JudikaturJustiz6Ob594/93

6Ob594/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. September 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Daniela Z*****, ***** und des mj.Christian Z*****, ***** infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch die Mutter Ingrid F*****,***** ***** diese vertreten durch Dr.Michael Lackner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 27.Mai 1992, GZ 22 a R 184/92-45, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 15.April 1992, GZ 20 P 786/87-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die beiden Minderjährigen Daniela und Christian Z***** sind die ehelichen Kinder des Günther Z***** und der Ingrid F*****, deren Ehe 1988 geschieden wurde. Sie befinden sich in Pflege und Erziehung der Mutter, der die Obsorge zukommt. Seit 1.5.1990 beziehen die Kinder Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG, die bis 30.4.1993 bewilligt wurden.

Nachdem mit Beschluß des Erstgerichtes vom 18.10.1989 der Vater ab 1.10.1989 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 2.500 für Daniela und von S 2.200 für Christian verpflichtet worden war, beantragte der Magistrat der Stadt Salzburg als Unterhaltssachwalter gemäß § 9 UVG am 24.7.1991 die Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1.8.1991 auf S 2.930 für Daniela und auf S 2.550 für Christian mit der Begründung, die Bedürfnisse der Kinder seien gestiegen; das Einkommen des Vaters dürfte ausreichen, um die begehrten Beträge zu leisten. Der Vater sprach sich mangels entsprechender Leistungsfähigkeit gegen eine Erhöhung aus.

Auf Grund eines eingeholten Sachverständigengutachtens, in welchem ein Monatsnettoeinkommen des als selbständiger Friseur ohne Angestellte tätigen Vaters für 1990 von S 13.548 ermittelt worden war, wies das Erstgericht mit Beschluß vom 4.11.1991 das Erhöhungsbegehren mit der Begründung ab, die Leistungsfähigkeit des Vaters sei bereits durch die bisher bestimmten Unterhaltsbeträge ausgeschöpft. Dieser Beschluß wurde der Mutter vom Unterhaltssachwalter, der kein Rechtsmittel erhob, zur Kenntnis gebracht.

Am 28.2.1992 teilte der Rechtsvertreter der Mutter dem Unterhaltssachwalter mit, seiner Auffassung nach sei der Beschluß des Erstgerichtes unrichtig, weshalb er um Erteilung einer Vollmacht zur Einbringung neuer Unterhaltserhöhungsanträge ersuche; für die Kosten werde die Mutter aufkommen. Dies lehnte der Unterhaltssachwalter mit Schreiben vom 12.3.1992 ab.

Am 9.4.1992 beantragten die beiden Minderjährigen, vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch den nunmehr einschreitenden Rechtsanwalt unter Hinweis auf diese Schreiben, das Erstgericht möge als Pflegschaftsgericht den Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg anleiten, einen neuerlichen Unterhaltserhöhungsantrag zu stellen, in eventu, dem Anwalt Vollmacht zur Einbringung eines solchen Antrages zu erteilen. Schließlich wurde die Bestellung eines Kollisionskurators zur Geltendmachung der Ansprüche der Kinder gegenüber dem Unterhaltssachwalter auf "Tätigwerden und auf pflichtgemäße Wahrnehmung der Interessen der Minderjährigen" beantragt. Nach der jüngeren Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Anspannungstheorie stünden den Kindern deutlich höhere Unterhaltsbeiträge als die festgesetzten zu. Der Unterhaltssachwalter handle nicht pflichtgemäß, wenn er keine Erhöhungsanträge stelle. Dies könne Schadenersatzansprüche der Minderjährigen gegen den Sachwalter auslösen.

Das Erstgericht wies diese Anträge mit der Begründung ab, alleiniger Vertreter der beiden Minderjährigen sei nach § 9 UVG der Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg; eine Antragstellung der Mutter sei unzulässig. Eine Interessenkollision zwischen den Kindern und dem Unterhaltssachwalter sei nicht erkennbar.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen keine Folge. Nach § 9 Abs 2 UVG werde der Jugendwohlfahrtsträger mit Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt würden, Sachwalter der Kinder zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche. Der gesetzliche Vertreter, dem sonst die Obsorge zukomme, werde dadurch von der Vertretung in Unterhaltsangelegenheiten bis zur Einstellung der Unterhaltsvorschüsse und zur Enthebung des Jugendwohlfahrtsträgers ausgeschlossen. Dessen Stellung unterscheide sich von jener sonstiger Kuratoren nach den §§ 269 ff ABGB insofern, als der Jugendwohlfahrtsträger ex lege und nicht durch einen gerichtlichen Beschluß bestellt werde. Durch § 5 Abs 1 JWG 1989 sei geregelt, welcher Jugendwohlfahrtsträger im konkreten Fall zuständig sei und damit als bestellt gelte. Es sei davon auszugehen, daß dem Pflegschaftsgericht eine "Aufsicht" über die Gebarung des Jugendwohlfahrtsträgers nicht zukomme, sodaß diesem vom Pflegschaftsgericht auch keine Aufträge erteilt werden könnten. § 9 Abs 3 UVG sehe auch keine grundsätzliche Ermächtigung des Pflegschaftsgerichtes vor, den Jugendwohlfahrtsträger als Unterhaltssachwalter zu entheben, sondern beschränke dies nur auf bestimmte Fälle, die im wesentlichen mit der Einstellung der Vorschüsse zusammenhingen. Habe das Pflegschaftsgericht keine Aufsicht über den Jugendwohlfahrtsträger, so könne es diesem die beantragten Aufträge auch nicht erteilen.

