JudikaturJustiz6Ob4/21p

6Ob4/21p – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* OG, *, vertreten durch Waitz Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei Mag. pharm. S*, vertreten durch Dr. Martin Schloßgangl, Rechtsanwalt in Steyr, wegen 80.607,80 EUR sA, über den Revisionsrekurs und die Revision der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Rekurs- und Berufungsgericht vom 10. November 2020, GZ 4 R 138/20x 56, mit dem über Rekurs und Berufung der Klägerin der Beschluss und das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 25. August 2020, GZ 2 Cg 19/19s 51, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

2. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Parteien haben ihre Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Die seit 20. 7. 2002 im Firmenbuch eingetragene Klägerin ist eine Offene Gesellschaft, die eine Apotheke betreibt. Seit einem am 24. 1. 2012 eingetragenen Gesellschafterwechsel waren ihre Gesellschafter die Beklagte, deren mittlerweile geschiedener Ehemann Ing. H* J* und die Mutter der Beklagten, Mag. pharm. E* W*.

[2] Am 1. 2. 2019 wurde die Beklagte als Gesellschafterin aus dem Firmenbuch gelöscht. Am 14. 2. 2019 wurde die Mutter der Beklagten als Gesellschafterin aus dem Firmenbuch gelöscht und Mag. pharm. I* D* als neue Gesellschafterin eingetragen.

[3] Der Gesellschaftsvertrag sieht in seinem §  10 ein Kündigungsrecht des Gesellschafters und in seinem § 11 für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters ein Aufgriffsrecht der verbleibenden Gesellschafter „gegen Abfindung nach § 12 dieses Gesellschaftsvertrags“ vor.

[4] § 12 des Gesellschaftsvertrags regelt die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters. Dieser soll nach § 12 Abs 1 erster Unterabsatz grundsätzlich den Marktpreis bzw den Verkehrswert seines Anteils zum Ausscheidungsstichtag erhalten. Zusätzlich enthält § 12 Abs 1 zweiter Unterabsatz des Gesellschaftsvertrags folgende Regelung:

„Zuzüglich zum Marktpreis bzw Verkehrswert seines Anteils am Apothekenunternehmen der Gesellschaft hat der ausscheidende Gesellschafter ein allenfalls zum Stichtag seines Ausscheidens auf seinem Privatkonto gebuchtes Guthaben zu erhalten bzw ist er verpflichtet, einen unberichtigt aushaftenden Debetsaldo abzudecken. […]“

[5] Die Beklagte schied infolge ihrer Kündigung der Gesellschaft zum Stichtag 31. 12. 2018 aus der Gesellschaft aus.

[6] Aus Anlass ihres Ausscheidens griff ihr Ehemann ihren Geschäftsanteil auf und zahlte den Aufgriffspreis an die Beklagte. Die Ermittlung und Leistung des Aufgriffspreises sind nicht Gegenstand des Verfahrens.

[7] Mit Schreiben vom 22. 3. 2019 forderte der Klagevertreter namens der Klägerin die Beklagte zur Abdeckung des aushaftenden Saldos von 178.198,08 EUR auf ihrem Verrechnungskonto bei der Klägerin auf. Der Vertreter der Beklagten bestritt in seinem Antwortschreiben vom 25. 3. 2019 die geltend gemachte Forderung als offenbar unberechtigt, weit überhöht und – wegen Verweigerung der Bucheinsicht – nicht fällig. Im Weiteren wird ausgeführt:

„Zudem hat meine Mandantin als Inhaberin der Apotheke in G* eine Forderung gegen Ihre Mandantschaft in Höhe von EUR 85.818,88, die aufrechnungsweise eingewendet wird. […] Die von Ihnen geltend gemachte Forderung wird daher jedenfalls derzeit als unberechtigt und nicht fällig zurückgewiesen. […]“

[8] Die Klägerin begehrt die Abdeckung des aushaftenden Saldos auf dem Privatkonto (Verrechnungskonto) der Beklagten bei der Klägerin.

