JudikaturJustiz6Ob21/01h

6Ob21/01h – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede H*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in Radstadt, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, ***** vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen 91.140 S, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2000, GZ 22 R 290/00a-15, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Werfen vom 27. Juli 2000, GZ 1 C 1019/99i-11, zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Bei Straßenkilometer 5,3 wird die Bundesstraße 99 in Richtung H***** gesehen an der rechten Seite von einem steilen, mit Mischwald bewachsenen Hang begrenzt. Der Wald steht im Eigentum der Republik, die Beklagte ist fruchtgenussberechtigt. Die Lenkerin des der Klägerin gehörigen Personenkraftwagens fuhr am 27. 5. 1999 in Richtung H*****. Beim angeführten Straßenkilometer stürzte vom Hang ein Felsbrocken auf die Fahrbahn. Das Fahrzeug kollidierte mit den Steinen. Am PKW entstand Totalschaden. Hinter dem Fahrzeug stürzte ein Baum auf die Fahrbahn.

Die Klägerin begehrt den Ersatz des Sachschadens. Die Beklagte habe es grob fahrlässig unterlassen, für die Entfernung des morschen Baumes, der den Steinschlag ausgelöst habe, zu sorgen. Der seit Jahren bestehende schlechte Baumzustand sei auch für einen Laien als gefährlich erkennbar gewesen. Die Haftungsvoraussetzungen des § 176 Abs 4 Forstgesetz (ForstG) lägen vor.

Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, dass nicht einmal die Kausalität des Baumabganges für das Lösen des Felsbrockens feststehe. Es könne auch der Felsbrocken das Abrutschen des Baums ausgelöst haben. Der ca 120 m von der Bundesstraße entfernt stehende splittrig abgebrochene Stock eines Baums, der einen Felssturz nach Meinung der Klägerin ausgelöst haben sollte, weise eine intakte Rinde auf. Ein morscher Zustand sei nicht erkennbar gewesen. Nach § 176 Abs 2 und 4 ForstG habe keine Verpflichtung der Beklagten bestanden, einen weit abseits von der öffentlichen Straße stehenden Baum zu entfernen. Der Wald, der sich in einem guten Zustand befinde, werde von der Beklagten regelmäßig kontrolliert. Es sei wirtschaftlich unzumutbar, jeden einzelnen Baum zu kontrollieren. Die Beklagte hafte höchstens wie ein Wegehalter für grobes Verschulden. Ein solches liege jedenfalls nicht vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus nur noch die Feststellungen, dass der Hang rechts von der Fahrbahn der Bundesstraße im Unfallsbereich so steil ansteige, dass er ohne alpine Hilfsmittel nicht zu begehen sei. Etwa 100 m oberhalb der Fahrbahn befinde sich im obersten Teil des Hanges die Abbruchstelle eines Baumes. Wegen der Steilheit des Hanges entspreche die Entfernung in Luftlinie fast der Höhendifferenz. Der gesamte Hang sei mit Mischwald dicht bewachsen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass nach § 176 Abs 2 ForstG den Waldeigentümer keine Verpflichtung zur Abwehr der Gefahr von Schäden, die abseits von öffentlichen Straßen und Wegen durch den Zustand des Waldes entstehen könnten, treffe. Waldeigentümer seien nicht verpflichtet, den Zustand des Waldbodens oder dessen Bewuchses so zu ändern, dass derartige Gefahren abgewendet oder verhindert werden. Nach § 176 Abs 4 letzter Satz ForstG sei die Haftung des Waldeigentümers für den Schaden, der auf Wegen durch den Zustand des daneben liegenden Waldes verursacht werde, keinesfalls strenger als die Haftung der Wegehalter nach § 1319a ABGB. Die Begriffe "abseits öffentlicher Straßen" und "daneben liegender Wald" meinten nur den unmittelbaren Gefahrenbereich entlang der Straße. Eine räumlich weitere Auslegung würde zu einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit führen, die den Intentionen des Forstgesetzes widerspräche. Für eine Gefahrenbeseitigung wäre die Bannlegung nach den §§ 27 ff ForstG heranzuziehen, andererseits aber auch die Zuständigkeit des Straßenerhalters gegeben. Die von der Klägerin behauptete Abbruchstelle des Baums liege im oberen Bereich des 100 m hohen Hanges und zumindest 80 m von der Straße entfernt. Der darunter liegende Hang sei von dichtem Mischwald bewachsen. Diese Stelle liege somit im Sinne des § 176 Abs 2 ForstG abseits der öffentlichen Straße, sodass die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, für die Abwehr von Gefahren zu sorgen. Jedenfalls sei aber der abgestürzte Baum in einem exponierten und nur schwer zugänglichen Teil des Waldes gestanden, wo regelmäßige Kontrollgänge zumutbarerweise nicht gefordert werden könnten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und hob das angefochtene Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Es legte den Begriff "daneben liegender Wald" im Abs 4 des § 176 ForstG dahin aus, dass Bäume in steilen Hanglagen durchaus eine Gefahr für eine auch 80 oder 100 m entfernt liegende Straße darstellen könnten und deshalb vom Schutzzweck der Gesetzesbestimmung erfasst seien. Auch wenn die Beklagte nicht Eigentümer der Waldfläche, sondern nur fruchtgenussberechtigte Bewirtschafterin der Liegenschaft sei, komme ihre Haftung als mitwirkende Person im Sinne des § 176 Abs 4 ForstG in Frage. Die Klägerin sei allerdings für das Vorliegen eines über leichte Fahrlässigkeit hinausgehenden Sorgfaltsverstoßes beweispflichtig. Das Erstgericht habe ein grobes Verschulden schon deshalb verneint, weil eine regelmäßige Kontrolle des Waldzustandes auf Grund der steilen Hanglage nicht erforderlich gewesen sei. Die getroffenen Tatsachenfeststellungen reichten zur Beurteilung des Verschuldensgrades aber nicht aus. Grundsätzlich sei der Waldeigentümer auch bei schwierigen Hanglagen verpflichtet, erkennbare Gefahren für die angrenzende Straße zu beseitigen. Das Erstgericht hätte daher zur Erkennbarkeit der von einem morschen Baum ausgehenden Gefahr die angebotenen Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen gehabt. Es obliege allerdings der Klägerin, die Kausalität des Abbruchs eines morschen Baums für den gegenständlichen Schaden zu beweisen. Es sei auch denkbar, dass ein Steinschlag einen bereits morschen Baum zum Umsturz gebracht habe. Auch dazu fehle es an Feststellungen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Abgrenzung der Bestimmungen des § 176 Abs 2 und des § 176 Abs 4 ForstG, insbesondere zur Auslegung des Begriffs "abseits von öffentlichen Straßen und Wegen".

Mit ihrem Rekurs beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt werde.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin stützt ihren Schadenersatzanspruch auf die den Waldeigentümer und seine Nutznießer treffende Haftung gemäß § 176 ForstG. Der Wald kann ohne Zustimmung des Waldeigentümers von jedermann begangen werden (§ 33 ForstG). Dies geschieht grundsätzlich auf Gefahr des Benützers (§ 176 Abs 1 ForstG). Den Waldeigentümer und seine Leute trifft keine Pflicht zur Abwendung der Gefahr von Schäden, die abseits von öffentlichen Straßen und Wegen durch den Zustand des Waldes entstehen könnten. Sie sind - vorbehaltlich des § 176 Abs 4 ForstG oder des Bestehens eines besonderen Rechtsgrundes - nicht verpflichtet, den Zustand des Waldbodens und dessen Bewuchses so zu ändern, dass dadurch solche Gefahren abgewendet oder verhindert werden (§ 176 Abs 2 ForstG). Dazu ist schon an dieser Stelle zur Frage der Kausalität die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zu bestätigen, dass die Beklagte dann haftungsfrei wäre, wenn der Unfall von einem Felssturz verursacht worden wäre, der den Abgang des auf die Fahrbahn gestürzten Baumes ausgelöst hätte und nicht der von der Klägerin behauptete umgekehrte Fall vorliegt. Das Forstgesetz böte dann keine Haftungsgrundlage, genauso wie im Nachbarrecht Ansprüche nicht auf Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Grundstücks gestützt werden können (Spielbüchler in Rummel ABGB3 Rz 10 zu § 364; SZ 57/187).

