin, an den Erstbeklagten. Der Mutter wurde im Übergabsvertrag ein Fruchtgenussrecht auf dem auf der Liegenschaft errichteten Wohnhaus am gesamtem Erdgeschoss und Keller, Dachboden und Garten und an den übergebenen beweglichen Sachen eingeräumt. Der Erstbeklagte verpflichtete sich, den Liegenschaftshälfteanteil ohne ausdrückliche Zustimmung der Mutter weder zu belasten noch zu veräußern.

Mit Notariatsakt vom 25. 10. 2000 übertrug die Mutter ihren Miteigentumsanteil 43/1340 an der EZ 403, GB I*****, mit welchem Wohnungseigentum verbunden war, an die Zweitbeklagte. Zum Abschluss der Übergabsverträge vom 19. 3. 1996 und 25. 10. 2000 kam es auf Initiative der Mutter der Streitteile, die eine Schulkollegin der Mutter des mit der Vertragserrichtung betrauten Notars war. Weder der Erstbeklagte noch die Zweitbeklagte hatten vor Abschluss der Verträge mit dem Notar Kontakt. Sie kamen erst zur Unterschrift in die Kanzlei. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Mutter der Streitteile bei Abschluss des Übergabsvertrages mit dem Erstbeklagten in Verbindung mit dem Pflichtteilsverzichtsvertrag die Absicht hatte, den Kläger zu benachteiligen. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Übergabsvertrag im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 12. 1. 1996 abgeschlossen wurde. Die Mutter verstarb am 12. 1. 2003. Am 5. 6. 2003 gaben die Streitteile aufgrund des Gesetzes jeweils bedingte Erbserklärungen zu je einem Drittel des Nachlasses zu Protokoll. Der Nachlass wurde ihnen am 14. 8. 2003 aufgrund des Gesetzes zu je einem Drittel mit der Rechtswohltat des Invantars eingeantwortet. Jeder der Streitteile erhielt daraus EUR 6.818,92.

Der Wert der dem Erstbeklagten geschenkten Liegenschafsthälfteanteile zum Zeitpunkt des Todes der Mutter beträgt unstrittig EUR 87.150. Der Wert der der Zweitbeklagten übertragenen Eigentumswohnung ist im selben Zeitpunkt unstrittig mit einem Betrag von EUR 73.965 anzusetzen.

Die Zweitbeklagte bezahlte an den Kläger bereits vor Klagseinbringung EUR 4.000. Im zweiten Rechtsgang trat im Verfahren zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten Ruhen ein, weil sie dem Kläger weitere EUR 12.032,75 sA - das ist derjenige Betrag, zu dessen Zahlung sie das Erstgericht im ersten Rechtsgang verpflichtet hatte - bezahlte. Der Kläger begehrt die Pflichtteilsergänzung. Er forderte von beiden Beklagten jene Beträge, die sie als gesetzliche Erben aus dem Nachlass erhielten. Von der Zweitbeklagten forderte er zusätzlich die Erhöhung unter Berücksichtigung der beiden Schenkungen, weil sie zeitlich die spätere Geschenknehmerin war. Er brachte - soweit dies noch im Revisionsverfahren relevant ist - vor, der Erstbeklagte habe sehr wohl Kenntnis von den rechtlichen Auswirkungen eines Pflichtteilsverzichtes erlangt. Er habe von Anfang an den Abschluss des Übergabsvertrages vom 19. 3. 1996 initiiert, um den Kläger um seinen Pflichtteil zu bringen. Die Berufung auf den Pflichtteilsverzichtsvertrag sei jedenfalls rechtsmissbräuchlich, weshalb eine Schenkungsanrechnung auch unter Berücksichtigung der dem Beklagten übergebenen Liegenschaftshälften zu erfolgen habe. Der Erstbeklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Eine rechtsmissbräuchliche Vorgangsweise liege nicht vor. Das einzige Motiv für den Abschluss des Pflichtteilsverzichtsvertrages sei gewesen, die Mutter in die Lage zu versetzen, ausschließlich testamentarisch über ihr Vermögen verfügen zu können. Der Erstbeklagte sei davon ausgegangen, dass auch seine Geschwister ähnliche Verträge abschließen würden. Die spätere Schenkung der Mutter sei zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein Thema gewesen. Der Erstbeklagte habe weder bei der Mutter die Übergabe der Hälfteanteile initiiert noch wahrheitswidrige Informationen verbreitet. Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren zur Gänze ab. Rechtsmissbrauch des Erstbeklagten sei zu verneinen, weil die Initiative zum Abschluss des Übergabsvertrages nicht von ihm, sondern von der Mutter ausgegangen sei. Dem Kläger sei der Beweis dafür, dass der Pflichtteilsverzicht vom Erstbeklagten deshalb abgegeben worden sei, um die Anrechnung des geschenkten Liegenschaftsanteiles zu verhindern und sich gegen allfällige Pflichtteilsergänzungsansprüche des Klägers abzusichern, nicht gelungen. Bei der Bestimmung des Pflichtteils des Klägers sei daher lediglich der Wert der der Zweitbeklagten geschenkten Liegenschaft in Anrechnung zu bringen. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch berechne sich unter Berücksichtigung eines Sechstels des Nachlasspflichtteiles mit EUR 8.918,04. Gemäß § 951 ABGB könne die Herausgabe des Geschenkes in dem Maß verlangt werden, als der Nachlass zur Deckung der Pflichtteilsergänzung nicht ausreiche. Es hafte der später Beschenkte vor dem früher Beschenkten. Da der Kläger von der Zweitbeklagten einen seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch übersteigenden Betrag bereits erhalten habe, habe er vom Erstbeklagten nichts zu fordern.

