JudikaturJustiz6Ob216/22s

6Ob216/22s – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*, vertreten durch Höhne, In der Maur Partner Rechtsanwälte GmbH und Co KG in Wien, wider die beklagte Partei O* GmbH, *, vertreten durch DDr. Heinz-Dietmar Schimanko, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Widerrufs, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2022, GZ 4 R 23/22i-38, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 17. Jänner 2022, GZ 11 Cg 87/20m-33, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin ist eine politische Partei.

[2] Die Beklagte ist Medieninhaberin einer Website.

[3] Im sogenannten „*-Untersuchungsausschuss“ war die Klägerin durch eine bestimmte Abgeordnete zum Nationalrat vertreten. Diese regte die Einvernahme einer bestimmten Person als Auskunftsperson an. Nach Zustellung der Ladung, aber vor deren Einvernahme kam es zwischen der Abgeordneten und der Auskunftsperson zu einem Treffen in den Räumlichkeiten der Klägerin.

[4] Die Beklagte berichtete am 30. 9. 2021 auf ihrer Webseite auszugsweise wie folgt:

*-U-Ausschuss: „Auskunftsperson“ [Name] hat sich mit [drei politischen Parteien, darunter die Klägerin als Zweitgenannte] über [ihre] Aussagen im U-Ausschuss vorab abgesprochen

... (Fotos aus dem „*-Video“) ...

[Die Auskunftsperson] gestand in den letzten Tagen persönliche Treffen mit Politikern der [ersten politischen Partei], insbesondere [drei Mitglieder dieser Partei].

... [Auszug aus „a*.at“ und Bilder von handschriftlichen Notizen] ...

[Ein namentlich genanntes Mitglied der dritten politischen Partei] begegnete [der Auskunftsperson], so sein Geständnis, in den Räumen der [Klägerin, Adresse], dort waren auch mehrere Vertreter der [Klägerin] anwesend.

[Dieses Mitglied der dritten politischen Partei] begegnete [der Auskunftsperson] im Stiegenhaus des Büros [der Klägerin], wurde von diesem auch zur Besprechung über alle Themen des aktuellen U-Ausschusses geleitet.

Zum „besseren Verständnis" war für diese Besprechung ein „Flip-Chart“ vorbereitet.

Alle „politischen Berater" [der Auskunftsperson] versuchten, so wurde [der Website/der Online-Plattform der Beklagten] vor Zeugen erklärt, [die Auskunftsperson] auf die „richtigen Antworten" im U-Ausschuss vorzubereiten.

[Die Auskunftsperson] hat dann nach längeren Erklärungen gebeten, dass [sie] diese Charts fotografieren dürfe, damit [sie] sich alle Inhalte wortgetreu merken könne.

Auf den vorliegenden Fotos ist die Hand [der Auskunftsperson] sogar – verschwommen – wahrnehmbar.

Zum „besseren Verständnis" und de facto zum „Auswendiglernen", könnte humorvoll ergänzt werden, hat dann [die Auskunftsperson] die Runde der anwesenden Politiker ersucht, dass man [ihr] diese Flip-Chart-Texte mit den vorgegebenen Themen per E-Mail übermittle. Was auch vom Stellvertretenden Clubchef der [ersten politischen Partei], [Namensnennung], erfüllt wurde und diese Emails, direkt mit „Klub-Kennzeichen", an [die Auskunftsperson] übermittelt wurden.

Diese Treffen zwischen den Politikern, welche auch im U-Ausschuss sitzen, und [der Auskunftsperson] fanden am 30.07.2020 statt .

Das Datum 30.7. bezieht sich NICHT auf [Mitglied der dritten Partei]. [Dieses] war beim Treffen [der Auskunftsperson] bei [der Klägerin, Adresse] anwesend. Dieses Büro bezog[en] die [Klägerin] vor kurzer Zeit.

...

