JudikaturJustiz6Ob206/17p

6Ob206/17p – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. N***** A*****, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin F*****gesellschaft mit beschränkter Haftung Co KG (AZ ***** des Handelsgerichts Wien), vertreten durch Abel Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei KR Dkfm. P***** N***** L*****, vertreten durch Ankershofen Goess Hinteregger Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 117.414,59 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Mai 2017, GZ 5 R 12/17x 46, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Der Beklagte erhielt als Kommanditist der Schuldnerin in den Jahren 1989 bis 2008 Darlehen, die mit 65.310,60 EUR an Kapital und 52.103,99 EUR an Zinsen (insgesamt der Klagsbetrag) aushaften. Im Jahr 2008 rechnete er außergerichtlich gegen diese Darlehensforderung mit einer ihm von dritter Seite abgetretenen Forderung in Höhe von 170.000 EUR auf; darüber hinaus wendete er im erstinstanzlichen Verfahren diese Forderung als Gegenforderung ein. Die Vorinstanzen erkannten die Kapitalforderung und die Gegenforderung als zu Recht bestehend und wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

1. Bei der Gewährung von Darlehen einer GmbH oder einer GmbH Co KG, deren einziger persönlich haftender Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft ist, an einen Gesellschafter, ist – wie auch sonst bei Fragen der Einlagenrückgewähr – entscheidend, ob eine Besserstellung des Gesellschafters gegenüber anderen Vertragspartnern der Gesellschaft erfolgt und ob diese Bevorzugung aufgrund der Gesellschafterstellung erfolgt und zu Lasten der Gesellschaft geht (6 Ob 171/15p [ErwGr 5.5.]; 6 Ob 114/17h [ErwGr 2.1.]). Diese Voraussetzung trifft bei der Gewährung von Darlehen in der Regel zu, weil Nicht-Banken im Normalfall keinen Geldkredit begeben. Aus diesem Grund dürfen Darlehen nur dann ausnahmsweise an Gesellschafter vergeben werden, wenn die Auskehr der Mittel mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar ist (6 Ob 114/17h [ErwGr 2.1.]). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor, was im Revisionsverfahren auch nicht (mehr) strittig ist. Die Darlehensgewährungen verstießen demnach gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nach §§ 82 f GmbHG.

2. Es ist zwar grundsätzlich auch nicht (mehr) strittig, dass mit der seit 13. 3. 2014 gerichtsanhängigen Leistungsklage die fünfjährige Verjährungsfrist des § 83 Abs 5 GmbHG, die im Zeitpunkt der rechtswidrigen Zahlungen zu laufen begonnen hatte ( Gellis , GmbHG 7 [2009] § 83 Rz 15; Auer in Gruber/Harrer , GmbHG [2014] § 83 Rz 24 iVm Rz 4), nicht gewahrt wurde. Soweit sich der Kläger im Revisionsverfahren auf den Hemmungstatbestand des § 1494 ABGB beruft – der Beklagte sei bis 21. 3. 2011 Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Schuldnerin gewesen; es sei deshalb nicht zu erwarten gewesen, dass er vor diesem Zeitpunkt allfällige Rückersatzansprüche der Schuldnerin gemäß §§ 82 f GmbHG gegen sich selbst durchsetzen werde (vgl dazu 6 Ob 110/12p RWZ 2012/91 [ Wenger ] = GesRZ 2013, 38 [ Torggler ]) –, ist er darauf hinzuweisen, dass er sich im Verfahren erster Instanz auf eine derartige Hemmung der Verjährung nicht berufen hat. Wendet aber die beklagte Partei begründet Verjährung ein, muss die klagende Partei behaupten und unter Beweis stellen, dass aufgrund eines Ausnahmetatbestands doch keine Verjährung eingetreten ist; im Rechtsmittelverfahren ist es dafür zu spät (vgl RIS Justiz RS0034726). Wer sich auf eine Hemmung der Verjährung beruft, ist dafür beweispflichtig, dass zufolge eines konkreten Sachverhalts eine solche Hemmung eingetreten ist (RIS-Justiz RS0034647; jüngst auch 6 Ob 54/17k; ebenso M. Bydlinski in Rummel , ABGB³ [2002] § 1494 ABGB Rz 3).

Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs konkurriert jedoch der Rückforderungsanspruch nach §§ 82 f GmbHG mit der Rückforderung von verbotswidrigen Leistungen nach allgemeinem Bereicherungsrecht (RIS-Justiz RS0128167); der gesellschaftsrechtliche Rückgewähranspruch soll eine zusätzliche, nicht mit den möglichen Schwächen eines Bereicherungsanspruchs behaftete und dafür grundsätzlich innerhalb einer relativ kurzen Frist verjährende Rückforderungsmöglichkeit verschaffen, ohne dass damit auch andere bereits aus dem allgemeinen Zivilrecht ableitbare Anspruchsgrundlagen verdrängt werden sollten (6 Ob 110/12p). Demnach kommt neben der Verjährungsfrist des § 83 Abs 5 GmbHG auch die allgemeine (lange) Verjährungsfrist zum Tragen (RIS-Justiz RS0128167). Die Vorinstanzen haben somit zutreffend (und vom Beklagten auch nicht bekämpft) die Kapitalforderung als zu Recht bestehend erkannt; auf die abgewiesene Zinsenforderung kommt die außerordentliche Revision hingegen nicht mehr zurück.