Das Berufungsgericht gab der Berufung, die das Ersturteil im Umfang der Abweisung von EUR 863,85 (unter Berücksichtigung einer Gegenforderung, die nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist) unbekämpft ließ, keine Folge. Die Beweggründe des Beklagten zum Abschluss des Pflichtteilsverzichtsvertrages vom 12. 1. 1996 seien nicht näher feststellbar. Die bloße Berufung des Erstbeklagten auf den seinerzeitigen Pflichtteilsverzicht sei nicht rechtsmissbräuchlich, weil auch nicht erwiesen worden sei, dass die Mutter bei Abschluss des allein von ihr initiierten Übergabsvertrages mit dem Erstbeklagten in Verbindung mit dem Pflichtteilsverzichtsvertrag die Absicht gehabt habe, den Kläger zu benachteiligen. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis, dass der Pflichtteilsverzicht in Verbindung mit dem Übergangsvertrag offenkundig bezweckt habe, die Anrechnung der geschenkten Liegenschaft zu verhindern und ihn gegen Pflichtteilsergänzungsansprüche anderer Noterben abzusichern, nicht erbracht. Die Schenkung sei daher gemäß § 785 Abs 3 ABGB bei der Pflichtteilsermittlung nicht zu berücksichtigen. Die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs des Klägers unter Berücksichtigung nur der der Zweitbeklagten geschenkten Liegenschaft sei nicht mehr strittig. Es hafte allein die Zweitbeklagte als später Beschenkte vor dem früher Beschenkten nach § 951 Abs 3 ABGB. Nur gleichzeitig Beschenkte treffe die verhältnismäßige Haftung. Diese Haftungsbeschränkung komme dem Erstbeklagten zugute, da die später Beschenkte den Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers zur Gänze befriedigt habe.

Das Berufungsgericht änderte seinen ursprünglichen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auf Antrag des Klägers ab, weil seiner Argumentation, dass der Erstbeklagte nicht als Beschenkter, sondern als Rechtsnachfolger der Verlassenschaft belangt worden sei und daher die Frage der Haftungspriorität nach § 951 Abs 3 ABGB hier nicht relevant sei, die Berechtigung nicht von vornherein aberkannt werden könne.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag.

Der Erstbeklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt. Auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes sind bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen (§ 785 Abs 1 ABGB). Schenkungen, die der Erblasser früher als zwei Jahre vor dem Tod an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht hat, sind nicht zu berücksichtigen (§ 785 Abs 3 ABGB). Nach ständiger Rechtsprechung sind unter den pflichtteilsberechtigten Personen gemäß § 785 Abs 3 ABGB, die zur unbefristeten Schenkungsanrechnung verpflichtet sind, nur jene zu verstehen, die im konkreten Fall im Zeitpunkt des Erbanfalls tatsächlich pflichtteilsberechtigt sind und die im Schenkungszeitpunkt „abstrakt" pflichtteilsberechtigt waren (6 Ob 185/04f, 1 Ob 152/03i, 4 Ob 233/02x je mwN). Wenn ein pflichtteilsberechtigter Geschenknehmer auf seinen Pflichtteil verzichtet hat und daher zum Zeitpunkt des Erbanfalls nicht mehr pflichtteilsberechtigt ist, schließt dies die fristenlose Anrechnung grundsätzlich aus, außer der Verzicht ist als rechtsmissbräuchlich anzusehen (6 Ob 185/04f, 1 Ob 152/03i, 4 Ob 233/02x; RIS-Justiz RS0012855).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Vorinstanzen weder beim Beklagten als pflichtteilsverzichtenden Geschenknehmer noch bei dessen Mutter als Geschenkgeberin die Absicht (positiv) feststellten, dass sie den Kläger mit den Verträgen um einen wesentlichen Teil seines Pflichtteiles bringen wollten. Damit stellen sich die Fragen, ob diese Vorgänge als „Umgehungsgeschäft" zu beurteilen wären oder ob bereits der Verzicht in erwiesener Missbrauchs-/Schädigungsabsicht als sittenwidrig und damit ungültig anzusehen wäre (vgl Mader in FS Welser 2004, Seite 670; Zankl, NZ 2001, 111 ff), nicht. Auf die Frage, ob es in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung bei der Beurteilung gar nicht auf subjektive Elemente (also Missbrauchs-/Schädigungsabsicht) ankommen dürfe, sondern rein auf die objektive Tatsache der tatsächlich eingetretenen Verkürzung (Peer, JBl 2001, 127), ist hier nicht einzugehen, weil aus nachstehenden Erwägungen ohnehin der Rechtsmissbrauch zum Nachteil des Beklagten im Sinne der bisherigen Judikatur abgeleitet werden kann.