[Die Auskunftsperson] zeigte [der Website/Online-Plattform der Beklagten] auf seinem Handy auch Chatprotokolle aus jüngster Zeit zwischen [dem Mitglied der drittgenannten politischen Partei] und [der Auskunftsperson].

[Die Auskunftsperson] hat diese WhatsApp Chatprotokolle auch separat ausgedruckt und sich dazu sehr kritisch über [das Mitglied der drittgenannten politischen Partei] geäußert.

[Die Auskunftsperson] zeigte [der Website/Online-Plattform der Beklagten] auch WhatsApp Protokolle zwischen ihm und dem Vertreter der [ersten politischen Partei], in welchen dieser auf die möglichen politischen Konsequenzen hinwies, falls diese Protokolle „irgendwann" veröffentlicht werden.

[5] Die Klägerin begehrt die Unterlassung und den Widerruf der (auch sinngleichen) Behauptungen, es hätten Mitglieder von ihr mit der Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss deren Aussageverhalten abgesprochen; eine derartige Absprache habe in ihren Räumlichkeiten stattgefunden.

[6] Sie brachte dazu vor, es habe niemals ein Treffen zur Abstimmung der Aussagen der Auskunftsperson vor dem Untersuchungsausschuss in den Räumlichkeiten der Klägerin oder in Anwesenheit von Abgeordneten oder Mitgliedern der Klägerin stattgefunden. Der Bericht unterstelle die Bestimmung zur falschen Zeugenaussage, zumindest aber die Bestrebung, das parlamentarische Institut des Untersuchungsausschusses zu manipulieren und zu ihrem Vorteil zu nützen. Diese Behauptungen seien unrichtig, ehrenrührig und kreditschädigend. Die Behauptung eines Treffens sei objektiv überprüfbar und damit jedenfalls eine Tatsache.

[7] Die Beklagte wandte ein, die Tatsachen, über die sie im beanstandeten Artikel berichtet habe, seien wahr; darin enthaltene Wertungen beruhten auf einem wahren Tatsachenkern oder zumindest auf ausreichenden Anhaltspunkten. Sie habe nur die Behauptungen der Auskunftsperson zitiert und überdies die journalistische Sorgfalt eingehalten.

[8] Das Erstgericht stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, dass Zweck und Gegenstand des Treffens zwischen der Vertreterin der Klägerin im Untersuchungsausschuss und der Auskunftsperson auch deren bevorstehende Aussage im Untersuchungsausschuss gewesen war und – wenn auch disloziert im Rahmen der Ausführungen zur Beweiswürdigung – dass das Treffen gerade zu diesem Zweck stattgefunden hatte.

[9] Ausgehend von seinen Feststellungen wies das Erstgericht die Klage ab, weil der Bericht der Beklagten im Kern wahr sei.

[10] Der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht Folge und der Klage statt.

[11] Die Klägerin, die nunmehr einräumte, dass es zwischen ihrer Vertreterin im Untersuchungsausschuss und der Auskunftsperson (zwischen seiner Ladung und seiner Aussage) zu einem Treffen gekommen war, bekämpfte mit Beweisrüge die Feststellung, dass dessen Zweck und Gegenstand die bevorstehende Aussage gewesen sei. Das Berufungsgericht behandelte die Beweisrüge aber nicht, weil es diese Tatsache für irrelevant hielt. Die zu 6 Ob 185/21f ergangene Entscheidung lege nahe, dass der Wahrheitsbeweis nicht schon dann gelungen sei, wenn Zweck und Gegenstand des Treffens (bloß) dessen Aussage vor dem Untersuchungsausschuss war, weil dieser Sachverhalt noch nicht die Beeinflussung des Inhalts der Aussage offenbare. Mit der Behauptung, jemand habe sich mit einer als Zeugen (Auskunftsperson eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses) nominierten Person über die zu tätigende Aussage „abgesprochen“, werde der Vorwurf einer Bestimmungstäterschaft zur falschen Beweisaussage (§ 288 Abs 3 StGB) und somit der Vorwurf eines strafbaren Verhaltens erhoben, was ehrenrührig und kreditschädigend sei.