§ 176 Abs 4 erster Satz ForstG normiert die Haftung für den Zustand einer Forststraße oder eines sonstigen Weges im Wald im Sinne des § 1319a ABGB. Forststraßen und Wege gelten gemäß § 1 Abs 3 iVm § 59 ForstG als Teil des Waldes (1 Ob 625/94 = SZ 68/145). Das Berufungsgericht geht von einer möglichen Haftungsgrundlage des § 176 Abs 4 zweiter Satz ForstG aus. Danach haften der Waldeigentümer, sonstige an der Waldbewirtschaftung mitwirkende Personen und deren Leute für Schäden auf Wegen durch den Zustand des daneben liegenden Waldes keinesfalls strenger als der Wegehalter. Unter den Begriff "Wege" fallen nach dem weiten Begriffsinhalt des § 1319a Abs 2 ABGB auch alle öffentlichen Verkehrsflächen und die von jedermann benutzbaren Privatstraßen (Harrer in Schwimann ABGB2 Rz 4 zu § 1319a). Nach Auffassung des erkennenden Senates setzt die im Abs 4 zweiter Satz angesprochene Schadensverursachung durch den Zustand des benachbarten Waldes nicht voraus, dass der Waldeigentümer auch Wegehalter des Weges ist, für dessen Zustand er schon nach § 1319a ABGB iVm § 176 Abs 4 erster Satz ForstG haftet.

Die Beklagte ist nicht Wegehalter der Bundesstraße. Entscheidungswesentlich ist daher, ob sie eine Obsorgepflicht zu Gunsten der Straßenbenützer wegen der vom Waldzustand ausgehenden Gefahr trifft. Haftungsgrundlage könnte § 174 Abs 4 zweiter Satz ForstG sein, darüber hinaus das Nachbarrecht, die analoge Anwendung des § 1319 ABGB oder ganz allgemein die Haftung nach dem Ingerenzprinzip:

1. § 1319 ABGB normiert die Haftung für den Einsturz oder die Ablösung von Teilen eines Gebäudes, wodurch jemand verletzt wird oder sonst einen Schaden erleidet. Nach der von der Lehre gebilligten ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung wird diese Haftung im Wege der Analogie auf umstürzende Bäume ausgeweitet (MietSlg 35.260; SZ 59/121; 1 Ob 93/00h mwN; Harrer in Schwimann ABGB2 Rz 16 zu § 1319; Koziol, Haftpflichtrecht II2 395; Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 11 zu § 1319). Als ersatzpflichtig wird nicht nur der Eigentümer des Gebäudes (hier also der Grundstückseigentümer), sondern jeder Inhaber angesehen, der in der Lage war, die erforderlichen Vorkehrungen zur Abwehr der Gefahr zu treffen, insbesondere also auch der Fruchtnießer (Koziol aaO 399 mwN). Aus dieser Rechtslage ergibt sich eine Obsorgepflicht des Grundstückseigentümers und seines Nutzungsberechtigten für die Schäden, die durch einen umstürzenden Baum verursacht werden, ohne dass das Tatbestandsmerkmal eines Waldes vorliegen müsste.

2. Auch den Waldeigentümer treffen wegen seiner Eigenschaft als Nachbar des öffentlichen Guts Unterlassungspflichten. Das Immissionsverbot des § 364 ABGB umfasst auch grob körperliche Immissionen (Oberhammer in Schwimann ABGB2 Rz 3 zu § 364 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst in zwei Entscheidungen das Abrutschen von Baumstämmen als Immissionen qualifiziert und das Haftungsprivileg des § 176 Abs 3 ForstG verneint (5 Ob 3/99y; 10 Ob 33/00a).