Rechtsmissbrauch liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt. Der Schädigungszweck muss so augenscheinlich im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten. Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechtes handelt (4 Ob 233/02x, 1 Ob 152/03i). Die Rechtsmissbräuchlichkeit wurde in Entscheidungen zu § 785 Abs 3 ABGB bejaht, wenn der Pflichtteilsverzicht des Beschenkten offenkundig bezweckte, die Anrechnung der Schenkungen zu verhindern und den Geschenknehmer gegen Pflichtteilsergänzungsansprüche anderer Noterben abzusichern (1 Ob 152/03i mwN; 4 Ob 519/95, 6 Ob 555/95). Es wurde auch judiziert, dass (schon allein) die Berufung auf § 785 Abs 3 ABGB rechtsmissbräuchlich sein kann (RIS-Justiz RS0037904). Der Entscheidung 1 Ob 152/03i lag zugrunde, dass der Missbrauchsvorsatz der Erblasserin bei der Veranlassung des Pflichtteilsverzichtes feststand. Die Berufung auf den Pflichtteilsverzicht wurde deshalb als rechtsmissbräuchlich beurteilt, auch wenn der Beschenkte im Zeitpunkt der Verzichtserklärung selbst nicht rechtsmissbräuchlich agierte. Um also Rechtsmissbrauch annehmen zu können, bedarf es nicht unbedingt der ausdrücklichen Feststellung der Missbrauchs-/Schädigungsabsicht (vgl 4 Ob 519/95, 6 Ob 555/95). Es genügt, dass der beweispflichtige Kläger einen Sachverhalt beweist, der die Vermutung der Missbrauchs-/Schädigungsabsicht nahe legt. In diesem Fall ist es Sache des Beklagten, einen gerechtfertigten Beweggrund für sein Verhalten zu behaupten und zu beweisen (4 Ob 139/03z, 1 Ob 134/06x = RIS-Justiz RS0117937). Kann er das nicht, so darf er sich nicht auf den Pflichtteilsverzicht berufen.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beklagte den Pflichtteilsverzicht lediglich rund zwei Monate vor dem Übergabsvertrag abgab. Es steht weiters fest, dass nur der Beklagte einen Pflichtteilsverzicht abgab, nicht jedoch die beiden anderen Kinder. Weiters ergibt sich aus den Feststellungen, dass das Vermögen der Erblasserin zu einem erheblichen Teil aus den verschenkten Liegenschaftsanteilen bestand. Unter diesen Umständen legt schon die zeitliche Nähe zwischen Pflichtteilsverzicht und Übergabsvertrag die Vermutung nahe, dass der vom Beklagten abgegebene Verzicht in Missbrauchsabsicht erfolgt ist. Es lag nun am Beklagten, einen Sachverhalt zu behaupten und zu beweisen, der einen gerechtfertigten Beweggrund für sein Verhalten darlegen könnte. Dies ist ihm nicht gelungen. Mit seiner Behauptung, der Erbschaftsverzicht sollte die Mutter in die Lage versetzen, frei über ihr restliches Vermögen testieren zu können, vermag er im vorliegenden Fall keinen gerechtfertigten Beweggrund darzulegen, zumal die Mutter in der Folge gar nicht testierte, sondern wesentliche Teile ihres Vermögens verschenkte und die anderen Geschwister nicht ebenfalls auf ihren Pflichtteil verzichteten. Es ist nicht erkennbar, welchen konkreten Vorteil der Mutter der Pflichtteilsverzicht des Erstbeklagten gebracht hätte. Der vom Erstbeklagten genannte Grund tritt jedenfalls gegenüber dem augenscheinlichen Zweck, den Pflichtteilsanspruch des Klägers zu verkürzen, völlig in den Hintergrund. Der Rechtsmissbrauch ist zu bejahen. Damit ist der Wert der dem Erstbeklagten geschenkten Liegenschaftshälften im Zeitpunkt des Erbanfalls zu berücksichtigen. Der Kläger ist bei der Berechnung seines Pflichtteils so zu stellen, wie er stünde, wenn die Schenkung unterblieben wäre (7 Ob 162/05g). Nach ständiger Lehre und Rechtsprechung ist, was das Berufungsgericht übergangen hat, auch der Schenkungspflichtteil zunächst bis zur Höhe des Wertes des reinen Nachlasses vom Erben zu berichtigen. Nur wenn der Nachlass zur Deckung des Pflichtteils nicht ausreicht, kann der Noterbe gemäß § 951 Abs 1 ABGB insoweit den Fehlbetrag vom Beschenkten fordern (7 Ob 135/00d, 5 Ob 105/05k; RIS-Justiz RS0012941, RS0012963). Ist der Geschenknehmer zugleich Erbe, treffen diese Haftungen additiv zusammen (RIS-Justiz RS0012917). Der Kläger hat bereits in der Klage vorgebracht, dass er vom Erstbeklagten jeweils jenen Betrag fordert, den dieser als bedingt eingeantworteter Erbe erhalten hat. Dies stimmt auch ziffernmäßig mit dem begehrten Betrag von EUR 6.818,92 überein. Es kann also kein Zweifel bestehen, dass der Erstbeklagte nicht - entgegen § 785 Abs 3 ABGB - als gegenüber der Zweitbeklagten zeitlich früherer Geschenknehmer in Anspruch genommen wurde, sondern als Erbe im Sinn der dargelegten Rechtsprechung.