[9] Sie brachte zunächst vor, das Verrechnungkonto der Beklagten habe zum Stichtag 31. 12. 2018 einen Debetsaldo von 178.198,08 EUR aufgewiesen. Aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen außergerichtlichen Aufrechnung mit ihrer Forderung von 85.818,88 EUR betrage die Klageforderung 92.379,20 EUR.

[10] Die Beklagte habe sämtliche Jahresabschlüsse der Klägerin bis einschließlich des Jahresabschlusses 2016 genehmigt. Die Beklagte habe auch den Jahresabschlüssen 2017 und 2018 zugestimmt, indem sie diesen nicht rechtzeitig (wie in § 8 des Gesellschaftsvertrags geregelt) widersprochen habe. Damit sei ein bindender Feststellungsvertrag über die Richtigkeit der in den Jahren 2017 und 2018 auf dem Verrechnungskonto der Beklagten getätigten Buchungen zustande gekommen.

[11] Die Beklagte habe die Klageforderung zudem mit Schreiben ihres Vertreters vom 25. 3. 2019 anerkannt, indem sie mit ihrer Gegenforderung von 85.818,88 EUR aufgerechnet habe.

[12] Mit Schriftsatz vom 30. 7. 2019 brachte die Klägerin vor, aus dem am 25. 6. 2019 beschlossenen endgültigen Jahresabschluss 2018 ergebe sich für den Stichtag 31. 12. 2018 auf dem Verrechnungskonto der Beklagten ein Debetsaldo von 166.426,68 EUR. Ausgehend davon schränkte sie die Klage auf 80.607,80 EUR (166.426,68 EUR minus 85.818,88 EUR) ein.

[13] Mit Schriftsatz vom 24. 6. 2020 stellte die Klägerin einen Zwischenantrag auf Feststellung, dass ihre Jahresabschlüsse zum 31. 12. 2015, 31. 12. 2016, 31. 12. 2017 und 31. 12. 2018 rechtswirksam festgestellt und für die Klägerin und die Beklagte rechtsverbindlich seien. Hilfsweise begehrt sie die Feststellung nur hinsichtlich der Jahresabschlüsse 2015, 2016 und 2017, hilfsweise nur für die Jahresabschlüsse 2015 und 2016.

[14] Die begehrte Feststellung sei präjudiziell für den Ausgang des Rechtsstreits, weil auf dem Verrechnungskonto auch der (in den Jahresabschlüssen enthaltene) Gewinn- und Verlustanspruch der Beklagten abgebildet worden sei.

[15] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Sie steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass zahlreiche Posten ihrem Verrechnungskonto zu Unrecht angelastet worden seien, während ihr gleichzeitig das gesellschaftsvertraglich geschuldete Arbeitsentgelt nicht gutgeschrieben worden sei. Darüber hinaus beanstandete sie Aufwendungen der Gesellschaft, an denen sie aus näher angeführten Gründen nicht partizipiere. Die beanstandeten Buchungen seien von ihrem vormaligen Ehemann veranlasst worden, der auch stets die Jahresabschlüsse aufgestellt habe.

[16] Konkret erstattete die Beklagte Vorbringen zu (im Einzelnen angeführten) Rechtsberatungskosten, zu den Bezügen und dem Aufwandsersatz für die Gesellschafterin Mag. pharm. E* W*, zu Kassaschwund, Kfz Aufwand, den Kosten eines Lehrlings und einer Praktikantin, Werbeaufwand, EDV Kosten und zur Höhe ihrer Privatentnahmen.

[17] Selbst ausgehend von dem (bestrittenen) Stand ihres Verrechnungskontos von 178.198,08 EUR müsse sich ein Guthaben zu ihren Gunsten von zumindest 181.662,76 EUR ergeben.