3. Die Rechtsprechung bejaht eine Haftung nach dem Ingerenzprinzip. Aus den §§ 1295, 1319 ua ABGB im Verein mit den Bestimmungen des Strafgesetzes (StGB) zum Schutz des Lebens und der körperlichen Sicherheit wurde der Grundsatz abgeleitet, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zur Abwendung der daraus drohenden Gefahren zu treffen hat (SZ 52/33 uva). Die natürliche Beschaffenheit des Hanges (Steilheit; Bodenbewuchs; Vorhandensein von Felsbrocken) hat die Beklagte nicht geschaffen. Das natürliche Wachsen und Absterben von Bäumen ist keine von Menschenhand geschaffene Gefahrenquelle. Grundsätzlich ist ein Waldeigentümer auch durchaus berechtigt, in seinem Wald totes Holz liegen zu lassen. Entscheidungswesentlich ist daher, ob diese Eigentumsfreiheit dann zu beschränken ist, wenn das Stehenlassen der Bäume erkennbar eine Gefährdung anderer bedeutet. Nach Bobek/Plattner/Reindl, ForstG2 Anm 6 zu § 176 zieht § 176 Abs 2 ForstG die Nachbargrenze in die Pflicht zur Gefahrenabwehr nicht ein. Der gefährliche Waldzustand sei nur ein Bannlegungsgrund nach § 27 Abs 2 lit g ForstG zu Lasten des Geschützten (hier das öffentliche Gut; Bundesstraßenverwaltung). Die Autoren empfehlen aber immerhin unter Hinweis auf § 89 StGB, erkennbar gefährliche Bäume im unmittelbaren Gefahrenbereich zu entfernen oder eine Bannlegung nach den Bestimmungen des ForstG zu veranlassen. Der Hinweis auf das Gefährdungsdelikt des Strafrechts ist im Hinblick auf das Ingerenzprinzip wohl begründet.

4. Dass auch § 174 Abs 4 zweiter Satz ForstG dem benachbarten Waldeigentümer Sorgfaltspflichten zu Gunsten der Benützer öffentlicher Straßen auferlegt, ergibt die Auslegung der vorangehenden Gesetzesbestimmungen nach ihrem Zusammenhang. Im Abs 2 leg cit wird unter ausdrücklichem Vorbehalt des Abs 4 die mangelnde Pflicht zur Abwendung der Gefahr von Schäden, die abseits von öffentlichen Straßen und Wegen durch den Waldzustand entstehen können, normiert. Für Schäden auf öffentlichen Straßen und Wegen gilt daher (arg. e contrario aus Abs 2 iVm Abs 4) Anderes, nämlich a) die Haftung des Waldeigentümers für Schäden aus dem Zustand der Forststraße oder eines sonstigen Weges (d.i. der vom Waldeigentümer zur allgemeinen Benützung gewidmete Weg) und b) die Haftung des benachbarten Waldeigentümers für die durch den Waldzustand verursachten Schäden (Jäger/Blauensteiner, Forstrecht2 Anm 4 zu § 176). Die zuletzt genannte Haftung ist keine Wegehalterhaftung, sondern eine zu dieser hinzutretende, nicht nur im Forstrecht, sondern schon im allgemeinen Ingerenzprinzip begründete Haftung. In der Entscheidung 1 Ob 625/94 = SZ 68/145 wurde - wenn auch nur obiter - ausgesprochen, dass § 176 Abs 2 und Abs 4 ForstG den Waldeigentümer mit der Obsorgepflicht bei erkennbar gefährlichem Waldzustand entlang öffentlicher Straßen und Wege belasten. Aus den dargelegten Gründen ist diese Obsorgepflicht zu Gunsten der Straßenbenützer der an den Wald angrenzenden öffentlichen Straße zu bejahen.