Bedingt erbserklärte Erben - wie hier - haften nach erfolgter Einantwortung nur nach dem Verhältnis ihres Erbteils (§ 821 ABGB). Die Erben haften also nur anteilig entsprechend ihrer Erbquote, wenn die Schuld - wie hier - teilbar ist (Sailer in KBB² § 821 ABGB Rz 1; Welser in Rummel ABGB I³ §§ 820 bis 822 ABGB Rz 7). Die vom Erstbeklagten eingewandte Solidarhaftung mit der Zweitbeklagten für die Ansprüche des Klägers, die seiner Meinung nach ohne weiteres dazu führen müsse, dass durch die festgestellten Zahlungen der Zweitbeklagten auch eine allfällige Pflichtteilsforderung des Klägers ihm gegenüber erloschen sei, ist daher nicht gegeben. Die Frage, ob allenfalls die Zahlungen der Zweitbeklagten von insgesamt EUR 16.032,75 wegen allfälliger Widmungen oder Vereinbarungen zwischen der Zweitbeklagten und dem Kläger auch eine Schuld des Erstbeklagten tilgen sollte, stellt sich schon deshalb nicht, weil die Zweitbeklagte nicht mehr als ihre eigene Schuld bezahlt hat. Eine allenfalls dem Erstbeklagten anzurechnende Überzahlung liegt nicht vor.

Der Pflichtteilsanspruch des Klägers berechnet sich nämlich wie folgt:

Der unstrittige Wert der dem Beklagten geschenkten Liegenschaftshälften zum Erbanfallstag beträgt EUR 87.150. Der Wert der der Zweitbeklagten geschenkten Liegenschaftsanteile zum selben Tag ist unstrittig mit EUR 73.965 anzusetzen. Dies ergibt eine Summe von EUR 161.115. Das Fruchtgenussrecht der Mutter hat bei der Bemessung der Pflichtteilsgrundlage außer Ansatz zu bleiben (RIS-Justiz RS0012946). Von dieser Summe ist ein Pflichtteil von einem Sechstel zu berechnen. Dies ergibt EUR 26.852,50. Hinzuzurechnen ist nun der Pflichtteil aus dem Nachlass, wie er der Abhandlung zugrundelag, das sind EUR 3.409,46. Der Pflichtteilsanspruch des Klägers beträgt somit insgesamt EUR 30.261,96.