[18] Sollte der Klägerin doch eine Forderung aus dem Verrechnungskonto zustehen, sei diese mangels ausreichender Überprüfbarkeit und mangels Feststellung der Jahresabschlüsse 2017 und 2018 nicht fällig. Die Beklagte habe gegen beide Jahresabschlüsse fristgerecht Einwendungen erhoben. Sie habe auch den Jahresabschlüssen 2015 und 2016 nicht zugestimmt, jedenfalls nicht in Kenntnis der unrichtigen Buchungen. Sie fechte eine allfällige Zustimmung wegen Irrtums und arglistiger Irreführung an.

[19] Der Zwischenantrag auf Feststellung sei nicht präjudiziell, weil der Saldo aus dem Verrechnungskonto nicht gesondert einklagbar sei, sondern in ihren Abfindungsanspruch anlässlich des Ausscheidens einfließe.

[20] Das Erstgericht wies den Zwischenantrag auf Feststellung sowie die dazu erhobenen Eventualanträge zurück und wies das Klagebegehren ab.

[21] Rechtlich führte es aus, die Feststellungsanträge seien nicht präjudiziell für den eingeklagten Anspruch, weil die Klägerin einen allfälligen Negativsaldo auf dem Verrechnungskonto nicht gesondert einklagen könne. Dies deshalb, weil für die Ermittlung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters sowie des Ausgleichsanspruchs der Gesellschaft gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter nach § 137 UGB eine Gesamtrechnung unter Einbeziehung aller wechselseitigen gesellschaftsrechtlichen Ansprüche anzustellen sei. Alle diesen Ansprüchen zugrunde liegenden Einzelansprüche würden zu unselbständigen Abrechnungsposten und könnten nicht mehr selbständig geltend gemacht werden. Hier mache die Klägerin einen solchen unselbständigen Abrechnungsposten geltend, weil der Negativsaldo bei der Ermittlung des Abfindungsanspruchs der Beklagten hätte berücksichtigt werden müssen. Weder die außergerichtliche Aufrechnung noch die Feststellung des Jahresabschlusses könnten etwas daran ändern, dass der geltend gemachte Anspruch nicht selbständig einklagbar sei.

[22] Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs und der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es ließ den Revisionsrekurs und die Revision zu, weil keine gesicherte Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob die Gesellschaft „unter Zugrundelegung der vertraglichen Vereinbarung“ bei Ausübung eines Aufgriffsrechts einen Debetsaldo aus dem Verrechnungskonto gesondert verfolgen könne.

[23] Rechtlich schloss es sich im Wesentlichen der Auffassung des Erstgerichts an. Es sei ein Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters (Art 7 Nr 15 EVHGB) zu beurteilen, für den das Prinzip der Gesamtabrechnung gelte, sodass die Abdeckung des Debetsaldos nicht (gesondert) begehrt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

[24] A. Zur Revision :

[25] Die Revision ist zulässig , weil das Gericht zweiter Instanz die Grundsätze betreffend die Gesamtabrechnung zur Ermittlung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters beziehungsweise des Ausgleichsanspruchs der Gesellschaft gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter unrichtig auf den vorliegenden Fall angewendet hat.

[26] Sie ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt .

[27] 1.1. Art 7 Nr 15 EVHGB sowie die Nachfolgebestimmung § 137 UGB (zum Übergangsrecht vgl etwa 6 Ob 39/10v GesRZ 2011, 35 [ Artmann ]; 6 Ob 219/19b RWZ 2020, 77 [ Wenger ]) regeln die Vermögensauseinandersetzung der Gesellschaft mit dem ausscheidenden Gesellschafter.