5. Die Rekurswerberin wendet sich gegen die Anwendbarkeit der Haftungsbestimmung des § 176 Abs 4 zweiter Satz ForstG mit dem Argument, ein in einem Steilhang 100 m (nach Meinung der Rekurswerberin 120 m) oberhalb der Straße stehender Baum könne nicht als Baum eines "daneben liegenden Waldes" qualifiziert werden. In der Forstwirtschaft werde bei Steilhängen der Gefährdungsbereich höchstens mit 1,5 bis 2 Baumlängen angenommen. Dazu ist Folgendes auszuführen:

Der zitierte Gesetzesbegriff ist unbestimmt und nach dem Gesetzeszweck auszulegen. Eine Einschränkung auf den unmittelbaren Gefährdungsbereich ergibt sich schon aus dem im Schadenersatzrecht herrschenden Adäquanzprinzip. Nicht jede für einen Schadenserfolg kausale Handlung oder Unterlassung macht haftbar, sondern nur diejenige, für die der eingetretene Erfolg typisch ist. Zwar ergeben sich auch hier Abgrenzungsschwierigkeiten, immerhin können aber geradezu unwahrscheinliche (atypische) Schadensabläufe ausgeschieden werden. Wenn der Waldeigentümer grundsätzlich zur vorbeugenden Abwehr eines vom Waldzustand drohenden Schadens abseits von Straßen nicht verpflichtet ist (§ 176 Abs 2 ForstG), soll dies nicht durch eine extensive Auslegung des Abs 4 zweiter Satz ForstG unterlaufen werden. Bobek/Plattner/Reindl befürworten (aaO Anm 22 zu § 176) eine Einschränkung der Haftung auf den unmittelbaren Nahebereich des Waldes zur Straße und verweisen dazu auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (E 1 und 2 in Anm 28 zu § 172), wonach es (auch) auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit von Maßnahmen und auf die Möglichkeit einer Bannlegung nach den §§ 27 ff ForstG als Instrument der Gefahrenabwehr ankomme. Der Schutz der Straßenbenützer wäre ein Bannzweck nach § 27 Abs 2 lit g ForstG. Die Kosten der von der Behörde vorgeschriebenen Maßnahmen könnte der Waldeigentümer auf den Begünstigten, das wäre hier der Wegehalter (Straßenverwaltung) überwälzt werden (§ 28 Abs 4 ForstG). Die zitierten Autoren verweisen auch auf die Verkehrssicherungspflicht des Wegehalters, der den Zustand des daneben liegenden Waldes mit zu beobachten und die nötigen Vorkehrungen zu veranlassen habe (aaO Rz 22 zu § 176). Die angeführten Gründe mögen durchaus für eine restriktive Auslegung des Begriffs "daneben liegender Wald" sprechen, es ist aber entgegen der Intention der Rekurswerberin nicht möglich, den Haftungsbereich konkret (in Metern oder Baumlängen) festzulegen. Dies hat aus naheliegenden Gründen der Gesetzgeber nicht getan. Die für den Straßenbenützer aus dem Waldzustand erwachsende Gefahr hängt immer von den örtlichen Verhältnissen ab. Bei einem mit Bäumen bewachsenen Steilhang entfiele bei einer Begrenzung des Gefährdungsbereichs in dem von der Beklagten angestrebten Ausmaß (30 bis 50 m) schon sehr bald die Haftung des Waldeigentümers, obwohl auch weiter und höher entfernt stehende Bäume eine potentielle und realistische Gefahr darstellen können. Die von der Rekurswerberin angestrebte Begrenzung mag für einen in der selben horizontalen Ebene an die Straße anschließenden Wald gelten, nicht aber generell, weil sonst eine Haftung des Waldeigentümers schon dann entfiele, wenn sich der benachbarte Wald auf einem Plateau 50 m oberhalb der Straße befindet, an die eine senkrechte Felswand anschließt. Dass ein am Plateaurand stehender Baum für die darunter liegende Straße eine eminente Gefahrenquelle darstellt, ist offenkundig. Eine Handlungspflicht ergibt sich - wie schon ausgeführt - schon aus der analogen Anwendung des § 1319 ABGB. Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass in einem solchen Fall wegen der lex specialis des § 176 Abs 4 ForstG ein Waldeigentümer nach dieser Gesetzesstelle für den "daneben liegenden Wald" mit der Haftungseinschränkung auf grobe Fahrlässigkiet haftet. Bei der Auslegung des Begriffs "daneben liegend" ist auf den Schutzzweck der Haftungsnorm und damit auf die konkrete Gefährlichkeit, wie sie sich aus der Lage des Waldes ergibt, abzustellen.