Da sich § 9 Abs 2 UVG nur auf die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen beziehe, sei die Bestellung eines Kollisionskurators nicht erforderlich, weil zur Geltendmachung allfälliger Schadenersatzansprüche gegen den Unterhaltssachwalter die gesetzliche Vertretung der Kinder durch die Mutter ohnedies nicht eingeschränkt sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige, weil dieser unter Umständen als vermögensrechtlicher Natur qualifiziert werden könnte und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu der über das vorliegende Verfahren an Bedeutung hinausreichenden Frage, inwieweit das Pflegschaftsgericht dem Jugendwohlfahrtsträger als Unterhaltssachwalter Aufträge erteilen könne und was unter dem Begriff "Zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche" nach § 9 Abs 2 UVG zu verstehen sei, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Erwägungen des Rekursgerichtes sind zutreffend.

Nach § 9 Abs 2 UVG wird der Jugendwohlfahrtsträger mit der Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt werden, Sachwalter des minderjährigen Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche. Während § 212 Abs 2 ABGB die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Kindes und damit eine rechtsgeschäftliche Übertragung eines Teiles der Vertretungsmacht voraussetzt, durch die aber der gesetzliche Vertreter in seiner Vertretungsmacht nicht beschränkt wird, tritt die Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 9 Abs 2 UVG ex lege ein und bewirkt in Unterhaltsangelegenheiten den Ausschluß des sonstigen gesetzlichen Vertreters. Dieser verliert während der Dauer der gesetzlichen Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers Verwaltungs- und Vertretungsbefugnis zur Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung in Ansehung aller dem Kind zustehenden Unterhaltsansprüche. Der Jugendwohlfahrtsträger ist somit ausschließlich, auch in Fragen der Unterhaltserhöhung, zuständig (EvBl 1982/53; ÖA 1991, 104; ÖA 1991, 143; 2 Ob 504/92; 3 Ob 551/92 ua).

Wie der Oberste Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung wiederholt dargelegt hat (SZ 61/231, 6 Ob 535/91 ua), ist aus § 21 Abs 1 ABGB eine umfassende Fürsorgepflicht des Pflegschaftsgerichtes abzuleiten. Dessen Aufgabe besteht nicht nur darin, die Gesetzmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit der vom Vertreter eines Minderjährigen oder unter Sachwalterschaft stehenden Behinderten getroffenen oder in Aussicht genommenen Maßnahmen zu prüfen. Das Pflegschaftsgericht kann daher auch bindende Weisungen erteilen und muß insbesondere dann tätig werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß Vermögensinteressen der Pflegebefohlenen verletzt werden. Es muß daher grundsätzlich die Amtsführung des Vertreters sorgfältig überwachen, auf die Wahrung von Rechten des Pflegebefohlenen hinwirken, dessen Vertreter auf geignete Weise unterstützen, diesen beraten, aufklären und anleiten und wenn nötig, entheben. Allen entschiedenen Fällen lag aber zugrunde, daß eine bestimmte natürliche Person vom Pflegschaftsgericht zum Vertreter eines Pflegebefohlenen bestellt worden war, nicht aber ein Jugenwohlfahrtsträger, der, wenn auch im Rahmen des Privatrechtes, als Organ der öffentlichen Verwaltung tätig wird und dem vom Gesetzgeber in Erfüllung seiner öffentlichen Fürsorgepflichten die im JWG umschriebenen Aufgaben und Verpflichtungen übertragen sind. Auf Grund dieser besonderen Stellung bestimmt § 214 Abs 2 ABGB, daß der Jugendwohlfahrtsträger zu Klagen auf Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes sowie zum Abschluß von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung des Gerichtes bedarf. Vereinbarungen über die Leistung des Unterhaltes eines Minderjährigen, die vor dem Jugendwohlfahrtsträger oder von ihm abgeschlossen und beurkundet werden, haben die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches. § 216 Abs 2 ABGB, wonach der Vormund in wichtigen, die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten die Genehmigung des Gerichts einzuholen hat, gilt für den Jugendwohlfahrtsträger nicht (§ 214 Abs 1 ABGB). Aus diesen Bestimmungen geht klar hervor, daß der Gesetzgeber den Jugendwohlfahrtsträger, soweit er als Unterhaltssachwalter nach § 9 Abs 2 UVG einschreitet, nicht der Aufsicht des Pflegschaftsgerichtes unterstellt hat. Daraus ergibt sich aber auch, daß ihm das Pflegschaftsgericht in diesem Umfang keine Weisungen und Aufträge zu erteilen hat. Solche Aufträge wären überdies mangels einer Abberufungsmöglichkeit des gesetzlichen Unterhaltssachwalters nach § 9 UVG, solange die zwingende Sachwalterschaft währt, nicht durchsetzbar.

Dem Revisionsrekurs, in welchem die Abweisung des Antrages auf Bestellung eines Kollisionskurators nicht mehr bekämpft wird, war daher keine Folge zu geben.

Rechtssätze
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