[28] 1.2. Diese Auseinandersetzung erfolgt bei den Personengesellschaftern nach dem Prinzip der Gesamtabrechnung (6 Ob 39/10v). Demnach sind in die Ermittlung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters – das gleiche gilt für den Ausgleichsanspruch der Gesellschaft – alle wechselseitigen gesellschaftsrechtlichen Ansprüche einzubeziehen (vgl 6 Ob 39/10v mwN; RS0061834). Von der Gesamtabrechnung unberührt bleiben nur Forderungen aus außergesellschaftlichen bzw Drittgeschäften des Gesellschafters mit der Gesellschaft (RS0061834 [T5]). Die dem Abfindungs- bzw Ausgleichsanspruch zugrunde liegenden Einzelansprüche werden zu unselbständigen Abrechnungsposten und können nicht mehr selbständig geltend gemacht werden (6 Ob 39/10v; 6 Ob 144/14s GesRZ 2015, 323 [ Wöss ]; 6 Ob 140/17g GesRZ 2018, 44 [ Artmann ]). Dadurch sollen Hin- und Herzahlungen zwischen der Gesellschaft und dem ausgeschiedenen Gesellschafter vermieden werden. Erst nach der Gesamtabrechnung aller Ansprüche und Verbindlichkeiten ist zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der ausgeschiedene Gesellschafter Anspruch auf Abfindung hat oder ob er seinerseits zum Ausgleich verpflichtet ist (RS0061834; 6 Ob 39/10v mwN; 6 Ob 144/14s).

[29] 1.3. Hingegen steht der Einklagung des (behaupteten) Ergebnisses der Gesamtabrechnung kein Hindernis entgegen. Zu 6 Ob 39/10v (ErwGr 10) wurde ausdrücklich klargestellt, dass es der Gesellschaft jederzeit frei steht, aus Anlass des Ausscheidens eines Gesellschafters eine Gesamtabrechnung vorzunehmen und gegebenenfalls Leistungsklage gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter zu erheben. Gegenstand des Verfahrens zu 6 Ob 39/10v war hingegen die separate Rückforderung unberechtigter Entnahmen sowie die Abdeckung von Verlustzuweisungen des ausgeschiedenen Gesellschafters vor Vornahme einer Gesamtabrechnung.

[30] 2.1. Von der Vermögensauseinandersetzung zischen der Gesellschaft und dem ausgeschiedenen Gesellschafter sind jene Rechtsbeziehungen zu unterscheiden, die im Fall eines Gesellschafterwechsels zwischen dem ausgeschiedenen Gesellschafter und dem Erwerber des Geschäftsanteils entstehen.

[31] 2.2. Im Zusammenhang mit der Übertragung eines Geschäftsanteils steht es den Beteiligten frei, mit Zustimmung der verbleibenden Gesellschafter zu vereinbaren, dass der Erwerber des Geschäftsanteils im Weg der Vertragsübernahme in die Verbindlichkeiten des bisherigen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft eintritt. Die Parteien können aber auch Abweichendes vereinbaren ( Krejci in Krejci , RK UGB [2007] § 137 Rz 7).

[32] 2.3. Im vorliegenden Fall verweist § 11 Abs 2 des Gesellschaftsvertrags für die Ermittlung des vom aufgriffsberechtigten Gesellschafter im Fall der Ausübung des Aufgriffsrechts zu leistenden Aufgriffspreises („Abfindung“) auf § 12 des Gesellschaftsvertrags.

[33] 2.4. Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass der Aufgriffspreis und die offenen Forderungen der Gesellschaft gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter (die Beklagte) in eine Gesamtabrechnung einzufließen hätten.

[34] Diese Rechtsansicht der Vorinstanzen könnte dahin verstanden werden, dass ein Guthaben oder ein Debetsaldo auf dem Verrechnungskonto des ausgeschiedenen Gesellschafters in die Ermittlung des Aufgriffspreises einzufließen hätte.

[35] Eine derartige Auslegung der §§ 11 und 12 des Gesellschaftsvertrags hat aber nichts mit dem Grundsatz der Gesamtabrechnung zwischen dem ausgeschiedenen Gesellschafter und der Gesellschaft nach Art 7 Nr 5 EVHGB bzw § 137 UGB zu tun. Sie basiert vielmehr auf dem Gedanken, dass bei der Übertragung der Gesellschafterstellung auch eine Vertragsgestaltung gewählt werden kann, nach der der Erwerber des Geschäftsanteils gegenüber der Gesellschaft die (allenfalls noch im Einzelnen abzurechnenden) Schulden und Forderungen des ausgeschiedenen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft (im Weg der Vertragsübernahme) übernimmt. Wirtschaftlich liegt es auf der Hand, dass eine derartige Vertragsgestaltung in den vom Erwerber des Geschäftsanteils an den ausgeschiedenen Gesellschafter zu leistenden Preis einfließen würde.

