JudikaturJustiz6Ob216/21i

6Ob216/21i – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei f* OG, FN *, vertreten durch Mag. Martin Wakolbinger, Rechtsanwalt in Enns, gegen die beklagte Partei A* Handelsgesellschaft mbH, FN *, vertreten durch Dr. Herbert Veit, Rechtsanwalt in Linz, wegen 324.156,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. Oktober 2021, GZ 6 R 133/21b 19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin wurde am 25. 3. 2014 ins Firmenbuch eingetragen. Ihre unbeschränkt haftenden Gesellschafter waren zunächst * B* (künftig: B*) und * H*, der am 21. 5. 2015 als Gesellschafter aus dem Firmenbuch gelöscht wurde. Seit 21. 5. 2015 ist * F* (künftig: F*) als zweiter Gesellschafter der Klägerin im Firmenbuch eingetragen. Die Klägerin verkauft und vermietet Fotoautomaten.

[2] Die Beklagte ist Eigentümerin eines Betriebsareals, auf dem sich Büro- und Lagerräume befinden.

[3] F* hatte für sein (zum damaligen Zeitpunkt nicht protokolliertes) Einzelunternehmen „F*“, das im Bereich der Ton-, Licht- und Eventtechnik tätig war, ab 1. 3. 2015 eine Lagerfläche von 195 m² angemietet. Seit 19. 4. 2019 ist die F* GmbH zu FN 5* ins Firmenbuch eingetragen, in die das nicht protokollierte Einzelunternehmen F* mit Einbringungsvertrag vom 25. 3. 2019 samt Nachtrag vom 1. 4. 2019 eingebracht wurde. Gesellschafter sind F* mit einer Stammeinlage von 31.500 EUR und * H* (im Firmenbuch eingetragen am 20. 3. 2020) mit einer Stammeinlage von 3.500 EUR.

[4] B* mietete für sein nicht protokolliertes (Einsicht in das offene Firmenbuch) Einzelunternehmen „b* tv“, das eine Videoproduktion betreibt, ab Dezember 2016 eine Bürofläche von rund 80 m².

[5] Beide Bestandobjekte befanden sich im selben Gebäude auf dem Betriebsareal der Beklagten. Beide schriftlichen Mietverträge enthalten ein Verbot der gänzlichen oder teilweisen Untervermietung oder sonstigen Überlassung des Mietobjekts an Dritte. Für Änderungen und Investitionen am Mietgegenstand ist eine schriftliche Zustimmung des Vermieters vorgesehen. Für Änderungen und Ergänzungen des Mietvertrags sehen die Verträge ein Schriftformgebot vor. Es konnte nicht festgestellt werden, ob vor den jeweiligen Vertragsabschlüssen über ein „Gemeinschaftsbüro“ oder eine Untervermietung der Bestandobjekte gesprochen oder eine solche vereinbart worden war.

[6] F* und B* haben die von ihnen angemieteten Flächen der Klägerin mündlich untervermietet, wobei keine Feststellungen zum Zeitpunkt der Untervermietung getroffen wurden. Si e erzählten dem Geschäftsführer der Beklagten zwar von der f*, erwähnten aber nicht, dass diese eine eigene Rechtspersönlichkeit und Untermieterin der Bestandobjekte sei.

[7] Am 12. 11. 2017 kam es zu einem Brand, der das gesamte Betriebsgebäude vernichtete. Brandursache war ein elektrischer Defekt im Bereich eines Materialliftschachts. Der Brand konnte sich nur deshalb auf das gesamte Gebäude ausbreiten, weil aus Anlass eines von der Beklagten beauftragten Umbaus im Zeitraum 2008/2009 entgegen den baubehördlichen Auflagen die Brandschutzmauer nicht über das Dach ausgeführt war, sondern „durch die darüber geführte Holzbretterverschalung des Dachs eine Brandlücke im Dachbereich“ eröffnet wurde. Die baubehördliche Auflage Nr 21 im Bescheid der zuständigen Baubehörde vom 20. 3. 2008 lautete: „Die Brandmauer zum nordwestlich gelegenen Bestand ist bis zur Dacheindeckung hoch zu führen. Brennbare Bauteile oder Stahlkonstruktionen dürfen nicht durch oder über die Brandwand geführt werden.“