Darauf hat der Kläger als Erbe aus dem Nachlass bereits EUR 6.818,92 erhalten. Auf den verbleibenden Rest haben beide Beklagten als übrige Erben den ebenfalls aus dem Nachlass erhaltenen Betrag von je EUR 6.818,92 vorweg zu begleichen, sodass gegen die Zweitbeklagte als zeitlich spätere Geschenknehmerin ein weiterer Anspruch von EUR 9.805,20 verbleibt. Die Zweitbeklagte hat EUR 4.000 und EUR 12.032,75 bezahlt, somit insgesamt EUR 16.032,75. Eine Überzahlung liegt daher nicht vor.

Der Erstbeklagte ist also, wie dargelegt, als Erbe vorweg zur Bezahlung jenes Betrages verpflichtet, den er aus der Verlassenschaft erhalten hat, um den Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers zu befriedigen. Es sind daher die Entscheidungen der Vorinstanzen in ihrem noch nicht rechtskräftig entschiedenen Teil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 43, 41 und 46 Abs 1 ZPO, im Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit § 50 ZPO. Im Hinblick auf die erheblich unterschiedliche Beteiligung der beiden Beklagten am Rechtsstreit ist der Ersatzanteil bis zum Ruhen des Verfahrens gegen die Zweitbeklagte nach dem Verhältnis der Begehren der Beklagten zu bestimmen.

Es sind fünf Verfahrensabschnitte zu bilden. Der erste Verfahrensabschnitt umfasst die Klage. Die Beteiligung des Klägers daran sind rund 31 %. Der Kläger obsiegte mit rund 80 %. Die verzeichneten Anträge im Hinblick auf das Verlassenschaftsverfahren waren nicht zu honorieren, da diese nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren.

Im zweiten Verfahrensabschnitt vom 4. 12. 2003 bis zum Berufungsverfahren im ersten Rechtsgang entfällt auf die Beteiligung des Erstbeklagten 37 %. Er obsiegte mit rund 80 % seines Anspruchs. Die Kostennote war zu korrigieren. Die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12. 12. 2003 dauerte laut Protokoll nicht 5/2, sondern 3/2 Stunden. Vom Kostenvorschuss wurden nur EUR 1.420,61 verbraucht. Die vorbereitenden Schriftsätze vom 15. 6. 2004 und 24. 3. 2005 waren nicht zu honorieren, da sie nicht aufgetragen wurden und das Vorbringen in der mündlichen Streitverhandlung hätte erstattet werden können. Die Schriftsätze vom 13. 10. 2004 und 20. 4. 2005 (Antrag auf Zustellung einer zweiten Protokollabschrift) waren ebenso wenig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig wie die Mitteilung vom 21. 7. 2005. Soweit der Kläger zur Tagsatzung nicht geladen war und er nicht vernommen wurde, sind ihm die Fahrtkosten nicht zuzusprechen.

Im dritten Verfahrensabschnitt (Berufung im ersten Rechtsgang) entfallen auf den Erstbeklagten entsprechend seiner Beteiligung 36 %. Der Kläger obsiegte mit 87 %. Die Kosten der Berufung hinsichtlich der Zweitbeklagten, die in das Kostenverzeichnis zusätzlich aufgenommen wurden, sind nicht vom Erstbeklagten zu ersetzen, da sie von ihm nicht veranlasst wurden.

Der vierte Verfahrensabschnitt umfasst den Zeitraum 23. 2. 2006 bis 20. 6. 2006. Das Verfahren gegen die Zweitbeklagte ruhte. Der Kläger obsiegte mit 87 %.

Im fünften und letzten Verfahrensabschnitt obsiegte der Kläger zur Gänze, es sind ihm daher die Kosten zur Gänze zuzusprechen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass für die Berufung nur der dreifache Einheitsatz gebührt, da keine Berufungsverhandlung stattfand (§ 23 Abs 9 RATG). Die Pauschalgebühr nach TP 2 ist von jedem Rechtsmittelwerber nur einmal zu entrichten; dies gilt auch dann, wenn infolge Aufhebung der Entscheidung zweiter Instanz das Verfahren fortgesetzt oder die zweite Instanz im Zuge des Rechtsstreits mehrmals angerufen wird (Anm 4 zu TP 2 GGG). Dem Kläger sind zusammenfassend im ersten Verfahrensabschnitt EUR 172,68 und EUR 150,31 an Barauslagen, im zweiten Verfahrensabschnitt EUR 2.232,78 und EUR 527,08 an Barauslagen, im dritten Abschnitt EUR 271,70, im vierten Abschnitt EUR 652,25 und im fünften Verfahrensabschnitt EUR 1.022,92 und EUR 584 an Barauslagen zuzüglich insgesamt EUR 870,46 an USt zu ersetzen.

Rechtssätze
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