[36] Im Fall einer derartigen Vertragsgestaltung würde die Geltendmachung des aushaftenden Saldos durch die Gesellschaft gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter aber nicht am Prinzip der Gesamtabrechnung scheitern, sondern daran, dass der ausgeschiedene Gesellschafter nicht mehr passiv legitimiert wäre.

[37] 2.5. Genauso möglich ist eine Vertragsgestaltung, nach der der ausscheidende Gesellschafter dem Aufgriffsberechtigten den Geschäftsanteil gegen Zahlung des Aufgriffspreises überträgt, seine offenen vermögensrechtlichen Beziehungen mit der Gesellschaft aber allein mit dieser regelt.

[38] Im vorliegenden Fall enthalten §§ 11 und 12 des konkret zu beurteilenden Gesellschaftsvertrags der Klägerin keine Regelung, nach der der Aufgriffsberechtigte gegenüber der Gesellschaft in die in das Verrechnungskonto eingeflossenen Verbindlichkeiten des ausgeschiedenen Gesellschafters eintritt.

[39] Die Beklagte hat ihre Passivlegitimation zur Abdeckung eines Fehlbetrags auf ihrem Verrechnungskonto bei der Klägerin auch gar nicht bestritten; diese ist daher im zweiten Rechtsgang nicht zweifelhaft. Nach dem Akteninhalt besteht zwischen den Parteien vielmehr Einigkeit darüber, dass ein allfälliges Guthaben oder ein Fehlbetrag auf dem Verrechnungskonto der Beklagten zwischen ihr und der Klägerin auszugleichen sind. Die daraus resultierenden Ansprüche zwischen der Klägerin und der Beklagten sind daher unabhängig von den Ansprüchen zwischen der Beklagten und dem Erwerber ihres Geschäftsanteils. Eine „Gesamtabrechnung“ zwischen der Klägerin und der Beklagten, in die auch Ansprüche zwischen der Beklagten und ihrem geschiedenen Ehemann aus der Übertragung des Geschäftsanteils einfließen sollten, kommt daher nicht in Betracht.

[40] 2.6. Der von den Vorinstanzen herangezogene Abweisungsgrund vermag daher (aufgrund der hier zu beurteilenden Vertragsgestaltung) die Klageabweisung nicht zu tragen. Gegenstand des Verfahrens ist vielmehr allein die Frage, ob der von der Klägerin – nach dem Klagevorbringen als Ergebnis einer Gesamtabrechnung ermittelte – Stand des Verrechnungskontos der Beklagten richtig und die Klageforderung fällig ist. Es ist daher die Berechtigung der von der Klägerin geltend gemachten Forderung zu prüfen.

[41] Dies macht die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung erforderlich.

[42] 3.1. Im Zuge des fortgesetzten Verfahrens werden folgende Grundsätze zu beachten sein:

[43] 3.2. Derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, hat – soweit nicht abweichende Regeln eingreifen (RS0037797 [T13]) – die rechtsbegründenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RS0037797 [T16]). Die Klägerin hat daher jene Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich die Richtigkeit jener Forderungen ergibt, aus denen sich der hier geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte zusammensetzt.

[44] 3.3. Die Klägerin hat sich zur Richtigkeit des zum Ausscheidungsstichtag 31. 12. 2018 behaupteten Kontostands bisher im Wesentlichen darauf gestützt, dass die in den Debetsaldo eingeflossenen Positionen ihrem Jahresabschluss zum 31. 12. 2018 entsprächen, sowie weiters darauf, dass die Beklagte die Forderung der Klägerin mit Schreiben ihres Vertreters vom 25. 3. 2019 anerkannt habe.