[8] Die Klägerin begehrt die Zahlung von 324.156,80 EUR sA. Sie brachte vor, sie sei seit Dezember 2016 mit Zustimmung der Beklagten Untermieterin des von F* gemieteten Büros und des von B* gemieteten Lagers. Der Geschäftsführer der Beklagten sei mit der von F* an ihn herangetragenen Vermietung eines „Gemeinschaftsbüros“ für drei Unternehmen – die Klägerin sowie die Einzelunternehmen von F* und B* – einverstanden gewesen. Aus „formellen Gründen“ sei das Büro ausschließlich von B* gemietet worden, die Beklagte sei mit der Nutzung „auch“ des Büros durch F* und die Klägerin als Untermieter einverstanden gewesen.

[9] Ergänzend brachte sie vor, die Untervermietung sei bereits anlässlich der Anbahnung der Mietvertragsabschlüsse mit B* und F* besprochen worden. Das vertragliche Untermietverbot habe sich jedenfalls nur auf „Fremdunternehmen“, nicht auf die Klägerin, die im Eigentum der beiden Hauptmieter stehe, bezogen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe über die Notwendigkeit eines gemeinsamen Büros und einer gemeinsamen Lagernutzung aller drei Unternehmen Bescheid gewusst und sei damit einverstanden gewesen. Da die Beklagte eine Untervermietung ausdrücklich zugesichert habe, werde der vertragliche Ausschluss wegen Irrtums und Arglist angefochten.

[10] Selbst wenn keine vertragliche Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin angenommen werde, hafte die Beklagte für ein grob sorgfaltswidriges Verhalten, das darin bestehe, dass sie als Eigentümerin (und Vermieterin) des Betriebsgebäudes entgegen § 7 OÖ Bautechnikgesetz (OÖ BauTG) und entgegen dem Baubescheid vom 20. 3. 2008 die ordnungsgemäße Errichtung der Brandschutzmauer unterlassen habe. Wäre die Brandmauer nicht unsachgemäß ausgeführt gewesen, hätte ein Übergreifen des Brandes auf die Lagerhalle verhindert werden können. Die baubehördlichen Anordnungen dienten dem Schutz der jeweiligen Gebäudenutzer. Es liege ein Schutzgesetz vor, dessen Schutzzweck auch auf den Schutz des bloßen Vermögens gerichtet sei.

[11] Zur Anspruchshöhe brachte die Klägerin vor, sie habe die Betriebsausstattung nachbeschaffen und diverse Leistungen erbringen müssen, um den Betrieb wieder in Gang zu setzen. Ihr Betrieb sei bis Mitte Juni 2018 unterbrochen gewesen, sodass sie nicht in der Lage gewesen sei, Aufträge anzunehmen oder auszuführen. Daraus resultierten auch langfristige Umsatz- und Gewinneinbußen. Ihr Betriebsunterbrechungsschaden belaufe sich nach dem Gutachten einer Steuerberatungskanzlei für den Zeitraum November 2017 bis Juni 2018 auf 242.854 bis 309.465 EUR, wovon 300.000 EUR geltend gemacht würden.

[12] Zusätzlich begehre sie 20.000 EUR Verdienstentgang dafür, dass ihr aufgrund der Betriebsunterbrechung auch für den Zeitraum ab Juli 2018 Marktanteile verloren gegangen seien.

[13] Bei diesem Schaden von 320.000 EUR handle es sich nicht um entgangenen Gewinn.