[12] Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zur Frage zu, ob die Behauptung eines „Absprechens“ im politischen Diskurs nicht doch zulässig sei, wenn – anders als im zu 6 Ob 185/21f zugrundeliegenden Sachverhalt – tatsächlich ein „Besprechen“ stattgefunden habe.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des in eventu gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

[14] 1.1. Gegenstand der Berichterstattung war das (nunmehr unstrittige) Treffen einer der Klägerin angehörenden Politikerin in der Parteizentrale mit einer Auskunftsperson vor deren Einvernahme im Untersuchungsausschuss.

[15] 1.2. Untersuchungsausschüsse haben einen politischen Auftrag des Nationalrats zu erfüllen. Sie sollen tatsächliche Verhältnisse und Vorkommnisse in Bezug auf einen bestimmten abgeschlossenen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes untersuchen (s Art 53 B-VG). Dazu können auch Auskunftspersonen angehört werden. Den unter Wahrheitspflicht stehenden Auskunftspersonen (§ 33 Abs 1 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA; vgl auch § 288 Abs 3 StGB) wird ein Verfahrensanwalt zur Seite gestellt. Dieser soll für die Wahrung ihrer Rechte sorgen. Er hat ihnen vor und während einer Befragung im Untersuchungsausschuss die Möglichkeit zur vertraulichen Beratung zu geben (§ 11 VO-UA).

[16] Zwar ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, schon weil ihm nicht das Recht zukommt, die betreffenden Vertreterinnen der Bundesregierung zur Rechenschaft zu ziehen, nicht mit einem Gerichtsverfahren, das ja auf eine Entscheidung abzielt, gleichzusetzen. Wesensähnlichkeit besteht aber darin, dass – wie im Gerichtsverfahren – das „zu-Tage-fördern“ von tatsächlichen Vorgängen durch ein regelförmig ablaufendes Verfahren (unter anderem mittels Befragung von Auskunftspersonen) bezweckt ist. Nach der Konzeption des Untersuchungsausschusses sollen die zu untersuchenden Vorkommnisse im Untersuchungsausschuss, nicht aber durch „Einzelgespräche“ mit Fraktionsvertretern von (einzelnen) politischen Parteien ermittelt werden. Diese können zwar nach dem Verfahrensrichter Fragen stellen, befinden sich aber angesichts der Beigebung eines Verfahrensanwalts für die Auskunftsperson nicht in der Rolle von deren Vertreter .

[17] 1.3. Für die Bewertung des Ablaufs und der Ergebnisse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses durch die Öffentlichkeit spielt deren Kenntnis vom Grad der Vorbereitung zwischen den Auskunftspersonen und den Mitgliedern der im Untersuchungsausschuss vertretenen politischen Parteien eine große Rolle. Nur dann kann eingeschätzt werden, ob Fragen und Antworten im Untersuchungsausschuss „authentisches“ Ergebnis eines sich (im Untersuchungsausschuss entwickelnden) Dialogs sind oder inwieweit beides die Folge einer bereits stattgefundenen (längeren) gedanklichen Auseinandersetzung auf Basis einer wechselseitigen Vorbereitung von Auskunftsperson und den Fragestellern ist.

[18] 2.1. Kontrolle durch Information und Transparenz mit dem Ziel der Ermöglichung der Validierung politischer Prozesse kommt in einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Funktion zu. Es bestand daher ein hohes Bedürfnis der Öffentlichkeit, über derartige Vorgänge informiert zu werden.

[19] Insoweit befand sich die Beklagte bei Berichterstattung über vor der Anhörung im Untersuchungsausschuss stattfindende Treffen zwischen Auskunftspersonen und in den Untersuchungsausschuss entsendeten Vertretern der Parteien ganz zentral in der Rolle eines „public watchdog“ (zur Wächterfunktion der Medien s nur RS0123667). Sie durfte auch – soweit k ein massiver Wertungsexzess vorliegt (RS0031883 [T33]) – im Rahmen der Ausübung der Meinungsfreiheit wertende Kritik üben.