[45] 3.4. Die Frage des Zustandekommens eines konstitutiven Anerkenntnisses der Klägerin durch das Schreiben vom 25. 3. 2019 kann vom Obersten Gerichtshof bereits abschließend erledigt werden (vgl RS0042031).

[46] Ob die Beklagte die von der Klägerin geltend gemachte Forderung konstitutiv anerkannte, ist durch Auslegung des Schreibens zu ermitteln (vgl RS0017965). Für diese Beurteilung ist maßgeblich, welchen Eindruck der Erklärungsempfänger – hier: der Vertreter der Klägerin – aus dem Schreiben des Beklagtenvertreters redlicher Weise gewinnen musste (vgl RS0017965 [T1]).

[47] Aus dem Schreiben vom 25. 3. 2019 geht eindeutig hervor, dass die Beklagte die von der Klägerin geltend gemachte Forderung nicht mit streitbereinigender Wirkung anerkennen wollte. Im Schreiben wird ausdrücklich ausgeführt, dass die Beklagte die Forderung als überhöht betrachte und dafür bestimmte Gründe vermutete; auch die mangelnde Überprüfbarkeit wird beanstandet. Auf die Gegenforderung der Beklagten gegen die Klägerin wird nur „zusätzlich“, offenkundig für den Fall, dass ein Forderungsteil der Klägerin sich als berechtigt herausstellen sollte, verwiesen. Ein redlicher Erklärungsempfänger in der Lage der Klägerin durfte dies nicht als Anerkenntnis des eingeforderten Debetsaldos werten.

[48] Daraus, dass eine nur bedingt abgegebene Aufrechnungserklärung im Bereich des materiellen Rechts nach der Rechtsprechung nicht zur Schuldtilgung führt (1 Ob 170/16f; vgl RS0033970), kann entgegen der Rechtsposition der Klägerin nicht auf ein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten geschlossen werden.

[49] Das Berufungsgericht hat das von der Klägerin behauptete Anerkenntnis daher zutreffend verneint.

[50] 3.5. Ein Anerkenntnis des Debetsaldos durch die Beklagte leitet die Klägerin im Weiteren aus der Festellung des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2018 sowie der Feststellung der vorangegangenen Jahresabschlüsse ab.

3.6. Der Oberste Gerichtshof hat jüngst ausführlich zur Einordnung der Feststellung des Jahresabschlusses von Personengesellschaften und zu den damit verbundenen Wirkungen Stellung genommen.

[51] Demnach handelt es sich nach heute herrschender Lehre bei der Feststellung des Jahresabschlusses um ein Grundlagengeschäft, das – sofern im Gesellschaftsvertrag nicht abweichende Mehrheiten vorgesehen sind – der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bedarf (6 Ob 219/19b mwN). Der Gesellschafter, der den Jahresabschluss nicht anerkannte, muss diesen daher jedenfalls dann nicht gegen sich gelten lassen, wenn er nicht den Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern entspricht (6 Ob 219/19b; 8 Ob 70/04h zum Kommanditisten).

[52] Die Wirkung der Feststellung des Jahresabschlusses besteht darin, dass hinsichtlich aller Fragen, für die der Jahresabschluss oder einzelne Positionen daraus von Bedeutung sind, eine für alle Gesellschafter verbindliche Determinante geschaffen wird (6 Ob 219/19b mwN).

[53] Soll eine bereits erfolgte Feststellung des Jahresabschlusses bekämpft werden, erfolgt die Geltendmachung der Nichtigkeit des betreffenden Beschlusses nach allgemeinen Regeln mittels Klage gegen die übrigen Gesellschafter (6 Ob 219/19b ebenfalls mwN).