[14] Darüber hinaus seien von der Klägerin getätigte Investitionen in das Mietobjekt, nämlich 3.100 EUR für Trockenbauarbeiten im Büro und 1.056,80 EUR für die Herstellung eines Fußbodens im Büro, vernichtet worden. Die Datensicherung der Klägerin sei im Büro und im Lager situiert gewesen. Die Sachschäden (verwiesen wird dazu auf die Kosten der Trockenbauarbeiten und der Herstellung des Fußbodens) seien von der Elementarversicherung der Beklagten direkt an diese abgelöst worden; die Beklagte sei dadurch auch bereichert.

[15] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Sie habe einer Untervermietung an die Klägerin nicht, auch nicht nachträglich, zugestimmt. Ihr sei gar nicht bekannt gewesen, dass die Klägerin als eigene Rechtspersönlichkeit existiere. F* sei auch nicht mit dem Ansinnen, ein Büro für drei Unternehmen zu mieten, an sie herangetreten. Die Beklagte treffe daher gegenüber der Klägerin keine Haftung.

[16] Der geltend gemachte Betriebsunterbrechungs-schaden sei darüber hinaus als entgangener Gewinn zu qualifizieren, für den die Beklagte nur bei – von der Klägerin konkret zu behauptendem – grobem Verschulden hafte. Die bloße Rechtsbehauptung reiche nicht aus. Es fehle auch eine Zuordnung der Schäden zu den beiden Bestandobjekten. Das von B* gemietete Büro befinde sich vor der Feuermauer, sodass diesbezüglich ein Verschulden der Beklagten auszuschließen sei. Der mit den Bauarbeiten des Jahres 2008 beauftragte Baumeister habe aufgrund der ihm vorliegenden Baupläne des Jahres 1992 die Einhaltung der baubehördlichen Auflagen betreffend die Brandmauer bestätigt. Er habe von einer Öffnung der Mauer Abstand genommen. Von außen sei nicht erkennbar gewesen, dass zu einem Zeitpunkt, der vor dem Erwerb der Liegenschaft durch die Beklagte gelegen sei, durch den Voreigentümer eine zusätzliche Wärmedämmung im Dach eingebaut worden sei, die über die Brandmauer geführt worden sei, wodurch sich der Brand auf die Lagerhalle habe ausbreiten können. Die Unterlassung der Dachöffnung durch den Baumeister könne der Beklagen jedenfalls nicht als grobe Fahrlässigkeit zugerechnet werden, weshalb kein Anspruch auf den Ersatz entgangenen Gewinns bestehe.

[17] Die Investitionen seien nicht zu ersetzen, weil die Umbauten unberechtigt und ohne Wissen und Willen der Beklagten getätigt worden seien. Sie seien darüber hinaus im Büro vorgenommen worden, das von den baulichen Mängeln an der Feuermauer nicht betroffen gewesen sei.

[18] Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruchs ein und wies das Klagebegehren ab.

[19] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die Revision mangels Vorliegens von Rechtsfragen erheblicher Bedeutung nicht zu.

[20] Rechtlich erörterte es, selbst ein wirksames Untermietverbot bewirke nicht die Unwirksamkeit des dennoch abgeschlossenen Untermietvertrags. Die Klägerin könne sich gegenüber der Beklagten nicht auf einen Vertrag mit Schutzwirkungen zu ihren Gunsten stützen, weil sie deckungsgleiche Ansprüche gegen ihren eigenen Vertragspartner habe. Sie habe nämlich gegenüber ihren Untervermietern einen Anspruch auf Zurverfügungstellung eines mangelfreien Bestandobjekts. Da der Hauptmietvertrag keine Schutzwirkungen zugunsten der Klägerin entfalte, könne dahinstehen, ob der (Haupt-)Vermieter nach § 1313a ABGB für zur Instandsetzung eingesetzte Handwerker hafte.

