JudikaturJustiz6Ob181/22v

6Ob181/22v – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte, Mag. Wurzer, Mag. Wessely-Kristöfel, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei J*, vertreten durch Mag. Maximilian Donner Reichstädter, LL.M., LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei A* SE, *, Deutschland, vertreten durch Ruggenthaler, Rest Borsky Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und 20.000 EUR sA, hier wegen einstweiliger Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. August 2022, GZ 2 R 111/22s 16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen untersagten der Beklagten gemäß § 78 UrhG mit einstweiliger Verfügung die Veröffentlichung von konkret bezeichneten Abbildungen der Klägerin einerseits und ihres verstorbenen Ehemanns andererseits, wenn im Begleittext jeweils näher angeführte Behauptungen verbreitet würden.

[2] Die Beklagte macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs geltend, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Auswirkungen eines auf das Sicherungsverfahren beschränkten Unterlassungsvergleichs auf den Anspruch auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung; darüber hinaus habe das Rekursgericht den Wegfall der Wiederholungsgefahr in Abweichung von den Grundsätzen der Rechtsprechung verneint.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig .

1. Zur Gefährdung iSd § 381 EO

[4] 1.1. Gemäß § 381 Z 2 zweiter Fall EO können zur Sicherung anderer Ansprüche einstweilige Verfügungen getroffen werden, wenn derartige Verfügungen zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen, wobei die Umstände, die die Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO begründen, von der gefährdeten Partei zu behaupten und zu bescheinigen sind (RS0005311).

[5] 1.2. Davon normiert § 87c Abs 3 UrhG (vor BGBl I 2006/81: § 81 Abs 2 UrhG) eine Ausnahme. Nach § 87c Abs 3 UrhG können einstweilige Verfügungen zur Sicherung von Unterlassungs und Beseitigungansprüchen nach dem UrhG auch dann erlassen werden, wenn die in § 381 EO bezeichneten Voraussetzungen nicht vorliegen.

[6] 1.3. Die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung aufgrund des UrhG setzt daher keine Bescheinigung der Gefährdung voraus (4 Ob 63/05a = RS0077273 [T1] zu § 81 Abs 2 UrhG idF vor BGBl I 2006/81; vgl E. Kodek in Angst/Oberhammer , EO³ [2015] § 381 EO Rz 18). Der Gesetzgeber hat damit gegen unzulässige Bildberichterstattung – wegen deren besonderen Auffälligkeitswerts – den erleichterten Schutz im Provisorialverfahren vorgesehen (6 Ob 88/15g MR 215, 235 [ Korn ]).

[7] Die gefährdete Partei hat in diesen Fällen nur den (begangenen oder drohenden) Verstoß – also die Grundlage für ihren Unterlassungsanspruch – zu behaupten und zu bescheinigen, nicht aber eine Gefährdung ( E. Kodek in Angst/Oberhammer , EO³ § 381 EO Rz 21). Da es sich um eine Befreiung von der Voraussetzung des § 381 EO handelt, steht dem Antragsgegner eine Gegenbescheinigung, also die Bescheinigung der im Einzelfall fehlenden Anspruchsgefährdung, nicht zu (RS0005170 [T3]; 4 Ob 157/14p; 4 Ob 201/14h, beide mwN, je zur korrespondierenden [vgl nur RS0077273] Bestimmung des § 24 UWG; Ofner/Donath in Kucsko/Handig , urheber.recht² [2017] § 87c UrhG Rz 34).

[8] 1.4. Soweit die Beklagte auf dem Standpunkt steht, der von ihr angebotene Abschluss eines Vergleichs, mit dem sie sich (nur) bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Hauptverfahren zur begehrten Unterlassung verpflichte, lasse die gemäß § 381 EO erforderliche Gefährdung entfallen (vgl dazu König/Weber , Einstweilige Verfügungen 6 [2022] Rz 6.52/1), lässt sie außer Acht, dass eine solche Gefährdung im vorliegenden Fall gemäß § 87c Abs 3 UrhG nicht Voraussetzung der beantragten einstweiligen Verfügung ist, sodass es auf den allfälligen Wegfall der Gefährdung nicht ankommt.

[9] 1.5. Die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage nach den Auswirkungen ihres Vergleichsanbots auf den Anspruch auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stellt sich daher im vorliegenden Fall nicht. Darin liegt daher auch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0088931).

2. Zur Wiederholungsgefahr

[10] 2.1. Materielle Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser zuwider gehandelt wird (RS0037660; RS0012064). Das Angebot eines vollstreckbaren Vergleichs beseitigt im Regelfall die Wiederholungsgefahr (RS0079899; vgl RS0079962; RS0079898). Ob Wiederholungsgefahr im Einzelfall besteht, ist danach zu beurteilen, ob dem Verhalten des Täters nach der Beanstandung oder während des Rechtsstreits gewichtige Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RS0079692 [T13]). Dass der Verletzer ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen, ist dann anzunehmen, wenn er einen den ganzen Unterlassungsanspruch, unter Umständen auch den begehrten Veröffentlichungsanspruch (vgl RS0079180; RS0079921; RS0079899 [T21]) umfassenden, an keinerlei Bedingungen geknüpften Vergleich anbietet und nach den Umständen keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seines Willens bestehen, von gleichartigen Handlungen künftig Abstand zu nehmen (RS0079692 [T16]; RS0079899 [T2]).

[11] 2.2. Im vorliegenden Fall bot die Beklagte der Klägerin nur einen bis zum Abschluss des Hauptverfahrens befristeten Vergleich an. Bereits aufgrund der Befristung liegt darin nicht das Anbot eines umfassenden Unterlassungsvergleichs, das die Wiederholungsgefahr beseitigen und dadurch den Unterlassungsanspruch materiell zum Erlöschen bringen könnte.

[12] 2.3. Auf die Frage, ob die Beklagte darüber hinaus gehalten gewesen wäre, der Klägerin auch die Urteilsveröffentlichung anzubieten, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, kommt es daher für die Berechtigung des Sicherungsantrags nicht an. Soweit die Beklagte in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs geltend macht, das Rekursgericht sei in diesem Zusammenhang von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen, wird damit keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt, weil die Entscheidung des Falls von der Beantwortung dieser Frage nicht abhängt (vgl RS0088931).