[54] 3.7. Soweit die Klägerin die Berechtigung ihrer Forderung aus Positionen ableitet, die in ihren Jahresabschlüssen abgebildet sind (dazu fehlt es derzeit an konkretem Vorbringen), wird zu beachten sein, dass die Feststellung des Jahresabschlusses nur dann eine für die Beklagte „verbindliche Determinante“ schaffen kann, wenn sie als Gesellschafterin an der Feststellung mitwirkte. Ansonsten muss sie den Jahresabschluss und die darin enthaltenen einzelnen Positionen nicht gegen sich gelten lassen (vgl 8 Ob 70/04h). In diesem Zusammenhang wird zu beachten sein, dass die Jahresabschlüsse 2017 und 2018 nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin (Schriftsatz vom 30. 7. 2019) mit Gesellschafterbeschluss vom 25. 6. 2019, sohin erst nach dem Ausscheiden der Beklagten als Gesellschafterin genehmigt wurden.

[55] Soweit die Klägerin unabhängig von einer Mitwirkung der Beklagten an der Feststellung des Jahresabschlusses ein konstitutives Anerkenntnis der in bestimmten Jahresabschlüssen enthaltenen Positionen nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen behauptet, wird sie dies konkret vorzubringen haben.

[56] 3.8. Im fortgesetzten Verfahren werden die dargestellten Grundsätze mit den Parteien zu erörtern sein. Die Klägerin wird anzuhalten sein, konkretes Vorbringen zur Berechtigung der Klageforderung zu erstatten, also darzutun, woraus sich der von ihr geltend gemachte Debetsaldo ergibt. Dazu wird die Beklagte – soweit keine Außerstreitstellungen erfolgen – konkretes Bestreitungsvorbringen zu erstatten haben. Ausgehend davon wird die Berechtigung der Klageforderung zu prüfen sein.

[57] B. Zum Revisionsrekurs :

[58] Der – nicht jedenfalls unzulässige (RS0119816; 9 Ob 75/19y) – Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig , weil die vom Rekursgericht herangezogene Begründung auf der unrichtigen Annahme beruht, die Klägerin mache einen unselbständigen Abrechnungsposten geltend. Er ist aber nicht berechtigt.

[59] 1. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrags ist, dass das festzustellende Rechtsverhältnis für die Entscheidung in der Hauptsache präjudiziell ist und dass die Bedeutung der Feststellung über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht (RS0039600; RS0039468 [T5]). Diese beiden Voraussetzungen treten an die Stelle des bei Feststellungsklagen erforderlichen rechtlichen Interesses (vgl RS0039600 [T6]).

[60] 2. Mit dem Begehren auf Feststellung, dass die Jahresabschlüsse zu den angegebenen Stichtagen rechtswirksam festgestellt seien, begehrt die Klägerin die Feststellung des wirksamen Zustandekommens von Gesellschafterbeschlüssen. Einem solchen Zwischenantrag auf Feststellung fehlt aber die Eignung, über den konkreten Rechtsstreit hinaus Bedeutung zu erlangen, weil es sich dabei nicht um ein zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehendes Rechtsverhältnis handelt. Die Feststellung einzelner Positionen des Jahresabschlusses kann zwar mit bindender Wirkung mit Klage gegen sämtliche Gesellschafter geltend gemacht werden (vgl nur 6 Ob 219/19b), hier sind aber nicht alle Gesellschafter der Klägerin Parteien des Verfahrens.

[61] C. Kostenentscheidung

[62] Der Kostenvorbehalt im Revisionsverfahren beruht auf § 52 ZPO.

[63] Ein Ersatz der von den Parteien für den Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung verzeichneten Kosten findet nicht statt. Dies folgt für die Klägerin aus ihrem Unterliegen im Zwischenstreit (RS0053272 [T1]) über den Zwischenantrag auf Feststellung, für die Beklagte daraus, dass sie den Grund für die Bestätigung der Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung nicht erkannte, sodass sich ihre Beantwortung als nicht zweckmäßig erwies (§§ 41, 50 ZPO).

Rechtssätze
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