[21] Soweit sich die Klägerin auf eine Schutzgesetzverletzung „des von der Beklagten beigezogenen Baumeisters“ stütze, sei die Klägerin ihrer Beweispflicht hinsichtlich Schadenseintritt und Schutzgesetzverletzung nachgekommen. Die Beklagte müsse daher beweisen, dass sie oder einen ihr nach § 1315 ABGB zuzurechnenden Gehilfen kein Verschulden treffe. Zu einem Eigenverschulden der Beklagten habe die Klägerin in erster Instanz kein Vorbringen erstattet. Das Vorbringen und die Feststellungen führten auch nicht zu einer Zurechnung des allfälligen Verschuldens des Baumeisters zur Beklagten nach § 1315 ABGB, weil es an den Tatbestandsmerkmalen „wissentlich gefährlich“ und „habituell untüchtig“ fehle. Daher könne dahinstehen, inwiefern die Schutzgesetzverletzung überhaupt schadenskausal gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

[22] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig.

1. Zur vertraglichen Haftung der Beklagten

[23] 1.1. Nach Auffassung der Klägerin haftet die Beklagte für die Sorgfaltswidrigkeit des von ihr im Zuge von Umbaumaßnahmen im Jahr 2008 herangezogenen Baumeisters gemäß § 1313a ABGB, weil sie durch die unsachgemäße Ausführung der Feuermauer ihre aus den Mietverträgen mit den Hauptmietern B* und F* resultierende Pflicht zur Gebrauchsüberlassung verletzt habe. Die Verpflichtung erstrecke sich auf Personen, die den Hauptmietern nahestünden, wie die Klägerin. Diese sei in den Schutzbereich der Hauptmietverträge einbezogen.

[24] 1.2. Sorgfalts- und Schutzpflichten zugunsten dritter am Vertrag nicht beteiligter Personen bestehen nur dann, wenn bei objektiver Auslegung des Vertrags anzunehmen ist, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf die dritte Person, wenn auch nur der vertragschließenden Partei gegenüber, übernommen wurde (RS0017195). Da die vom Gesetzgeber getroffene unterschiedliche Ausgestaltung von Deliktsrecht und Vertragsrecht nicht aufgehoben oder verwischt werden soll, ist der Kreis der geschützten Personen, denen statt deliktsrechtlicher auch vertragsrechtliche Schadenersatzansprüche zugebilligt werden, eng zu ziehen (RS0022814 [T2]; 5 Ob 82/19y immo aktuell 2019, 288 [ Höllwerth ]).

[25] Voraussetzung für die Einbeziehung des (geschädigten) Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags ist daher ein schutzwürdiges Interesse. Ein solches wird regelmäßig dann verneint, wenn der Dritte kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schuldner vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat (5 Ob 82/19y immo aktuell 2019, 288 [ Höllwerth ]; 2 Ob 209/17z ZVR 2020, 19 [ Huber ]; 8 Ob 46/17y; RS0022814 [T1]; RS0129705). Mit anderen Worten greift die Haftung aufgrund von Schutzwirkungen zugunsten Dritter lediglich subsidiär ein (5 Ob 82/19y immo aktuell 2019, 288 [ Höllwerth ]; 8 Ob 46/17y; 7 Ob 38/17i).

[26] 1.3. Der Bestandgeber hat – aus dem Bestandvertrag – dafür Sorge zu tragen, dass der Bestandnehmer durch Gefahrenquellen, die mit dem Bestandgegenstand, seiner Beschaffenheit beziehungsweise der Art des Gebrauchs zusammenhängen, nicht geschädigt wird. Er hat dem Bestandnehmer für die infolge der Vernachlässigung einer dieser Pflichten zur Gebrauchsüberlassung verursachten Schaden einzustehen (RS0020884).

[27] 1.4. Im vorliegenden Fall bedienten sich die Vertragspartner der Klägerin (ihre Untervermieter B* und F*) zur Erfüllung ihrer gegenüber der Klägerin übernommenen mietvertraglichen Pflichten zur Überlassung eines gefahrlos nutzbaren Bestandobjekts der Beklagten als Erfüllungsgehilfin. Nach dem Rechtsstandpunkt der Klägerin soll der Beklagten wiederum der in den Jahren 2007/2008 für sie tätige Baumeister als Erfüllungsgehilfe hinsichtlich der von der Beklagten gegenüber ihren (Haupt-)Mietern übernommenen Pflichten zuzurechnen sein.