[20] 2.2. Für Einschränkungen politischer Äußerungen oder Diskussionen in Angelegenheiten des öffentlichen Interesses billigt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) den Vertragsstaaten nur einen sehr engen Beurteilungsspielraum zu (RS0123667 [T5]; vgl auch RS0075552 [T15]). Nur wenn ein Eingriff iSv Art 10 Abs 2 EMRK „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ war (vgl nur etwa, EGMR , Beschwerdesache Monica Macovei/Rumänien , Urteil vom 28. 7. 2020, Bsw 53028/14) oder doch verhältnismäßig ist und einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht, darf er erfolgen (6 Ob 162/17t [ErwGR 3.1.]).

[21] Die Interessenabwägung muss regelmäßig schon dann zugunsten der Berichterstattung ausfallen, wenn nicht überwiegende Gründe deutlich dagegen sprechen, ist doch die Einschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit andernfalls nicht im Sinne des Art 10 Abs 2 EMRK ausreichend konkretisiert (RS0008990 [T8]; s auch RS0054817 [T7]).

[22] 2.3. Solche „überwiegenden Gründe“ liegen hier aber nicht vor:

[23] Die Klägerin wirft der Beklagten in diesem Zusammenhang vor, es wäre nicht erforderlich gewesen, die Tatsache einer (von ihr auch noch im Berufungsverfahren bestrittenen) „Besprechung“ zu einem „Absprechen“ einer Zeugenaussage zu verzerren. In dem Begriff „absprechen“ stecke – wie die Entscheidung zu 6 Ob 185/21f zeige – eine Tatsachenbehauptung, die unwahr sei und nicht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt werden könne.

[24] Dem Beschluss zu 6 Ob 185/21f lag aber ein anderer Sachverhalt zugrunde. Es stand – anders als hier (gerade gegenteilig) – fest, dass es zwischen den (dort) Klägern und der Auskunftsperson kein Treffen gegeben hatte und die (dort) Kläger die Auskunftsperson weder telefonisch noch sonstwie kontaktiert hatten („erwiesenermaßen falsche Behauptung“). Im Rahmen der äußerst knappen Zurückweisung einer außerordentlichen Revision mangels erheblicher Rechtsfrage wurde in dieser Entscheidung auch nur ein Aspekt der Bedeutungen des Wortes „absprechen“ aufgezeigt (nämlich im Sinn einer Unterstellung, einen Zeugen zu einer Aussage in einem potenziell wahrheitswidrigen Sinn bewegen zu wollen). Soweit ihr – von der Klägerin und offenbar (letztlich ohnehin zu Recht angezweifelt) vom Berufungsgericht – entnommen wird, dass mit der Formulierung „absprechen“ in jedem Fall der Vorwurf einer Bestimmungstäterschaft zur falschen Zeugenaussage nach § 288 StGB verbunden ist, wird vom erkennenden Senat dazu klargestellt, dass sich die Bedeutung von „sich absprechen“ darin nicht erschöpft. „Sich absprechen“ bedeutet „sich im Gespräch über eine Frage einigen und einen gemeinsamen Beschluss fassen“ oder „besprechen und festlegen, vereinbaren“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/absprechen). Es kann demnach auch ein Verständnis als Besprechung damit verbunden sein.

[25] 2.4. Es gilt daher zu ermitteln, in welcher Bedeutung die Formulierung „sich absprechen“ hier verwendet wurde und ob sich die Beklagte die negativste Bedeutung (im Sinn eines strafrechtlich relevanten Verhaltens) zurechnen lassen muss.

[26] 2.5. Unwahr ist eine Äußerung nämlich nur dann, wenn ihr sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (RS0115694). Anders herum ausgedrückt: Der Wahrheitsbeweis ist als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt (RS0079693); es genügt der Beweis der Richtigkeit des Tatsachenkerns (RS0079693 [T2]).