3. Der Kläger vertritt die Auffassung, der Beklagte habe im Hinblick auf §§ 82 f, § 63 Abs 3 GmbHG gegen seine Ansprüche nicht mit der ihm abgetretenen Forderung eines Dritten gegen die Schuldnerin aufrechnen dürfen; die Aufrechnung wirke auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Forderungen erstmals einander gegenüberstanden. Dem ist nicht zu folgen:

3.1. Tatsächlich entspricht es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine Aufrechnung gegen Ansprüche aus der verbotenen Rückgewähr von Einlagen nicht zulässig ist; der Zweck des § 83 GmbHG liege eindeutig darin, der Gesellschaft das ihr entzogene Kapital alsbald wieder zu verschaffen (6 Ob 72/16f GesRZ 2016, 343 [ Ettmayer/Arnold ]; 6 Ob 114/17h; vgl auch 6 Ob 110/12p).

Allerdings wurde in der Entscheidung 6 Ob 114/17h (ErwGr 6.1.) klargestellt, dass sich der Rückzahlungsanspruch nach § 83 Abs 1 GmbHG von bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen unterscheidet, sodass es nicht statthaft ist, ohne weiteres zum Bereicherungsrecht entwickelte Lösungen auch auf den Anspruch nach § 83 Abs 1 GmbHG zu übertragen. Dies gilt auch für den umgekehrten Fall, weshalb keine Grundlage dafür besteht, das zu § 83 Abs 1 GmbHG entwickelte Aufrechnungsverbot auf einen auf allgemeines Bereicherungsrecht gestützten Rückforderungsanspruch zu übertragen. § 83 Abs 1 GmbHG stellt ausschließlich auf den faktischen Leistungsempfang ab (6 Ob 114/17h) und ist eigenständiger (gesellschaftsrechtlicher, weder bereicherungs- noch schadenersatzrechtlicher) Natur ( Auer in Gruber/Harrer , GmbHG § 83 Rz 4 mwN); er soll der Gesellschaft das ihr entzogene Kapital alsbald wieder verschaffen (RIS Justiz RS0130869). Kann sich somit die Gesellschaft aufgrund eingetretener Verjährung ihres Rückforderungsanspruchs nicht mehr auf §§ 82 f GmbHG stützen, ist auch dem von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang stipulierten Aufrechnungsverbot der Boden entzogen.

3.2. Daran ändert auch nichts, dass zwar die Aufrechnungswirkung in dem Zeitpunkt eintritt, in dem sich die Forderungen erstmals gegenüberstanden (RIS-Justiz RS0033955, RS0033904).

Für die Frage, ob eine Aufrechnung überhaupt möglich ist, ob also die von § 1438 ABGB genannten Voraussetzungen für eine Aufrechnung (etwa Gleichartigkeit, Gegenseitigkeit und dergleichen) erfüllt sind, kommt es jedoch auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung an (RIS Justiz RS0120622). Dies hat auch für die Frage zu gelten, ob einer Aufrechnung das Verbot des § 63 Abs 3 GmbHG entgegensteht, handelt es sich hier doch ebenfalls um eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Aufrechnung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht die ständige Rechtsprechung zwar für verjährte Forderungen (RIS-Justiz RS0034016); aufgrund der Rückwirkung der Aufrechnung tritt die Schuldtilgung mit Zugang der Aufrechnungserklärung rückwirkend zu dem Zeitpunkt ein, zu dem sich die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüberstanden (verstSenat 6 Ob 179/14p [ErwGr 5.1.6.]). Diese „Rückwirkungsthese“ gilt aber ausschließlich im Zusammenhang mit verjährten Gegenforderungen (so ausdrücklich verstSenat 6 Ob 179/14p [ErwGr 5.1.8.]).

4. Die außerordentliche Revision macht weiters geltend, die im Prozess erhobene Aufrechnungseinrede sei unzulässig, weil bereits die vom Beklagten im Jahr 2008 vorgenommene Aufrechnung ein unzulässiges Insichgeschäft gewesen sei. Auch dem kann nicht gefolgt werden:

Im Prozess kann die Aufrechnung als Schuldtilgungseinwand, der sich auf eine (vor oder während des Prozesses) bereits vollzogene (außergerichtliche) Aufrechnung stützt, oder durch prozessuale Aufrechnungseinrede geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0033915 [T2]). Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen zwar eine rechtswirksame außergerichtliche Aufrechnung verneint, die prozessuale Aufrechnungseinrede zutreffend jedoch für zulässig angesehen. Die Aufrechnungseinrede im Prozess ist eine bedingte Erklärung, die erst und nur für den Fall wirksam wird, dass das Gericht den Bestand der Hauptforderung bejaht (RIS Justiz RS0034013 [T1]). Inhalt der Aufrechnungseinrede ist die Einwendung einer Gegenforderung der beklagten Partei gegen die klagende Partei mit dem Ziel, das Gericht möge durch die Entscheidung über den Bestand und die Aufrechenbarkeit der Gegenforderung die Aufrechnung mit der Klagsforderung vollziehen und das Klagsbegehren abweisen (RIS-Justiz RS0033911). Damit ist aber nicht erkennbar, weshalb in der prozessualen Aufrechnungseinrede ein unzulässiges „Insichgeschäft“ liegen sollte. Bei dieser handelt es sich nicht um ein „Geschäft“ mit dem Aufrechnungsgegner in Form einer Aufrechnungsvereinbarung, sondern um eine doppelfunktionale Prozesshandlung, die zudem materiell rechtlich eine (einseitige; RIS Justiz RS0033831) Aufrechnungserklärung darstellt ( Deixler-Hübner in Fasching/Konecny Bd III² [2004] § 391 ZPO Rz 23).

5. Auch wenn gesetzliche Aufrechnungsverbote auch im Insolvenzverfahren fortbestehen (vgl auch Schubert in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze [1998] § 20 KO 2 Rz 22) so ändert dies hier nichts. Hier bestand (und besteht) insoweit ja gar kein Aufrechnungsverbot (vgl oben 3.).

Rechtssätze
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