[28] Ob letzteres rechtlich zutrifft (vgl 1 Ob 193/57 EvBl 1957/294 zur implizit abgelehnten Haftung des Bestandgebers nach § 1313a ABGB für vor Mietvertragsabschuss eingesetzte Handwerker sowie [kritisch dazu] Reischauer in Rummel , ABGB³ § 1313a Rz 5; weiters allgemein zur Erfüllungsgehilfenhaftung bei Vorbereitungshandlungen zur Erfüllung eines erst später abgeschlossenen Vertrags RS0028487) kann hier offen bleiben, weil der geltend gemachte Schadenersatzanspruch jedenfalls nicht zu Recht besteht.

[29] 1.5. Sollte die Rechtsansicht der Klägerin zutreffen und die Beklagte ihren Vertragspartnern (den Hauptmietern B* und F*) gegenüber nach § 1313a ABGB für das behauptete Verschulden des Baumeisters einzustehen haben, bestünden aufgrund einer Erfüllungsgehilfenkette Schadenersatzansprüche der Klägerin gegen ihre Vermieter, die dem gegen die Beklagte erhobenen Schadenersatzanspruch deckungsgleich wären. Diese Rechtsprechung hat das Berufungsgericht, das den Anspruch der Klägerin wegen des Bestehens deckungsgleicher Ansprüche gegen die Vertragspartner der Klägerin als unbegründet ansah (Punkt 2.1.3. der Berufungsentscheidung), beachtet.

[30] 1.6. Sollte hingegen eine Zurechnung des Baumeisters zur Beklagten gemäß § 1313a ABGB im Verhältnis der Beklagten zu ihren Mietern B* und F* zu verneinen sein, so wäre für die Klägerin auch dann nichts gewonnen, wenn sie in den Schutzbereich der Hauptmietverträge einbezogen wäre: Ihr würden als in den vertraglichen Schutzbereich einbezogene Dritte nämlich keine weitergehenden Rechte zustehen als den Vertragspartnern der Beklagten selbst. Auch unter der Annahme, dass eine Erfüllungsgehilfenzurechnung des Baumeisters zur Beklagten im Verhältnis zu ihren Mietern scheiterte, könnte die Klägerin daher keine vertraglichen Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte geltend machen.

[31] 1.7. Die Vorinstanzen haben die vertragliche Haftung der Beklagten daher im Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zutreffend verneint. Die Klägerin zeigt in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

2. Zur deliktischen Haftung der Beklagten

2.1. Die Klägerin behauptet eine deliktische Haftung der Beklagten aus der Verletzung von § 7 OÖ BauTG und aus der Nichteinhaltung einer im Bescheid vom 20. 3. 2008 vorgeschriebenen Auflage, die beide als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB zu qualifizieren seien.

[32] 2.2. Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RS0027710). Sie bezwecken, durch die Umschreibung konkreter Verhaltenspflichten einem Schadenseintritt vorzubeugen (RS0027710 [T22]).

[33] Ein Schutzgesetz ist aber nicht nur ein Gesetz im staatsrechtlichen Sinn, sondern jede Rechtsnorm, die bestimmte Personen oder Personengruppen vor der Verletzung ihrer Rechtsgüter schützen soll. Als Schutzgesetze kommen daher nicht nur generelle, sondern auch individuelle hoheitliche Anordnungen – etwa die in einem Bescheid vorgeschriebenen Auflagen (vgl 1 Ob 178/00h) – in Betracht (RS0027500). So sind etwa Auflagen, die im Rahmen einer Baubewilligung erteilt werden, als Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB zu qualifizieren (RS0118358).