[27] Dieser Tatsachenkern wäre hier gegeben, wenn nicht nur das (nicht mehr strittige) Treffen an sich stattgefunden hat, sondern dieses (auch) die bevorstehende Aussage der Auskunftsperson zum Gegenstand und Zweck hatte. Die Beklagte übt im Rahmen der Ausübung der Meinungsfreiheit erkennbar (wertende) Kritik daran, dass es Vorgespräche und eine Vorbereitung des Zeugen (und der Vertreter der im Artikel genannten politischen Parteien) auf die Aussage gab. Dieser Bedeutungsgehalt wird im Artikel durch die (ansonsten nicht notwendige) Verwendung des Wortes „ vorab “ in seiner direkten Voranstellung vor „abgesprochen“ und der Formulierung „vorbereiten“ zum Ausdruck gebracht. Ein Drängen der Auskunftsperson zur Aussage in eine inhaltlich unwahre Richtung lässt sich dem Artikel dagegen in einer Gesamtbetrachtung nicht entnehmen (vgl dazu, dass auch das Wort Betrug viele Bedeutungen haben kann und seine Verwendung nicht zwingend dahin verstanden werden muss, dass die Person, der dies vorgeworfen wird, ein strafrechtliches Delikt verwirklicht habe, 6 Ob 32/21f). Die entfernter liegende Möglichkeit einer die Klägerin noch stärker belastenden Deutung als Tatsachenvorwurf eines strafrechtlich relevanten Verhaltens bleibt damit unbeachtlich (RS0121107), weil auch die Anwendung der Unklarheitenregel am Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung zu messen ist (4 Ob 132/09d). Erwähnt sei nur am Rande, dass auch die Klage auf die Unterlassung der Behauptung der Absprache des Aussage verhaltens abzielt.

[28] 3.1. Der bekämpften Tatsache („Gegenstand und Zweck des Treffens“) kommt folglich entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Die auf einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht beruhende Unterlassung der Behandlung der Beweisrüge der Klägerin bewirkt eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (vgl RS0043051 [T5]; RS0106371 [T5]; RS0042963 [T37]), die zur Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichts führen muss. Der Argumentation der Beklagten, sie habe die Auskunftsperson bloß zitiert, sich deren Ansicht aber erkennbar nicht zu eigen gemacht, kann angesichts der sich nicht als bloße Wiedergabe der Meinung des Zitierten abgrenzenden (auch eigenen) Darstellung der Ereignisse nicht gefolgt werden (vgl zur Voraussetzung der fehlenden Identifikation mit der Ansicht des Dritten RS0111733).

[29] Ebenso wenig kann ihre Berufung auf sekundäre Feststellungsmängel erfolgreich sein, wenn sie im Verfahren erster Instanz bloß dargelegt hatte, sie (und ihre Mitarbeiter) hätten „jedenfalls“ (ohne Angabe einer Begründung dafür) annehmen dürfen, dass die Angaben des Dritten wahr seien, aus (ohne Datumsangabe) „erfolgten Gesprächen“ zwischen der Auskunftsperson und dem Klagevertreter und einer weiteren Person hätten sich die vor der im Untersuchungsausschuss abgelegten Aussage abgehaltenen Treffen ergeben. Bloße Gespräche mit dem Dritten selbst und Verweise auf die im Artikel selbst enthaltenen Abbildungen sind nicht geeignet eine „besondere Verlässlichkeit“ des Dritten zu belegen. Andere Rechercheschritte behauptet(e) die Beklagte (in allen drei Instanzen) nicht. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, es sei von der Beklagten gegen die journalistische Sorgfalt verstoßen worden, weil keine Stellungnahme der Betroffenen eingeholt wurde (RS0108415), ist damit zutreffend.

[30] 3.2. Das Berufungsgericht wird sich im weiteren Verfahren vor neuerlicher Entscheidung inhaltlich mit der Beweisrüge auseinanderzusetzen haben.

[31] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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