Die von einem benachbarten Wald ausgehende Gefahr hängt von der Hangneigung, von der Dichte des Baumbestandes, der Größe der Bäume, dem Untergrund und anderen im Einzelfall jeweils unterschiedlichen Faktoren ab. Dies hat das Berufungsgericht grundsätzlich richtig erkannt. Seine Aufträge zur Verfahrensergänzung sind allerdings zu erweitern. Wohl wurde vom Erstgericht ein dichter Bewuchs des Steilhanges mit Mischwald und eine Abbruchstelle eines Baums 100 m oberhalb der Fahrbahn festgestellt. Da aber Feststellungen über die Größe der Bäume, die Abstände der Bäume zueinander, die Zahl der Baumreihen unterhalb der festgestellten Abbruchstelle fehlen, kann nicht beurteilt werden, ob die Beklagte damit rechnen musste, dass im oberen Teil des Hanges ein Baum abgehen und mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit auf die Straße abrutschen könnte oder ob dies wegen der weiter unten stehenden Bäume als unwahrscheinlich erscheinen musste. In diese von einem Beobachter des Straßenrandes anzustellende Überlegung muss auch die Bodenbeschaffenheit mit einbezogen werden, weil es für die Absturzgeneigtheit einen Unterschied macht, ob der Hang bremsendes Niederholz oder eine das Abrutschen begünstigende Bodenbeschaffenheit aufweist. Dazu gehören auch Feststellungen über das Vorhandensein von größeren Steinen oder Felsbrocken, für deren Abgang der beklagte Waldeigentümer jedenfalls dann einzustehen hätte, wenn hiefür ein Umstürzen eines Baumes ursächlich sein könnte.

Erst nach Ergänzung des Sachverhalts im aufgezeigten Sinn kann im konkreten Fall beurteilt werden, ob die festgestellte Baumabbruchstelle im unmittelbaren Gefährdungsbereich der Straße, also in einem "daneben liegenden Wald" im Sinne des § 176 Abs 4 zweiter Satz ForstG lag. Bei Bejahung dieser Frage sowie der Kausalität des Baumabstürzens für den Unfall werden im fortzusetzenden Verfahren zum Thema des Verschuldens Feststellungen über eine Kontrolltätigkeit der Beklagten und deren wirtschaftliche Zumutbarkeit sowie allenfalls auch über Absprachen der Beklagten mit der Straßenverwaltung zu treffen sein, die ihrerseits als Wegehalter verpflichtet war, die Fahrbahn der Bundesstraße aber auch deren Ränder im Hinblick auf die Verkehrssicherheit im weitesten Sinn zu überprüfen (Harrer aaO Rz 16 zu § 1319a). Die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen sind derart zu erhalten, dass sie von allen Verkehrsteilnehmern gefahrlos benützt werden können (SZ 55/142). Die Behörde hat bei der Gefahr von Steinschlägen, Murenabgängen uä (also auch bei drohenden Baumabgängen) Gefahrenschilder aufzustellen und über Antrag der Bundesstraßenverwaltung unter anderem Baumschlägerungen anzuordnen (§ 23 BundesstraßenG) oder die Entfernung von Bäumen, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen (§ 91 Abs 1 StVO). Die in der Praxis häufig anzutreffenden Absprachen zwischen Straßenverwaltung und Waldeigentümer entbindet den Waldeigentümer zwar nicht von seiner eigenen Obsorgepflicht, kann aber bei der Beurteilung des Verschuldensgrades eine Rolle spielen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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