[34] 2.3. Dass Bauvorschriften in Bauordnungen, baubehördliche Auflagen, technische Richtlinien oder technische Bauvorschriften Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB sein können, ist in der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt (2 Ob 156/10w; RS0119032; RS0118358).

[35] 2.4. Es besteht kein Zweifel, dass die im Bescheid der Baubehörde vom 20. 3. 2008 vorgeschriebene Auflage Nr 21, die Brandmauer bis zur Dacheindeckung hoch zu führen und brennbare Bauteile oder Stahlkonstruktionen nicht durch oder über die Brandwand zu führen, durch die Anordnung einer konkreten Verhaltenspflicht dem Brandschutz und der Hintanhaltung von Schäden dient und daher als Schutzgesetz zu qualifizieren ist. Die Beklagte hat gegen diese Auflage verstoßen, weil sie eine der Auflage entsprechende Brandmauer nicht hergestellt hat.

[36] 2.5. Da ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz vorliegt, kommt es weiters darauf an, ob der eingetretene Schaden vom Schutzzweck der Norm umfasst ist (6 Ob 39/19g JBl 2020, 190 [ Geroldinger ] = ZVB 2019, 482 [ Chiwitt Oberhammer ] = bau aktuell 2019, 228 [ Wiesinger ]).

[37] Nicht jeder Schutz, den eine Verhaltensnorm tatsächlich bewirkt, ist auch von deren Schutzzweck erfasst (RS0027553 [T24]). Die Übertretung einer Schutznorm macht nur insofern für den durch die Übertretung verursachten Schaden haftbar, als durch die Schutznorm gerade dieser Schaden verhindert werden sollte (RS0027553; Karner in KBB 6 § 1311 Rz 5 [personaler, sachlicher und modaler Schutzbereich]). Es müssen sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung vom Schutzzweck erfasst sein (RS0027553 [T18]). Um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den im konkreten Fall eingetretenen Schaden verhindern wollte, ist das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren (RS0027553 [T7]; RS0008775 [T1, T14]). Es muss untersucht werden, aus welchen Gründen die die Haftpflicht anordnende Norm aufgestellt wurde und welche Schäden nach dem Zweck des Gesetzes von der Ersatzpflicht erfasst werden (4 Ob 2079/96f; RS0027553 [T5]), wobei es im Allgemeinen genügt, dass die übertretene Norm zumindest auch vor dem eingetretenen Schaden schützen soll (RS0027553 [T26]; RS0008775 [T2]).

[38] Die hier angesprochene Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwischen der übertretenen Norm und dem bei einer bestimmten Person eingetretenen bestimmten Schaden stellt sich bei jeder Norm, die eine Haftung anordnet, gleichgültig, ob es sich um eine Verschuldens- oder Gefährdungshaftung handelt, und unabhängig davon, ob es um eine Schutzgesetzübertretung geht (1 Ob 109/21t mwN).

[39] 2.6. Nach der Rechtsprechung verfolgen die in der Bauordnung enthaltenen Schutzgesetze einen bestimmten Schutzzweck, nämlich die Hintanhaltung von Schädigungen oder Gefährdungen. Die Bauordnung bezweckt primär den Schutz der Allgemeinheit vor durch nicht fachgerechte Ausführung von Bauarbeiten ausgelöste Schäden (RS0119032; 6 Ob 39/19g JBl 2020, 190 [ Geroldinger ] = ZVB 2019, 482 [ Chiwitt Oberhammer ] = bau aktuell 2019, 228 [ Wiesinger ]).

[40] 2.7. Nach § 7 Abs 1 OÖ BauTG müssen Bauwerke so geplant und ausgeführt sein, dass bei einem Brand die Ausbreitung von Feuer und Rauch innerhalb des Bauwerks begrenzt wird. Ebenso wie die im Bescheid vom 20. 3. 2008 der Beklagten erteilte Auflage Nr 21 zielt diese Bestimmung darauf ab, im Fall eines Brandausbruchs die Ausbreitung des Brandes innerhalb eines Gebäudes einzugrenzen. Diese Normen zur Verhinderung der Ausbreitung eines Brandes verfolgen das Ziel des (allgemeinen) Brandschutzes gemäß dem 3. Abschnitt des OÖ BauTG. Die übergeordnete Zielrichtung dieser Normen ergibt sich aus § 5 OÖ BauTG. Sie dienen demnach dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Personen (vgl § 5 OÖ BauTG). Auch der in der Zerstörung des Gebäudes durch den Brand liegende Schaden des Eigentümers kann vom Schutzzweck der Brandschutznorm erfasst sein (vgl 6 Ob 39/19g JBl 2020, 190 [ Geroldinger ] = ZVB 2019, 482 [ Chiwitt Oberhammer ] = bau aktuell 2019, 228 [ Wiesinger ]).

[41] 2.8. Dass die Zerstörung von Gebäuden oder Betriebsmitteln Umsatz- und Gewinneinbußen im Betrieb von Unternehmen nach sich ziehen kann, ist eine bloße Reflexwirkung von Personen- oder Sachschäden im Vermögen des Unternehmensträgers, die zu verhindern nicht die Zielsetzung von Brandschutznormen in den Baugesetzen oder der hier gegenständlichen bautechnischen Auflage ist. Es bieten nämlich weder das OÖ BauTG noch der Bescheid vom 20. 3. 2008 einen Anhaltspunkt für die Rechtsansicht der Klägerin, dass die Anforderungen an den Brandschutz auch reine Vermögensschäden wie die hier geltend gemachten Umsatz- und Gewinnrückgänge eines Unternehmens verhindern sollten.

[42] 2.9. Die Klägerin macht unter der Bezeichnung Betriebsunterbrechungsschaden (für den Zeitraum November 2017 bis Juni 2018) und Verdienstentgang (für den Zeitraum ab Juli 2018) nicht einen Ersatzanspruch für Eingriffe in die Substanz der durch den Brand zerstörten Betriebsausstattung geltend, sondern den Entgang von Einnahmen und den Verlust von Marktanteilen. Da diese Schäden vom sachlichen Schutzbereich der hier übertretenen Auflage Nr 21 sowie des § 7 OÖ BauTG nicht erfasst sind, kann die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch auch nicht auf die Verletzung dieser Schutznormen stützen.

[43] 2.10. Im Übrigen kann die Frage einer deliktischen Haftung wegen habitueller Untüchtigkeit beauftragter Unternehmen gemäß § 1315 ABGB stets nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RS0107261 [T3]; RS0028925 [T12, T14]), sodass dem Berufungsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob das behauptete einmalige Verhalten des Baumeisters bereits zu dessen Beurteilung als habituell untüchtig führen würde, ein – vom Berufungsgericht nicht unvertretbar genutzter – Ermessensspielraum zukam.

3. Zu den frustrierten Aufwendungen für Fußboden und Trockenbauarbeiten

[44] 3.1. Die Klägerin brachte vor, die sachgemäße Ausführung der Brandschutzmauer hätte ein Übergreifen des Brandes auf die Lagerhalle verhindert. Bereits nach ihrem eigenen Prozessvorbringen ist die fehlerhafte Ausführung der Brandschutzmauer dafür, dass die Aufwendungen für die durchgeführte Herstellung eines Fußbodens und für Trockenbauarbeiten im Büro frustriert wurden, nicht kausal. Soweit das Berufungsgericht den Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen abwies, wird in der außerordentlichen Revision eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auch nicht aufgezeigt.

[45] 3.2. Auf einen Bereicherungsanspruch in Höhe einer von der Beklagten für diese Sachschäden lukrierten Versicherungsleistung kam die Klägerin bereits im Berufungsverfahren nicht mehr zurück, sodass dieser Rechtsgrund aus der Beurteilungspflicht des Obersten Gerichtshofs ausgeschieden ist (RS0043338 [T15]).

[46] 4. Die Revision ist daher insgesamt mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Rechtssätze
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